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Archiv "Klinik und Diagnostik von Nahrungsmittelallergien? Anamnese oft ausreichend" (26.08.2002)

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M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002 AA2265

nate) und flaschengefütterten Altersge- nossen (0,36 ng/mL). Diese postnatale PCB-Exposition wurde in einen kausa- len Zusammenhang mit Defiziten in den Bayley Scales of Infant Develop- ment bei den länger gestillten Kindern im Alter von 30 und 42 Monaten ge- stellt.

Während im Vergleich zu Erhebun- gen des Autors die ermittelten Refe- renzwerte für PCB bei Neugeborenen (38) mit den Werten dieser neuen Stu- die übereinstimmen, betrugen 1994 ent- sprechende Referenzwerte für Nabel- schnurblut in der deutschen Allgemein- bevölkerung 0,96 ng/mL. Diese Werte sind höher als bei früher abgestillten Kindern, wenn die Proben im Alter von 42 Monaten entnommen wurden (29, 53). 1984 betrugen die PCB-Referenz- werte im Nabelschnurblut 1,37 ng/mL (29) und lagen fast in dem Größenord- nungsbereich, der heute bei langzeitge- stillten Kindern im Alter von 42 Mona- ten gefunden wird. Eine solche Exposi- tion sollte laut der zitierten Studie (53) motorische und mentale Defizite her- vorrufen können. Da es sich hierbei aber um Werte im Niedrigdosisbereich handelt, sind keinerlei gesundheitliche Folgeschäden für den Menschen zu er- warten, das Stillen mit Muttermilch ein- geschlossen (39).

Ferner ist der menschliche Organis- mus und der heranwachsende Fetus ei- ner Vielzahl von Xenobiotika ausge- setzt, deren Zusammenspiel im Hin- blick auf gesundheitliche Folgeschä- den nicht bekannt ist. Beispielsweise herrscht Unklarheit darüber, ob und inwieweit mütterliches Rauchen wäh- rend der Schwangerschaft die Inzi- denz maligner Erkrankungen bei den Nachkommen erhöht. In diesem Zu- sammenhang konnte erstmals der transplazentare Transfer von tabak- spezifischen Karzinogenen von der Mutter auf den Fetus nachgewiesen werden (31, 32). Unabhängig davon konnte gezeigt werden, dass Neugebo- rene rauchender Mütter deutlich hö- here PCB-Konzentrationen aufweisen, als Kinder passiv- oder nichtrauchen- der Mütter (33, 37). Dabei ist aus Tierexperimenten bekannt, dass die vom Autor nachgewiesenen tabakspe- zifischen Karzinogene und PCB ei- ne ausgesprochen kokarzinogene Wir-

kung entfalten, wenn sie gleichzeitig auf den Organismus einwirken (4).

Hier wird deutlich, dass möglicher- weise erst das Zusammenspiel verschie- dener Schadstoffe biologisch-toxikolo- gisch relevante Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hat und die Wechselwirkungen verschiedenster Um- weltschadstoffe im menschlichen Orga- nismus noch nicht verstanden werden.

Hier besteht ein ausgesprochen um- fangreicher Forschungsbedarf.

Zusammenfassend kann gefolgert werden, dass die PCB-Belastung des Menschen heute in Deutschland im Niedrigdosisbereich liegt und allein hierauf zurückzuführende gesundheitli- che Schäden sehr unwahrscheinlich sind.

Danksagung: Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. J.

Angerer und Herrn Dipl.-Ing. K.-H. Schaller, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alex- ander-Universität Erlangen-Nürnberg, für die Durch- führung der Schadstoffanalysen und die bereitwillige und freundschaftliche Unterstützung und Beratung in al- len umweltmedizinischen Fragestellungen.

Manuskript eingereicht: 3. 12. 2001, revidierte Fassung angenommen: 23. 4. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2262–2265 [Heft 34–35]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers:

Priv.-Doz. Dr. med. Gerd-Michael Lackmann Reinstorfweg 10a

21107 Hamburg

E-Mail: gmlackmann@t-online.de

Anamnese oft ausreichend

In der Stufendiagnostik bei Verdacht auf Nahrungsmittelallergien (NMA) sollte aus unserer Sicht nach wie vor ei- ne ausführliche Anamnese an erster Stelle noch vor einer Labordiagnostik

stehen (siehe Textkasten 2 und Litera- turstelle 5). Bei der Urtikariadiagnostik konnten beispielsweise Kozel et al. bei 220 Urtikaria-Patienten nachweisen, dass eine Maximaldiagnostik kaum mehr diagnostischen Gewinn bringt als eine ausführliche Anamnese (3). La- boruntersuchungen werden häufig von Patienten und zum Teil auch von Ärz- ten zu unkritisch interpretiert. Oft stim- men Hauttestungen, spezifische IgE- RAST-Klassen nur wenig mit doppel- blind durchgeführten Provokations- testungen überein (8).

