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Archiv "Diagnostik" (16.05.1974)

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Jedem Arzt ist es bekannt, daß vie- le Patienten eine größere Zahl von Arzneimitteln gleichzeitig einneh- men. Es ist durchaus nicht selten, daß bei stationärer Behandlung gleichzeitig fünf bis zehn verschie- dene Medikamente ärztlich verord- net werden. Oft handelt es sich da- bei um Präparate, die ihrerseits wieder aus mehreren Einzelbe- standteilen bestehen. Auch bei am- bulanten Patienten ist die Situation ähnlich.

Hinzu kommt noch, daß viele Pa- tienten erst auf hartnäckiges Fra- gen des Arztes die Einnahme von Pharmaka zugeben. Vielen Men- schen unserer Zeit kommt es gar nicht mehr ins Bewußtsein, daß Stoffe, die wie Nahrungsmittel zu ihrem täglichen Leben gehören, für einen Arzt von besonderem Inter- esse sein könnten. Dazu gehören Schlafmittel, Tranquillantien, Anal- getika, Koffein und andere zentral

erregende Substanzen, die zur Leistungsverbesserung genommen werden. Auch orale Kontrazeptiva sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Bei interkurrenten Erkran- kungen kommen dann durch Selbstmedikation und ärztliche Verordnung zusätzliche Medika- mente hinzu.

So ist die Frage naheliegend, wel- che Folgen die gleichzeitige Zufuhr mehrerer oder gar zahlreicher che- misch differenter Substanzen für diese Stoffe selbst und für den menschlichen Körper haben kann.

Vor allem ist es interessant zu wis- sen, welche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Pharma- ka entstehen.

Wechselwirkungen, manchmal auch Interaktionen (englisch: inter- actions) genannt, sind alle zwi- schen mindestens zwei zugeführten Einzelsubstanzen auftretenden Än- IN KÜRZE

Diagnostik

Der Serum-Bilirubin-Spiegel von Neugeborenen, deren Mütter vor der Empfängnis Ovulationshemmer eingenommen hatten und die Fla- schenernährung erhielten, war si- gnifikant höher als der jener Kinder, deren Mütter selber stillten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Belfaster Maternity Hospital durch- geführt wurde. Der Unterschied wird auf einen von der Mutter- milch bewirkten „Maskierungsef- fekt" oder auf in der Muttermilch enthaltene Inhibitoren zurückge- führt. Weit wichtiger noch erscheint aber die Feststellung, daß Kinder von Müttern, die während der Früh- schwangerschaft wegen eines Abortus imminens Progesteron er- halten hatten, signifikant höhere Bi- lirubin-Spiegel hatten als andere Gruppen. Hier erreichte der Icterus neonatorum manchmal klinische Werte. HH (McConnell, J. B., et al. British Me- dical Journal 5881 [1973], 605)

Der Truncus arteriosus communis kann prinzipiell durch selektive Angiokardiographie mit Kontrast- mittelinjektion nachgewiesen wer- den. Patienten mit diesem angebo- renen Herzfehler haben meist eine schlechte Prognose. Die Kinder kommen vielfach schon im ersten Lebensjahr ad exitum. Differential- diagnostisch kommen folgende Anomalien in Betracht: singulärer Ventrikel, Hemitruncus, Pseudo- truncus, Fallotsche Tetralogie mit Pulmonalatresie, Trikuspidalatre- sie sowie mit Gefäßtransposition.

Außer der selektiven Angiokardio- graphie ist daher auch eine thora- kale Aortographie erforderlich, um einen echten Truncus arteriosus communis nachweisen zu können.

Damit läßt sich genau feststellen, wo der Abgang der Lungenarterien aus der Aorta liegt. cb (Koch, M., et al.: Dtsch. med. Wschr.

