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er im Alter häufig Denksport treibt, etwa Schachspielen, der beugt möglicherweise einem Morbus Alzheimer vor“, lese ich gerade als Quintessenz einer Studie, in die Anfang der 80er-Jahre fast 500 Menschen ohne Demenz zwischen 75 und 85 Jahren im US-Staat New York aufgenommen wur- den und die 2001 endete (New England Journal of Medicine 348, 2003, 2508).Die Diagnose Demenz wur- de aufgrund mehrerer Tests (Aufmerksamkeit, Gedächt- nis et cetera) festgestellt, im Abstand von zwölf bis 18 Monaten wurden klinische und neuropsychologische Untersuchungen durchge- führt. Am seltensten er- krankten die Teilnehmer, die
häufig Schach spielten (26 Prozent) und musizierten (31 Prozent). Allerdings, werte Schachspieler, Tanzen war noch eine Spur wir- kungsvoller als das Aus- hecken von Mattstrategien (24 Prozent).
Gleich musste ich an die Nestoren des Ärzteschach- turniers denken: Dr. Reichel (90), Dr. Schütz (93) und den leider im Juli verstorbenen Dr. Faulhaber (91), Vorbil- der an geistiger Frische.
Wer, wie Dr. Schütz, immer noch Abfahrten mit den Skiern hinunterjagt und im so kalten Winter Anfang 1945 mit Schlitten und Pferd im dichten Schneetreiben zu ei- ner weitab gelegenen Kate fährt, in stockfinsterer Nacht nichts mehr sieht, den Weg verliert, diesen dem Pferd
überlässt, welches ihn in- stinktiv findet, weil er kurz zuvor dort die junge Frau entbunden hat, schließlich völlig vereist und verschneit ankommt und gleich von der ihn sehnsüchtig erwartenden Familie, bevor er seinem ärzt- lichen Handwerk nachgehen kann, ausgezogen und split- ternackt zum Aufwärmen in den großen Bottich mit heißem Wasser mitten in der Wohnstube gesteckt wird, be- gleitet von wohlmeinenden Blicken und Reden aller, der
sollte eigentlich sein Lebtag nicht mehr Tod und Teufel und Alzheimer fürchten müssen.
Zum Abschluss eine kleine Alzhei- merprophylaxe vom letzten Ärzteturnier.
Sehen Sie, wie Dr.
Moog als Weißer nach einem Läu- feropfer auf g6 Dr.
Wilhelm ein herrli- ches Matt in 7 Zügen ankündigen konnte, wobei der schwarze König zu seinem Leidwesen ma- gnetisch ins weiße Lager ge- zogen wird?
Lösung:
W
ir alle haben die Weis- heit nicht mit Löffeln gefressen. Selbst mit gehörigem Größenwahn aus- gestattete Börsianer fallen, wie andere halt auch, immer wieder auf die Nase. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sich die Aktienkurse einfach nicht an das Bild halten, das der Betrachter von ihnen zu- sammengepinselt hat.Nein, die selektive Wahr- nehmung hochkomplexer Zu- sammenhänge, wie sie eben auch bei börsennotierten Ge- sellschaften vorzufinden sind, macht die Sache so schwierig.
Selbst wenn alle Informatio- nen über Unternehmen wirk- lich wahr wären, bliebe offen, ob das richtige Zeitfenster im Betrachtungshorizont gewählt wurde. Interessieren mich mehr die Fragen, wie in der Vergangenheit gewirtschaftet wurde, oder ist die Zukunft des Unternehmens mit eindeuti- gen Kennzahlen auf wie viele
Jahre hinaus sicher planbar?
Das Erkenntnis-Elend kommt erst recht über uns, wenn klar wird, dass nirgends mehr gelo- gen wird als in Pressekon- ferenzen und Analystenver- anstaltungen sowie in ausge- suchten Gerüchtezirkeln, was durchaus auch für renommier- te Unternehmen gilt. Informa- tionen sind längst nicht dazu da, interessierten Kreisen ein klares Bild über das Unterneh- men zu verschaffen,sondern es wird immer nur das vermittelt, was vermittelt werden soll.
Der kolportierte Börsen- gang von Google hat das Zeug, als Paradebeispiel herzuhal- ten. Die Betreiber der welt- weit operierenden Internet- suchmaschine kündigten an, ihr Unternehmen an die Bör-
se zu bringen. Die Nummer eins der Branche löste mit ihren Plänen, die Aktien nicht über Banken an den Mann bringen zu wollen, sondern sie über das Internet versteigern zu lassen, eine Hysterie unter den Usern weltweit aus.
Es besteht indes durchaus die Gefahr, dass dieser Wahn- sinn auch auf den normal- verrückten Börsianer über- greift und sich die armen Menschen die Google-Aktien gegenseitig via Überbietung aus den Händen reißen.
Der Marketing-Gag ist durchaus gewollt. Warum ei- gentlich geht Google an die Börse? Dringender Kapital- bedarf kann wohl nicht der Grund für eine Emission sein, mit einem Jahresgewinn
von 100 Millionen Dollar schwimmt Google geradezu im Geld.
Vielmehr kann ich mich des Eindruckes nicht erweh- ren, dass es um eine andere Wahrheit geht, die nämlich, dass sich die Firmengründer still und heimlich davonma- chen wollen. Und das vermut- lich deswegen, weil sie Angst um die Zukunft ihres Unter- nehmens haben.
Berechtigt wären solche Be- fürchtungen allemal. Google ist eine Suchmaschine und sonst nichts. Zwar Bran- chenführer, aber wie lange noch, die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Vor allem Microsoft lauert und will, so ist zu hören, nächstes Jahr eine konkurrierende Suchmaschi- ne auf den Markt bringen.
Merke also, die Wahrheit ist nicht immer der Freund der veröffentlichten Meinung.Auf dem glatten Parkett der Welt- börsen schon gar nicht. ) S C H L U S S P U N K T
[72] Deutsches ÄrzteblattJahrgang 100Heft 4721. November 2003
Splitternackt im Bottich
Dr. med. Helmut Pfleger
zu Aktien
Selektive Wahrnehmung
Börsebius
Post Scriptum
Nach 1.Dxg6+ K e7 2.Df7+ Kd6
3.Sb5+! (um den schwarzen Mon- archen nicht via c7 entwischen zu
lassen) Kd5 4.c4+ (auch 4.e4+
hätte nach 4.. ..
Kxe4 5.Dg6+ Kf4
6.0-0+ Ke3 7. Dd3 matt zum Ziel
geführt) Ke4 5. Dg6+ Kxe3
6.Dg3+ K e4 7.Df3 matt war es
um den schwarzen König gesche-
hen – tief im Feindeslager und verlassen von all den Seinen.