Raithel et al. (5) zweifeln nicht an, dass bis zu 45 Prozent der Allgemeinbe- völkerung verschiedene Beschwerden subjektiv auf NMA zurückführen (6).

Leider wird kein Hinweis gegeben, in welcher Häufigkeit andere differenzial- diagnostisch in Erwägung zu ziehende Erkrankungen, wie beispielsweise so- matoforme Störungen, bei diesen Pati- enten vorliegen. Schon aus Kostengrün- den ist nicht bei allen Patienten, die glauben an einer NMA zu leiden, eine Labor- und gegebenenfalls invasive Diagnostik möglich und sinnvoll.

Schmidt-Traub et al. beschreiben Zu- sammenhänge zwischen Allergien, Pa- zu dem Beitrag

Klinik und

Diagnostik von Nahrungs- mittelallergien?

Gastrointestinal vermittelte Allergien Grad I bis IV von

Priv.-Doz. Dr. med.

Martin Raithel Prof. Dr. med.

Eckart Georg Hahn Prof. Dr. med.

Hanns Wolf Baenkler in Heft 12/2002

DISKUSSION

(2)

nik und Agoraphobie (7). Die Autoren weisen darauf hin, dass sich die Sympto- me echter anaphylaktischer und ana- phylaktoider Reaktionen mit denen von Panikpatienten anfänglich ähneln (vasomotorische Reaktionen, Tachy- kardie und Hyperventilation) und da- her Kenntnisse zu Panikstörungen für den Allergologen unerlässlich sind. 74 Prozent der untersuchten Patienten mit Panikattacken gaben übrigens an, in der Vergangenheit allergische Reaktionen gehabt zu haben, die eine medizinische Behandlung erforderten (7).

Pearson fand bei Patienten mit nach- gewiesenen Nahrungsmittelallergien weniger psychische Auffälligkeiten als bei Patienten mit Verdacht auf NMA, welche allergologisch jedoch nicht nachgewiesen werden konnten (4). Die Unkontrollierbarkeit einer allergischen Reaktion trägt offensichtlich wesent- lich zum Maß der Einschränkung bei (1). Patienten mit lebensbedrohlichen Allergien sollten zusätzlich psychosozi- al betreut werden, um ein ungünstiges Coping zu verhindern (2). Dazu gehört zum einen den Patienten ausreichend auf „versteckte“ Allergene hinzuwei- sen, zum anderen ist eine gute Führung mit einer suffizienten, auch psychoso- zialen Beratung notwendig (2).

Literatur bei den Verfassern

Prof. Dr. med. Uwe Gieler Dr. med. Volker Niemeier Zentrum für Psychosomatische Medizin Ludwigstraße 76

35385 Gießen

E-Mail: uwe.gieler@psycho.med.uni-giessen.de

Schlusswort

In dem interessanten Kommentar von Gieler und Niemeier wird betont, dass eine ausführliche Anamnese bei Ver- dacht auf Nahrungsmittelallergien nach wie vor an erster Stelle vor einer Labor- diagnostik stehen sollte. Dem schließen wir uns gerne an, denn dies sollte auch so aus dem Text (siehe unter „Diagno- stik“) hervorgehen. In dem Textkasten 2 müsste daher korrekterweise unter

„Allgemeine Labor- und Standarddia- gnostik“ auch die Erhebung einer allge- meinen Anamnese mit aufgeführt wer- den, ehe dann speziell unter „Allergolo-

gische Basisdiagnostik“ an die differen- zierte Allergie- und Ernährungsanam- nese gedacht wird.

