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Archiv "Kinder mit Harnwegsinfektion: Risikogerechte Diagnostik und Therapie" (21.08.1985)

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(1)

B

is zum Ende der Schulzeit machen ungefähr 5 Prozent aller Mädchen und 0,5 Pro- zent der Jungen mindestens eine Harnwegsinfektion (HWI) durch.

Nicht nur bei Kindern mit Harn- stauung, auch bei Mädchen mit normalem Harntransport sind Re- zidive häufig. Aus diesen Gründen steht jeder kinderbetreuende Arzt regelmäßig vor der Aufgabe, Harnwegsinfektionen zuverlässig zu diagnostizieren und angemes- sen zu behandeln. Die meisten Kinder mit HWI, sogar die Mehr- zahl derer mit Rezidiven, bleibt ohne gefährliche Auswirkungen.

Andererseits können sich bei ver- zögerter oder unzureichender Be- handlung lebenslange und zum Teil ernste morphologische oder funktionelle Schäden einstellen.

Während der letzten Jahre gelang es, die Pathogenese der wichtig- sten mit HWI verbundenen Risi- ken aufzuklären und die beson- ders gefährdeten Kinder frühzei- tig zu identifizieren. Hierbei sind altersspezifische Besonderheiten des Kindesalters zu berücksichti- gen. Vorgestellt wird eine dem in- dividuellen Risiko angepaßte Un- tersuchungsstrategie, die eine in- dividuelle, risikogerechte Thera- pie ermöglicht. Ziel der Betreu- ung von Kindern mit Harnwegsin- fektionen ist heute einerseits eine frühzeitige und ausreichend in- tensive Diagnostik und Therapie bei hoher Gefährdung und ande- rerseits eine möglichst weitge- hende Einschränkung diagnosti-

Zu den Lebensabschnitten mit be- sonderer Gefährdung durch Harn- wegsinfektionen gehört die frühe Kindheit. Die meisten irreversib- len segmentalen Nierenparen- chymnarben infolge akuter Pyelo- nephritis bei Reflux entwickeln sich beispielsweise vor dem fünf- ten Lebensjahr. Segmentale Nie- renparenchymnarben führen bei Kindern in ungefähr 20 Prozent der Fälle zu Hypertonie. Daher ist eine rechtzeitige Erkennung der Kinder mit besonderer Gefahr segmentaler Nierenparenchym- narben die wichtigste ärztliche Aufgabe. Die Diagnostik sowie die Antibiotikabehandlung und -pro- phylaxe können heute dem indivi- duellen Risiko angepaßt werden.

scher und therapeutischer Maß- nahmen bei Kindern mit ohnehin guter Prognose.

Ich beschränke mich auf die nicht- obstruktive HWI.

1. Gefahren durch eine HWI Die schwerwiegendste Gefahr bei einer HWI ist ein morphologischer Nieren parenchymschaden. Des- sen häufigste Formen bei der nichtobstruktiven HWI im Kindes- alter sind segmentale Nierenpar- enchymnarben (Abbildung 1).

Diese sind irreversibel, können verschieden stark ausgeprägt sein (Abbildung 2) und treten erheb- lich häufiger einseitig als doppel- seitig auf. In nicht befallenen Nie- rensegmenten entwickelt sich ei- ne kompensatorische Hypertro- phie. Wachstumsverminderungen einer Niere mit sonst normalem röntgenologischen Aussehen sind etwas seltener. Die kontralaterale Niere ist in der Regel vergrößert.

Noch nach Jahren kann es zu ei- nem Aufholwachstum kommen (10).

Nierenfunktionsstörungen sind wegen des Überwiegens einseiti- ger Prozesse und der starken Kompensationstendenz meist nur durch seitengetrennte Untersu- chung faßbar (Abbildung 3). Eine arterielle Hypertonie entwickelt sich bei ungefähr 20 Prozent der Kinder mit segmentalen Paren- chymnarben, nicht selten erst nach mehreren Jahren (1).

