Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 318. Januar 2008 A65
A K T U E L L
In wenigen Jahren könnte das strik- te Informationsverbot für rezept- pflichtige Medikamente in Europa fallen. Pharmaunternehmen dürften dann die Verbraucher zum Beispiel über das Internet über ihre Produkte informieren. Für verschreibungs- pflichtige Arzneimittel werben dür- fen sollen sie aber weiterhin nicht.
Das sehen Pläne der Europäischen Kommission vor, die sie 2009 vorle-
gen will. Die Reaktionen von Ver- braucherschützern, Europaabgeord- neten, Apothekern und Ärzten sind unterschiedlich.
„So individuell wie die Krank- heitsbilder, so individuell sind auch die Informationsbedürfnisse der Pa- tienten“, sagte Dr. Hans-Jürgen Seitz, Hauptgeschäftsführer der Bun- desvereinigung Deutscher Apothe- kerverbände, auf einem parlamenta- rischen Abend in Brüssel. Der CDU- Europaabgeordnete Dr. med. Tho- mas Ulmer hingegen glaubt, dass es nicht möglich sei, Werbung und Information über verschreibungs- pflichtige Medikamente sauber von- einander zu trennen. Auch Chris- toph Kranich von der Verbraucher- zentrale Hamburg befürchtet, dass die Pharmaunternehmen eine Auf- hebung des Informationsverbots für kommerzielle Zwecke missbrau- chen könnten.
Der liberale Europapolitiker Dr.
Jorgo Chatzimarkakis begrüßt die Pläne. Die bisherigen Informations- möglichkeiten, etwa auf Beipack- zetteln, seien unzureichend. PS
Verwandschaftsbeziehungen kön- nen kompliziert sein. Wissen Sie zum Beispiel, wer Ihre Nichte zwei- ten Grades mütterlicherseits ist, oder haben Sie schon einmal mit dem Schwippschwager Ihres Großonkels telefoniert? Verwandtschaftsbezie- hungen können aber auch sehr sim- pel sein – dafür jedoch umso unge-
wöhnlicher. „Meine Oma ist meine Mutter“ – wenn einer der niederlän- dischen Zwillinge Mika und Luna ei- nes Tages diesen Satz sagt, dann hat er damit nicht unrecht: Ihre 51- jährige Großmutter brachte die bei- den per Kaiserschnitt zur Welt. Die Oma hatte die befruchteten Eizellen ihrer Tochter ausgetragen und so der 26-jährigen, an Mukoviszidose erkrankten Frau und ihrem Ehe- mann den Kinderwunsch erfüllt. Die
„Gazet van Antwerpen“ berichtet, wegen der Krankheit sei dem Paar eine Adoption verwehrt gewesen.
Da in den Niederlanden für eine Leihmutterschaft eine Altersgrenze von 45 Jahren gelte, habe die Fami- lie Hilfe im Ausland gesucht. Der umstrittene italienische Gynäkologe Severino Antinori habe die Pläne unterstützt. In Italien aber sei die Befruchtung der Eizellen mit dem Samen des Schwiegersohns recht- lich nicht möglich gewesen. Also reiste die Familie nach Moskau.
Wieder einmal zeigt sich: Alles, was möglich ist, wird irgendwann auch gemacht. Ethische Bedenken- träger werden nicht verhindern, dass es Ärzte gibt, die sich kaum Gedanken darüber machen, wie überfordernd und konfliktreich die Konstellationen sind, in denen sie ihre Patienten hinterlassen. „Jede Mutter will doch nur das Beste für ihr Kind“, begründete die Großmut- ter ihren Einsatz. In manchem Kin- derwunsch steckt aber auch wohl eine gehörige Portion Egoismus.
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Meine Oma ist meine Mutter
Stärker als bisher will das Bundes- forschungsministerium die medi- zinische Genomforschung auf die Bekämpfung von Volkskrankheiten ausrichten. Auch die Kooperation mit der Industrie werde intensiviert, sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU). Für das neue Programm der medizinischen Genomforschung stelle ihr Ministe- rium in den nächsten drei Jahren mehr als 125 Millionen Euro bereit.
Mit dem Programm soll auf der Grundlage des nationalen Human- genomforschungsnetzes, dessen För- derung 2007 auslief, zum einen ein umfassendes molekulares Ver- ständnis von Krankheitsprozessen gewonnen werden. Zum anderen soll der Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse aus der Genomforschung in die klinische und industrielle
Anwendung verbessert werden. Für alle ausgewählten Projekte besteht bei Erfolg die Möglichkeit, für weitere zwei Jahre gefördert zu werden.
Mithilfe von DNA-Chips wollen die Wissenschaftler im Rahmen des Projekts die genetische Information von bis zu 25 000 Patienten und Kontrollpersonen untersuchen, um die genetischen Ursachen von etwa 25 Krankheiten besser zu verstehen.
Dazu gehören unter anderem Ess- störungen, extremes Übergewicht, Epilepsie, bipolare Störungen, Schi- zophrenie, Depression, Parkinson, Alzheimer, Alkoholsucht, chroni- sche Darmerkrankungen, Neuroder- mitis, Schuppenflechte, Sarkoidose, koronare Herzkrankheit, Erkran- kungen des Herzmuskels, Malaria
und Tuberkulose. ER
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