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Archiv "Krankenhausreform: Strukturelle Verbesserungen notwendig" (19.03.1993)

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Krankenhausreform:

Strukturelle

Verbesserungen notwendig

Karl-Heinz Weber

Der Verfasser war mehrere Jahre in der Kranken- hausbegehung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) tätig. Dabei gewann er Einblick in Vorzüge und Schwächen des ge- genwärtigen Organisationssystems, das beson- ders in den Beziehungen zwischen den für die Wirtschaftlichkeit verantwortlichen Ärzten in Klinik und Praxis bessere Abstimmungen erfordert. Der viel behauptete „Graben" zwischen Krankenhaus und ambulanter Medizin kann nach seiner Auffas- sung nur über grundsätzliche Änderungen des ärztlichen Dienstes im Krankenhaus eingeebnet werden. Dann sind echte Kostenersparnis und.

Verbesserungen der Effektivität zu erwarten. Än- derungen in der Krankenhausstruktur sind not- wendig.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft e. V. (DKG), Düsseldorf, beabsichtigt, die vor- und nachstatio- näre Behandlung der Krankenhäu- ser einzuführen oder auszuweiten.

Dadurch verspricht sie sich mehr Einnahmen und bessere Stellenplä- ne für den stationären Bereich. Da- für spricht einiges. Es ist aber sehr fraglich, ob dadurch wirklich gespart und mehr Effizienz geschaffen wird, wenn nicht auch organisatorische Änderungen vorgenommen werden.

Die Krankenhäuser — sofern nicht privatrechtlich und gewinnorientiert

— sind in ihren Organisationsformen meist am öffentlichen Dienst ausge- richtet. Dieser zeichnet sich oft nicht durch gute Effizienz aus. Der Anreiz fehlt, Gewinne zu machen und wirt- schaftlich zu überleben. Die höheren Pflegesätze der öffentlich-rechtli- chen Krankenanstalten gegenüber privaten können nicht nur mit krän- keren Patienten begründet werden.

Keinesfalls ist eine Kostener- sparnis zu erwarten, wenn die vor- und nachstationäre Behandlung oh- ne grundlegende Änderung der ärzt- lichen Versorgungstrukturen durch- geführt wird. Denn es würde dann wieder in unserem ökonomischen Zeitalter an der persönlichen Moti- vation aller Beteiligten fehlen. We- der die fehlende Aussicht auf Ge- winne noch die Drohung prüfungs- bedingter Abzüge stellen ausrei- chende Motivationsanlässe zur Spar- samkeit dar. Die Bremsen des ambu-

lanten Bereiches würden nicht grei- fen. Die Personallawine würde unge- hemmt rollen.

Im ambulanten Bereich wird all- gemein anerkannt, daß der Arzt den

„Schlüssel zum Geldschrank" der Krankenkassen hat. Dies gilt aber nicht minder für den stationären Be- reich. Mehr Umsätze bedeuten hier nur indirekt über die Fakten zur Pflegesatzverhandlung eine finan- zielle Verbesserung der Institution, kaum aber des einzelnen. Letzterer aber muß entscheiden und motiviert sein. Der Weg zu einer wirklichen Reform mit Rationalisierung und Kostenersparnis führt nur über eine Änderung der für die Wirtschaftlich- keit verantwortlichen personellen, ärztlichen Führung.

Falscher Algorithmus

Organisationsstrukturen müssen kybernetisch betrachtet werden. Ihre innere Logik muß zu Kostenredukti- on und nicht zur Kostenausweitung führen. Bekanntes Beispiel eines lo- gisch falschen Algorithmus war und ist die Ausrichtung des Prüfgeschäfts im ambulanten kassenärztlichen Be- reich am Durchschnittsumsatz einer Fachgruppe. Wird dieser überschrit- ten, bedeutet dies Ärger. Bei Unter- schreitung tritt Verlust ein. Die Fol- ge kann nur sein, daß das System zur Erhöhung des Durchschnitts ten- diert, was die teuerste aller Möglich-

keiten darstellt. Das kameralistische Abrechnungsverfahren der Kranken- häuser ist ähnlich.

