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Archiv "Ergebnisforschung: Nutzen für Patienten muss nachgewiesen werden" (09.09.2005)

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A2380 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005

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er kontinuierliche bio- medizinische Fort- schritt erhält in der Gesellschaft viel Aufmerk- samkeit und wird beinahe als selbstverständlich ange- sehen. Allerdings führt der Zuwachs an Wissen, die Verfeinerung bekannter Methoden und die Erfin- dung neuer Technologien nicht immer zu einer Revo- lution der klinischen Praxis oder zu Vorteilen für den Patienten (4). Von 101 wis-

senschaftlichen Neuerungen, die in an- gesehenen Fachzeitschriften (zum Bei- spiel Science, Nature oder Cell) veröf- fentlicht wurden, haben nur fünf eine Zulassung erreicht, und nur eine von 101 Innovationen hat zwei Jahrzehnte nach ihrer Erstveröffentlichung we- sentliche Änderungen in der medizini- schen Praxis bewirkt (5). Es besteht also eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Einsatz an Ressourcen und den Ergebnissen für den Patienten; diese Diskrepanz ist in vielen Gesundheitssy- stemen nahezu weltweit festzustellen und bedarf einer Erklärung.

Als neuer theoretischer Ansatz wur- de die Ergebnisforschung (Outcomes Research) vorgeschlagen. Es gibt dafür bisher noch immer keine allgemein an- erkannte Definition, und es mangelt weiter an einem Konsens hinsichtlich der Methoden zur Untersuchung und Dokumentation von Gesundheitser-

gebnissen. An dieser Stelle soll deshalb ein pragmatischer Ansatz für die Er- gebnisforschung vorgestellt werden.

Notwendig ist es, zwischen klinischer Forschung und Ergebnisforschung zu differenzieren sowie zu einer Klärung der verwendeten Terminologie zu ge- langen, um Unklarheiten und Missver- ständnisse zu vermeiden.

Klinische Forschung und Ergebnisforschung

Es ist die Aufgabe professioneller Ak- teure im Gesundheitswesen, ihre Pati- enten hinsichtlich der Wahrung ihrer gesundheitlichen Autonomie und bei Entscheidungen für die Bewältigung von drohenden oder bestehenden Be- einträchtigungen ihrer Lebensqualität zu beraten. Der Begriff „Lebensqua- lität“ steht hier für die wahrgenomme- ne Gesundheit von Patienten. Patienten benötigen und verlangen Informatio- nen von gut informierten und hoch qua- lifizierten Anbietern. Informationen, die ausschließlich auf klinischen Studi-

en basieren, in der täglichen Praxis aber nicht erreichbar sind, werden die Erwartun- gen der Patienten kaum er- füllen.

Gefordert werden des- halb empfindliche und vali- dierte Instrumente zur Mes- sung der Ergebnisse bei der Betreuung der Patienten (13). In der englischsprachi- gen Literatur wird der Nachweis der Überlegen- heit eines neuen diagnosti- schen oder therapeutischen Verfahrens gegenüber herkömmlichen Methoden unter idealen Versuchsbe- dingungen als „efficacy“ (Wirksamkeit) bezeichnet, während der Nachweis un- ter Alltagsbedingungen als „effective- ness“ (Effektivität) bezeichnet wird (7).

Somit gibt es zwei wesentliche Merk- male, die die klinische Forschung cha- rakterisieren:

>Nachweis der Überlegenheit und

>Nachweis unter idealen Bedin- gungen.*

Die Ergebnisforschung unterschei- det sich konzeptionell in folgenden Punkten von der klinischen Forschung:

>Gegenstand ist die Untersuchung der Wirkungen einer Intervention oder einer infrage kommenden Leistung nicht nur unter experimentellen Bedin- gungen, sondern unter Alltagsbedin-

gungen.

Ergebnisforschung

Nutzen für Patienten muss nachgewiesen werden

Wenn die Grundsätze der Ergebnisforschung akzeptiert werden, werden sich die Gesundheitssysteme grundlegend ändern. Die Ärzte sollten sich dieser Herausforderung so bald wie möglich stellen.