Harnkonkremente, vor allem Phosphatsteine, können durch HWI mitverursacht sein.

2. Risikofaktoren

Bei Kindern ohne Harnstauung besteht nur bei solchen HWI das Risiko morphologischer oder funktioneller Nierenschädigun- gen, die unter dem klinischen Bild einer akuten Pyelonephritis ver- laufen.

Ein vesiko-uretero-renaler Reflux spielt als Vehikel für den Bakte- rientransport ins Nierengewebe eine wichtige pathogenetische Rolle. Ein weiterer Risikofaktor ist das Alter: Je jünger ein Kind ist, desto eher muß mit Nierenschä- den gerechnet werden. Die Häu- fung von Nierenschäden in man- chen Familien weist darüber hin- aus auch auf einen hereditären Ri- sikofaktor hin (3, 6-8).

Auf den wichtigsten Risikofaktor bei HWI, die Harnstauung, kann ich, wie schon erwähnt, nicht ein- gehen.

Kinder mit Harnwegsinfektion:

Risikogerechte

Diagnostik und Therapie

Hermann Olbing

Aus der Abteilung für Kindernephrologie (Direktor: Professor Dr. med. Hermann Olbing) am Zentrum für Kinderheilkunde

der Universität Gesamthochschule Essen

(2)

3. Risikogerechte Diagnostik Harnuntersuchungen sind der Schlüssel zur Diagnose einer HWI.

Hierfür stehen mikroskopische und einfache bakteriologische Methoden zur Verfügung, die in jedem Praxislabor eingesetzt wer- den können (Abbildung 4). Alters- angepaßte Vorschläge für Indika- tionen und Methoden für die Dia- gnostik sowie die Interpretation der Ergebnisse sind an anderer Stelle zusammenfassend darge- stellt (4).

Gerade bei Kindern ist eine Diffe- renzierung nach dem individuel- len Risikoausmaß erforderlich.

Der erste, bei allen Kindern mit HWI obligate Schritt sind Anamne- se, klinischer Befund und eini-

Abbildung 1 (oben): Ausscheidungsuro- gramm nach akuter Pyelonephritis bei einem Mädchen mit rechtsseitigem vesi- ko-ureteralem Reflux Grad IV. Im Be- reich des oberen Nierenpols rechts ist die Außenkontur eingezogen und das Kelchsystem verplumpt. Die rechte Nie- re ist kleiner als die linke

Abbildung 2 (links): Typisierung seg- mentaler Nierenparenchymnarben nach dem Schweregrad (Smellie und Mitarb.):

Fließender Übergang von kleiner Narbe (links) bis zur funktionslosen Narbeniere (rechts)

ge sehr einfache, in jeder Pra- xis durchführbare Laboruntersu- chungen.

Die mit einem hohen Risiko bela- stete akute Pyelonephritis ist ge- kennzeichnet durch

— Fieber,

— Beeinträchtigung des Allge- meinzustandes,

— Schmerzen im Nierenlager (spontan oder bei Palpation),

— Beschleunigung der Blutkör- perchensenkungsgeschwindig- keit und Leukozytose mit Links- verschiebung,

— Leukozytenzylinder im Harn.

Eine Erhöhung des C-reaktiven Proteins im Serum spricht für aku- te Pyelonephritis; die Methode ist für das Praxislabor zu aufwendig.

Die Untersuchung von 13 2-Mikro- globulin im Serum und Urin, von Bakterienantikörpern im Serum und von antikörperbedeckten Bakterien im Harn sind entbehr- lich, eine Lokalisation der bakte- riellen Infektion mit Blasenaus- waschtest oder Ureterenkathete- rismus ist wegen der nicht uner- heblichen Belästigung für die Routinediagnostik nicht gerecht- fertigt.