Die zunehmenden wirtschaftli- chen Schwierigkeiten der freien Pra- xis werden einen konstanten Druck zur sicheren Angestelltenexistenz auslösen. Die Vergrößerung des Per- sonaletats kann durch neue Aufga- ben und zunehmende Technisierung auch ohne Arbeitszeitverkürzung je- derzeit leicht begründet werden. Die Luxusdiagnostik wird noch größere Ausmaße als bisher annehmen.

Diese Gefahr gilt auch für den stationären privaten Bereich, wenn im Zuge der Seehoferschen Refor- men Chefarztabgaben erhöht wer- den. Dies mag theoretisch richtig sein, denn die leitenden Kranken- hausärzte haben weniger Kosten und unternehmerisches Risiko als ihre ambulant tätigen Kolleginnen und Kollegen. Aber wer wird schon ohne Widerstand auf große Teile seines Einkommens verzichten? Die übli- chen Poolabgaben der Chefärzte an ihre Mitarbeiter werden das Problem potenzieren. Der Algorithmus ist im Sinne zusätzlicher, kostenintensiver Maßnahmen programmiert.

Welche Reserven in Diagnostik und Therapie hinsichtlich ökonomi- scher Zwänge liegen, wird leicht vom Laien unter-, die Kontrollmöglich- keit dagegen überschätzt. Der ge- setzliche Begriff der „Notwendig- keit" erlaubt einen so erheblichen Ermessensspielraum, daß unabhän- Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993 (29) A1-781

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Für Kurzentschlossene

25. Internationaler Seminarkongreß für praktische Medizin in Meran

veranstaltet von der Bundesärztekammer und der Österreichischen Ärztekammer

in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Südtirol

vom 4. bis 17. April. 1993

Seminare verschiedener Fachrichtungen:

1. Kongreßwoche The- menschwerpunkt „Stoffwech- sel und Ernährung"

2. Kongreßwoche The- menschwerpunkt „Geriatrie und Rheumatologie"

Podiumsgespräche:

ACE-Hemmer, Aktuelles aus der ärztlichen Sozial- und Berufspolitik, Ernährung, Fallbesprechungen, Geria- trie, Kreuzschmerz, Quali- tätssicherung, Sucht, Theolo- gie und Medizin

Praktika:

Arzt im Rettungsdienst (Teil C für den theoretischen Teil der Fachkunde)

Autogenes Training (anrechenbar für die Psycho- somatische Grundversorgung und für die Zusatzbezeich- nung Psychotherapie)

Balint-Gruppe (anre- chenbar für die Psychosoma- tische Grundversorgung)

Bronchoskopie-Kurs

Dopplersonographie- Grundkurse (periphere Gefä-

ße und hirnversorgende Arte- rien nach KBV-Richtlinien, § 6)

Echokardiographie- Grundkurs (nach KBV- Richtlinien, § 6

Endoskopie-Kurs — Ernährungsmedizin (anre- chenbar für die Qualifikation zum „ernährungsbeauftrag- ten Arzt" der Akademie für Ernährungsmedizin)

Lungenfunktionskurs

Gesprächsführung

Manuelle Medizin (als TI-Kurs anrechenbar für die Zusatzbezeichnung „Chiro- therapie")

Sonographie-Grund- kurse (nach den KBV- Richtlinien, § 6)

Sportmedizin (anre- chenbar für die Zusatzbe- zeichnung „Sportmedizin"

und für das Österreichische Sportarzt-Diplom)

Auskunft und Anmeldung:

Dezernat Fortbildung der Bundesärztekammer, Stich- wort „Meran", Postfach 41 02 20, W-5000 Köln 41, Tel: 0221/4004-223 u. -224

Sonographie-Kurs nach KBV-Richtlinien vom 12. bis 16. April 1993

TI-Kurs „Manuelle Medizin"(erster Kurs für die Zusatz- bezeichnung „Chirotherapie") vom 12. bis 16. April 1993 im Rahmen des Internationalen Seminarkongresses der Bundesärztekammer über Ostern in Meran

(5. bis 17. April 1993) Auskunft und Anmeldung:

Bundesärztekammer, Dezernat Fortbildung Postfach 41 02 20, W-5000 Köln 41

Telefon: 0221/4004-223 und -224

(Achtung: begrenzte Teilnehmerzahlen, daher anmelde-

pflichtig)

A1-782 (30) Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993

Lomir LOMIR SROI Zu- sammensetzung: 1 LOMIR SRO ® Retard- Kapsel enthält 5 mg Isradipin. Anwen- dungsgebiete: Essentielle Hypertonie. Ge- genanzeigen: Überempfindlichkeit gegen das Arzneimittel. Leberfunktionsstörungen, Hepatitis, primäre Lebererkrankungen, Herz- Kreislauf-Schock, akuter Herzinfarkt, schwe- re Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance kleiner als 30 ml/min, Dialysepatienten).