98 [1973], 1857-1862)

KOMPENDIUM

Wechselwirkungen der Arzneimittel

Gustav Kuschinsky

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Mainz

Bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Arzneimittel kann es zu Wechselwirkungen zwischen diesen Mitteln kommen. Sie können den Effekt der Einzelsubstanzen verstärken oder abschwächen. Die- se Wechselwirkungen können sich bereits auf die Resorption der Pharmaka auswirken. Auch durch Einflüsse auf den Abbau von Pharmaka in der Leber oder die Verdrängung aus der Bindung an Plasmaproteine oder durch Änderungen bei der Exkretion kann es zu Wechselwirkungen kommen. Werden diese Vorgänge nicht be- achtet, kommt es möglicherweise zu schweren Krankheiten.

1468 Heft 20 vom 16. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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A Pharmazeutische Phase Zubereitungsform

Arzneimittel wird verfügbar für die Resbrption

B Pharmakokinetische Phase mit Einflüssen von Arzneimit- telstoffwechsel, Eiweißbin- dung, Exkretion

Arzneimittel wird verfügbar für die Wirkung

C Pharmakodynamische Phase Wirkung am Rezeptor bezie- hungsweise am Erfolgsorgan Tabelle 1: Reihenfolge der Phasen der Passage des zugeführten Arzneimittels im Organismus. Möglichkeiten der Wechselwirkung mit einem oder mehreren weiteren Arzneimitteln in jeder dieser Phasen

Tabelle 2: Verminderung der Arzneimittelwirkung

Vitamin D Phenytoin

Antiepileptika

Zu schneller Umsatz des Vitamins;

Störungen des Knochenumbaus, Osteomalazie Resultierende Wirkung 1. Arzneimittel 2. Arzneimittel

Phenobarbital (Luminal®) und andere Barbiturate

Antiepileptika, zum Beispiel Phenytoin (Epanutin®, Phenhydan Zentropil®)

Verminderung der

antiepileptischen Wirkung

Phenobarbital (Luminal ®) und andere Barbiturate, ferner Glutethimid (Doriden®)

Antikoagulantien der Dicumarolgruppe, zum Beispiel Phenprocumon (Marcumare)

Äthyldicumarin (Tromexan®)

Verminderung der

Gerinnungshem- mung, Thrombo- segefahr

Kortikosteroide Prednison (Ultracorten®) Dexamethason (Dexa-Scherosone, Fortecortin®, Millicorten®)

Verminderung der

Steroidwirkung bei Asthma durch erhöhten Abbau Phenobarbital

derungen der Wirkung der Einzel- substanzen. Dabei kann es

I> zu einer Verminderung der Wir- kung der Einzelsubstanzen (es hat sich eingebürgert, hier mitunter auch von Interferenz der Wirkung zu sprechen),

D zu einer Verstärkung der Wir- kung der Einzelsubstanz kommen.

Wechselwirkungen an verschiedenen Orten im Organismus

Die Wechselwirkungen der Phar- maka können sich in verschiede- nen Phasen der Passage des Orga- nismus abspielen (Tabelle 1). Auf die Wechselwirkungen zwischen Antibiotika und Chemotherapeutika bei ihrer antimikrobiellen Wirkung wird in dieser Übersicht nicht ein- gegangen.

Wechselwirkungen

in der pharmazeutischen Phase Als die Ärzte noch nach eigenem Ermessen Rezepte mit verschiede- nen Inhaltsstoffen vom Apotheker herstellen ließen, mußten sie dar- auf achten, daß nicht „Inkompatibi- litäten", also Unverträglichkeiten der Mischungen, zustande kamen.

In Rezeptbüchern gab es darüber entsprechende Listen, aus denen beispielsweise hervorging, daß Al- kaloide nicht zusammen mit Jod- salzen verordnet werden dürften.

Das Problem der Mischung durch den Arzt ist heute an einer anderen Stelle wieder aufgetaucht, nämlich bei den 'Infusionslösungen. So soll- te man wissen, daß

• Penicilline in Infusionslösungen, die Glukose oder Bikarbonat ent- halten, schnell zerstört werden.