Eine akute Zystourethritis ist ge- kennzeichnet durch gehäuften,

schmerzhaften Harndrang sowie eine sekundäre Enuresis. Sie ist lästig, aber nicht gefährlich.

Als asymptomatische Bakteriurie sollte eine Harnwegsinfektion bei Kindern nur eingestuft werden, wenn in Anamnese, klinischem Befund und bei den weiter oben genannten einfachen Laborunter- suchungen außer pathologischen Harnbefunden keine pathologi- schen Befunde erhoben werden.

Für besonders wichtig halte ich in diesem Zusammenhang eine sorgfältige Befragung von Patient und Eltern auf Allgemeinbefinden und sekundäre Enuresis.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 34 vom 21. August 1985 (41) 2405

(3)

Der nächste Schritt der Risikodif- ferenzierung erfolgt mit bildge- benden Untersuchungen. Deren Spektrum ist in den letzten Jahren durch Ultraschallmethoden er- heblich bereichert worden. ln un- serer Klinik gelten derzeit für Pa- tienten mit verschiedenen klini- schen Formen der HWI die folgen- den individuell abgestuften Indi- kationen:

...,.. akute Pyelonephritis:

- obligat: Sonographie, Miktions- zystou reth rog raph ie;

- bei pathologischen Befunden: Ausscheidungsu rog raph ie.

...,.. Zystourethritis:

Abbildung 3 (rechts): 99m-Tc-DMSA-up- take-Test. Rechte Niere durch ausge- prägte segmentale Narben gegenüber der linken stark verkleinert. Seitenvertei- lung der gespeicherten Aktivität rechts:

links wie 27%:73% (gleiche Patientin wie Abbildung 1)

Abbildung 4 (unten): Mikroskopische (links) und bakteriologische (rechts) Un- tersuchungen von Nativharn zum Nach- weis einer Harnwegsinfektion. Für die mikroskopische Untersuchung hat sich gerade bei Kindern die Zählkammerme- thode bewährt. Mit agarbeschichteten Objektträgern kann die Bakterienmenge in jedem Praxislaboratorium untersucht werden

- obligat: erster Schub: Sonogra- phie, Rezidiv: Miktionszystoure- thrographie;

- bei pathologischen Befunden: Ausscheidungsurographie. ...,.. Asymptomatische Bakteriurie:

- obligat: Sonographie;

- bei pathologischen Befunden:

Miktionszystourethrographie und/

oder Ausscheidungsu rog raphie. Je jünger ein Kind ist, desto mehr

Erfahrung setzen zuverlässige Er- gebnisse bei bildgebender Unter- suchung an Nieren und ableiten- den Harnwegen voraus. Nach Möglichkeit sollten sie bei Säug- lingen, vor allem bei Neugebore-

nen, nur durch im Umgang mit diesen Methoden und im Umgang mit Kindern besonders geübte Ärzte vorgenommen werden.

Als Suchmethode nimmt die Ultra- schalluntersuchung heute eine Schlüsselstellung ein. Harnstau- ungen und Restharn sind leicht erkennbar, morphologische Nie- renparenchymschäden nur bei größerer Ausdehnung erkennbar {Abbildung 5) .

Die Miktionszystourethrographie dient der funktionellen und mor- phologischen Beurteilung von Harnblase und Urethra sowie der

Eintauchen Überfluten in Harnstrahl halten

1 Tropfen

Nativharn

~F,ch•.Ao•eothal- fiöl lf' J ,/ " ;<

Zahlkammer

1iJ i ~ ~ (

Mikroskopischer Bakteriennachweis

Leukozyten (Zylinder)

Erythrozyten

Sauberer

\~ ~ I

Einmalbecher • / ~ ~

~ ~

24 Stunden bei 37°C

liJ

oder Zimmertemperatur

(4)

Abbildung 5: Nachweis einer segmentalen Nierenparenchymnarbe durch Ultra- schalluntersuchung (gleiche Patientin wie Abbildungen 1 und 3)

Tabelle 1: Oral applizierbare Antibiotika

Tagesdosis Einzeldosen (mg/kg KG) pro Tag

Amoxycillin 50 3-4

Co-Trimoxazol 5 TMP+25 SMZ 2

Nitrofurantoin 5 3-4

Oralcephalosporine 50 3-4

Trimethoprim 5 2

Erfassung eines vesiko-ureteralen Refluxes (Abbildung 6). Normale Ergebnisse von Sonographie und Ausscheidungsurographie schlie- ßen einen Reflux nicht aus.

