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Archiv "Aufklärung in Klinischen Studien: Es geht um die Patientenperspektive" (23.12.2013)

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A 2468 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 51–52

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23. Dezember 2013

W

ie müssen Patienteninforma- tionen beschaffen sein, da- mit sie für potenzielle Teilnehmer an einer klinischen Studie tatsäch- lich verständlich und hilfreich sind?

Mit dieser Frage befasste sich das 5. Forum patientennahe klinische Forschung am Universitätsklini- kum Freiburg*. „Die Patientenin- formation dient primär der Aufklä- rung, ist also ein Instrument auf dem Weg zum Informed Consent, der seinerseits die Legitimations- grundlage für jede medizinische Maßnahme darstellt“, erläuterte ein- leitend Prof. Dr. Stefan Pollak vom Institut für Rechtsmedizin am Uni- versitätsklinikum Freiburg. Aus Pa- tientenperspektive stelle die Selbst- bestimmungsaufklärung die maß- gebliche Entscheidungsgrundlage über eine ärztliche Intervention dar.

Sie diene der Verwirklichung der Patientenautonomie und sei zwin- gende Voraussetzung für eine rechts- gültige Einwilligung.

Der Zweck der Patienten- bezie- hungsweise Probandeninformation ist laut Pollak die Herstellung von

Transparenz. Das Forschungsvor- haben soll dem potenziellen Teil- nehmer durchsichtig gemacht wer- den, damit er seine eigene Entschei- dung treffen kann. „Dazu ist eine schriftliche Aufklärung notwendig, aber nicht ausreichend“, betonte Pollak. Die Betroffenen müssten Gelegenheit zu einem Beratungsge- spräch haben.

Informationsüberflutung bringt nichts

Die Aufklärung soll die Studienteil- nehmer dabei weniger belehren als vielmehr eine Kommunikation er- möglichen mit dem Ziel, die Ent- scheidungskompetenz des Patien- ten zu verbessern – nicht durch ei- ne Informationsüberflutung, son- dern durch Abstimmung der Inhalte auf die Bedürfnisse der individuel- len Versuchsperson.

Das Verstehen basiert dabei we- sentlich auf der Verständlichkeit der Aufklärung. „Es gehört zu den Auf- gaben der Ethikkommissionen, den Schutz, die Rechte und die Sicher- heit der Studienteilnehmer zu ge-

währleisten und diesbezüglich Ver- trauen in der Öffentlichkeit zu schaffen. Ein wichtiger Punkt des Prüfungsauftrages ist dabei die Be- urteilung der Aufklärung und der dabei verwendeten Materialien, um sicherzustellen, dass die Studien- teilnehmer in der Lage sind, Bedeu- tung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen und ihren Wil- len danach auszurichten“, sagte Pollak, der zugleich Vorsitzender der Ethikkommission in Freiburg ist. Die mangelnde Sorgfalt in der Abfassung der Patienteninformati- on sei nicht zuletzt auch ein Indiz für eine nachlässige Studienpla- nung und eine Geringschätzung der Studienteilnehmer. „Zusammenfas- send könnte man sagen, dass der Respekt vor der Autonomie des Pa- tienten eine angemessene Informa- tion in verständlicher Form gebie- tet. Angemessenheit bedeutet dabei, dass der potenzielle Studienteilneh- mer Gelegenheit haben muss, für sich persönlich den Umfang der be- nötigten Informationen zu konkreti- sieren“, meinte Pollak.

Wie lässt sich das Verstehen der Aufklärungsinformationen verbes- sern? Multimediale Ergänzungen der Informationen waren Pollak zufol- ge weniger erfolgreich als Maßnah- men, die auf die verstärkte Diskus- sion und die Einholung eines Feed- backs seitens der Studienteilnehmer abzielten. Ein solches interaktives Eingehen auf den individuellen Pa- tienten habe sich vor allem bei ko- gnitiv eingeschränkten und älteren Patienten, aber auch bei Angehöri- gen bildungsferner Bevölkerungs- gruppen bewährt, berichtete der Ex- perte. Sein Fazit: „Das Einzelge- spräch mit dem Studienteilnehmer scheint der effektivste Weg zum besseren Verstehen der Aufklärungs- inhalte zu sein.“

AUFKLÄRUNG IN KLINISCHEN STUDIEN

Es geht um die Patientenperspektive

Die Laienverständlichkeit von Patientenin formationen ist oberstes Gebot der Patientenaufklärung. In der Praxis hapert es daran jedoch häufig.