Derartige Lösungen dürfen nicht einmal für einige Stunden ange- setzt werden!

Bei ad hoc hergestellten Infu- sionslösungen muß die Stabilität der Pharmaka gesichert sein.

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Tabelle 3: Erhöhung der Arzneimittelwirkung

Resultierende Wirkung 1. Arzneimittel 2. Arzneimittel

Chloramphenicol (Leukomycin ® , Paraxin ® , Catilan ® ) Methylphenidat (Ritalin ® ) Phenyramidol (Cabral ® )

Antikoagulantien der Dicumarolgruppe siehe Tabelle 2

Erhöhte Blutungs- bereitschaft durch Hemmung des Abbaus der Antikoagulantien

Sulthiam Phenytoin siehe Schwere Ver- (Ospolot ® ) Tabelle 2 giftung mit

irreversiblen Kleinhirnschädi- gungen durch Hemmung des Ab- baus von Phenytoin Dicumarolgruppe Phenytoin

siehe Tabelle 2 Phenylbutazon (Butazolidin ® ) Phenyramidol (Cabral®) Methylphenidat (Ritalin ®) lsoniazid, PAS, Chloramphenicol Chlorpromazin (Megaphen ® ) Chloramphenicol

(siehe oben)

Hemmung des Phenytoin-Abbaus Wechselwirkungen der Arzneimittel

Bedeutung der pharmazeutischen Zubereitungsformen

Man sollte meinen, daß eine von ei- ner anerkannten Firma hergestellte Spezialität eine gleichmäßige Wir- kung hat, wenn immer dieselbe Menge des Pharmakons enthalten ist. Nur zwei Beispiele aus der letz- ten Zeit sollen zeigen, welche Schwierigkeiten entstehen können.

Ungleichmäßige Wirkungen ver- schiedener Chargen desselben Di- goxinpräparates einer angesehe- nen ausländischen Firma haben weitere Untersuchungen veranlaßt.

Daraus ging hervor, daß nicht nur die Zerfallgeschwindigkeit der Ta- bletten eine Rolle spielt, sondern sogar auch die Geschwindigkeit der Auflösung der Digoxinkristalle.

Die langsamer sich auflösenden Kristalle führten zu eindeutig nied- rigeren Blutspiegeln. Analoge Be- funde waren bereits früher gele- gentlich der „Mikronisierung", das heißt Verminderung der Teilchen- größe, von Spironolacton erhoben worden.

• Geschwindigkeit der Auflösung von Kristallen und Teilchengröße

des Pharmakons sind für das Aus- maß der Wirkung sehr wichtig.

Vor einigen Jahren war es in Au- stralien zu Vergiftungen mit dem Antiepileptikum Phenytoin gekom- men. Die Patienten hatten dieselbe Dosis des Pharmakons eingenom- men, das unter demselben Marken- namen verkauft wurde. Die Herstel- lerfirma hatte inzwischen das als Grundmasse in den Kapseln ver- wendete Kalziumsulfat durch Milchzucker ersetzt. Dadurch wur- den die Phenytoinkonzentrationen im Blut beträchtlich erhöht.

• Selbst sogenannte indifferente Grundstoffe von Arzneimitteln kön- nen also die Wirkung des differen- ten Pharmakons beträchtlich be- einflussen. In diesen Fällen kann man von einer therapeutischen Nicht-Äquivalenz bei gleicher Do- sierung sprechen. Selbstverständ- lich kann es erst recht zu Wechsel- wirkungen zwischen mehreren dif- ferenten Pharmaka kommen.

Bedeutung der Magenentleerung Es konnte gezeigt werden, daß eine Verlangsamung der Magen- entleerung die Resorption von Di- goxin steigert. Die Serumdigoxin- werte waren beträchtlich höher, wenn die Patienten vorher ein atro- pinartig wirkendes Anticholinergi- kum erhielten. Umgekehrt waren die Serumdigoxinwerte erniedrigt, wenn die Patienten unter der Wir- kung von Metoclopramid (Pasper- tin ® ) standen, das die Magenent- leerung beschleunigt.