1Arbeitsgruppe Klinische Ökonomik, Klinikum der Uni- versität Ulm

2Unfallkrankenhaus Berlin

3General Internal Medicine, Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, USA

*Post-Marketing-Studien, die den öffentlichen Bekannt- heitsgrad des neuen Verfahrens nach seiner Zulassung er- höhen, sind nützlich als ein Zwischenschritt zwischen kli- nischer Forschung und Ergebnisforschung. Post-Marke- ting-Studien können auch Informationen generieren, die nur mit größeren Patientenkollektiven erhalten werden können, als sie bei Wirksamkeitsstudien üblich sind.

Franz Porzsolt1 Dirk Stengel2 Amit K. Ghosh3

Foto:Peter Wirtz

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>Ziel ist nicht der Nachweis der Überlegenheit einer Intervention ge- genüber einer anderen, sondern die Be- schreibung ihres Nutzens für die Patien- ten (value for patients). Der Nutzen oder Wert umfasst ein Abwägen von Kosten und Konsequenzen, was in der Gesundheitsökonomie als „efficiency“

(Effizienz) bezeichnet wird. Der Nut- zen für die Patienten ist deshalb eine besondere Art der Effizienz.

Das Messen von Surrogat- oder Er- satzparametern ist ein typisches Merk- mal der klinischen Forschung, aber nicht der Ergebnisforschung. Dazu ein Bei- spiel: Viele Studien berichten als Effekt einer neuen Therapie eine Verlängerung des krankheitsspezifischen Überlebens (zum Beispiel Tod infolge eines Herzin- farkts), nicht aber des Gesamtüberle- bens. Ärzte und Wissenschaftler bewer- ten das oft als Erfolg.Aus der Perspekti- ve des Patienten bedeutet dies jedoch lediglich, dass die Todesursache, aber nicht der Todeszeitpunkt durch die The- rapie beeinflusst wird.

Die Ergebnisforschung rechtfertigt die solidarische Finanzierung einer neuen Gesundheitsleistung, wenn de- ren Nutzen für die Patienten unter All- tagsbedingungen nachweisbar ist. Wird ein bestimmter Nutzen oder Wert allein von Patienten angenommen, würde die Erstattung der Intervention keine allge- meine Zustimmung finden. Selbstver- ständlich muss der Nutzen durch meh- rere Parteien/Akteure (Leistungsneh- mer, Anbieter, Leistungserstatter und Entwickler) und auch durch unabhängi- ge Beobachter bestimmt werden.

Sinnvolle Intervention

Eine nach den Prämissen der Ergebnis- forschung sinnvolle Intervention erfüllt die folgenden Kriterien:

>Gültigkeit unter Alltagsbedingungen,

>wissenschaftlicher Nachweis des Nutzens, nicht nur der Wirkungen, und

>Anerkennung des Nutzens bezie- hungsweise Werts auf mehreren Ebenen.

Die klinische Forschung untersucht die Wirkung einzelner Interventionen, ist aber nicht zur Bewertung der Sy- stemleistung geeignet. Hierzu muss man die Häufigkeit der Nutzung einer be- stimmten Leistung mit der Häufigkeit

des Erreichens der gewünschten Ziele vergleichen. Somit kann die Ergebnis- forschung eingesetzt werden, um die Wirkungen neu eingerichteter struktu- reller Einrichtungen wie etwa Krebs- zentren, Traumazentren oder Schlagan- falleinheiten und verschiedener Arten von integrierten Gesundheitsdiensten zu untersuchen. Eine Definition von Outcomes Research wurde von der amerikanischen Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) vorge- geben (1); in dem vorliegenden Beitrag wird ein Vorschlag gemacht, wie sich dies in der Praxis umsetzen lässt.

Konflikte zwischen Forschung und Praxis

Starke therapeutische Wirkungen, die in klinischen Studien nachgewiesen wurden, lassen sich in der klinischen Praxis nicht immer nachvollziehen. Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) hat vorgeschlagen, zwischen der Wirkung und der Wirksamkeit einer Behandlung anhand der Beschreibung der Ansprechrate (Response-Rate) und der Patienten-Outcomes (Quantität und Qualität des Lebens) zu unterschei- den (3). Außerdem wurde empfohlen, den Outcomes eine höhere Priorität beizumessen als den Ansprechraten.

Diese Empfehlungen wurden weder in der klinischen Praxis noch von inter- nationalen Aufsichtsbehörden (zum Beispiel FDA oder EMEA) systema- tisch angewandt. In der klinischen Rou- tine werden die Response-Raten oft als Entscheidungskriterien in Behand- lungsalgorithmen benutzt. Die Behör- den verlangen auch eine Bewertung der Lebensqualität (2, 12), messen diesen Daten aber nicht viel Bedeutung bei, wenn es um die Zulassung neuer Be- handlungsformen geht (6, 2).

