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Archiv "Die neuen Probleme der medizinischen Ethik" (06.08.1981)

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Transfer-System

weiter an der individuellen Situation der Betroffenen auszurichten. Kon- sequenterweise soll es auch ober- halb des Sozialhilfeniveaus beim Zu- sammenhang zwischen Beitrags- zahlung im Erwerbsleben und späte- rer Rente bleiben. Die Einführung einer bedarfsunabhängigen Min- destrente wird deshalb abgelehnt.

..,. Abstimmung der Transferlei- stungen- Als dringlich wird die Ver- einheitlichung der Bemessungs- grundlagen, möglichst in Anlehnung an das Steuerrecht, angesehen . ..,. Finanzierung der Sozialleistun- gen - Die Beitragsfinanzierung soll prinzipiell beibehalten werden; dem steht jedoch nach Auffassung der Kommission eine relative Erhöhung der Staatszuschüsse aus vertei- lungspolitischen Gründen nicht ent- gegen.

..,. Leistungsansprüche sollen bei vergleichbarem sozialen Tatbestand möglichst nur gegenüber einem Lei- stungsträger geltend gemacht wer- den können. Bezüglich der lnvalidi- tätsabsicherung wird dafür plädiert, anstah nach den mannigfachen ln- validitätsursachen zu fragen, für mehr Einheitlichkeit im Versiche- rungssystem zu sorgen.

..,. Eine Harmonisierung unter- schiedlicher Alterssicherungssy- steme hält die Kommission für wün- schenswert. Eine Annäherung der unterschiedlichen Versorgungsnive- aus müßte nach Ansicht der Kom- mission insbesondere bei den Vor- aussetzungen und maßgeblichen Faktoren für die Berechnung der Versorgungsleistungen, aber auch der Finanzierungsseite ansetzen. ln diesem Zusammenhang wird ange- regt, auch die Art der steuerlichen Begünstigung der betrieblichen Al- tersversorgungssysteme zu über- prüfen.

Die Belastungsprobleme im Bereich der Alterssicherung als Folge der demographischen Entwicklung sind nach Ansicht der Kommission lös- bar, vorausgesetzt, daß ein aktiver Eingriff, wie beispielsweise durch Veränderung der Altersgrenze oder Ausweitung der Leistungen, das Sy- stem nicht vollends aus den Angeln

hebt. ck

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

TAGUNGSBERICHT

Die neuen Probleme der medizinischen Ethik

XXXIII. Jahrestagung der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands

Hannes Sauter-Servaes

Die Jahrestagungen der "Katholischen Ärztearbeit Deutschlands", die als religiös-wissenschaftliche Ärztekongresse, multidisziplinär ange- legt, bis zum Jahre 1946 zurückverfolgt werden können, haben der medizinischen Ethik zwar immer schon besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Unter dem Eindruck des Wandels der Medizin und der Gesellschaft im technischen Zeitalter, in welchem die wissenschaftli- chen und technischen Entwicklungen dem bewährten überlieferten Berufsethos gleichsam davongeeilt sind, war in diesem Jahr die ganze Tagung (17. bis 21. Juni 1981 in Weingarten) den neuen Problemen medizinischer Ethik zu widmen. Theologen, Naturwissenschaftler, Juristen und Ärzte von international anerkanntem Rang haben als Referenten das Panorama der hochaktuellen Thematik aufgezeigt und manche Wege zu Lösungen gewiesen.

Der Mensch ist ganz Natur und als Natur mannigfaltig bedingt, be- grenzt und determiniert. Er ist aber als Natur auch geöffnet und bean- sprucht von dem, der alle Natur um- faßt und übergreift. Er ist gleichsam ihn berührend mit dem Scheitel sei- nes Wesens. Aber er kann ihn nicht fassen und geht darum wie tau- melnd auf seinem Weg. Dieses "zwi- schen" Determiniertheil und Frei- heit ist Gegenstand aller Ethik und Moral. Die Instabilität zwischen Gut und Böse, nicht von der Sicherheit der Naturwesen und nicht von der Sicherheit Gottes, sind Größe und Gefahr auch im Rahmen der medizi- nischen Wissenschaft.