• Diese Befunde sprechen dafür, daß das Ausmaß der enteralen Re- sorption durch die Motorik be- trächtlich verändert werden kann.

Retard-Präparate

Die geschilderten Untersuchungen über die Bedeutung der Lösungs- geschwindigkeit von Digoxin auf den Blutspiegel sind ebenso wie die Befunde über die Magenmoto- rik von allgemeinem Interesse:

1470 Heft 20 vom 16. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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..,.. Es ist möglich, daß eine Verzö- gerung in der Verfügbarkeil eines Pharmakons nicht zu einer verzö- gerten, sondern zu einer vermin- derten Wirkung führt.

Bei den beispielsweise sehr belieb- ten Retardpräparaten, bei denen die Freigabe des Mittels im Darm durch pharmazeutische Maßnah- men verzögert wird, ist deshalb der Nachweis von ausreichend hohen Blutspiegeln erforderlich.

Ein·fluß des pH auf die Resorption nach oraler Zufuhr

Nach oralen Gaben von Antacida werden saure Medikamente, wie etwa Sulfonamide oder Dicumarol- derivate schlechter vom Magen- Darm-Kanal resorbiert, basische Substanzen, wie Meperidin (Dolan- tin®) dagegen besser. Das Ausmaß dieser Resorption wird jeweils bei höherem Dissoziationsgrad einge- schränkt. Die Substanzen passie- ren die Zellen nur in nichtionisier- ter Form.

Einfluß von Cholestyramin auf die enterale Resorption Cholestyramin (Cuemid®, Quanta-

Ion®) ist ein nichtresorbierbares Anionenaustauscherharz, das Gal- lensäuren im Magen-Darm-Kanal bindet. Es wird bei Pruritus infolge von Ikterus mit Erfolg gegeben. Da- bei ist es möglich, daß auch ande- re Substanzen gebunden werden, wie etwa Antikoagulantien der Di- cumarolgruppe.

Wechselwirkungen in der pharmakakinetischen Phase

Wechselwirkungen im Stoffwechsel

ln den letzten Jahren sind die Er- kenntnisse über die Wechselwir- kungen im Stoffwechsel beträcht- lich vergrößert worden. Da es nicht möglich ist, alle Einzelbefunde an- zuführen, sollen nur einige wesent-

Tabelle 4: Wechselwirkungen durch Verdrängung

- - 1. Arzneimittel 2. Arzneimittel Resultierende

Wirkung

Sulfonylharnstoff- Sulfonamide Verstärkte Blut- gruppe der oralen Phenylbutazon zuckersenkung, Antidiabetika, zum (Butazolidin®) und Hypoglykämie Beispiel Tolbutamid Verwandte, zum Beispiel

(Artosin®, Rastinon®) Oxyphenbutazon Glibenclamid (Tanderil®)

(Euglucon®) Antikoagulantien der Dicumarolgruppe (siehe Tabelle 2)

Salicylate, zum Beispiel (Aspirin®)

Antikoagulantien der Clofibrat (Regelan®) Zunächst durch Dicumarolg ruppe Phenylbutazon Verdrängung aus (siehe Tabelle 2) (Butazolidin®) Proteinbindung

Oxyphenbutazon erhöhte

(Tanderil®) Blutungs-

bereitschaft, später eventuell abgeschwächte Wirkung des Antikoagulans durch

Enzyminduktion

Salicylate, zum Verstärkung der Beispiel Aspirin® Blutungsbereit-

schaft durch Ver- drängung aus Proteinbindung.

Außerdem sind Salicylate als Vitamin-K- Antagonisten synergistisch zu Dicumarolderivat

liehe Wechselwirkungen als Bei- spiele dargestellt werden. Eine wichtige Rolle spielt der enzymati- sche Abbau der Pharmaka in der Leber. Besonders die Enzyme der aus dem endoplasmatischen Reti- kulum gewonnenen Mikrosomen sind von Belang.