Die Indikation zur Ausscheidungs- urographie konnte in den letzten Jahren durch die Sonographie er- heblich eingeschränkt werden.

Durch sorgfältiges Abführen, durch Untersuchung im Nüchtern- zustand bei leerer Harnblase und durch sehr sorgfältige Beurtei- lung vor allem des Nierenparen- chyms (Abbildung 7) muß für eine volle Ausschöpfung der Informa- tionsmöglichkeiten diese Metho- den Sorge getragen werden. An- zahl und Format der Aufnahmen müssen der individuellen Frage- stellung und den Befunden ange- paßt und im Interesse einer Ver- minderung der Strahlenbelastung so weit reduziert werden wie mög- lich.

4. Risikogerechte Antibiotikatherapie

Außer der asymptomatischen Bakteriurie bei Kindern mit nor- malen Ergebnissen bildgebender Untersuchungen stellt jede HWI im Kindesalter eine Indikation zur Behandlung mit Antibiotika dar.

4.1. Antibiotische Schubbehandlung

Die oral applizierbaren Antibiotika haben sich als Mittel der ersten Wahl bei Kindern mit HWI beson- ders bewährt (Tabelle 1).

Zwischen den heute verfügbaren Oralcephalosporinen (in alphabe- tischer Reihenfolge: Cefaclor, Ce- fadroxil, Cefalexin, Cefradin, Ce- froxadin) bestehen für die Be- handlung von HWI keine ins Ge- wicht fallenden Unterschiede.

In vitro empfindliche Erreger wer- den in mehr als 90 Prozent der

Fälle eliminiert, wenn man eine Zystourethritis 3 bis 5 und eine akute Pyelonephritis 7 bis 10 Tage

lang behandelt. Längere Behand- lungszeiten bringen bei nichtob- struktiver HWI von Kindern keinen Vorteil.

Die in den letzten Jahren für Er- wachsene empfohlene Kurz- und Ultrakurztherapie (nur einen Tag lang oder nur eine Dosis) kann derzeit für Kinder noch nicht emp- fohlen werden.

Der Streit darüber, ob Trimetho- prim allein oder in Kombination mit einem Sulfonamid (beim Co- trimoxazol Sulfamethoxazol = SMZ) vorzuziehen sei, ist noch un- entschieden. Im Vergleich zum Co-Trimoxazol haben Kombina- tionen entweder mit Tetroxoprim oder anderen Sulfonamiden als dem Sulfamethoxazol bisher kei- ne eindeutig dokumentierten Vor- teile gebracht.

Nitrofurantoin sollte nicht bei Pa- tienten mit Niereninsuffizienz oder mit akuter Pyelonephritis eingesetzt werden.

Bei akuter Pyelonephritis ist früh- zeitiger Therapiebeginn eine der wichtigsten Voraussetzungen der Verhütung von Nierenschäden.

Darum sollte bei Fieber ohne ein- deutige anderweitige Ursache im- mer so rasch wie möglich eine Harnuntersuchung durchgeführt und beim Nachweis einer HWI die antibiotische Schubbehandlung sofort begonnen werden, das heißt vor Bekanntwerden eines Resistogramms. Wenn in solchen Fällen das Resistogramm eine un- genügende Wirksamkeit des ver- abreichten Medikaments zeigt, sollte auf ein in vitro besser wirk- sames Antibiotikum umgestellt werden, unter Umständen auch Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 34 vom 21. August 1985 (43) 2407

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Abbildung 6:

Vesiko-ureteraler Reflux: oben:

Internationale Klassifikation.