Vorsicht bei ausgeprägter Aortenstenose so- wie Sick-Sinus-Syndrom, solange kein Herz- schrittmacher eingesetzt ist, bei Hypo- tension sowie dekompensierter Herzinsuf- fizienz. Kinder. Schwangerschaft und Still- zeit. Nebenwirkungen: Häufig Kopf- schmerzen, Flush, Wärmegefühl, lokalisierte Ödeme. Gelegentlich Palpitationen, Erhö- hung der Pulsfrequenz, verstärkter Blutdruck- abfall und daraus folgende Bewußtlosigkeit (Synkopen). Selten Schmerzen im Bereich der Brust (Angina pectoris-Symptome). Nach plötzlichem Absetzen können hypertensive Krisen oder myokardiale Ischämie durch ein Rebound-Phänomen ausgelöst werden. Ge- legentlich gastrointestinale Störungen, Ge- wichtszunahme, Schwindel, Müdigkeit, Hautreaktionen oder Potenzstörungen.

Selten Gelenkschmerzen, Appetitlosigkeit, Dyspnoe. Sehr selten Schwitzen, Gynäko- mastie, Gingiva-Hyperplasie. Gelegentlich Transaminasenanstiege. In Einzelfällen Blut- bildveränderungen wie Anämie, Leukopenie, Thrombopenie und thrombozytopenische Purpura. In seltenen Fällen — insbesondere bei Diabetikern — wurde eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels beobachtet, so daß eine Kontrolle des Blutzuckerspiegels empfohlen wird. In klinischen Prüfungen wurden bisher keine Hinweise auf negativ inotrope Wirkun- gen gesehen. Die Hypertoniebehandlung mit diesem Arzneimittel bedarf der regelmäßi- gen ärztlichen Kontrolle. Die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen kann beeinträchtigt werden, in verstärktem Maße bei Behandlungsbeginn und Präparatewech- sel sowie in Zusammenhang mit Alkohol.

Packungsgrößen: Originalpackungen zu 20 (N1), 50 (N2) und 100 (N3) Retard-Kapseln LOMIR SRO ® DM 38,62, DM 86,60 und DM 159,55. *Festbetrag + 1 % MwSt. Wei- tere Hinweise: siehe Gebrauchsinformation oder Fachinformation.

Stand der Information März 1993. Hersteller: - Wander Pharma GmbH - 8500 Nürnberg. Ver- trieb: Sandoz AG, Nürnberg/Wander Pharma GmbH, Nürnberg.

A

SANDOZ (WANDER)

PHARMA

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gige Kontrollen zwar notwendig, in ihrer Effektivität aber doch zwangs- läufig begrenzt sind. Es ist wie beim Fiskus: Auch noch so rigorose Kon- trollen können eine gute Steuermo- ral nicht ersetzen. Für eine echte Motivation reichen Kontrollen und nur indirekte Vermögensvorteile nicht aus.

Motivation wäre aber gegeben, wenn das System so programmiert wäre, daß

>

die Kassen weniger ausge-

ben,

1>

der Arzt mehr verdient,

>

die ärztliche Versorgung ver-

bessert wird.

Diese Forderungen widerspre- chen sich nicht. Sie können über eine möglichst rasche Verlagerung vom stationären in den ambulanten Be- reich verwirklicht werden. Dies gilt nicht nur für die operativen Fächer, wenn auch für diese zuerst. Die Ten- denz geht denn auch in Richtung ambulante Operationen, die mitun- ter um eine Zehnerpotenz billiger sind, zum Beispiel bei Bruchopera- tionen.

Keine Frage: Die Krankenhäu- ser wollen daran beteiligt werden.

