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Archiv "Diagnostik und Intervention bei Rechenstörung" (09.11.2012)

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(1)

Diagnostik und Intervention bei Rechenstörung

Liane Kaufmann, Michael von Aster

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Als Rechenstörung (Dyskalkulie) bezeichnet man ausgeprägte Schwierigkeiten beim Erwerb der grundlegenden arithmetischen Fertigkeiten, die nicht er- klärbar sind durch eine Intelligenzminderung und/oder mangelnde Beschulung. Rechenstörungen betreffen etwa 5 % der Grundschulpopulation und bleiben ohne Behand- lung bestehen.

Methode: Selektive Literaturrecherche zur Rechenstörung aus verschiedenen Disziplinen (Medizin, Psychologie, Neu- rowissenschaften, [Sonder-]Pädagogik).

Ergebnis: Viele Kinder und Jugendliche mit Rechenstörung haben assoziierte kognitive Dysfunktionen (zum Beispiel Arbeitsgedächtnis, visuell-räumliche Fähigkeiten) und 20 bis 60 % der Betroffenen leiden unter komorbiden Störun- gen wie Lese-Rechtschreib-Störung oder Aufmerksam- keitsstörung. Die wenigen bisher publizierten Interventi- onsstudien zeigen, dass auf spezifische Problembereiche ausgerichtete pädagogisch-therapeutische Interventionen wirksam sind. Die Therapie orientiert sich am individuellen kognitiven Funktionsprofil und der Symptomausprägung.

Unter Umständen sind auch psychotherapeutische und/

oder medikamentöse Maßnahmen notwendig.

Schlussfolgerung: Aufgrund der häufig assoziierten psy- chischen Störungen ist die frühe Identifikation und Be- handlung von Rechenstörungen sehr wichtig. Es ist eine differenzierte neuropsychologisch orientierte Diagnostik erforderlich, die der Komplexität und den verschiedenen Erscheinungsformen von Rechenstörungen gerecht wird und die Grundlage für eine solide Interventionsplanung sein kann.

►Zitierweise

Kaufmann L, von Aster M: The diagnosis and management of dyscalculia.

Dtsch Arztebl Int 2012; 109(45): 767–78.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0767

S

chwierigkeiten beim Rechnen lernen gehören ebenso wie Schwierigkeiten beim Erlernen der Schriftsprache zu den häufigsten Lernstörungen des Kin- desalters. Die Prävalenzen der beiden Lernstörungen in der Grundschulpopulation sind international mit etwa 5 % in etwa vergleichbar (1, e1). Rechenstörungen sind häufig mit psychischen Störungen assoziiert (2, 3, e2).

Viele betroffene Kinder entwickeln eine negative Einstel- lung zu Zahlen und zum Rechnen, die oft in eine spezifi- sche Rechenangst oder sogar eine generalisierte Schul- angst mündet (4). Ohne spezifische Behandlung bleiben Rechenstörungen bis ins Erwachsenenalter bestehen (5–7) und können einen nachhaltig negativen Einfluss auf die Bildungs-, Berufs- und Persönlichkeitsentwicklung haben. Auch volkswirtschaftlich sind Rechenstörungen relevant, da Erwachsene mit mangelhaften Rechenfertig- keiten am Arbeitsmarkt gravierend benachteiligt sind.

Das betrifft etwa 22 % der jungen Erwachsenen (e3, e4).

Aufgrund der häufig assoziierten Störungen entstehen hohe Folgekosten für deren Behandlung (7). Die Früher- kennung und differenzierende Diagnostik von Lernstö- rungen ist daher nicht nur ein Thema für die kinder - psychiatrische Praxis, wenn die Betroffenen wegen der sich oft sekundär entwickelnden Probleme vorstellig werden, sondern auch für die Allgemeinmedizin und die Pädiatrie, weil sich erste Anzeichen von Lernstörungen bereits im Kindergarten- und Vorschulalter in Form von zurückbleibenden schulischen Vorläuferfertigkeiten ma- nifestieren können (3). Die vorliegende Übersichtsarbeit basiert auf einer selektiven Literaturrecherche.

Lernziele

Die Lernziele für den Leser dieses Beitrags sind:

die typische Entwicklung numerisch-rechneri- scher Fertigkeiten zu rekapitulieren

Instrumente der Diagnostik und Differenzialdia - gnostik der Rechenstörung kennenzulernen

einen Einblick in Methoden zu Förderung und Be- handlung der Rechenstörung zu erhalten.

UMIT- Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Institut für Angewandte Psychologie, Hall in Tirol, Österreich: Ao. Prof.

Dr. rer. nat. Kaufmann

DRK-Kliniken Berlin Westend, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Berlin, Deutschland und Universitäts- Kinderspital Zürich, MR-Zentrum, Schweiz: Prof. Dr. med. von Aster

Dyskalkulie

Die Prävalenzen der beiden Lernstörungen Lese- Rechtschreib-Schwäche und Rechenstörung in der Grundschulpopulation sind international mit etwa 5 % in etwa vergleichbar. Rechenstörungen sind häufig mit psychischen Störungen assoziiert.

Punkte 3

cme

Teilnahme nur im Internet möglich:

aerzteblatt.de/cme

(2)

Typische Entwicklung der numerischen und rechnerischen Fertigkeiten

Gemäß neurowissenschaftlich fundierter Modelle lässt sich die Entwicklung zahlenverarbeitender Hirnfunk- tionen als ein neuroplastischer Reifungsprozess verste- hen, der im Verlauf von Kindheit und Jugend zu einem komplexen, spezialisierten neuronalen Netzwerk führt (2, 8). Diese Entwicklung nimmt ihren Ausgang bei sehr einfachen, sogenannten basisnumerischen Fähig- keiten, die es schon wenige Monate alten Babys ermög- lichen, Mengen beziehungsweise Anzahlen zu erfassen.

Bei Mengen, die weniger als drei Items beinhalten, ge- lingt den Säuglingen eine exakte Unterscheidung und bei größeren Mengen eine ungefähre Einschätzung

(e5). Mit der Sprachentwicklung beginnt dann die Fä- higkeit zu sprachlicher Symbolisierung von Anzahlen durch Zahlworte (zum Beispiel [Ab]Zählfertigkeiten, arithmetisches Manipulieren von Mengen/Anzahlen).

Eine zweite Form der Symbolisierung von Zahlen er- folgt im Vor- und Grundschulalter mit dem Kennenler- nen der arabischen Zahlenschreibweise, die eine eigene und von der deutschen Zahlensprechweise verschiede- ne Grammatik hat. Das arabische Stellenwertsystem er- möglicht einerseits die sehr ökonomische Symbolisie- rung von Zahlen und ermöglicht andererseits das rech- nerische Operieren mit diesen Zahlen: Verschriftlicht hat die Zahl 1 768 329 in der arabischen Notation sie- ben Zeichen und in der alphabetischen Form 63 Zei- chen. Parallel zu den Prozessen der sprachlichen und arabischen Symbolisierung und den damit verbundenen operativen Möglichkeiten entwickelt sich schließlich eine zahlenräumliche Vorstellung (mentaler Zahlen- strahl), in der mit Zahlsymbolen operiert werden kann.

Der mentale Zahlenstrahl scheint grundlegend zu sein für das rechnerische Denken und das Kopfrechnen (e6).