Zunehmend werden Patienten bei der Erstellung der Infos miteinbezogen.

*„Patienteninteressen in Versorgung und Forschung – Alter Wein in neuen Schläu-

chen?“, 24. Oktober 2013, Universitäts -

klinikum Freiburg Oft dienen Patienten- informationen mehr dem Schutzinteresse von Industrie, For- schung, Kliniken und Ethikkommissionen als der eigentlichen Ziel- gruppe – den Patienten.

Foto: picture alliance

T H E M E N D E R Z E I T

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A 2470 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 51–52

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23. Dezember 2013 Die Patientenperspektive aus

Sicht eines von einer seltenen Er- krankung Betroffenen brachte Jan Geißler ins Spiel. Geißler, der 2001 an chronischer myeloischer Leukä- mie (CML) erkrankt war, hatte nach eigenen Worten nur durch Zufall und aufgrund guter Englischkenntnisse Zugang zu Studienpublikationen in den USA gefunden und selbst an ei- ner experimentellen Arzneimittel- studie teilgenommen. „Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, mit Leukämie-Online ein Portal zu ent- wickeln, das Patienteninformatio- nen über Studien in Deutschland bereitstellt“, berichtete Geißler.

Beispiel: Patientenportal mit Informationen zu Studien

Über die Jahre entstand daraus ei- ne Patientenplattform (www.leukae mie-online.de), die mehr als 900 Artikel über die Ergebnisse von kli- nischen Studien sowie ein rege ge- nutztes Forum zum Austausch ent- hält. Darüber hin aus ist Geißler einer der Mitbegründer des 2007 gegründeten CML Advocates Net- work (www.cmladvocates.net), ei- ner weltweiten Plattform für Leukä- mie-Patientenorganisationen, in der heute 82 Organisationen aus 74 Ländern Mitglieder sind.

Seine Erfahrungen aus diesen Ini- tiativen: Das Informationsbedürfnis von Patienten etwa mit einer Krebs- erkrankung oder einer seltenen schwerwiegenden Erkrankung ist meist riesig, und die Anforderungen an die Aufklärung sind vielfältig.

Nach Meinung des Patientenvertre- ters verzögert die öffentliche Wahr- nehmung der Forschung klinische Studien. Das Misstrauen durch Me- dienberichte sei eher groß und ver- langsame den Fortschritt. „Wir müssen überlegen, wie wir den Menschen klarmachen, dass eine Studie Vorteile und Nachteile haben kann, über die man sprechen muss.“

Überleben sei dabei für Patienten nur einer von mehreren wichtigen Parametern. Länger leben, bessere Lebensqualität, weniger Nebenwir- kungen, verzögerte Symptome, Er- halt der Arbeitsfähigkeit, Familien- planung – all diese Punkte spielen mit bei der Entscheidung, an einer Studie teilzunehmen oder aber die

Standardtherapie zu wählen. Geiß- ler zufolge tragen Patienteninfor- mationen derzeit selten zur Verbes- serung von Patientensicherheit, Les- barkeit und Einwilligung bei, weil der Fokus vor allem auf Medizin, Wissenschaft und Recht liegt.

„Wir sagen immer, Patientenin- formation schützt den Patienten.

Aber in Wahrheit steht das Schutz- interesse der Industrie, Forscher, Kliniken und Ethikkommissionen oft im Vordergrund. Patienten als eigentliche Zielgruppe sind dabei selten eingebunden, sie sehen die Information meistens erst nach Fer- tigstellung“ kritisierte Geißler. Vor diesem Hintergrund sind Patienten- organisationen daher oft „Navigato- ren“ in der Studienaufklärung. Auch wenn der Arzt der erste Ansprech- partner ist, suchen Patienten häufig die Webseiten von Selbsthilfegrup- pen auf und fragen nach Studien und Studienergebnissen.