Aber mit den gegenwärtigen Struk- turen wird das nicht viel bringen; die privaten Praxen werden systembe- dingt kostengünstiger und effektiver sein. Im Krankenhausbetrieb wird bei ambulanten Operationen allen- falls das Geld des anderen, nicht aber das eigene eingespart. Schließ- lich bedeutet jeder unnötige Kran- kenhaustag für Patient und Versi- chertengemeinschaft eine Belastung, für die schwerfällige Krankenhaus- organisation aber Gewinn.

Es ist auch sehr fraglich, ob der vor- und nachstationäre Bereich denselben Wirtschaftlichkeitszwän- gen und Kontrollen wie der ambu- lante unterliegen würde. Zumindest der Rückgriff auf den .. persönlichen Lohn der angestellten Arzte im Rah- men der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 113 Sozialgesetzbuch V (SGB V) würde sich kaum durchsetzen las- sen. Ob eine Röntgenaufnahme, Ga- stroskopie oder eine Laboruntersu- chung weggelassen werden kann, ist in den meisten Fällen schwer justiti- abel. Ist etwa eine gastroenterologi- sehe Abteilung spezialisiert und in

schwierigen Untersuchungen, zum.

Beispiel ERCP, erfahren, so be- kommt sie auch viele Zuweisungen, und die Anzahl negativer Untersu- chungsergebnisse wird wachsen („Bayes-Syndrom"). Die Notwendig- keitsprüfung ex post ist dann sehr schwer.

Dr. jur. Klaus Prößdorf, Haupt- geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, weist auf das Nürnberger Modell hin, wo „je- der eingewiesene Patient sofort un- tersucht wird." Dies ist doch wohl von altersher eine Selbstverständ- lichkeit. Ganz abgesehen davon, daß es gemäß § 112 SGB V und § 3 des Vertrages zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den RVO- und Ersatzkassen — Allgemei- ne Bedingung der Krankenhausbe- handlung — vorgeschrieben wird.

Hierdurch wird nicht gespart. Man- cher Behandlungsfall ist bei länge- rem klinischem Aufenthalt und sta- tionärer Nachbeobachtung besser zu beurteilen. Auch für die Ausbil- dungsprobleme der Ärzte wäre dies besser. Unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis aber würde da- durch das Pferd am Schwanz aufge- zäumt. Richtig wäre, daß zur Vor- und Nachbehandlung der Kranken- hausarzt in die Praxis und nicht der Patient ins Krankenhaus geht. Dies ist organisatorisch durchaus möglich, vorausgesetzt man läßt unter Auf- sicht den Markt arbeiten.

Reformen mit

den Leitenden Ärzten

Die Reform kann im übrigen nur mit und nicht gegen die leiten- den Ärzte gemacht werden. Prüfung, Kontrolle, Lohnverzicht, Reduktion des Lebensstandards sind kein geeig- netes Mittel, um kompetente Vertre- ter des ärztlichen Standes zu enga- gierter Mitarbeit zu motivieren. Im freiheitlichen Rechtsstaat müssen andere Modelle her. Dem öffentli- chen Dienst sollte man möglichst we- nig „abkupfern".

Der vom Gesetz vorgesehene Kontrollapparat (§ 276 Abs. 4 SGB V) hat seine bürokratische Eigenge- setzlichkeit. Der Teufel liegt hier im Detail. Das gilt für die gleich- und

nachzeitige Einzelfallbegutachtung ebenso wie für andere statistische Prüfmodelle. Denn die Kontrolle aus den Krankenunterlagen ist häufig zeitlich verzögert, direkte Kontrollen am Krankenbett können, müssen aber nicht vertrauensschädigend sein; der Stationsarzt kennt den Pa- tienten länger als der Prüfarzt.

Die Verweildauer muß sich nach der medizinischen Notwendigkeit richten. Die Praxis zeigt aber, wie vielfältig die ökonomischen und so- zialen Uberlagerungen sein können.

Wichtige Stellgrößen sind: Personal- situation, Krankenstand, Klinikorga- nisation, Zügigkeit von Diagnostik und Therapie, technische Ausstat- tung des Krankenhauses, Belegungs- quote, Bettendichte, Kassenlage des Kostenträgers, bürokratische Schwerfälligkeit der verschiedenen Instanzen (zum Beispiel bei An- schlußheilverfahren), Pflegeaspekte, Angehörige, Leidensfähigkeit, Spe- zialisierung, neue Behandlungsme- thoden, höchstrichterliche Urteile.