Während die frühen basisnumerischen Fähigkeiten quasi sinnstiftend für die Prozesse der Symbolisierung (Zahlworte und arabische Zahlen) sind, stellt der men- tale Zahlenstrahl gewissermaßen den semantischen Sinnbezug auf einem höheren abstrakten Niveau sicher.

Kasten 1 liefert einen Überblick über relevante Aspekte der numerisch-rechnerischen Fertigkeiten.

Studien mit funktioneller Bildgebung zeigen, dass die genannten Komponenten mit wachsender Übung und Expertise ein neuronales Netzwerk in verschiede- nen Hirnregionen bilden, das entsprechend den Erfor- dernissen der gestellten Aufgaben aktiviert wird (8).

Während sich die Zahlwortverarbeitung in den links- seitigen, perisylvischen Sprachregionen vollzieht, wer- den die arabischen Zahlen durch bilaterale okzipitale Hirnabschnitte reguliert. Die basisnumerischen und die späteren zahlenräumlichen Repräsentationen werden in bilateralen parietalen Hirnabschnitten vermittelt, deren funktionale Spezialisierung mit zunehmendem Alter und Beschulung zunimmt (e7, e8). Die Reifung und Entwicklung dieser domänenspezifischen Hirnfunktio- nen ist zum einen abhängig von der Reifung zahlreicher domänenunspezifischer oder -übergreifender Funktio- nen, wie die primär im Frontalhirn regulierten Auf- merksamkeits- und Arbeitsgedächtnisprozesse, aber auch von Sprache, Sensomotorik (zum Beispiel Finger- zählen) und visuell-räumlichem Vorstellungsvermögen.

Diese Entwicklung erfolgt zum anderen auch erfah-

Numerische und rechnerische Fertigkeiten Die Entwicklung zahlenverarbeitender Hirnfunk- tionen ist als ein neuroplastischer Reifungspro- zess zu verstehen, der im Verlauf von Kindheit und Jugend zu einem komplexen, spezialisierten neu- ronalen Netzwerk führt.

Mentaler Zahlenstrahl

Der mentale Zahlenstrahl scheint grundlegend zu sein für das rechnerische Denken und das Kopf- rechnen. Er stellt gewissermaßen den semanti- schen Sinnbezug auf einem höheren abstrakten Niveau sicher.

KASTEN 1

Verschiedene Aspekte numerisch-rechnerischer Funktionen und relevante Fertigkeiten, die die jeweiligen Funktionsbereiche erfassen. Die hier dargestellte Differenzierung orientiert sich primär an neuropsychologischen und neurowissen- schaftlichen Klassifikationen der Rechenfertigkeiten. In der Literatur findet man unterschiedliche Definitionen und Klassifikationen von basisnumerischen und Vorläuferfunktionen. Der Einfachheit halber fassen die Autoren diese beiden As- pekte hier zusammen, weil sich beide auf das vorschulische (meist implizit) er- worbene numerisch-rechnerische Wissen beziehen.

Numerisch-rechnerische Funktionsbereiche (Alters- bzw. Klassenstufen) basisnumerische Fertigkeiten und

Vorläuferfertigkeiten (Kindergarten, Vorschule)

arithmetisches Faktenwissen (Elementarstufe) arithmetische Prozeduren

(ab Elementarstufe) arithmetisches Verständnis; konzeptu-

elles arithmetisches Wissen (ab Elementarstufe, stark abhängig von der Lehr- bzw. Instruktionsmethode)

Fertigkeiten (Aufgaben)

Mengenverständnis (z. B. Mengen- und Zahlenvergleichsaufgaben), rasches Erkennen kleiner Mengen,

Beherrschen der Zählfertigkeiten, Identifikation einstelliger arabischer

Zahlen

Einstellige Additionen und Multiplikatio- nen wie beispielsweise 3 + 2 oder

3 × 2 (siehe auch Kasten 3) Wissen um das sequenziell richtige Ausführen von Lösungsschritten bei mehrstufigen Rechenaufgaben Verständnis der involvierten Mengen

und Teilmengen, Verständnis der Gemeinsamkeiten und

Unterschiede zwischen den Operationsarten, Verständnis der arithmetischen

Prozeduren

(3)

rungsabhängig (zum Beispiel Übung/Stimulation im Alltag, Lehrmethoden). Hält man sich die Vielzahl die- ser Einflussgrößen vor Augen, dann wird deutlich, dass zu jedem Zeitpunkt zahlreiche Einflüsse die Reifung der entsprechenden neuronalen Netzwerke verzögern und/oder stören sowie zur Ausbildung verschiedenarti- ger klinischer Symptome führen können (Grafik 1).

Definition und Ätiologie

Definition

In der Internationalen Klassifikation für psychische Stö- rungen ICD-10 (10) werden ebenso wie im DSM-IV (11) neben den Störungen des Schriftspracherwerbs (ICD-10, F81.0 und F81.1) die umschriebene Rechenstörung (ICD-10, F81.2) und die mit einer Lese-Rechtschreib- Störung kombinierte Rechenstörung (F81.3) als von - einander unabhängige Klassen von umschriebenen Stö- rungen schulischer Fertigkeiten erfasst. Dabei wird die Rechenstörung als gravierende Beeinträchtigung des Er- lernens grundlegender numerisch-rechnerischer Fertig- keiten bei ansonsten guter intellektueller Befähigung und

adäquater Beschulung aufgefasst. Dies soll durch eine sig- nifikante Diskrepanz zwischen den mit standardisierten psychometrischen Testverfahren gemessenen schwachen Rechenleistungen (bei durchschnittlicher Intelligenz) be- legbar sein. In der für 2013 erwarteten DSM-V-Revision werden die spezifischen schulischen Entwicklungsstörun- gen voraussichtlich dimensional in einer Klasse zu sam - men geführt (mit variablen Ausprägungen in den verschie- denen schriftsprachlichen und arithmetischen Fertigkeits- bereichen), wobei auf ein striktes psychometrisches Diskrepanzkriterium verzichtet wird. Damit soll die Hete- rogenität schulischer Entwicklungsstörungen in Bezug auf Leistungsprofile und Komorbiditäten besser abgebil- det und die klinische Brauchbarkeit der Diagnose verbes- sert werden. Falls eine Diskrepanzdiagnostik gefordert ist (wie das aktuell bei Gutachtenverfahren in Deutschland und Österreich noch der Fall ist), empfehlen die Autoren die Verwendung von multikomponenziellen Intelligenz- tests, die aus mehreren Untertests bestehen und ein diffe- renziertes Bild des zu beurteilenden Kindes liefern kön- nen; siehe beispielsweise die aktuelle vierte Version des

ICD-10 und DSM-IV

• Störungen des Schriftspracherwerbs (ICD-10, F81.0 und F81.1)

• die umschriebene Rechenstörung (ICD-10, F81.2)

• mit einer Lese-Rechtschreib-Störung kombinierte Rechenstörung (F81.3)

Diskrepanzdiagnostik

Falls diese gefordert ist, empfehlen die Autoren die Verwendung von multikomponenziellen Intelli- genztests, die aus mehreren Untertests bestehen und ein differenziertes Bild des zu beurteilenden Kindes liefern können.

Entwicklungsbedingte Rechenstörungen

Domänenunspezifische Faktoren:

keiten und Aufmerksamkeit strahl)

! rechnen)

"#$!

Rechnen)

!%&!

gaben)

' (zum Beispiel Einstellung '*+

+, .

$!'/4 !$

spezifischer Netzwerke 68

primär:;

* ! '<?#

,$'!*!$!' sekundär zu:";@4 C

+*".