Zurzeit sind die Vorteile neuer Inter- ventionen in Bezug auf die Überlebens- raten allgemein gering, und ihr Nutzen bleibt kontrovers. Obwohl in zuneh- mendem Maß Daten zur Lebensqua- lität veröffentlicht werden, sind diese schwierig zu interpretieren. Die Jury- mitglieder für einen in Deutschland verliehenen Lebensqualitäts-Preis zur Förderung der Ergebnisforschung ha- ben 146 eingereichte Arbeiten unter-

sucht. Die meisten dieser Arbeiten (30 Prozent) stammten aus dem Bereich der Onkologie, während sich jeweils 15 Prozent der Arbeiten mit Stoffwech- sel- und neurologischen/psychiatrischen Erkrankungen beschäftigten. In diesen Arbeiten wurden rund 200 verschiede- ne – darunter auch neu entwickelte – Instrumente zur Messung der Lebens- qualität herangezogen. Die Autoren je- ner Arbeiten, in welchen mehrere In- strumente miteinander verglichen wur- den, klagten unisono über einen Man- gel an Vergleichbarkeit der Daten (11).

Es wird bewusst ein systematischer Fehler eingeführt, wenn alle Dimensio- nen der Lebensqualität der Patienten bewertet werden. Patienten klagen sel- ten über Einschränkungen in allen Di- mensionen und Unterskalen ihrer Le- bensqualität, sondern leiden meist un- ter einem einzelnen Symptom mit eher diskreten und schwierig zu messenden Effekten. Die Angabe eines kritischen Symptoms erfordert ein breites Wissen über die wahrscheinlichsten Muster ge- sundheitlicher Beeinträchtigungen, die mit einem bestimmten Zustand verbun- den sind. Darüber hinaus sind Instru- mente erforderlich, die die erwarteten Indikatoren des Wohlbefindens oder Symptome in unterschiedlichen Popu- lationen identifizieren können (9).

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Extrapolation von Ergebnissen aus klinischen Studien. Aufgrund stren- ger Einschluss- und Ausschlusskriterien erhält man Patientengruppen, die nur ei- nen kleinen Teil der Bevölkerung aus- machen, die im klinischen Alltag einen Arzt aufsuchen. Diese unterschiedliche Auswahl von Patienten birgt das Risiko, dass Behandlungen bei Patienten ange- wendet werden, die aus klinischen Studi- en ausdrücklich ausgeschlossen wurden.

Man sollte betonen, dass Hoffnung ein wichtiger Einflussfaktor ist, der die Ergebnisse der klinischen Forschung signifikant modifizieren kann. Oft wird versucht, diesen Faktor durch Maskie- rung/Verblindung auszuschließen. Das gelingt nur unter der Bedingung, dass weder Patienten noch Ärzte die Maskie- rung aufdecken können. Ob das immer zutrifft, ist zu hinterfragen. Im Gegen- satz dazu muss die Ergebnisforschung Faktoren wie Hoffnung, wahrgenomme- ne Wirksamkeit, die Prägung des Wis- A

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sens (8, 10) und andere psychologische Einflussfaktoren als integrale Bestand- teile der Gesamteffektes einbeziehen.

Methodische Überlegungen

Sowohl die klinische Forschung als auch die Ergebnisforschung erfordern Me- thoden, um störende Einflussfaktoren kontrollieren zu können. Die wichtigste Störvariable oder Confounder ist eine fehlende Übereinstimmung der biologi- schen Ausgangsrisiken der in eine Stu- die einbezogenen Patienten. Die mei- sten Wissenschaftler neigen dazu, Un- terschiede in den Ergebnissen als eine Folge verschiedener Inter- ventionen zu interpretieren, nicht als Unterschiede in den Aus- gangsrisiken. Die randomisierte kontrollierte Studie gilt allgemein als goldener methodischer Stan- dard, um die klinischen Fragen in Therapiestudien zu bearbeiten und eine möglichst ähnliche Ver- teilung bekannter und unbekann- ter Störvariablen in beiden Be- handlungsarmen zu gewährleisten.