..,.. Die mikrosomalen Enzyme sor- gen für die Oxydation von Pharma- ka.

..,.. Ihre Wirkung ist ziemlich unspe- zifisch; es werden ganz verschie- dene Substanzen mit diesem Me- chanismus oxydiert. C>

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Schwache Säuren, zum Beispiel

Barbiturate, Sulfonamide

Bei Erhöhung des Harn-pH, etwa durch Natriumkarbonat, kommt es zu erhöhter lonisierung

Durch erhöhte lonisierung wird Ausscheidung der schwachen Säuren erhöht, weil diese Ionen die Tubuluszellen nicht passieren Schwache Basen

Methamphetamin (Pervitin®) Meperidin (Dolantin®)

Bei Verminderung des Harn-pH, etwa durch Acida, Erhöhung der lonisierung

lonisierung verhindert Rückresorp- tion, siehe oben

Wechselwirkungen der Arzneimittel

Durch Zufuhr einer oxydierbaren Substanz (zum Beispiel Phenobar- bital [Luminal ® ]) werden Menge und Aktivität des Enzyms im Reti- kulum vermehrt; es kommt zur En- zyminduktion.

Nach der Enzyminduktion, zum Beispiel durch Phenobarbital, wer- den auch andere in diesem System oxydierbare Stoffe vermehrt oxy- diert. Die Wirkung der zweiten Sub- stanz wird dadurch vermindert.

Verminderung

der Arzneiwirkung durch beschleunigten Abbau

Einige Beispiele für die Verminde- rung der Wirkung einer zweiten

Substanz infolge einer Enzymin- duktion durch die erste Substanz sind Tabelle 2 zu entnehmen.

Erhöhung der Arzneiwirkung durch Hemmung des Abbaus Eine Reihe von Substanzen hem- men den enzymatischen Abbau an- derer Pharmaka; dafür gibt Tabel- le 3 einige Beispiele.

Wechselwirkungen

durch Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung

Pharmaka sind nur wirksam, wenn sie im Plasma in freier, nicht an Plasmaeiweiß gebundener Form vorliegen. Falls ein zweites Phar-

makon das erste aus seiner Eiweiß- bindung verdrängen kann, so wird die wirksame Konzentration des er- sten erhöht. Allerdings kann der freie Anteil dann unter Umständen schneller durch metabolische Vor- gänge oder durch die Nieren elimi- niert werden, so daß die Wirkungs- dauer verkürzt wird.

Einige Beispiele für eine derartige Verdrängung aus der Plasmaei- weißbindung sind in Tabelle 4 auf- geführt.

Wechselwirkungen bei der Exkretion

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Wechselwirkungen bei der ente- ralen, z. B. biliären, Exkretion: Ähn- liche Befunde wie bei beschleunig-

Tabelle 5: Wechselwirkungen bei der renalen Ausscheidung

A. Bei Rückresorption von Pharmaka aus dem Tubuluslumen ins Blut

B. Bei aktiver Sekretion von Pharmaka aus dem Blut in das Tubuluslumen verdrängen sie sich gegenseitig.

„Siegreich" dabei ist stets die in großer Menge vorhandene Substanz.

Probenecid (Benemid ® ) Sulfonamide

Penicillin Die durch Probenecid bewirkte

Verdrängung des Penicillins führt zu beträchtlicher Erhöhung des Penicillinspiegels. Therapeutisch ausgenutzt bei relativer Penicillin- resistenz, zum Beispiel Staphylo- kokken, auch Gonokokken Phenylbutazon

(Butazolidin ® ) Oxyphenbutazon (Tanderil®)

Sulfonamide PAS

Antikoagulantien der Dicumarolgruppe

Gegenseitige Verdrängung aller genannter Substanzen

untereinander

1474 Heft 20 vom 16. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Durch Hyper- kalzämie wird die Wirkung der Herzglykoside verstärkt Kalziumsalze Herzglykoside