6$ ! 6 G% $!

*!.

zwei 2

zwei 2

mentaler

4 system

Zeitfaktor: Alter und Beschulung Ätiologie

neuronale Basis

* tation

Fertigkeiten

GRAFIK 1 Potenzielle

Bedingungs - faktoren und unterschiedliche Manifestations - ebenen von ent- wicklungsbedingten Rechenstörungen.

(4)

Hamburg-Wechsler-Intelligenztests für Kinder (e9). In der Literatur existiert darüber hinaus die Unterscheidung zwischen dem Begriff der Störung (Disorder) und dem insbesondere in den pädagogischen Disziplinen verbreite- ten Begriff der Schwäche (Disability). Von einer Rechen- schwäche (Mathematical Learning Disability/MLD) wird dann gesprochen, wenn die Rechenleistung – unabängig vom Intelligenzniveau – im Verhältnis zur untersuchten Population unterhalb eines a priori definierten Schwellen- wertes liegt (e10). Wegen dieser verschiedenen Definiti- onskriterien variieren die eingesetzten Messverfahren und die untersuchten Populationen erheblich, was einen direk- ten Vergleich von relevanten Studien erschwert. Die Dif- ferenzierung zwischen Rechenstörung und -schwäche ist

primär für die Forschung relevant. Für die Behandlungs- planung wesentlich sind die mit der Rechenstörung bezie- hungsweise -schwäche einhergehenden Leistungsprofile, die bei beiden Varianten vergleichbar sein können.

Ätiologie

Die potenziellen Verursachungsfaktoren von Rechenstö- rungen sind vielschichtig. Die aktuell noch lückenhafte Datenlage erlaubt keine reliablen Aussagen über poten- zielle Zusammenhänge und Wechselwirkungen der im Folgenden diskutierten Verursachungs- und Risikofak- toren von Rechenstörungen. In der aktuellen Literatur besteht Konsens darüber, dass entwicklungsbedingte Rechenstörungen – wie andere Lernstörungen auch –

Rechenschwäche

Von einer Rechenschwäche wird dann gespro- chen, wenn die Rechenleistung – unabängig vom Intelligenzniveau – im Verhältnis zur untersuchten Population unterhalb eines a priori definierten Schwellenwertes liegt.

Ätiologie der Rechenschwäche

Die potenziellen Verursachungsfaktoren von Re- chenstörungen sind vielschichtig. Reliable Aussa- gen über potenzielle Zusammenhänge und Wech- selwirkungen der Verursachungs- und Risikofak- toren von Rechenstörungen sind nicht möglich.

TABELLE

Gegenüberstellung zweier Arten von Testverfahren zur Erfassung der numerisch-rechnerischen Fertigkeiten

PR, Prozentrang; DEMAT, Deutsche Mathematiktests; ERT, Eggenberger Rechentest; RZD, Rechenfertigkeiten- und Zahlenverarbeitungs-Diagnostikum;

TEDI-MATH, Test zur Erfassung numerisch-rechnerischer Fertigkeiten; ZAREKI-R, die neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern, revidierte Version; ZAREKI-K, die neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern, Kindergarten-Version.

Die in der Tabelle angegebenen Testverfahren sind – mit Ausnahme des ZAREKI – beim Verlag Hogrefe erschienen (www.testzentrale.de).

Der ZAREKI-R (e31) sowie der ZAREKI-K für die 4- bis 5-Jährigen (e32) sind über Pearson Assessment (www.pearsonassessment.de) erhältlich.

Konzeptualisierung

Art der Erhebung

Diagnosekriterium (bei vielen, aber nicht allen Testverfahren)

Exemplarische Vertreter

Curricular orientierte Testverfahren (Schulleistungstests)

Abklärung ist curricular orientiert (d. h. an den Mathematik-Lehrplänen der jeweiligen Klassenstufe);

Hauptziel ist die Feststellung, ob ein Schüler das Lehrziel der entsprechenden Klassenstufe erreicht hat oder nicht

Meist als Power-Tests konzipiert (d. h. lediglich die Bearbeitungsgenauigkeit ist relevant);

daher auch als Gruppen- bzw. Klassentests einsetzbar (ökonomische Durchführung) PR < 10

ERT für die Klassenstufen 1 bis 4 (z. B. ERT 1+ (e22);

ERT 2+ (e23); ERT 3+ (e24); ERT 4+ (e25);

DEMAT für die Klassenstufen 1 bis 4: DEMAT 1+

(e26); DEMAT 2+ (e27); DEMAT 3+ (e28); DEMAT 4 (e29)

Neuropsychologisch orientierte Testverfahren Abklärung der numerischen Basisfertigkeiten und der rechnerischen Fertigkeiten unter Berücksichtigung nicht-numerischer Funktionen;

Hauptziel ist die Erstellung eines Leistungsprofils innerhalb der numerisch-rechnerischen Fertigkeiten sowie die Ergründung der Ursachen von Rechen- schwierigkeiten (d. h. Identifikation von zugrunde- liegenden Lernprozessen und -mechanismen) Neben der Bearbeitungsgenauigkeit werden (zumin- dest bei relevanten Teilaspekten) auch die Bearbei- tungsgeschwindigkeit sowie die Lösungsstrategien erhoben => Ziel: qualitative Leistungsbeurteilung;

daher ausschließlich als Individualtests durchführbar PR < 10

in Kombination mit durchschnittlicher intellektueller Leistungsfähigkeit (gemäß ICD-10 [10]);

bei einigen Testverfahren wird zusätzlich zum strengen Schwellenwert von PR < 10 jener Bereich angegeben, bei dem Förderbedarf vermutet wird (z. B. PR 10 < 25 beim TEDI-MATH) (e21) RZD 2–6 für die Klassenstufen 2 bis 6 (e30);

TEDI-MATH für das vorletzte Kindergartenjahr bis zur Klassenstufe 3 (e21);

ZAREKI-R für die Klassenstufen 1 bis 4 (e31) ZAREKI-K für das Vorschulalter (e32)

(5)

multifaktoriell bedingt sind (2). Sie werden außerdem häufig als Begleitphänomen bei neuropädiatrischen (zum Beispiel Epilepsie, Frühgeburtlichkeit, Stoffwech- selerkrankungen) und genetischen Erkrankungen (zum Beispiel Fragiles-X-Syndrom, Williams-Beuren-Syn- drom, velokardiofaziales Syndrom) beobachtet.

Entwicklungsbedingte Rechenstörungen treten fami- liär gehäuft auf (e11), was möglicherweise auf eine ge- netische Prädisposition hinweist (e12, e13).

Zu den primären Ätiologien können genetische Vulne- rabilitäten bezüglich der Entwicklung basisnumerischer, aber auch sprachlicher, visuell-räumlicher und exekutiver Funktionen zählen. Die Reifung dieser Funktionen ist, wie wir heute wissen, ebenso gut auch über erfahrungsbeding- te, epigenetisch vermittelte Einflüsse wie beispielsweise Stress störbar (Grafik 1). Dies erklärt auch die außer - ordentlich hohe Komorbidität von Rechenstörungen mit Symptomen der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts- störung (ADHS) und der Lese-Rechtschreib-Störung (LRS). Rechenstörungen sind also keineswegs einheitlich, sondern erfordern sowohl seitens der Ätiologie, der neuro- nalen Basis, der kognitiven Repräsentationen sowie des Fertigkeiten niveaus eine differenzierte und systematische Betrachtung (Grafik 1).

