Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 42|
17. Oktober 2014 A 1773Antibiotika - therapie: Ärzte müssen leitlini- engerechter ver- ordnen, fordern Wissenschaftler.
Foto: dpa
Niedergelassene Ärzte in Deutsch- land verordnen Antibiotika zurück- haltender als noch vor Jahren. Al- lerdings gibt es Unterschiede bei den Verordnungen für bestimmte Altersgruppen. Das belegen Daten des Versorgungsatlas, den das Zen-
tralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Berlin herausgibt.
Analysiert wurden Verordnungsda- ten der Jahre 2008 bis 2012.
Als vorbildlich gelten danach die Kinderärzte. Sie verordnen Antibio- tika in geringeren Dosierungen und seltener. Zudem sank im Beobach- tungszeitraum der Anteil der Kin- der, die antibiotisch behandelt wur- ANTIBIOTIKA
Verordnungen sind rückläufig
den, auf unter 40 Prozent. Keinen Rückgang der Verordnungen gab es in der Altersgruppe der 15– bis 69-Jährigen. Hier müsse leitlinien- gerechter behandelt werden, for- dern die Autoren. Bei den über 70-Jährigen sanken die Antibiotika- verordnungen. Das könne aller- dings daran liegen, dass diese Pa- tienten bei Infektionen verstärkt in Kliniken eingewiesen und dort anti- biotisch behandelt würden, so die Autoren. Kritisch sehen sie die stei- genden Verordnungszahlen von Ce- phalosporinen. Die Wirkstoffklasse gelte aufgrund ihres breiteren Wir- kungsspektrums als Reservegruppe, die schweren Infektionen vorbehal- ten sein sollte, sagte der Leiter des Versorgungsatlas, Dr. med. Jörg Bätzing-Feigenbaum. Gewarnt wird dort auch vor dem Einsatz von Flu- orchinolonen bei Älteren. Diese Wirkstoffe würden den über 70-Jäh- rigen am häufigsten verordnet. Da- bei seien sie Hauptverursacher von Infektionen mit Clostridium diffi - cile. Hier müssten die Ärzte besser fortgebildet werden. hil
RANDNOTIZ
Thomas Gerst
Herzlichen Glückwunsch nach Göte- borg, wo von einer Großtat der Hochleistungsmedizin berichtet wird!
An der Universitätsklinik ist im Sep- tember ein Baby per Kaiserschnitt zur Welt gebracht worden, nachdem der 35-jährigen Mutter ein Jahr zu- vor die Gebärmutter einer 61-jähri- gen Freundin der Familie transplan- tiert worden war. Der Mutter vor der Transplantation entnommene und
eingefrorene Eizellen wurden in vitro mit den Spermien ihres Mannes be- fruchtet; einen der so gewonnenen Embryonen pflanzte man in den transplantierten Uterus ein. Weitere Frauen, denen man die Gebärmütter ihrer Mütter transplantiert hat, war- ten noch auf ihr Mutterglück. Dem frisch gebackenen Kind samt Mutter, die bereits zu Hause sind, soll es gut gehen; das Operationsteam sei überglücklich, wird berichtet, und könne an den Erfolg seiner Arbeit noch nicht so recht glauben.
In der Tat kann es an dieser Stel- le nicht schaden, etwas inne zu hal- ten und darüber nachzudenken, ob das alles so richtig ist. Welcher Auf- wand ist gerechtfertigt für eine wunscherfüllende Behandlung ohne medizinische Indikation (lässt man einmal den allumfassenden WHO- Gesundheitsbegriff außer Acht)? Mu- tet es nicht fast makaber an, wenn angesichts des Elends, in das viele Kinder dieser Welt hineingeboren werden, so gut wie nichts unver- sucht gelassen wird, Einzelnen zu ei- nem eigenen Kind zu verhelfen? Und damit nicht genug: Die eingepflanz- ten Uteri werden den Frauen wieder entfernt, wenn sie – nach möglichst kurzer Zeit – ein zweites Kind zur Welt gebracht haben. Anderenfalls müssten sie lebenslang Medikamen- te nehmen, um eine Abstoßung zu verhindern. Vielleicht ist ja noch eine Uterus-Zweitverwertung möglich.
Alles für das Mutterglück
Qualitätsmängel bei der Versorgung von Patienten mit Depressionen hat die Deutsche Gesellschaft für Psy- chiatrie und Psychotherapie, Psy- chosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) kritisiert. Die Behand- lung müsse sich stärker an der na- tionalen Behandlungsleitlinie „Uni- polare Depression“ ausrichten, for- derte Prof. Dr. med. Dr. phil. Mar- tin Härter, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Hamburg- Eppendorf, anlässlich des 11. Euro- päischen Depressionstages Anfang Oktober. Härter ist einer der Studi- enautoren des „Faktenchecks Ge- sundheit“ der Bertelsmann-Stiftung vom Frühjahr dieses Jahres. Dem Faktencheck zufolge wurden zwi- schen 2010 und 2012 drei von vier Patienten mit schweren Depressio- DEPRESSIONEN
Versorgung besser abstimmen
nen nicht leitliniengerecht thera- piert, 18 Prozent erhielten gar keine Behandlung.
Die DGPPN hat angekündigt, die S3-Leitlinie und die Nationale Ver- sorgungsleitlinie „Unipolare Depres- sion“ zu überarbeiten. „Die Erfor- schung der Behandlungsmöglich- keiten depressiver Störungen hat in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte gemacht. Hauptproble- me bleiben aber deren praktische Umsetzung und die Abstimmung, wie sich eine gestufte und vernetz- te Versorgung sowie die Schnittstel- le von ambulanter zu stationärer Behandlung optimal gestalten las- sen“, erklärte deren Vorstand Prof.
Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schnei- der. Politik und Verwaltung seien gefragt, die Versorgung besser zu
strukturieren. hil