In der Ergebnisforschung wer- den infrage kommende Patienten nicht zufällig, sondern nach dem Ermessen der Ärzte und nach ihrem eigenen Ermessen einer be- stimmten Behandlung unterzogen.

Folglich können die Ausgangsprofile nicht einheitlich sein, und das Modellie- ren der spezifischen Vor- und Nachteile einer bestimmten Behandlung für eine bestimmte Risikogruppe stellt sowohl eine Chance als auch eine Herausforde- rung dar. Grundsätzlich wendet die Er- gebnisforschung das Prinzip der Unter- gruppenanalyse in größerem Umfang an. Sie bestätigt oder verwirft Vorteile, die bei kleinen und gezielt ausgewähl- ten Gruppen innerhalb der gesamten Population beobachtet wurden.

Zur Beschreibung der Zielgruppen bedarf es zweier Sätze von Daten. Hier- bei handelt es sich erstens um die Merk- male, die allen Probanden gemeinsam sind. Diese werden auch als „gemeinsa- me klinische Merkmale“ (CCC – „com- mon clinical characteristics“) bezeich- net. Das zweite sind die Merkmale, die zur Unterscheidung einzelner Personen in den verschiedenen Untergruppen

notwendig sind. Diese werden als „di- verse demographische Merkmale und Krankheiten“ (DDD – „diverse demo- graphics and diseases“) bezeichnet. Die CCC-Merkmale müssen prospektiv de- finiert werden, während die DDD-Kri- terien für viele Krankheiten bekannt sind. Wenn die DDD-Kriterien noch nicht definiert sind, liegt es im Ermes- sen erfahrener Ärzte, die Ausgangs- oder Grundrisiken abzuschätzen.

Einzelne Risikogruppen gemäß der Definition durch die DDD-Kriterien und zugehörige Interventionen verteilen sich unterschiedlich auf die Zellen einer Ma- trixtabelle. Einige Interventionen gelten

insbesondere für ein bestimmtes DDD- Profil (zum Beispiel aufgrund von Er- gebnissen aus der klinischen Forschung, Praxisrichtlinien oder erprobten und be- währten Grundsätzen), während andere nur selten oder nie angewandt werden (Grafik). Zur zuverlässigen Beschrei- bung dieses komplexen Verhaltensmu- sters sind große Kohortenstudien nötig.

Die Ergebnisforschung wird nicht in Forschungsinstituten durchgeführt, son- dern in Einrichtungen der Primärver- sorgung, wo mehrere Behandlungsop- tionen erwogen werden, um Erkran- kungen und Behinderungen von Pro- banden mit ähnlichen CCC-Merkmalen zu behandeln. Diese Verlagerung von speziellen Forschungsinstituten auf Ein- richtungen der Primärversorgung erfor- dert größere Veränderungen in den Aus- und Weiterbildungssystemen.

Die Grundsätze der klinischen Epide- miologie sind ebenso dringend nötig wie

die der Anatomie und Physiologie. Ent- scheidungsträger, die die klinische Epi- demiologie außer Acht lassen, sind ein wirtschaftlicher Risikofaktor für das Ge- sundheitssystem. Beispielsweise helfen die Grundsätze der klinischen Epide- miologie bei der Entscheidung darüber, ob eine Frühdiagnose hilfreich ist, eine Verschwendung von Ressourcen darstellt oder für den Patienten sogar schädlich ist. Ohne dieses Wissen sind Entschei- dungsträger und die Öffentlichkeit über- zeugt, ethisch zu handeln und durch das Angebot der Frühdiagnose die bestmög- liche Betreuung zu bieten, während sie faktisch aber nur Ressourcen verschwen- den und vielleicht sogar mehr schaden als nutzen, wenn der Nut- zen der Frühdiagnose wissen- schaftlich nicht nachgewiesen ist.

Bei klinischen Studien gilt: Je mehr DDD-Untergruppen und Interventionen es gibt, umso mehr Probanden werden benö- tigt. Man muss darauf gefasst sein, dass die Erlangung zuverlässiger Daten über Patientenergebnisse außerordentlich große und auf- wendige Studien erfordert, auch wenn die Dokumentation auf we- sentliche Daten beschränkt wird, um die Machbarkeit in der tägli- chen Praxis zu gewährleisten.

Diese Dokumentation ist jedoch wertlos, wenn die Personen, die die Daten erheben und erfassen, nicht richtig geschult sind.