Saluretika

(chronische Zufuhr) Laxantien

(chronische Zufuhr)

Herzglykoside Durch Hypokali- ämie wird die Wirkung der Herzglykoside verstärkt

Glukokortikoide Saluretika Gefahr der Hypo- kaliämie

Antibiotika der Aminoglykosidgruppe:

Gentamycin

(Refobacin ® , Sulmycin°) Kanamycin

(Kanamytrex ® ) Streptomycin

Verstärkung der Muskellähmung Curareartige

Muskelrelaxantien

Tabelle 7: Antagonismen am Erfolgsorgan bzw. Rezeptor

Cephalotin Gentamycin

(Refobacin 9 Sulmycin®)

Jede einzelne Substanz ist in üblichen Dosen kaum

nephrotoxisch.

Kombination beider kann Nephropathie vom tubulär- interstitiellen Typ erzeugen

Resultierende Wirkung 1. Arzneimittel 2. Arzneimittel

Tricyclische Anti- depressiva, zum Beispiel lmipramin (Tofran ir)

Amitriptylin

(Tryptizol®, Saroten ® , Laroxyl®)

Doxepin (Aponal® ) Desipramin (Pertofran ® )

Guanethidin (Ismelin®' Clonidin (Catapresan ®)

Blutdruck- senkende Wir- kung

von Guanethidin und Clonidin wird vermindert

Probenecid (Benemid®)

Etacrynsäure (Hydromedin®) Salicylate, zum Bei- spiel Aspirin®

Harnsäureaus- scheidung wird vermindert

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ter Magenmotorik sind auch bei be- schleunigter Darmpassage zu er- heben. Die Resorption von Pharma- ka kann durch Laxantien, insbeson- dere bei deren Abus, vermindert sein.

O Wechselwirkungen bei renaler Exkretion: In der Niere können Wechselwirkungen vor allem durch zwei Mechanismen zustande kom-

men (Tabelle 5):

A. Durch Rückresorption von Phar- maka aus dem Tubuluslumen ins Blut.

B. Durch gegenseitige Verdrän- gung bei der Sekretion aus dem Blut in das Tubuluslumen.

Wechselwirkungen in der pharmakodynamischen Phase Nachstehend werden bekannte Syn- ergismen, wie zwischen Alkohol

und Tranquillantien, ebenso wie bekannte Antagonismen, wie zwi- schen adrenergen Substanzen und adrenergen Blockern nicht erörtert.

Es wird nur auf einige bemerkens- werte Wechselwirkungen hingewie- sen, die vielleicht übersehen wer- den könnten. Die Synergismen sind in Tabelle 6, die Antagonismen in Tabelle 7 dargestellt.

Schlußfolgerungen für die Praxis

Hier konnte nur eine kleine Probe der Wechselwirkungen gegeben werden; zu diesem Thema existie- ren dicke Bücher mit endlosen Li- sten über die sich gegenseitig be- einflussenden Pharmaka. Kein Arzt in der Praxis kann sich alle Einzel- heiten merken. Wenn irgend mög- lich, sollte er einem Patienten je- weils nur wenige Medikamente ge- ben. Bei differenten Stoffen muß er den Kranken im Auge behalten.

Da sich oft eine Monotherapie nicht durchführen läßt, sollten die für eine Kombinationstherapie maßge-

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Aktuelle Medizin

Arzneimittel-Wechselwirkungen

benden Gesichtspunkte beachtet werden. Mehrere Pharmaka sind nötig, wenn

1111> gleichzeitig verschiedene Krank-

heiten vorliegen,

1111> der Erfolg durch Kombination

von Pharmaka, die synergistisch an der therapeutisch gewünschten Stelle wirken, verbessert werden kann. Dabei sind meistens die Ne- benwirkungen der Einzelsubstan- zen verhältnismäßig gering.

