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rauen mit Brustkrebs wissen zu we- nig über klinische Studien und sind selten bereit, sich daran zu beteili- gen. Dabei klaffen vorhandene Mei- nungen und die Erfahrungen in prakti- schen Studien stellenweise stark ausein- ander. Das schließt die Clinische Studi- en Gesellschaft mbH* (CSG) aus einer Untersuchung in Zusammenarbeit mit Universitätsklinika, Patientinnen-In- itiativen und niedergelassenen Gynä- kologen. Befragt wurden rund 150 Frauen, von denen sich die Hälfte be- reits an Forschungsvorhaben beteiligt hatte. Ziel war es herauszufinden, was sie über klinische Studien denken.CSG-Direktor Prof. Dr. med. Ber- tram Häussler berichtete Mitte August in Berlin, dass viele der Befragten of- fenbar nicht sehr gründlich aufgeklärt wurden oder die Erläuterungen nicht verstanden. Nur rund 40 Prozent wuss- ten, dass Studienmedikamente abge- setzt werden können, wenn erhebliche Nebenwirkungen auftreten. Ebenso vie- le Frauen hatten noch nie gehört, dass bei einem Vergleich von zwei Medika- menten oder einem Medikament gegen Placebo meist das Los entscheidet, wer welches Präparat erhält. Patientinnen mit Studienerfahrungen antworteten kaum anders als Frauen ohne.
Dass manche Menschen mit den In- formationen über eine klinische Studie
zu wenig anfangen können, bestätigt Roswitha Bussar-Maatz. Die Leiterin des Koordinierungszentrums für klini- sche Studien** (KKS) am Berliner Uni- versitätsklinikum Charité verwies ge- genüber dem Deutschen Ärzteblatt darauf, dass beispielsweise die Auf- klärung von Probanden aus rechtlichen Gründen oft sehr umfassend und teil- weise schwer verständlich ist. Dazu
kommt: Wer mit einer neuen Erkran- kung konfrontiert ist, kann häufig nicht noch Einzelheiten über eine Studie ver- dauen. Bussar-Maatz berichtet darüber hinaus, dass Patienten und Patientinnen häufig schwer für Studien zu motivieren sind, wenn unterschiedliche Therapie- formen angeboten werden und somit persönliche Präferenzen eine Rolle spielen, beispielsweise bei Brustkrebs.
„Bei reinen Medikamentenstudien ist es deutlich einfacher“, sagt sie.
Der CSG-Befragung zufolge waren Studienteilnehmerinnen häufiger als Nicht-Teilnehmerinnen überzeugt, dass klinische Studien schon den Probandin- nen und nicht nur zukünftigen Patien- ten nutzen. Sie befanden auch öfter, dass die Studienteilnahme bessere Hei- lungschancen bedeutet. Folglich wür- den 80 Prozent der befragten Studien- teilnehmerinnen, aber nur zwölf Pro- zent der Nicht-Teilnehmerinnen Frau- en zum Mitmachen raten.
Dass das Informationsdefizit von Brustkrebspatientinnen rund um klini- sche Studien nach wie vor groß ist, be- stätigte Gudrun Kemper von der Pati- entinnen-Initiative mamazone. Kemper kritisierte zudem, dass man sich in Deutschland nur schwer einen Über- blick über Studien beschaffen kann:
„Ganz konkret ist es schwierig, sich über infrage kommende Therapieopti- mierungs-Studien etwa bei progno- stisch ungünstiger Situation einen Überblick zu verschaffen.“ Außerdem mangele es an Transparenz bei den Stu- dienergebnissen. Mamazone fordert deshalb ein nationales Studienregister, das internationalen Standards genügt (siehe auch DÄ 30/2004).
Das KKS der Charité will in Zukunft regelmäßig über Chancen und Risiken der Teilnahme an klinischen Studien in- formieren.Von Oktober an steht Monat für Monat jeweils eine Indikation im Vordergrund, beispielsweise Darm- krebs oder Herzschwäche. Die Veran- staltungen sind für Patienten und Ärzte konzipiert. Denn nicht nur Laien arg- wöhnen oft, dass sie keine Vorteile von einer Studienteilnahme haben und nur
„Versuchskaninchen“ sind. Auch nie- dergelassene Ärztinnen und Ärzte ha- ben Vorbehalte gegen klinische Studi- en, wie Bussar-Maatz bestätigt. Manche fürchten, Patienten an die Klinik zu ver- lieren, wenn sie diese auf Studien hin- weisen, oder fühlen sich bei einer Betei- ligung an einer Studie durch Klinikärz- te bevormundet. Andere können kei- nen Nutzen in einem Vorhaben erken- nen oder lehnen es ab, sich auch noch zusätzliche Arbeit aufzuhalsen. Viele Bedenken ließen sich jedoch zerstreu- en, wenn man ins Gespräch komme, sagt Bussar-Maatz. Sabine Rieser P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3710. September 2004 AA2433
Beteiligung an klinischen Studien
Vorurteile auch bei Ärzten
Frauen mit Brustkrebs wissen offenbar zu wenig über
Forschungsprojekte und Teilnahmemöglichkeiten an Studien.
28 Autorinnen ziehen Bilanz: über Erfahrun- gen mit Operationen und Therapien, über Fol- gen ihrer Wissenslücken, über Leben und Sterben mit Brustkrebs. Mit-Herausgeberin Gudrun Kemper engagiert sich im Netzwerk mamazone, nach eigenen Angaben Deutsch- lands größte Initiative betroffener Frauen.
„Jede Neunte . . .“ ist im Orlanda-Verlag er- schienen und kostet 17,50 Euro.
*CSG ist eine Tochtergesellschaft des Instituts für Ge- sundheits- und Sozialforschung (IGES). Die zitierte Befra- gung wurde aus Eigenmitteln finanziert. CSG hat mit dem Aufbau einer Datenbank „FindUs“ begonnen. Darin wer- den laufende Studien gelistet. Nutzer sollen durch geziel- te Frage-Antwort-Interaktionen leicht erkennen können, welche Studien für sie infrage kommen und für welche sie aufgrund von Ausschlusskriterien nicht geeignet sind (www.csg-germany.com).
** Das KKS ist eines von zwölf Zentren, die vom Bundes- forschungsministerium gefördert werden. Zu seinen Zie- len gehört, das Image klinischer Studien zu verbessern.
Über das KKS ist eine Informationsbroschüre „Klinische Studien“ erhältlich (Telefon: 0 30/45 05 53 016).