Wenn man sich mit Menschenrech- ten und Grundwerten im Blick auf die moderne Medizin befaßt, geht es um zwei Gesichtspunkte von ent- scheidender Bedeutung:

Da geht es einmal um die Frage, wie die moderne Medizin fertig wird mit der in ihr selbst auftauchenden Ver- suchung, die Menschenrechte anzu-

tasten. Die Medizin des Laborato- riums - nicht die des Sprechzim- mers und des Krankenhauses- fühlt sich verlockt zum biotechnischen Experiment, das sie eigentlich der Tiermedizin abgeschaut hat. Die künstliche Besamung, im Falle eines ungewollt unfruchtbaren Ehepaares aus dem Samen des Ehemannes ethisch vertretbar, wird zur ethi- schen Frage im Falle eines heterolo- gen Samenspenders. Hier beginnt das unheimliche Spiel mit dem Le- bens- und Zeugungsgeheimnis.

Noch unheimlicher ist heute die technisch mögliche Zeugung in der Retorte, vor allem wenn es sich um die Erweckung von Leben in beliebi- ger Kombination und ebenso belie- biger Implantation in einen weibli- chen Organismus handelt. Bedenkt man außerdem die technische Mög- lichkeit, menschliches Leben sozu- sagen serienmäßig zu fabrizieren, sowie die Genmanipulation als Vor- aussetzung zur Planung förmlicher Züchtungsprogramme, kann man nur noch von einer unheimlichen prometheischen Versuchung spre- DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 32 vom 6. August 1981 1533

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Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Jahrestagung der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands

chen, Ärzte in Menschenmacher zu verwandeln. In dieser Lage gibt es nur ein einziges Mittel der Orientie- rung, nur eine einzige Norm der Ent- scheidung, das ist die bedingungs- lose Achtung vor der Menschenwür- de, die Experimente mit dem Leben ausschließt. Denn wo die Schöpfung in ihrem Kern angetastet wird, be- ginnt der Frevel.

Als zweiter Gesichtspunkt figuriert die Frage, wie sich die Medizin des Ansinnens der Gesellschaft erwehrt, sich über die Menschenrechte hin- wegzusetzen. Die gegenwärtige Ge- qellschaft schickt sich an, die Kunst des Arztes der Auslöschung des be- ginnenden Lebens aber auch des zu Ende gehenden Lebens dienstbar zu machen. Es gibt schon Organisatio- nen, die für den menschenwürdigen Tod im Sinne des Rechtes auf Selbstmord und für das Recht auf Mord im Sinne direkter Tötung plä- dieren. Während diese Form der Eu- thanasie, bisher wenigstens, im Rechtskodex noch keinen Einlaß fand, ist die Tötung des Lebens an dessen Beginn, aus vorwiegend so- zialer Indikation, inzwischen legali- siert worden. Die Gesellschaft ist entschlossen, den Arzt zum Scher- gen der Exekution gegenüber den zum Tod verurteilten Ungeborenen zu machen. Dagegen sich zu wehren ist das Recht und die Pflicht der Ärz- teschaft um ihrer Berufsehre willen.

Sachverhalts- und Sinnforschung Jegliche Ethik, insbesondere die medizinische Ethik, sollte sich mü- hen, durch Sachverhalts- und Sinn- forschung die Einsicht in die unse- rem Handeln vorgegebene Güter- welt zu wecken und die unverzicht- baren Werthaltungen zu vertiefen.

Strukturelle Probleme medizin-ethi- scher Reflexion sind Gegenstand der Ethik-Kommissionen, die sich in der Folge der Deklarationen von Hel- sinki und Tokio als Gremien zur Be- ratung und Orientierung bei nicht- therapeutischen Experimenten und therapeutischen Versuchen am Menschen formiert haben. Einstwei- len leiden solche Kommissionen noch an der uralten Schwierigkeit,

zwischen einer faktischen Welt und einer idealen Welt zu vermitteln. Die in den Deklarationen von Ärzten er- arbeiteten Richtlinien für die biome- dizinische Forschung fordern Ver- besserungen des Schutzes des Indi- viduums- und seiner Rechte durch eine verstärkte Selbst- und Fremd- kontrolle. Dazu gehört in weitestem Sinne auch die sogenannte „Quali- tätssicherung" — ein unglücklicher Begriff, besser wäre Validitätssiche- rung — ärztlichen Handelns. Ein all- umfassendes Maß der Qualität gibt es nicht, zumal man Qualität eigent- lich nicht quantitativ messen kann.