Komorbiditäten und häufig assoziierte Begleiterscheinungen

Gemäß von Aster und Shalev (2) haben 20 bis 60 % al- ler Betroffenen mit der Diagnose Rechenstörung asso- ziierte Lernprobleme wie beispielsweise LRS (12) oder ADHS (13, 14, e2). In einer holländischen Stichprobe von 788 Kindern der vierten und fünften Schulstufe wurde bei 7,6 % der Kinder eine kombinierte Lese- und Rechenstörung festgestellt (e14). Sogar bei Schülern der neunten Schulstufe waren 52 % der Leistungsvaria- bilität beim Rechnen durch die Lesefertigkeiten erklär- bar (e15). Bereits im Vorschulalter scheinen mangel- hafte phonologische Fähigkeiten (die als wichtigste Vorläuferfertigkeit der Schriftsprache angesehen wer- den) mit einer schlechteren Leistung bei formalen Re- chenaufgaben im frühen Grundschulalter einherzuge- hen (e16). Auch eine Sprachentwicklungsstörung im Kindergartenalter scheint ein Risikofaktor für schlechte Rechenleistungen zu sein (e17).

Hinsichtlich der Komorbidität von Rechen- und Auf- merksamkeitsstörungen ist die empirische Befundlage noch recht spärlich. Rubinsten und Mitarbeiter (13) unter- suchten die Effekte von Methylphenidat (Stimulanzien) auf die Rechenleistungen bei drei Gruppen von Kindern:

Komorbiditäten

20 bis 60 % aller Betroffenen mit der Diagnose Rechenstörung zeigen assoziierte Lernprobleme wie beispielsweise eine Lese-Rechtschreib-Stö- rung oder ein Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperakti- vitätssyndrom.

Vermeintlicher Zusammenhang

Bereits im Vorschulalter scheinen mangelhafte basisnumerische Fertigkeiten mit einer schlechte- ren Leistung bei formalen Rechenaufgaben im frühen Grundschulalter einherzugehen.

Differenzierung

assoziierte Probleme: zum Beispiel Rechenangst psychoemotio- nales Befinden isolierte

Rechenstörung/

Dyskalkulie

Rechen- schwäche

Rechenstörung mit komorbiden

Störungen

neurokognitive Charakte- ristika

Kerndefizit: Mengen- be- ziehungsweise Zahlen-

verständnis (parietale Regionen inklusive IPS) multiple Defizite: zum Bei-

spiel Zahlenverständnis/

Arithmetik + Aufmerksam- keit/Arbeitsgedächtnis + visuell-räumliche Fertig- keiten (fronto-parietale

Regionen) Komorbiditäten mit LRS:

Graphem-Phonem-Zuord- nung (parietale Regionen inklusive Gyrus-Angularis) ADHS: exekutive Funktionen

(präfrontale Regionen)

diagnostischer Fokus

basisnumerische und arithmetische

Fertigkeiten

arithmetische + nichtnumerische

kognitive Funktionen

Arithmetik + Schriftsprache + Aufmerksamkeit/

exekutive Funktionen GRAFIK 2

Differenzialdiagnostische Überlegungen zur Identifikation und Charakterisierung von Lernschwierigkeiten im numerisch-rechnerischen Bereich unter besonderer Berücksichtigung der Differenzierung zwischen Rechenstörung und Rechenschwäche (im angloamerikanischen Raum als mathematische Lernschwierigkeit/MLD bezeichnet).

KASTEN 2

Numerisch-rechnerische Fertigkeiten, die Kindern mit Rechenstörungen und Rechenschwächen besondere Schwierigkeiten bereiten*1

Erlernen, Abrufen und Anwenden von numerisch-rech- nerischem Wissen (inklusive Zahlenraumvorstellung, arithmetisches Fakten- und Prozedurenwissen)

falsches/inadäquates Anwenden von Rechenstrategien

Schwierigkeiten bezüglich der Generalisierung der gelernten Inhalte

kein oder sehr eingeschränkter Wissenstransfer (das heißt, gelernte Inhalte werden nicht automatisch – nicht ohne Unterstützung – auf andere Aufgaben und/oder Problembereiche übertragen).

*1 modifiziert nach (24)

(6)

Kinder mit ADHS ohne assoziierte Lernstörungen, Kinder mit ADHS und Rechenschwäche sowie Kinder mit ADHS und Rechenstörung. Die Resultate dieser Studie zeigten bei allen Gruppen positive Effekte der Stimulanzien auf jene Aspekte der Rechenleistung, die hohe Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis stellen (zum Beispiel Bearbeiten von Überträgen beim mehrstelligen schriftlichen Rech- nen). Demgegenüber gab es keine signifikanten Einflüsse der Stimulanzientherapie auf die basisnumerischen Fer- tigkeiten. Konsequenterweise folgern die Autoren, dass betroffene Kinder neben der medikamentösen Behand- lung unbedingt eine spezifische Lerntherapie benötigen.

Begleiterscheinungen

Wie die Ergebnisse einer aktuellen Übersichtsarbeit zeigen, haben Kinder mit Lernstörungen signifikant häufiger diagnostizierte psychopathologische Erkran- kungen als Gleichaltrige ohne Lernstörungen (30–50 %

versus 8–18 %, [e2]). Kinder mit Rechenstörungen ha- ben wegen der wiederholten schulischen Misserfolgser- lebnisse häufig einen hohen Leidensdruck, der zu nega- tiven Einstellungen zum Rechnen bis hin zur Rechen- und Schulangst führen kann (4). Rechenängste zeigen eine Tendenz zur Chronifizierung und behindern die Fertigkeitsentwicklung nachhaltig. Ihre Auswirkungen sind auf der physiologischen Ebene (Herzklopfen, Schweißausbrüche), der kognitiven Ebene (Gedanken der Hilflosigkeit, reduziertes Arbeitsgedächtnis [e18]) und der Verhaltensebene beobachtbar (Vermeidung).

Zudem scheint sich eine hohe Rechenangst auch nega- tiv auf die basisnumerische Verarbeitung auszuwirken (e19): so scheinen die mentalen Zahlenrepräsentatio- nen bei Personen mit ausgeprägter Rechenangst weni- ger präzise zu sein als bei Personen ohne oder mit ge- ringer Rechenangst.

Diagnostik und Differenzialdiagnostik der Rechenstörung In der Praxis findet man sehr unterschiedliche Leis- tungsprofile innerhalb der numerisch-rechnerischen Fertigkeiten, was die Vermutung nahelegt, dass es ver- schiedene Subtypen der Rechenstörung gibt (15, 16, e20). In der Literatur werden mehrere potenzielle ko- gnitive Verursachungsfaktoren der Rechenstörung pos- tuliert (16, e10), wobei das defizitäre Mengenverständ- nis aktuell empirisch am besten untersucht ist.

Die Verdachtsdiagnose einer Rechenstörung erfor- dert eine differenzierte Diagnostik, die der Komplexität dieser Lernstörung gerecht wird und imstande ist, die tatsächlichen Schwächen und Stärken im numerisch- rechnerischen Bereich abzubilden. Diagnostikinstru- mente zur Abklärung von Rechenstörungen können konzeptuell unterteilt werden in curriculare und neuro- psychologische Testverfahren (Tabelle). Weil viele be- troffene Kinder Schwierigkeiten in numerisch-rechne- rischen Bereichen zeigen, die weit unter dem Klassen- niveau liegen, riskiert man bei Verwendung curricula- rer Tests, dass die Leistungsdefizite nicht vollständig erfasst werden, was sich wiederum negativ auf die In- terventionseffekte auswirkt (weil das Kind nicht dort abgeholt werden kann, wo es sich leistungsmäßig tat- sächlich befindet).