Dabei kann die Forschung von den Erfahrungen der Patienten in vielerlei Hinsicht profitieren: Sie gewinnt besondere Einsichten in Bedürfnisse und Prioritäten von Pa- tienten. Dies kann auch das Stu - diendesign beeinflussen, etwa im Hinblick auf Aufnahmekriterien oder patientenrelevante Endpunkte.

So liegen beispielsweise bei Bewer- tungen von Nebenwirkungen wie Schmerz, Neuropathien oder Haar- ausfall die Einschätzungen von Ärzten und Patienten teilweise sehr weit auseinander. Die Verbesserung der informierten Einwilligung und der Patienteninformation (Kasten) sowie die Verbreitung von Studien- ergebnissen in der Öffentlichkeit sind weitere Themen, in der Patien- ten als Partner der Forschung ihre Erfahrungen einbringen können.

Vom Forschungsobjekt in der Stu- die zur Informationsquelle für Studi- en bis hin zur Vertretung einer Patien- tenorganisation im Beirat einer Stu- die: Die Patientenperspektive wird Geißler zufolge in der Forschung zu- nehmend wichtiger. So werden Pa- tientenorganisationen verstärkt auch als Gutachter in die Evaluation von Forschungsprojekten miteinbezogen oder sogar zum Forschungspartner, wie etwa bei seltenen Erkrankungen.

Europäische „Universität für Patienten“

Noch ist die Anzahl von Patienten- vertretern, die sich kompetent in die Forschungspolitik sowie in die Pla- nung und Umsetzung von Studien einbringen können, jedoch längst nicht ausreichend. Ein großes eu - ropäisches Forschungsprojekt soll das ändern: Durch EUPATI („Euro- päische Patientenakademie zu The- rapeutischen Innovationen“, www.

patientsacademy.eu) sollen Patien- ten wissenschaftlich belastbare und verständliche Informationen zur medizinischen Forschung und Ent- wicklung erhalten. Im Rahmen der fünfjährigen Projektlaufzeit soll ei- ne objektive, glaubwürdige und qualitätsgeprüfte Weiterbildung von Patientenvertretern zu Prozessen der Arzneimittelentwicklung er- stellt werden. „Das Ziel ist eine kompetente Mitwirkung in For- schung, Behörden und Ethikkom- missionen. Am Ende soll eine ,Uni- versität für Patienten‘ stehen“, be- richtete Geißler. Er ist davon über- zeugt, dass eine aktive Rolle von Patientenorganisationen und vor al- lem internationale Netzwerke dazu beitragen, dass die Forschung schneller vorankommt.

Heike E. Krüger-Brand Beispiel: Die Patienteninformation „Therapieoptimierung

bei neu diagnostizierten CML-Patienten in chronischer Phase mit Nilotinib-basierter Induktion und Nilotinib- oder Interferon-alpha-Erhaltungsphase“ des Universitätsklini- kums Jena wurde optisch nach internationalen Richtlinien der Gestaltung aufbereitet:

klar strukturiertes Inhaltsverzeichnis

Hervorhebungen und Textgliederungen

Nutzung von durchgehenden Farbkodes und Icons, et- wa für Wichtiges oder für Definitionen

gut lesbare Schriftarten (Serifen)

Integration von Ablaufdiagrammen, Bildern, Grafiken, zum Beispiel ein Flow-Chart zum Ablauf der Studie für die einzelnen Gruppen, aus dem hervorgeht, was wann warum passiert

Glossar/Lexikon

Sprache: Orientierung an der Sprache eines Zwölfjähri- gen, kurze Sätze, Umschreibung von Fachausdrücken, Vorrang des Laienausdrucks

Übersicht über das Gesamtdokument auf einer Seite

GUTE PATIENTENINFOS

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

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