Unten: Reflux rechts Grad IV mit

intrarenalem Reflux im oberen Pol

als Mittel der zweiten Wahl auf Amoxycillin (50 mg/kg Körperge- wicht täglich in 3 bis 4 Einzeldo- sen).

Für eine Behandlung sogenannter Problemkeime, die auf oral appli- zierbare Antibiotika nicht anspre- chen, haben sich vor allem die in Tabelle 2 aufgeführten, parenteral zu applizierenden Arzneimittel bewährt; sie kommen besonders für die stationäre Behandlung in Betracht. Bei der Entscheidung zwischen ihnen ist außer der In- vitro-Wirksamkeit gegen den je- weiligen Erreger vor allem auch das Risiko unerwünschter Wirkun- gen zu bedenken, zum Beispiel

Oto- und Nephrotoxizität der Ami- noglykoside und Hämostasestö- rungen bei bestimmten Cephalo- sporinen.

Kontrolluntersuchungen des Harns einschließlich bakteriologi- scher Methoden sind bei Fehlen eines Resistogramms drei Tage nach Behandlungsbeginn, in je- dem Fall eine Woche nach Be- handlungsende und anschließend in Abständen von zunächst vier Wochen und später drei Monaten erforderlich. Rezidive der HWI nach vorübergehender Keimfrei- heit des Harns sind bei Kindern in mehr als 95 Prozent der Fälle Reinfektionen mit jeweils neuen

Keimen und nicht, wie man noch vor etlichen Jahren annahm, Re- lapse der nur supprimierten, aber nicht eliminierten ursprünglichen Infektion (Abbildung 8).

Die wichtigsten Neuentwicklun- gen in der antibiotischen Schub- behandlung der HWI sind

— die Verkürzung der Therapie- dauer,

— die Differenzierung der Thera- piedauer nach dem Typ der HWI,

— der Verzicht auf Kombinations- behandlung (Ausnahme: Folsäu- reantagonisten mit verschiede- nem Angriffspunkt, z. B. Trimetho- prim + Sulfamethoxazol = Co- Trimoxazol),

— der Verzicht auf Antibiotika bei asymptomatischer Bakteriurie mit normalem Befund bei bildgeben- den Untersuchungen.

4.2 Antibiotische Reinfektionsprophylaxe

Ihr Ziel ist die Vermeidung intra- kanalikulär aszendierender Rein- fektionen des Harntrakts von der Perigenitalregion und der distalen Urethra aus.

Die Indikationen werden heute er- heblich zurückhaltender gestellt als vor etlichen Jahren. In unserer Klinik gelten folgende Indikatio- nen:

— rezidivierende akute Pyelo- nephritis,

— persistierender vesiko-uretera- ler Reflux,

— sehr häufige, schmerzhafte Zy- stourethritis.

Medikamente der ersten Wahl sind:

Tagesdosis (mg/kg KG) Cotrimoxazol 1 TMP+5 SMZ Nitrofurantoin 1

Trimethoprim 1

Die Verabreichung in einer einzi- gen Dosis am Abend vor dem Schlafengehen reicht aus und ver- bessert die Compliance. Im Ge- gensatz zu den bis vor wenigen

(6)

Jahren gültigen Empfehlungen sollten die Antibiotika kontinuier- lich verabreicht werden, auch vor Kontrolluntersuchungen des Harns. Wenn es trotz Reinfek- tionsprophylaxe zu Rezidiven kommt, kann entweder die Dosis verdoppelt oder auf ein anderes empfohlenes Antibiotikum umge- setzt werden.