Bereits im Kindergartenalter können spezifische Vor- läuferfertigkeiten erfasst werden (Kasten 1), die als zu- verlässige Prädiktoren für die spätere Rechenleistung identifiziert wurden (e33, e34). Auch das Arbeitsge- dächtnis wurde als reliabler Prädiktor der späteren Re- chenleistung genannt (17–19, e34, e35). Der Großteil

Diagnostikinstrumente

Diagnostikinstrumente zur Abklärung von Rechenstörungen können konzeptuell unterteilt werden in curriculare und neuropsychologische Testverfahren.

Prädiktoren

Bereits im Kindergartenalter können spezifische Vorläuferfertigkeiten erfasst werden, die als zuver- lässige Prädiktoren für die spätere Rechenleistung identifiziert wurden.

KASTEN 3

Exemplarische Darstellung verschiedener Lösungswege bzw. -strategien für ein- stellige Additions- und Multiplikationsaufgaben (die man auch als arithmetische Fakten bezeichnet)

Lösungswege

Direkter Abruf Alles zählen

Weiterzählen vom ersten Summanden Problem - zerlegung (Fokus auf der Basis 5) Problem - zerlegung (Basis 5) und Verschieben Wiederholtes Addieren Andere Strategien

Aufgabe 6 + 4 6 + 4 = 10 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 = 6;

1 + 1 + 1 + 1 = 4;

6 + 4 = 10 6 + 1 = 7 + 1 = 8 + 1 = 9 + 1 = 10

5 + 4 = 9 + 1 = 10

(6 − 1) + (4 + 1) = 5 + 5 = 10

6 + 6 = 12 − 2 = 10

7 × 2 7 × 2 = 14

(5 × 2) + (2 × 2)

2 + 2 + 2 + 2 + 2 + 2 + 2 (10 × 2) – (3 × 2)

(7)

der standardisierten Rechentests ist für das Grundschul- alter konzipiert und maximal bis zur sechsten Klassen- stufe normiert (e30). Der 2010 publizierte BASIS- MATH 4–8 ist das einzige Testverfahren im deutschen Sprachraum, das bis zur 8. Klassenstufe verwendbar ist (e36). Der BASIS-MATH stellt jedoch keine Normie- rungsdaten, sondern lediglich einen einzigen Schwel- lenwert für die Klassenstufen 4–8 zur Verfügung, der als grober Indikator für das „Erreichen des mathematischen Basisstoffs“ interpretiert werden kann. In der Praxis hat sich der BASIS-MATH bewährt, da er zusätzlich zu dem quantitativen Testwert auch die Rechenstrategien erfasst, was für die Interventionsplanung nützlich ist.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Wie aus Grafik 2 ersichtlich wird, sind Kinder mit Re- chenschwäche, mit umschriebener Rechenstörung und mit kombinierter Rechen- und Lese-Rechtschreib-Stö- rung in Hinblick auf die kognitiv-neuropsychologischen Leistungsprofile eindeutig voneinander unterscheidbar (14, 20). Aus der Vielfalt der beteiligten funktionellen Komponenten und dem Spektrum möglicher psy- chischer und neuropädiatrischer Komorbiditäten wird deutlich, dass die Diagnostik neben der differenziellen Erfassung der numerischen Komponenten auf einer sorgfältigen persönlichen, familiären und schulischen Entwicklungsanamnese basieren sollte. Zudem muss die Untersuchung des allgemeinen kognitiven Entwick- lungsstandes auch die nichtnumerischen Domänen, das sozioemotionale Befinden sowie entwicklungsneurolo- gische und gegebenenfalls neurophysiologische Befunde (EEG, Bildgebung) einbeziehen (2, 15, 21, 22) (Kas- ten 4).

Methoden zur Förderung und Behandlung der Rechenstörung

Die Förderung und Behandlung betroffener Kinder und Jugendlicher ist aufgrund der Heterogenität von Re- chenschwierigkeiten sowie der häufig assoziierten ko- morbiden Störungen ein komplexes Unterfangen. Eine erfolgreiche und nachhaltige Intervention sollte des- halb entlang der diagnostischen Befunde maßgeschnei- dert, an individuelle kognitive Funktionsprofile und Symptomausprägungen angepasst sein und gegebenen- falls auch psychotherapeutische und medikamentöse Maßnahmen einschließen, wenn der Schweregrad be- gleitender psychopathologischer Symptome (zum Bei- spiel Angst, Depressivität, ADHS) dies nahelegt (23, e37, e38).

Trotz der Heterogenität von Rechenstörungen schei- nen bestimmte Aspekte numerisch-rechnerischer Fer- tigkeiten besonders häufig und somit charakteristisch für diese Gruppe zu sein (Kasten 2).

Für die domänenspezifischen Behandlungsaspekte sind folgende Fähigkeiten besonders bedeutsam:

basisnumerische Fertigkeiten

Aufbau und Festigung von Zahlenraumvorstel- lungen

Entwicklung von arithmetischem Verständnis

prozedurales Wissen

Automatisierung von Faktenwissen.

Hier geht es im Grundsatz immer um das Wechsel- spiel von sukzessive aufbauendem Verstehen auf der ei- nen und festigendem Üben auf der anderen Seite. So sollte beim Erwerb des arithmetischen Faktenwissens darauf geachtet werden, dass begleitend zum wiederhol- ten Üben am zugrundeliegenden arithmetischen Ver- ständnis gearbeitet wird. Wie aus den in Kasten 3 ange- führten Beispielen ersichtlich, unterscheiden sich die verschiedenen Lösungsstrategien sowohl in Hinblick auf die Komplexität der involvierten Lösungsprozeduren als auch in Hinblick auf das zugrundeliegende arithmeti- sche Verständnis. Das Weiterzählen ist relativ zur Pro- blemzerlegung eine unreife Lösungsstrategie, während das Weiterzählen wiederum eine reifere Strategie und damit besseres arithmetisches Verständnis reflektiert als das Zählen aller Summanden. Letztere unreife Lösungs- strategie stellen hohe Anforderungen an die Arbeitsge- dächtnisleistungen, weil hier die beiden Zwischenergeb- nisse 6 und 4 behalten werden müssen. Das wiederholte Üben dient der Automatisierung des Abrufs der gelern- ten Inhalte und damit der Entlastung des Arbeitsgedächt- nisses. Die Arbeitsgedächtnisanforderungen sind beson- ders hoch beim mehrstelligen Rechnen mit Zehnerüber- gang, weil hier Zwischenergebnisse behalten und mani- puliert werden müssen (zum Beispiel 87 + 45).

Der Großteil empirisch evaluierter Interventionsstudi- en zur Förderung der Rechenfertigkeiten kommt aus dem anglo-amerikanischen Raum und von den sonderpädago- gischen Disziplinen. Die Ergebnisse sind nicht einheitlich.

Eine von Kroesbergen und van Luit (24) publizierte Me- taanalyse fokussiert auf Interventionsstudien bei Schülern der Elementarstufe (n = 58). Die Ergebnisse zeigen, dass:

die meisten Interventionen die basisnumerischen Fertigkeiten betrafen

Interventionen der basisnumerischen Fertigkeiten effektiver waren als jene der Vorläuferfertigkeiten und/oder der Problemlösungsstrategien, wobei die

Diagnostik

Sie sollte neben der differenziellen Erfassung der numerischen Komponenten auf einer sorgfältigen persönlichen, familiären und schulischen Entwick- lungsanamnese basieren.