Das gilt zum Beispiel für die Thera- pie bei Tuberkulose mit möglichst drei Substanzen. Das gilt auch für die Therapie der Hypertonie. ln je- dem Fall, besonders aber bei ferti- gen Kombinationen, sollte überlegt werden:

1111> Ist ein wirksames Mittel nur

durch ein Placebo angereichert?

Fertige Kombinationen sollten, so- fern sie außer einem wirksamen Pharmakon nicht nur Placebos ent- halten, möglichst vermieden wer- den. Ob man einmal über die Wir- kung einer bestimmten Kombina- tion, etwa von Antihypertonika, so sicher Bescheid wissen wird, daß sie diejenige von mehreren Einzel- tabletten überwiegt, hängt von ent- sprechenden kritischen Prüfungen ab, die durchgeführt werden soll- ten.

1111> Jeder Arzt sollte sich des

schwierigen Problems der Arznei- kombination bewußt sein.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Gustav Kuschinsky 65 Mainz

Obere Zahlbacher Straße 67 (Hochhaus)

KOMPENDIUM

Die klinische Bedeutung der Liquordiagnostik

Johannes Sayk

Aus der Abteilung für Neurologie der Universitäts-Nervenklinik Rosteck

(Direktor: Professor Dr. med. Johannes Sayk)

Die Bedeutung der Liquoruntersuchung für die klinische Diagnostik wird an Hand der Kompartimente Liquordruck, lonenbestimmungen, Gesamteiweiß und pherographische Differenzierung, Kolloidreaktio- nen, Liquorzuckerbestimmungen, Enzymbestimmungen, Aminosäu- renbestimmungen, Ultraviolett- und Infrarotspektrographie und Zy- todiagnostik kurz dargestellt. Eine Aufzählung der Liquorsyndrome ist angeschlossen.

Das Liquorsystem, ein passives Or- gan, dient im wesentlichen einem mechanischen und osmoregulati- ven Schutz des Gehirns und des Rückenmarks. Schädigungen ent- zündlicher, mechanischer oder to- xischer Art führen zu verschiede- nen Permeabilitätsstörungen an den Zellgrenzflächen und Membra- nen des Plexus chorioideus, des Ependyms und des subarachnoida- len Endothels, wobei es sowohl zu Sekretions-, Diffusions- und Aus- tauschstörungen als auch zu Re- sorptionsstörungen kommen kann.

Hinzu kommt eine verschieden ge- artete Zellreaktion, so daß eine klinische Schlußfolgerung proble- matisch sein kann.

Liquordruck

Der Liquordruck beträgt in Hori- zontallage des Menschen norma- lerweise 50 bis 250 Millimeter H20.

Er ist abhängig von der Plexusse- kretion, im Durchschnitt 200 Millili- ter in 24 Stunden, den ependyma- len und endothelialen Diffusionsbe-

dingungen und der Resorption. Zur einfachen Messung genügt das Steigrohr. Zur fortlaufenden und synchronen Registrierung bei der Differenzierung eines kindlichen Hydrozephalus sind die modernen Druckkapseln mit elektronischen Schreibern zu empfehlen.

Drucksteigerungen bei Geschwül- sten - 500 bis 1000 Millimeter H20 - entstehen durch intrakranielle Massenzunahme und Verlegung der Liquorkommunikationswege.

Verlegungen können zu Block- und lnkarzerationssymptomen führen.

Die Toleranz durch Sekretions- drosselung und Resorptionssteige- rung ist gering.

Ob ein Hydrocephalus non occlu- sus ausschließlich auf einem Re- sorptionsdefekt beruhen kann, das vermochte die Liquorforschung bislang noch nicht zu klären.

Drucksteigerungen bei Entzündun- gen durch erhöhte Plexussekretion und Diffusion bei verminderter Re- sorption infolge Verklebung im Subarachnoidalraum sind heute

1476 Heft 20 vom 16. Mai 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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