Deshalb ist der Aufwand für die Aus- bildung der Teilnehmer an solchen Stu- dien und die Umstellung der Gesund- heitssysteme auf derartige Studien sehr hoch. Unreife Entscheidungen werden mehr schaden als nutzen. Auch wenn ein Jahrzehnt erforderlich sein wird, um die Systeme auf die vorgeschlagenen Änderungen vorzubereiten und die Ak- teure auszubilden, ist es sinnvoll, mit der Diskussion – nicht jedoch der Reali- sierung – besser heute als morgen zu be- ginnen. Langfristig werden diese Studi- en vermutlich durch Kostenneutralität finanziert werden, denn das Geld, das heute für Gesundheitsleistungen mit geringem Nutzen ausgegeben wird, kann auf die Erhebung gültiger Daten umgewidmet werden.

Die Bewertung der Effizienz in der Ergebnisforschung aus wirtschaftlicher A

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Intervention 1 Intervention 2 Intervention 3 DDD 1

DDD 2

DDD 3

Matrixtabelle einer hypothetischen Häufigkeit der An- wendung verschiedener Interventionen auf bestimmte Risikogrup- pen, definiert als DDD 1, DDD 2 und DDD 3. Alle DDD-Untergruppen haben bestimmte CCC-Kriterien gemeinsam. In diesem Beispiel wird die Intervention 2 in den Untergruppen DDD 1 und DDD 3 nie ange- wandt. Die Intervention 1 wird in der Untergruppe DDD 1 häufiger angewandt als in der Untergruppe DDD 3.

Grafik

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Sicht (in Analogie zur klassischen Ko- sten-Nutzen-Analyse) muss sich an den verfügbaren, nicht den theoretischen Ressourcen orientieren. Die Öffent- lichkeit hat das Recht, an der Entschei- dung über die Finanzierung der Ge- sundheitsleistungen mitzuwirken. Die Ergebnisforschung braucht Daten, die von unabhängigen Wissenschaftlern er- hoben und analysiert und letztlich von allen Akteuren bewertet werden.

Die Unterschiede zwischen klini- scher Forschung und Ergebnisfor- schung sind in der Tabelle zusammen- gefasst.

Aussichten

Wenn die Grundsätze der Ergebnisfor- schung akzeptiert werden, können sich die Gesundheitssysteme grundlegend ändern. Diese Veränderungen erfor- dern aber auch Änderungen in der me- dizinischen Ausbildung, und zwar in Kontinentaleuropa mehr als in allen englischsprachigen Ländern. Die Be- fürworter der Ergebnisforschung sind dafür verantwortlich, nicht zu enthusia- stisch auf eine schnelle Änderung der derzeitigen (und noch funktionieren- den) Gesundheitspolitik hinzuwirken.

Aber auch wenn diese Änderungen nicht Monate, sondern Jahre oder viel- leicht auch ein Jahrzehnt der Vorberei- tungen erfordern, sollte man sich dieser Herausforderung besser heute als mor- gen stellen.

Das Streben nach neuen Lösungen geht einher mit wirtschaftlichen Konse- quenzen, zum Beispiel einer Verkür- zung des Zeitaufwands zur Entwick- lung neuer Verfahren und steigenden Kosten für Innovationen. Der Wegfall überflüssiger Leistungen ist ebenso si- cher wie die nötige Verlängerung des Copyright-Schutzes für Interventionen mit erwiesenem Nutzen. Da verzichtba- re Leistungen aus finanziellen Gründen aufgegeben werden müssen, wird es wohl zu Veränderungen in den Gesund- heitsberufen kommen. Daher können neue Informationen, die die Ausgaben in einem Bereich stabilisieren, gegen- teilige und unerwünschte Auswirkun- gen in anderen Bereichen haben. Eine Diskussion des rechtlichen Rahmens für diese Veränderungen ist unverzicht-

bar. Neue ethische Grenzen werden sich ergeben, und besondere Formen der Datenerhebung und -verarbeitung müssen entwickelt werden.

Solange bei der Durchführung von klinischer Forschung und Ergebnisfor- schung die gleichen Methoden ange- wandt werden, können keine unter- schiedlichen Ergebnisse erwartet wer- den. Die Ergebnisforschung ist notwen- dig, um die angenommene Qualität zu bestätigen, neue wissenschaftliche Per- spektiven aufzuzeigen und die Effizienz und Bezahlbarkeit der Erbringung von Gesundheitsleistungen zu erhöhen.