Anforderungen an das Gedächtnis

Die Arbeitsgedächtnisanforderungen sind

besonders hoch beim mehrstelligen Rechnen mit

Zehnerübergang, weil hier Zwischenergebnisse

behalten und manipuliert werden müssen.

(8)

Stichprobengrößen zwischen n = 3 und n = 376 und die Effektgrößen zwischen Cohen’s d = –0,44 und d > 3 variierten (24)

kürzere Interventionen effektiver waren als länge- re (die Interventionsdauer über die Studien vari- ierte zwischen einer Woche und einem Jahr);

Förderungen durch die Lehrpersonen („direct in- struction“) effektiver waren als computergestützte Förderungen („mediated instruction“).

Die Ergebnisse einer weiteren Metaanalyse über englischsprachige Einzelfall-Interventionsstudien zei- gen, dass Einzelförderung beim Rechnen sehr effektiv ist (d = 0,91 [e40]), dass die Interventionsmethoden die Behandlungseffektivität maßgeblich beeinflussen und dass Interventionen, die auf der Vermittlung von Strate- giewissen basieren, deutlich effektiver zu sein scheinen als Förderungen, bei denen die zu lernenden Inhalte passiv vermittelt werden („strategy instruction“ versus

„direct instruction“).

Besonders effektiv scheinen folgende Interventions- methoden zu sein:

wiederholtes Üben

Lerninhalte segmentieren

kleine interaktive Fördergruppen

Verwendung von Hinweisreizen beim Strategie- lernen (e40).

In die kürzlich für den deutschsprachigen Raum von Ise und Mitarbeitern (25) publizierte Metaanalyse konn- ten acht Studien einbezogen werden. Insgesamt ergab sich mit 0,50 eine mittelgroße Effektstärke. Dabei mach- te es keinen bedeutsamen Unterschied, ob es sich um cur- riculare oder nichtcurriculare Förderansätze handelte.

Dagegen hatten Dauer und Intensität der Intervention ei- nen positiven Effekt auf die Wirksamkeit. Die meisten der aktuell verfügbaren deutschsprachigen Programme zur Förderung numerisch-rechnerischer Fertigkeiten sind nicht empirisch auf ihre Wirksamkeit überprüft worden, und viele dieser Programme lassen eine theoretische Grundlage weitgehend vermissen. Zu den wissenschaft- lich überprüften Lernprogrammen im deutschsprachigen Raum zählen das für das Vorschulalter konzipierte För- derprogramm „Mengen, Zählen, Zahlen“ (MZZ; [e41]), die computergestützten und eher curricular orientierten Förderprogramme „Elfe und Mathis“ (e42) und das Lernprogramm „Calcularis“ (e43), das auf neurowissen- schaftlichen Modellen der Entwicklung von Zahlenver- arbeitung und Rechnen basiert. Bei keinem der genann- ten Interventionsprogramme werden Effektstärken ge- nannt. MZZ zielt auf die Etablierung von basisnumeri-

schen und schulischen Vorläuferfähigkeiten (Mengenver- ständnis, Anzahlkonzept, Anzahlordnung, verschiedene Notationsformen). „Calcularis“ setzt bei den basisnume- rischen Fertigkeiten an und adressiert in größer werden- den Zahlenräumen die Automatisierung der verschiede- nen Zahlenrepräsentationen, das arithmetische Operati- onsverständnis und den Aufbau arithmetischen Fakten- wissens. „Calcularis“ ist adaptiv aufgebaut, das heißt, es passt sich den individuellen Lernschwierigkeiten des Kindes an. Mit einem Prototyp dieses Trainings konnte in einer Studie mit funktioneller Bildgebung (fMRT) ge- zeigt werden, dass die verbesserten zahlräumlichen und arithmetischen Fähigkeiten mit Veränderungen im neuro- nalen Aktivitätsmuster, insbesondere in den fronto-parie- talen Hirnabschnitten verbunden waren (e44).

Fazit und Kompetenzen des behandelnden Arztes

Rechenstörungen bleiben unbehandelt bis ins Erwach- senenalter bestehen (5, 6, e3, e4). Betroffene haben häufig sekundär assoziierte Störungen und sind am Ar- beitsmarkt benachteiligt (6, e2).

Besteht die Vermutung, dass eine Rechenstörung vorliegt, ist zuerst eine differenzierte diagnostische Ab- klärung nötig. Die kinder- und jugendpsychiatrischen sowie die schulärztlichen Dienste stellen dabei primär fest, ob komorbide (assoziierte) Störungen vorliegen.

Die differenzierte Leistungsabklärung (numerisch- rechnerischer und nicht-numerischer Fertigkeiten) fällt in den Zuständigkeitsbereich der Schulpsychologie so- wie der Neuropsychologie. Im Idealfall sollte das in der Diagnostik erstellte Leistungsprofil der Ausgangspunkt für die Förder- beziehungsweise Behandlungsplanung sein.

Die effiziente Förderung und Therapie der Rechen- störungen erfordert eine besondere Expertise, die am ehesten durch Absolventen von durch anerkannte Fach- verbände zertifizierten Aus- und Weiterbildungsgängen gewährleistet werden kann. In Deutschland sind dies zum Beispiel der Bundesverband Legasthenie und Dys- kalkulie/BVL sowie der Fachverband Integrative Lern- therapie/FIL. Mittlerweile gibt es auch erste hochschul- und fachhochschulgebundene Bachelor- und Master- studiengänge für spezifische Ausbildungen zur Lern- therapie.

Lerntherapeutische Hilfen können sowohl schulin- tern oder schulnah als auch ambulant sinnvoll einge- setzt werden. Kostenträger können in Deutschland Ju- gendämter sein, wenn die gesetzlichen Voraussetzun- gen mit der Feststellung einer drohenden seelischen

Wirksamkeit

Die meisten der aktuell verfügbaren deutschspra- chigen Programme zur Förderung numerisch-rech- nerischer Fertigkeiten sind nicht empirisch auf ihre Wirksamkeit überprüft worden.

Kostenträger für die Therapie

Dies können in Deutschland Jugendämter sein,

wenn die gesetzlichen Voraussetzungen mit der

Feststellung einer drohenden seelischen Behinde-

rung anerkannt werden.

(9)

Voraussetzungen für die Effektiviät der Therapie Die Dyskalkulietherapie ist dann effektiv, wenn sie maßgeschneidert ist und am tatsächlichen Leistungsprofil des betroffenen Kindes/Jugendlichen ansetzt.

Besonders effektive Förderansätze

Sind jene, die sowohl am Aufbau und der Etablierung des rechnerischen Verständnisses als auch an der Automatisie- rung der gelernten Inhalte ansetzen. Eine besondere Herausforderung ist der Wissenstransfer (von der Förder- stunde zur Anwendung der gelernten Inhalte im Alltag).

KASTEN 4

Beispiele für spezifische Anamnesefragen bei Verdacht auf eine Rechenstörung

Diese können nur Teil einer gesamten Einschätzung der Gesundheit und des geistigen und körperlichen Entwicklungsstandes sein.

Ätiologie

– familiäre Häufung

Gibt es in der Familie noch andere Personen (z. B. Mutter, Vater, Geschwister), die Schwierigkeiten beim Rechnen lernen hatten?