Die Dauer der Prophylaxe sollte den individuellen Verhältnissen angepaßt werden. Wir gehen der- zeit folgendermaßen vor:

- vesiko-ureteraler Reflux: bis 3 Monate nach operativer Beseiti- gung oder bis zur spontanen Re- fluxrückbildung;

- rezidivierende akute Pyelo- nephritis ohne Reflux: 6 Monate;

- sehr häufige, sehr schmerzhaf- te Zystourethritis: 3 Monate.

Der Streit, ob Trimethoprim allein oder in Kombination mit Sulfa- methoxazol vorzuziehen sei, ist ebenso wie bei der antibiotischen Schubbehandlung unentschie- den.

Seit einigen Jahren wird bei unter Co-Trimoxazol- oder Trimetho- primprophylaxe auftretenden Re- zidiven eine Resistenzzunahme von E.-coli- und Protausarten nicht nur gegen Trimatheprim und Sulfonamide, sondern auch gegen Ampicillin und Cephalo- sporine beobachtet. Dagegen ist es bisher nicht zu einer Resistenz- zunahme gegenüber Nitrofuran- tein bei mit diesem Antibiotikum durchgeführter Reinfektionspro- phylaxe gekommen.

Die wichtigsten Neuentwicklun- gen in der antibiotischen Reinfek- tionsprophylaxe:

- Einschränkung der Indikatio- nen,

- kontinuierliche tägliche Verab- reichung, auch vor Kontrollunter- suchungen,

- Dosisverminderung,

- nur eine Dosis pro Tag (abends).

L1-L3 mm 110

100

90

70

60

50

Fläche Länge unterer

~

::J

Quotient rechts-links

~l'

so

_??---

20- ->450 SD +5

+4

+3

+1

0

"15-_ -1

--- --- -

-2 10

-3

5

-4

-5

Abbildung 7: Messungen am Ausscheidungsurogramm zur detaillierten Beurteilung des Nierenparenchyms (nach Claässon und Mitarbeitern)- Gemessen werden an der Niere die Längsachse, die Parenchymdicke im oberen und unteren Pol sowie lateral und die Parenchymfläche {Planimetrie) sowie an der Lendenwirbelsäule die Höhe von L 1 bis L3. Durch Verbindung der Maßpunkte in den Nieren mit der Höhe von L 1 bis L3 im Nomogramm (ganz links) wird die Abweichung vom Normalwert in Stan- dardabweichungen .ablesbar

Tabelle 2: Parenteral zu applizierende Arzneimittel

Betalactamase-stabile Cephalosporine

(in alphabetischer Ordnung): Cefmenoxim, Cefoperazon, Cefotaxim, Ceftazidim, Ceftizoxim, Ceftriaxon, Latamoxef

Cephalosporine mit starker Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeru- ginosa: z. B. Cefsulodin (vor allem bei Azlocillin-Resistenz)

Acylaminopenicilline

(in alphabetischer Reihenfolge): Azlocillin, Mezlocillin, Piperacillin

Aminoglykoside

(in alphabetischer Reihenfolge): Amikacin, Gentamycin, Netilmycin, Tobramycin: cave! Nephro- und Ototoxizität

2410 (46) Heft 34 vom 21. August 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

(7)

Reinfektion Therapie

E. coli kein

04:K3:H5 Erregernachweis I Relaps

Proteus oder E. coli 02:K1 :H4 Therapie

E. coli 04:K3:H5

kein E. coli

Erregernachweis 04:K3:H5

Tabelle 3: Dosierungen für Antibiotika bei Niereninsuffizienz

Co-Trimoxazol:

— Bei mittelstarker Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate 50 ml/min/1,73 m 2 Körperoberfläche):

kontraindiziert

— Bei leichter Niereninsuffizienz (glomeruläre Filtrationsrate 50 bis 80 ml/min/1,73 m 2 Körperoberfläche):

normale Initialdosis, vom zweiten Tag an um 50 Prozent reduzieren

Amoxycillin und orale Cephalosporine:

Amoxycillin Cephalosporin

Dosierungsintervall (h)

bei Kreatinin-Clearance (ml/min) 80 80-50 50-10 10

6 8 12 24

6 6 8 24-48

Abbildung 8: Rezidive von Harnwegsinfektionen: Reinfektion (oben): Der Erreger un- terscheidet sich von demjenigen der vorausgegangenen Harnwegsinfektionen. Re- laps (unten): Der Erreger ist mit demjenigen der vorausgegangenen Harnwegsinfek- tion identisch

4.3 Antibiotische

Suppressionsbehandlung

Sie zielt auf eine Abschwächung einer Infektion, deren Eliminie- rung nicht gelingt, zum Beispiel bei infizierten Harnkonkrementen oder bei neurogener Blasenent- leerungsstörung. Ein gegen den jeweiligen Erreger in vitro wirksa- mes, oral applizierbares Antibioti- kum wird über längere Zeit in ei- ner möglichst geringen Dosis, welche gerade noch zur Unter- drückung störender Symptome führt, verabreicht.

4.4 Altersspezifische Probleme

der Antibiotikatherapie bei Kindern

Einige unerwünschte Antibiotika- wirkungen sind für das Kindesal- ter spezifisch.

Beispielsweise sollten bei Neuge- borenen Trimethoprim und Sul- fonamide wegen der Gefahr einer Verdrängung des Bilirubins vom Transportalbumin (erhöhtes Risi- ko einer Bilirubinenzephalopa- thie), der Methämoglobinbildung und der Heinzkörperanämie mög- lichst nicht verabreicht werden; in diesem Lebensalter ist neben den oral applizierbaren Cephalospori- nen das Amoxycillin Mittel der er- sten Wahl.

Bis zum Wachstumsende gelten Gyrasehemmer, von denen sich vor allem Norfloxazin und Pipe- midsäure bei Erwachsenen mit Problemkeimen bewährt haben, wegen im Tierversuch beobachte- ter Knorpelschäden an gewicht- tragenden Gelenken als kontrain- diziert.

Umgekehrt scheint Nitrofurantoin bei Kindern seltener ernste uner- wünschte Wirkungen zu haben als bei Erwachsenen (interstitielle Pneumonie, Cholestase, Hepati- tis, Polyneuritis); bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist Nitrofuran- toin dagegen auch im Kindesalter kontraindiziert.

Nitrofurantoin kann vor allem bei Kindern zu Inappetenz, Übelkeit, Kopfschmerzen und Leibschmer- zen führen. Hierauf muß die Mut- ter hingewiesen werden. Beim Auftreten überzeugender Hinwei- se auf derartige unerwünschte Nitrofurantoinwirkungen sollte auf ein anderes Antibiotikum um- gesetzt werden.

Für die Compliance (Therapie- treue), vor allem bei längerdau- ernder antibiotischer Reinfek- tionsprophylaxe, spielt bei Kin-

dern die „Schluckleichtigkeit" ei- ne viel größere Rolle als bei Er- wachsenen. Säuglinge und Krabb- ler nehmen Tropfen, Säfte, Dra- gees und Kapseln besser als Ta- bletten. Patienten im Kindergar- ten- und frühen Schulalter achten besonders genau auf Farbe, Ge- ruch und Geschmack eines Medi- kaments. Entscheidend für die Compliance von Kindern bis zur Adoleszenz ist die Mitarbeit der Mutter. Sie muß von der Notwen- digkeit der Medikamentengabe überzeugt werden. Unter Umstän-

(8)

den braucht sie Anschauungsun- terricht und geduldige Anleitung, wie sie sich zu verhalten hat, wenn ihr Säugling oder Kleinkind das Medikament wieder heraus- würgt.