Dies und noch mehr muß bei der Krankenhausbegehung berücksich- tigt werden, ist enorm dialogfähig und auch fehlerträchtig. Prüfungen dieser Art kosten deshalb häufig mehr Geld, als sie einbringen. Einem vertrauensvollen Betriebsklima sind sie nicht bekömmlich. Dennoch sind sie unerläßlich, solange die bisherige Praxis der Pflegesatzfestlegung bei- behalten wird. In den operativen Fä- chern ist es noch relativ leicht: Der Verweildauerkatalog wurde empi- risch erstellt und gibt gewisse An- haltspunkte. Aber in Wirklichkeit müßte er nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt sein. Alle Faktoren können im Einzelfall Abweichungen begründen. Schließlich sind im Streitfall die Verfahrenskosten grö- ßer als die tatsächliche Einsparung, zumal erfahrungsgemäß die meisten Sozialgerichtsfälle über die Verweil- dauer mit Vergleichen enden.

Für eine echte Motivation rei- chen Kontrollen und nur indirekte Vermögensvorteile nicht aus. Der klinische Tagesablauf ist enorm dehnbar. Erfolgsbezogene Verbesse- rungen im Betriebsablauf sind mehr durch Strukturänderungen als durch prüfungsbedingte Kürzungen zu er- reichen. Die Schwerfälligkeit der bü- A1 -784 (32) Dt. Ärztebi. 90, Heft 11, 19. März 1993

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rokratischen und medizinprozessu- alen Krankenhausstrukturen ist der Hauptgrund für die Bedenken gegen die Ausdehnung der vor- und nach- stationären Behandlung. Dennoch ist sie notwendig. Schon aus Grün- den der ärztlichen Ausbildung. Der medizinische Nachwuchs wird bisher ganz überwiegend in Krankenhäu- sern ausgebildet. Werden die jungen Ärzte, wie bereits weitgehend ge- schehen, aus Kostengründen von ambulanten Eingriffen ausgeschlos- sen, können sie in den operativen Fächern die Eingriffe nicht erlernen und im Bereich der konservativen Medizin das akute Geschehen nicht in das existentielle Längsschnittbild des Kranken einordnen.

Organisationsänderungen Was war im Krankenhaussektor falsch am „Gesundheits-Reformge- setz"? Anstelle das Belegarztsystem mit seiner privaten Motivation abzu- würgen, hätte man es fördern und mit geschickten, strengen Rahmen- bedingungen ausstatten müssen. Die Krankenhausorganisation war ver- bindlich im „Gesundheits-Reform- gesetz" festzulegen. Bei kommenden Reformen sollten die Doppelfunkti- on der leitenden Ärzte in eigener Pra- xis und Krankenhaus und ihre ver- tragliche Anbindung an letzteres der entscheidende Punkt sein. Dafür wä- ren neue Praxisstrukturen zu entvvik- keln. Dies könnte zum Beispiel durch krankenhausübergreifende Dreiergemeinschaftspraxen mit Re- sidenzpflicht in der Nähe des Kran- kenhauses und Einsatzbereitschaft rund um die Uhr sein. Assistenten des Krankenhauses sollten in mehr- monatigem Rhythmus zwischen Kli- nik und Praxis pendeln, wobei die Löhne von beiden Arbeitgebern an- teilig gemäß der Arbeitszeit festge- legt werden. Chef- oder leitende Ab- teilungsärzte ohne eine solche priva- te Niederlassung sollte es nicht mehr geben.

Vereinzelt gibt es schon Praxis- kliniken, besser wären Klinikpraxen.

Die richtige, frühzeitige Vor- und Nachbehandlung sollte nicht in die kostenträchtige und schwerfällige Krankenhausorganisation eingebet-

tet werden. Vielmehr sollten umge- kehrt erfahrene Klinikärzte privat- wirtschaftliche Nachbehandlungs- und Pflegepraxen mit weisungsab- hängigen ärztlichen und nichtärztli- chen Mitarbeitern einrichten. Der ambulante Bereich ist dabei tarifmä- ßig so zu gestalten, daß er ergebnis- günstiger für Unternehmer und Be- schäftigte ist. Das wird viel billiger sein als der derzeitige Klinikbetrieb.