Freiheit zwischen Sein und Sollen Eine besondere Attraktion im Zu- sammenhang mit der medizinischen Ethik-Thematik scheint das bioche- mische Modell der Regelkreis-Syste- me zu sein, das die lebendige Orga- nisation als Normenhierarchie er- klärt. Danach haben die im Verlauf der Evolution erworbenen Normen und Sollwerte einen weit größeren Einfluß auf unser Verhalten als alles, was von außen an uns herangetra- gen wird. Für die Mitmenschlichkeit wäre es vielleicht eine überraschen- de Erleichterung, wenn diese biolo- gischen Regulationen auf die Ebene der Ethik transponiert werden könn- ten. Doch würde da nicht die Frei- heit als Führungsgröße zwischen Sein und Sollen auf der Strecke bleiben?

Kongreßreferate und deren Diskus- sionen waren für über 150 Ärzte aus Dänemark, Österreich und der Bun- desrepublik Deutschland ein alar- mierendes Signal der Warnung vor den Gefahren einer Entwicklung, wo der groteske Prozeß einer Selbstent- faltung und Selbstzersetzung der Wissenschaft im Grunde in eine in- humane, amoralische Antiwissen- schaftlichkeit mündet und eigentlich eine neue „soziale Krankheitsform"

darstellt. Der Gegenstand der Über- legungen dieses Kongresses wird immer wieder den Kampf der „Söh- ne der Ratio" mit den „Töchtern der Emotio" provozieren. Schmerzlich erkannt werden muß die Grenze, die unseren Möglichkeiten, dem redli-

chen Wollen und dem besten Ver- mögen des Menschen gesetzt ist.

Ebenso hell und nachhaltig ist in das Bewußtsein getreten die Würde des Gebotes, die wesenhafte Ausrich- tung des Geistes auf die Gerechtig- keit und der Respekt vor den Tatsa- chen, die Elemente, welche die See- le des sittlichen Denkens ausma- chen.

Alle Wertentscheidungen stellen uns vor eine Wahl, d. h. sie rufen unsere Freiheit auf. Mose sprach beim letz- ten Abschied zu seinem Volk: „Ich habe dir vorgelegt Leben und Tod, wähle!" (Dt. 33,19) Wie aktuell ist doch dieses Wort auch für die medi- zinische Ethik geworden. Der Ärzte- stand, seit dem Hippokratischen Eid bis zur Deklaration von Genf in die Gewissenspflicht genommen,

„höchste Achtung vor dem mensch- lichen Leben zu bewahren, von dem Beginn der Empfängnis an, auch un- ter Drohungen seine medizinischen Kenntnisse nicht im Gegensatz zu den Gesetzen der Menschlichkeit anzuwenden", steht mit seiner mo- dernen Wissenschaft heute und künftig vor der Wahl zwischen Le- ben und Tod. Und dies nicht mehr nur im übertragenen Sinn, wie Mose sein Wort meinte, sondern im ele- mentaren, biologischen Sinn, in der Wahl zwischen Untergang und Über- leben.

Referenten der Tagung: Prof. Dr. theol.

Franz Böckle, Bonn; Prof. Dr. med. Au- gust Wilhelm von Eiff, Bonn; Prälat Bern- hard Hanssler, Bochum; Dr. Franz-Josef Illhardt, Freiburg im Breisgau; Prof. Dr.

rer. biol. hum. H. K. Selbmann, München;

Prof. Dr. med. Hans Schäfer, Heidelberg;

Prof. Dr. med. Dr. phil Heinrich Schipper- ges, Heidelberg; Prof. Dr. jur. Adolf Laufs, Heidelberg; Prof. Dr. Herbert Schriefers, Essen.

Tagungsleitung: Dr. med. Ursula Bran- denburg, Osnabrück; Dr. Hans-Heinrich Kurth, Bonn; Prälat Dr. Helmut Josef Patt, Bonn.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hannes Sauter-Servaes Am Rebberg 8

7700 Singen (Hohentwiel) 14 — Bohlingen

1536 Heft 32 vom 6. August 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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