4.5 Antibiotika bei Niereninsuffizienz

Nitrofurantoin ist bei einge- schränkter Nierenfunktion wegen des erhöhten Risikos uner- wünschter Wirkungen und wegen Wirkungslosigkeit auf Grund der zu geringen Konzentration im Harn kontraindiziert. Für Co-Tri- moxazol, Amoxycillin und orale Cephalosporine gelten die in Ta- belle 3 angeführten Dosierungen.

Schlußbemerkungen

In den letzten Jahren konnten Wechselwirkungen zwischen Bak-

terien und Uroepithel mit erheb- lichen Auswirkungen auf Häufig- keit und Schwere von HWI aufge- deckt werden (Übersichtsliteratur in 9). Sie bestimmen den Verlauf, besonders die Rezidivhäufigkeit bei HWI vor allem bei Patienten ohne Harnstauung. Bei Kindern mit Obstruktion ist es für die Pro- gnose entscheidend, den Harn- transport so rasch wie möglich operativ zu normalisieren. Ein vesikouretero-renaler Reflux ver- stärkt zwar nicht die Rezidivge- fahr, wohl aber die Wahrschein- lichkeit des Verlaufs unter dem klinischen Bild einer akuten Pye- lonephritis bei HWI.

Literatur

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Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Hermann Olbing Hufelandstraße 55 Universitätskinderklinik 4300 Essen 1

FÜR SIE GELESEN

Katheterembolisation der A. hepatica:

Eine nebenwirkungsarme Alternative

zur Leberchirurgie

Die Katheterembolisation hat sich als eine wirksame Behandlungs- methode bei vielen Organen des Körpers erwiesen, doch beson- ders bei Veränderungen der Le- ber, und dies aus drei Gründen:

> Durch den Portalkreislauf wird normales Lebergewebe bei Arte- rienunterbindung vor dem Infarkt geschützt.

• Nicht nur für den nichtspeziali- sierten Chirurgen ist die Leberchirurgie schwierig und ge- fährlich.

• Die Embolisation der A. hepati- ca kann bei Komplikationen nach chirurgischem Lebereingriff hilf- reich sein.

Die Autoren dieser Studie berich- ten über die Ergebnisse von 75 Eingriffen bei 57 Patienten mit Blutungen der A. hepatica (6), be- nignen Gefäßgeschwulsten und Mißbildungen (6) sowie bei primä- ren Leberzell-Karzinomen (10) und Metastasenleber (38 Patien- ten).

Die mittlere Überlebensrate der Patienten mit malignen Lebertu- moren entwickelte sich günstiger als bei Patienten mit ähnlichen Tumoren und anderen Behand- lungsmethoden.

Eine Embolisation verbesserte die durch maligne Lebertumoren her- vorgerufenen Symptome beson- ders bei den 22 Patienten mit täti- gen Primärtumoren.

Als häufigste Nebenwirkungen der Embolisation wurden Schmer- zen, Fieber, Leukozytose, intrahe- patische Gasbildung und Nausea festgestellt. Ernsthafte Komplika-

tionen traten nur in geringem Um- fange auf: Leberabszeß (4 Patien- ten), Septikämie (2), Niereninsuffi- zienz (2) und Darminfarkt (1).

Die zwei Patienten mit Septikämie starben innerhalb einer Woche nach Embolisation; dies waren die einzigen Todesfälle, die direkt auf den Eingriff zurückzuführen wa- ren.

Die Verfasser dieses Berichtes kommen zu der Schlußfolgerung, daß sich die Katheterembolisation als eine sichere und wirksame Methode bei der Behandlung be- stimmter Lebererkrankungen er- wiesen hat. Lng

Allison, D. J.; Jordan, H.; Hennessy, 0.: Thera- peutic Embolisation of the Hepatic Artery: a Review of 75 Procedures, The Lancet 18429 (1985) 595-598

Department of Diagnostic Radiology, Ham- mersmith Hospital and Royal Postgraduate Medical School, Du Cane Road, London W12 OHS, Großbritannien

2414 (50) Heft 34 vom 21. August 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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