Der zeitintensive Routinebetrieb mit der Medizintechnik ist einer den heutigen Oberärzten und älteren As- sistenten entsprechenden operativen Mittelschicht zu übertragen. Ausbil- dungs- und Ergebniskontrollen müs- sen hoch gewertet, Ärztekammer und MDK hier eng zusammenarbei- ten. Kassenzulassung der Chefärzte ja, aber nur im Rahmen eigener Nie- derlassung nahe beim Krankenhaus mit Sicherstellungsauftrag und „KV- Deckelung".

Die organisatorischen Umstel- lungen auf „Klinikpraxen" sind schwierig, aber lösbar. Sie müssen in- nerhalb von Rahmenbedingungen den Ärzten überlassen werden, die auch die Nutznießer aller Rationali- sierung sein sollten. Steuerliche Vor- teile, Investitionsanreize, geschickte Anbindungsverträge und Anderun- gen in der Facharztordnung können hier unterstützend wirken.

So paradox es klingt: Vor hun- dert Jahren hatten die Ordinarien ihre Praxis neben dem Krankenhaus.

Da müßen wir wieder hin. Aber es darf vertragsgemäß nicht nur eine Privat- und auch keine Einzelpraxis sein. Die Organisation hätte etwa wie folgt auszusehen:

D Die Chef- und Abteilungs- ärzte sollten bei individueller Praxis- gestaltung (etwa wie bei Rechtsan- wälten) innerhalb einer Arbeitsge- meinschaft von wenigstens drei fach- gleichen Kollegen tätig sein.

I> Sie sollten Residenzpflicht haben und rund um die Uhr in kur- zer Zeit verfügbar sein.

D Assistenten des Kranken- hauses sind verpflichtet, nach Dienstplan zwischen Krankenhaus, Klinikpraxis und Hausbesuchen zu pendeln.

D Keine Weiterbildungsaner- kennung ohne zweijährige Tätigkeit in solchen Praxen.

D Ärzte, welche in eigener Re- gie Pflegeeinrichtungen mit wei- sungsabhängigen nichtärztlichen Mitarbeitern anzubieten haben, sind von den Krankenhäusern bevorzugt zu kontraktieren. Das vermindert die geriatrischen Kosten.

D Dem Kuratorium der Kran- kenhäuser müssen zu einem Drittel niedergelassene Ärzte angehören.

Lohn- und Preisstopp Ärztliche und pflegerische Orga- nisationsstrukturen, die den Raum zwischen Praxis und Krankenhaus in freiem Wettbewerb abdecken, sind erforderlich. Allein eine solche Strukturreform verdient ihren Na- men. Was jetzt unter Bundesgesund- heitsminister Seehofer geschieht, ist weit vom Wettbewerb entfernt und zum Mißerfolg ebenso wie die pra- xisferne Blümsche Reform ver- dammt. Auch nach der neuen „Re- paratur der Reparaturen" wird in das Gesundheitssystem zwar eine Art Lohn- und Preisstopp einge- führt. Aber nicht anders als bei sol- chen Versuchen in der Wirtschaft wird dies zum Scheitern verurteilt sein. Die Kontrolleure werden Par- kinsonsche Orgien feiern, die Kon- trollierten fluchen, und der gute Wil- le bleibt auf der Strecke. In den bis- herigen Gleisen sind die medizini- schen Aufgaben der Zukunft nicht zu bewältigen, auch nicht mit noch so vielen Kostendämpfungsgesetzen.

Das Geschäft mit der Krankheit ist keineswegs moralisch schlecht, wenn ein kluger gesetzlicher Rah- men gesetzt ist. Gekonnte, effektive Krankenhausökonomie ist ein echter Beitrag zur Humanisierung unserer Gesellschaft. Der mündige Bürger kann dies verlangen. Das jetzige Ge- sundheitssystem ist eine program- mierte Verschwendung. Das Deba- kel um das „Gesundheits-R eformge- setz" von 1989 sollte sich nicht wie- derholen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Karl-Heinz Weber Internist/Sozialmedizin/

Betriebsmedizin Parkstraße 8

W-4330 Mülheim/Ruhr

Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993 (33) A1-785

Referenzen

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