– primär/sekundär

Hatte das Kind von Anfang an Schwierigkeiten beim Rechnen ler- nen oder eine besondere Abneigung? Oder sind die Lernschwie- rigkeiten beim Rechnen erst später, zum Beispiel in Folge einer Er- krankung oder anderer gravierender Lebensereignisse eingetreten wie neurologische, psychiatrische, hirntraumatische Störungen?

Umschriebene Rechenstörung versus allgemeine Lernbehinderung

– Besucht das Kind/der Jugendliche die Regelschule?

– Hat das Kind/der Jugendliche abgesehen von den Schwierigkei- ten beim Rechnen lernen auch in anderen Schulfächern Proble- me? Sind diese Probleme so gravierend beziehungsweise be- treffen diese mehrere Schulfächer, so dass die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe gefährdet ist?

Vorläuferfertigkeiten

– Hat sich das Kind/der Jugendliche im Vorschulalter gerne mit Mengen und Zählen beschäftigt? Beispielsweise Abzählreime, Auszählen und Aufteilen (z. B. Süßigkeiten unter Freunden auf- teilen), oder Brettspiele zu spielen?

– Konnte das Kind vor Schuleintritt bis 10 zählen?

– Konnte das Kind vor Schuleintritt kleine Mengen (bis maximal drei Objekte) quasi auf einen Blick erfassen?

Adäquate Förderung und/oder Beschulung

– Hatte das Kind/der Jugendliche im Kindergarten- und Vorschul- alter ausreichend Gelegenheit, sich mit Mengen spielerisch aus- einanderzusetzen (beispielsweise Brettspiele zu spielen)?

– Gibt es eventuell Hinweise darauf, dass der Mathematikunter- richt mangelhaft war bzw. ist? Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn sehr viele Kinder in der Klasse Schwierigkeiten beim Rechnen lernen haben.

Assoziierte Probleme – Sprachentwicklung

Hatte das Kind/der Jugendliche eine verzögerte Sprachentwick- lung? (Falls ja, sind auch Schwierigkeiten beim Zählen und bei

anderen primär sprachlich unterstützen Aspekten des Rechnens, wie dem Abruf arithmetischer Fakten [beispielsweise 2 × 3 = 6]

oder Textaufgaben zu erwarten) – visuell-räumliche Fertigkeiten

Hat das Kind/der Jugendliche Schwierigkeiten beim (Ab-)Zeich- nen geometrischer Figuren (Achtung: Abgrenzung zu graphomo- torischen Schwierigkeiten kann hier schwierig sein!) oder in der örtlichen und zeitlichen Orientierung?

– Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis

Hat das Kind/der Jugendliche Schwierigkeiten, sich im Alltag mehr als einen Arbeitsauftrag zu merken? Vergisst das Kind/der Jugendliche häufig Termine, Hausaufgaben etc.?

– andere Lernstörungen

Hat das Kind/der Jugendliche zusätzlich zu den Rechenschwie- rigkeiten auch Probleme beim Schriftspracherwerb (Lesen/

Rechtschreiben)?

– sozio-emotionale Begleiterscheinungen

Gibt es Hinweise für das Vorliegen von Rechenangst, Schulun- lust oder Schulangst?

– psychosomatische Beschwerden

Kommt es vor, dass das Kind/der Jugendliche über Kopfschmer- zen/Bauchschmerzen etc. klagt, wenn ein Test oder eine Schul- arbeit in Mathematik bevorsteht?

– Aktuelle schulische Leistungen im Fach Mathematik Welche Schulnote hat das Kind aktuell im Fach Mathematik?

Welche Aspekte des Rechnens beherrscht das Kind/der Jugend- liche gut und bei welchen Aspekten beziehungsweise Teilberei- chen des Rechnens hat das Kind/der Jugendliche Schwierigkei- ten? (Achtung: Hier sollte man nicht nur die Grundoperationen abfragen [die separat betroffen sein können], sondern auch fra- gen, ob das Kind/der Jugendliche Schwierigkeiten bei der Geo- metrie, bei Algebra etc. hat).

Bisherige Förderungen/Therapien

– Hat das Kind/der Jugendliche bisher eine spezielle Förderung/

Therapie in Bezug auf Mathematik erhalten?

– Hat das Kind/der Jugendliche wegen anderer Lern- und/oder Verhaltensprobleme therapeutische Hilfen in Anspruch genommen?

– Wenn ja, welche, und waren diese erfolgreich?

(10)

Behinderung anerkannt werden. Grundsätzlich können Förderangebote nur erfolgreich sein, wenn sie ökolo- gisch valide sind, das heißt im Lebensalltag des Kindes wirksam werden können.

Ein weiterer Aufgabenbereich für den behandelnden Arzt und/oder Psychologen kann der Hinweis auf schulrechtliche Regelungen sein, die einen sogenann- ten Nachteilsausgleich für Leistungssituationen und -bewertungen ermöglichen. In den deutschen Bundes- ländern, in der Schweiz und in Österreich sind Nach- teilsausgleiche und schulische Fördermaßnahmen, so- fern überhaupt vorhanden, sehr unterschiedlich ausge- staltet. Sie sollten gegebenenfalls individuell geprüft und in Anspruch genommen werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dem behandelnden Arzt (Kinder- oder Hausarzt) vor al- lem bei der Früherkennung von Rechenstörungen (und anderen Lernstörungen) sowie bei der Beratung der El- tern/Bezugspersonen hinsichtlich der weiteren diagnos- tischen und therapeutischen Maßnahmen eine wichtige Rolle zukommt. Für die Früherkennung sind vor allem

anamnestische Hinweise durch die Eltern oder Bezugs- personen bedeutsam. Abgestimmt auf das Alter des Kindes sollte gezielt nach Mengenverständnis, Zählfer- tigkeiten und den bisherigen schulischen Mathematik- leistungen gefragt werden. Die Anamnese sollte auch Fragen beinhalten, die potenziell vorliegende sekundä- re Störungen erfassen (zum Beispiel weitere Lernstö- rungen in anderen Bereichen und/oder psychopatholo- gische Symptome, Schulunlust, Rechen- und/oder Schulangst).

Interessenkonflikt

PD. Kaufmann erhält Lizenzgebühren für Testverfahren wie TEDI-MATH und BVN5-11 sowie für das Lehrbuch Dyskalkulie und das Herausgeberbuch Ent- wicklungsneuropsychologie.

Prof. von Aster erhält Tantiemen vom Pearson-Verlag für den Test ZAREKI-R/K sowie Tantiemen für das Buch „Rechenstörungen bei Kindern“ vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Von der Firma Lilly erhielt er Honorare für die Vorbe- reitung wissenschaftlicher Fortbildungsveranstaltungen und Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten.

Manuskriptdaten

eingereicht: 13. 6. 2012, revidierte Fassung angenommen: 5. 10. 2012

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12. Landerl K, Moll K: Comorbidity of learning disorders: Prevalence and familial transmission. J Child Psychol Psychiatry 2010; 51:

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Voraussetzungen

Grundsätzlich können Förderangebote nur erfolg- reich sein, wenn sie ökologisch valide sind, das heißt im Lebensalltag des Kindes wirksam wer- den können.

Weitere Informationen zu cme

Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert.

Die erworbenen Fortbildungspunkte können mit Hilfe der Einheitlichen Fortbil- dungsnummer (EFN) verwaltet werden.

Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Persönliche Daten“ oder nach der Registrierung die EFN in das entsprechende Feld eingegeben werden und durch Bestätigen der Einverständniserklärung aktiviert werden.

Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.

Wichtiger Hinweis

Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über das Inter- net möglich: cme.aerzteblatt.de

Einsendeschluss ist der 21.12. 2012.

Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.

Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 1–2/2013 an dieser Stelle veröffentlicht.

Die cme-Einheit „Importierte Virusinfektionen“ (Heft 41/2012) kann noch bis zum 23. 11. 2012 bearbeitet werden.

Für Heft 49/2012 ist das Thema „Therapie des Hallux valgus“ vorgesehen.

Lösungen zur cme-Einheit in Heft 37/2012

Graf et al.: Medizinische Notfallsituationen im Flugzeug.

Lösungen: 1b, 2d, 3a, 4e, 5d, 6d, 7d, 8d, 9e, 10d

(11)

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25. Ise E, Dolle K, Pixner S, Schulte-Körne G: Effektive Förderung re- chenschwacher Kinder: Eine Metaanalyse. Kindheit und Entwicklung 2012; 21: 181–92.

Anschriften der Verfasser PD. Dr. rer. nat. Liane Kaufmann Landeskrankenhaus Hall

Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie A Milserstraße 10

A-6060 Hall in Tirol liane.kaufmann@ymail.com

Prof. Dr. med. Michael von Aster Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Psychotherapie und Psychosomatik DRK-Kliniken Berlin Westend Spandauer Damm 130 14050 Berlin

Zitierweise

Kaufmann L, von Aster M: The diagnosis and management of dyscalculia.

Dtsch Arztebl Int 2012; 109(45): 767–78.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0767

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit4512

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Berichtigung

In dem Beitrag „Hemispasmus facialis – Konservative und operative Therapieoptionen“ von Christian Ro- senstengel et al. im Deutschen Ärztblatt vom 12. Oktober 2012 (Heft 41) sind zwei Fehler enthalten:

1. In der Bildunterschrift zu Abbildung 2 auf der Seite 669 wurde die Arteria cerebelli infe- rior anterior genannt, gemeint ist jedoch die Arteria cerebelli infe- rior posterior. Die korrekte Legen- de lautet: „Die axial geschichtete CISS-Sequenz zeigt eine Schlinge der Arteria cerebelli inferior pos- terior (Pfeil A), die den Nervus fa- cialis (Pfeil B) am Austritt aus dem Hirnstamm komprimiert.“

2. Die Zahlenangabe auf der Seite 670 zur eigenen Serie von Patienten ist nicht richtig:

Die Serie umfasste nicht 102, sondern 110 Patienten. Der korrekte Satz lautet: „In der ei- genen Serie von 110 Patienten ließ sich außer bei zwei Patien- ten eine klare Kompression der Root-Exit-Zone als Ursache des Hemispasmus lokalisie-

ren.“ MWR

(12)

Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.

Frage Nr. 1

Wie hoch ist die Prävalenz der Rechenstörung (Dyskal- kulie)?

a) 1 % b) 3 % c) 5 % d) 7 % e) 9 %

Frage Nr. 2

Was scheint grundlegend zu sein für das rechnerische Denken und das Kopfrechnen?

a) der mentale Zahlenstrahl b) die haptische Fingerfertigkeit c) die visuelle Vorstellungskraft d) die versprachlichte Abzählfähigkeit e) die zahlenräumliche Visualisierungsfähigkeit

Frage Nr. 3

Welches kognitive Kerndefizit der Rechenstörung wurde bisher besonders gut dokumentiert?

a) Textverständnis und Fähigkeit zur Abstraktion b) Schreibgeschwindigkeit

c) räumliches Vorstellungsvermögen d) Mengenverständnis

e) Algebraisches Wissen

Frage Nr. 4

Welche Begleiterscheinungen sind häufig mit Schwierig- keiten beim Rechnen lernen assoziiert?

a) Wortfindungsstörungen b) Stottern

c) Bewegungsstörungen d) Schul- und Rechenangst e) Antriebslosigkeit

Frage Nr. 5

Worauf beruht gemäß ICD-10 und DSM-IV die Diagnose der Dyskalkulie?

a) unterdurchschnittliche Leistung bei einem standardisier- ten Rechentest und unterdurchschnittliche Leistung bei ei- nem standardisierten Lese- und Rechtschreibtest b) durchschnittliche Intelligenz und unterdurchschnittliche

Leistung bei einem standardisierten Rechentest

c) unterdurchschnittliche Intelligenz und unterdurchschnittli- che Leistung bei einem standardisierten Rechentest d) auf einer ausführlichen Anamnese und einem psychiatri-

schen strukturierten Interview

e) auf der Fremdbeobachtung von Eltern und Mathematik - lehrern

Frage Nr. 6

Welche Interventionen haben sich bei der Behandlung der Dyskalkulie als besonders effektiv erwiesen?

a) Aufbau und Etablierung des rechnerischen Verständnisses und wiederholtes Üben

b) Auswendiglernen des Kleinen 1 × 1

c) Nachhilfeunterricht in einem professionellen Lernstudio d) Entspannungstraining

e) kognitive Verhaltenstherapie

Frage Nr. 7

Wie hoch ist der Prozentanteil von Kindern mit Rechenstörung, die zusätzlich eine komorbide Störung, wie beispielsweise eine Lese-Rechtschreib-Störung oder Aufmerksamkeitsstö- rung, aufweisen?

a) 10–30 % b) 20–40 % c) 30–50 % d) 50–80 % e) 20–60 %

Frage Nr. 8

Ab welchem Alter können spezifische Vorläuferfertigkeiten er- fasst werden, die als zuverlässiger Prädiktor für die spätere Rechenleistung gelten?

a) Kleinkindalter (1 bis 2 Jahre) b) Kindergartenalter (3 bis 5 Jahre) c) Grundschulalter (6 bis 9 Jahre) d) Präpubertät (10 bis 12 Jahre) e) Pubertät (13 bis 14 Jahre)

Frage Nr. 9

Welcher Ansatz hat sich zur Behandlung der Rechenstörung empirisch bewährt?

a) Ergotherapie

b) wöchentlicher Nachhilfeunterricht c) Psychotherapie

d) Training mit PC-Programmen zur Förderung der Rechenleistung e) defizitorientierte und maßgeschneiderte Lerntherapie,

die sich an den Stärken und Schwächen des betroffenen Kindes orientiert.

Frage Nr. 10

Was sollte im Rahmen der Behandlung der Rechenstörung be- sonders berücksichtigt werden?

a) Wachstumsentwicklung und BMI b) motorische Fähigkeiten c) Komorbiditäten d) soziale Kompetenz

e) Konzentrationsfähigkeit des Kindes

(13)

Diagnostik und Intervention der Rechenstörung

Liane Kaufmann, Michael von Aster

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Punkte 3

cme

Teilnahme nur im Internet möglich:

aerzteblatt.de/cme

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e40. Swanson HL, Sachse-Lee C: A meta-analysis of single-subject- design intervention research for students with LD. J Learn Disabil 2000; 33: 114–36.

e41. Krajewski K, Nieding G, Schneider W: „Mengen, zählen, Zahlen“.

Die Welt der Mathematik entdecken. Berlin: Cornelsen 2007.

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Förderung des logischen Denkvermögens für das Vor- und Grund- schulalter. Göttingen: Hogrefe, 2011.

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Referenzen

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