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Archiv "Todesstrafe in den USA: Ein Tier genießt mehr Schutz" (23.06.2006)

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T H E M E N D E R Z E I T

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A1728 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 25⏐⏐23. Juni 2006

D

ie Diskussion um die Todesstrafe in den USA spitzt sich weiter zu.

Nachdem erst im Februar die Exe- kution des verurteilten Mörders Michael Morales in Kalifornien auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, weil sich kein Arzt zur Überwachung der Hinrichtung bereit erklärte, hat im Mai ein neuer Fall die Gemüter erregt. Die Henker von Jo- seph Lewis Clark brauchten rund einein- halb Stunden, um den 57-Jährigen zu tö- ten. „Es funktioniert nicht“, soll der To- deskandidat nach Angaben von Augen- zeugen gerufen haben, nachdem ihm die erste von drei Injektionen verabreicht worden war. Die Gefängnisangestellten versuchten weitere 25 Minuten, Clark die Injektion an Armen und Beinen zu legen, ohne zunächst eine geeignete Ve- ne für die Giftspritze zu finden. Die Ge- fängnisleitung ließ die Vorhänge für die- se Zeit zwar wieder schließen. Doch ein anwesender Reporter der US-Nachrich- tenagentur Associated Press berichtete später, wie man Clark noch durch die Scheibe zum Zuschauerraum stöhnen hören konnte.

Nicht vollständig betäubt

Der schockierende Zwischenfall gab Gegnern der Todesstrafe in den USA in ihrem Kampf gegen die vermeintlich humane Hinrichtungsmethode mit der Giftspritze neue Munition. Wochen zu- vor hatten der Todeskandidat Morales und sein Anwaltsteam in Kalifornien den Termin für die Hinrichtung vorerst aufheben können. Es sei nicht gewähr- leistet, so argumentierten sie bereits Anfang des Jahres, dass bei der Exeku- tion mit der Giftspritze keine unnötigen Qualen auftreten. Dies fordere aber der achte Zusatz zur US-Verfassung, mit dem „grausame und ungewöhnliche Strafen“ verboten werden. Mit dem gleichen Argument gelang es im US- Bundesstaat Florida unlängst dem ver- urteilten Mörder Clarence Hill, seine Hinrichtung aufschieben.

Wie im Fall Morales berufen sich die Verteidiger Hills auf eine Reihe neuerer Studien zur Vollstreckung der Todes- strafe mit der Giftspritze. Mitte April vergangenen Jahres bereits hatte das britische Medizinjournal „The Lancet“

die Ergebnisse postmortaler Untersu-

chungen von Hingerichteten veröffent- licht. Bei der Blutanalyse von 43 der 49 getöteten Gefangenen war dabei eine unzureichende Dosierung des Barbitu- rats Natriumthiopental festgestellt wor- den. Die Autoren schlossen daraus, dass die Todeskandidaten nicht vollständig betäubt waren, als die folgenden zwei Injektionen zugeleitet wurden: Pancu- roniumbromid und Kaliumchlorid. Oh- ne eine hinreichende Anästhesierung aber „würde die verurteilte Person Er- stickungsgefühle, ein heftiges Brennen, Muskelkrämpfe und schließlich den Herzstillstand bewusst erleiden“. Durch die in der Studie erhobenen Daten, so heißt es im Resümee, dränge sich die Vermutung auf, „dass die Anästhesie-

methoden bei Anwendung der Gift- spritze in den USA fehlerhaft sind“.

Die Erkenntnisse des Autorenteams haben Eingang in eine Studie der US- Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ gefunden – und damit in die politische Debatte. „Auch wenn die Fürsprecher der Giftspritze behaupten, die Gefangenen würden schmerzfrei sterben, gibt es zunehmend Belege, dass Gefangene während ihrer Exekutionen quälende Schmerzen erlitten haben“, heißt es in der 65-seitigen Studie. Immer- hin sei die Methode vor drei Jahrzehnten

„mit minimaler Fachkenntnis und unter unzureichender Beratung“ eingeführt worden. In der Folge würden Gefangene in den USA auf eine Art und Weise hin- gerichtet, die von der US-amerikani- schen Vereinigung von Veterinären selbst zum Einschläfern von Hunden und Katzen als zu grausam abgelehnt werde.

Verbreitete Hinrichtungsart

Von außen betrachtet scheint die Diskus- sion um eine spezifische Hinrichtungsart das Ziel zu verfehlen, wird doch – beson- ders vom europäischen Standpunkt aus – die Todesstrafe generell abgelehnt. Doch seit die Todesstrafe in den USA vor 30 Jahren, am 2. Juli 1976, wieder eingeführt wurde, sind von rund 1 030 Hingerichte- ten mehr als 850 mit der Giftspritze exe- kutiert worden. 36 der 38 Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe zur Anwendung kommt, bedienen sich dieser scheinbar humanen Methode. Die Gegner der To- desstrafe hoffen daher, mit ihren Argu- menten gegen die spezifische Methode die Strafe generell anzugreifen. „Tatsa- che ist doch, dass ein Tier in den USA mehr Schutz genießt als ein Todeskandi- dat“, sagt auch Sumit Bhattacharyya, US- Experte bei der deutschen Sektion von amnesty international (ai). Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt weist der ai-Mitarbeiter auch darauf hin, dass die Zahl der Hinrichtungen seit der Ein- führung der Giftspritze im Jahr 1982 mas- siv in die Höhe gegangen ist. Bhattach- aryya hofft daher darauf, dass sich die Fälle von Morales und Hill auf die Praxis auf US-Bundesebene auswirken. Das wird sich spätestens im September zei- gen. Dann soll der Fall von Michael Mo- rales neu aufgerollt werden.Harald Neuber

Todesstrafe in den USA

Ein Tier

genießt mehr Schutz

Der Zwischenfall bei einer Hinrichtung im Bundesstaat Ohio hat die Debatte um die Todesstrafe weiter angeheizt

.

Foto:AP

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