Die Idee der sinnvollen Ergebnisfor- schung ist schon 3 000 Jahre alt. Hippo- krates empfahl, „die Vergangenheit zu erklären, die Gegenwart zu bewerten und die Zukunft vorauszusagen“. In

Übereinstimmung mit den klassischen Empfehlungen verlangt das neue Kon- zept der Ergebnisforschung, dass wir die Ergebnisse von Interventionen ken- nen, damit sie für künftige Patienten vorhergesagt werden können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2380–2385 [Heft 36]

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Franz Porzsolt Klinische Ökonomik

Universitätsklinikum Ulm Frauensteige 6 89075 Ulm

Internet: www.uni-ulm.de/ice

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005 AA2385

´ Tabelle ´

Unterschiede zwischen klinischer Forschung und Ergebnisforschung

Klinische Forschung Ergebnisforschung

Ziele Finden neuer Verfahren zur Vorbeugung, Identifizierung jenes Verfahrens, das aus Diagnose oder Behandlung von Krankheiten, Sicht der Patienten und der Gesellschaft den die bekannten Methoden überlegen sind größten Nutzen bei Vorbeugung, Diagnose

oder Behandlung bietet Methoden Definition der Fragestellung Definition der Fragestellung

Beschreibung von Einschluss- und Ausschluss- Beschreibung der gemeinsamen (CCC1) kriterien für die Patienten und unterschiedlichen (DDD2) Merkmale

der Patienten

Auswahl eines geeigneten Studiendesigns (vor- Auswahl eines geeigneten Studiendesigns zugsweise randomisierte kontrollierte Studien) (vorzugsweise Kohortenstudien)

Rekrutierung geeigneter Patienten Rekrutierung geeigneter Patienten nach den entsprechend den Einschluss- und CCC-Kriterien

Ausschlusskriterien

Durchführung der Studie gemäß dem Prüfplan Auswahl und Anwendung konventioneller Interventionen auf der Grundlage der Präferenzen von Ärzten und Patienten Auswertung und Interpretation der Auswertung und Interpretation der Studienergebnisse Studienergebnisse

Ergebnisse werden unter idealen Bedingungen werden unter klinischen Alltagsbedingungen (z. B. in klinischen Studien) erhoben und als erhoben (als Effektivität beschrieben) Wirksamkeit („efficacy“) beschrieben und sind unter diesen Bedingungen gültig werden in einigen wenigen Zentren mit nur werden in vielen Einrichtungen mit vielen wenigen Experten gewonnen, die die Grund- Beteiligten gewonnen, die alle die Grundlagen lagen der klinischen Epidemiologie kennen der klinischen Epidemiologie kennen müssen beschreiben und berücksichtigen beschreiben die Kosten und Konsequenzen nur die Konsequenzen oder Kosten des als auch den Nutzen (klinische Dimension) neuen Verfahrens oder die Effizienz (wirtschaftliche Dimension) werden als Nutzen oder Wert von einem der werden als gesellschaftlicher Wert anerkannt, Akteure im System anerkannt aber nicht nur nach Einschätzung betroffener

Personen

1CCC: common clinical characteristics (gemeinsame klinische Merkmale) sind zur Charakterisierung der Patienten in Studien zur outcomes research notwendig.

2DDD: diversity of demographics and disease (Unterschiede in Demographie und Krankheit) werden zur Beschreibung der verschiedenen Risiko- gruppen benötigt.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3605 abrufbar ist.

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Literatur

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„Outcomes research seeks to understand the end re- sults of particular health care practices and interven- tions. End results include effects that people experi- ence and care about, such as change in the ability to function. In particular, for individuals with chronic conditions-where cure is not always possible-end re- sults include quality of life as well as mortality. By lin- king the care people get to the outcomes they expe- rience, outcomes research has become the key to de- veloping better ways to monitor and improve the quality of care. Supporting improvements in health outcomes is a strategic goal of the Agency for Health- care Research and Quality (AHRQ, formerly the Agen- cy for Health Care Policy and Research).“

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Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 369. September 2005 AA1

Literaturverzeichnis Heft 36/2005, zu:

Ergebnisforschung

Nutzen für Patienten muss nachgewiesen werden

Franz Porzsolt1, Dirk Stengel2, Amit K. Ghosh3

Referenzen

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