Erst nach Erhebung dieser genann- ten Anamnesepunkte sollte eine Labor- diagnostik erfolgen, wobei bei ga- stroenterologischen und internistischen Patienten ein sehr großes Spektrum an Differenzialdiagnosen ausgeschlossen und abgeklärt werden sollte (1 bis 4), bevor man von idiosynkratischen, funk- tionellen oder somatoformen Störun- gen berechtigt ausgehen kann. Auf- grund der Kürze des vorgegebenen Textrahmens war es nicht möglich, die im Einzelnen bei Nahrungsmittelaller- gien zu erwägenden Differenzialdia- gnosen aufzulisten oder näher zu erläu- tern (1 bis 4).

Da gerade bei Hauttests und aller- genspezifischen IgE-Bestimmungen kei- ne große Zuverlässigkeit bei gastroin- testinal vermittelten Allergien Grad I bis IV zu erwarten ist, halten wir bei allen Personen mit Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie die Screening- untersuchung mit Methylhistamin im Urin für erforderlich, um Personen mit Histamin-assoziierten Beschwerden ein- fach, kostengünstig und nichtinvasiv zu identifizieren. Wenn dabei der Hinweis für eine verstärkte Mediatorenproduk- tion vorliegt, sollte – wie im Originalar- tikel aufgeführt (5) – die angegebene Stufendiagnostik bis hin zur doppel- blinden Provokation oder zur Aus- testung der Biopsien durchgeführt wer- den, denn sonst kann es passieren, dass dem Patient im klinischen Alltag zu Unrecht eine Diagnose zugeschrie- ben wird, der Krankheitsprozess in sei- ner Ätiopathogenese jedoch ungeklärt bleibt.

Für die angesprochenen Zusam- menhänge zwischen Allergien, soma- toformen Störungen, Panikattacken et cetera, sind wir den Autoren Gieler und Niemeier außerordentlich dank- bar, denn dahinter verbirgt sich heute tatsächlich ein großes und sehr aktuel- les diagnostisches Problem. Denn bei mehr als der Hälfte der Patienten mit Nahrungsmittelallergien, die wir heute anhand der doppelblinden, placebo- kontrollierten Provokationstestung als Allergiker entdeckt haben, lassen sich heute psychosomatische oder somato- forme Störungen bis hin zur angespro-

chenen Panikattacke nachweisen. Es ist dabei nicht klar, wodurch diese Ver- haltensauffälligkeiten induziert werden (zum Beispiel Modulation der Mastzel- laktivität durch neurovegetative Effek- te), ob diese bereits vor Manifestation der Allergie vorhanden waren (zum Beispiel Veränderungen im Stoffwech- sel von Neurotransmittern, biogener Amine, primär autonome Hyperakti- vität et cetera) oder Folge der ausge- schütteten Immunmediatoren (zentral- nervöse Effekte von Histamin, TNF et cetera) sind. Interessant ist, dass sich die psychosomatischen Symptome un- ter einer gezielten Allergenkarenz oft bessern und keine weitere psychoso- matischen Therapiemaßnahmen erfor- derlich sind. Wir empfehlen daher heu- te, bei allen Personen mit Verdacht auf Nahrungsmittelallergie eine initiale psychosomatische Exploration durch- zuführen, um eine primär oder beglei- tend vorliegende psychosomatische Komorbidität diagnostisch zu erfassen und gegebenenfalls auch therapeutisch anzugehen.

Literatur

1. Kokkonen J, Holm K, Kartunnen TJ, Mäki M: Children with untreated food allergy express a relative incre- ment in the density of duodenal gamma/delta T cells.

Scand J Gastroenterol 2000; 35: 1137–1142.

2. Lessof MH: Food intolerance. Scand J Gastroenterol 1985; 20 (Suppl 109): 117–121.

3. Lopata AL, Potter PC: Allergy and other adverse reac- tions to seafood.ACI International 2000; 12: 271–281.

4. Odze RD, Wershil BK, Leichtner AM, Antoniolo DA: All- ergic colitis in infants. J Pediatr 1995; 126: 163–170.

5. Raithel M, Hahn EG, Baenkler HW: Klinik und Diag- nostik von Nahrungsmittelallergien Gastrointestinal vermittelte Allergien Grad I–IV. Dtsch Arztebl 2002;99:

A 780–786 [Heft 12].

6. VatnMH, Grimstad IA, Thorsen L, Kittang E, Refnin I, Malt U, Lovik A, Langeland T, Naalsund A: Adverse re- action to food: assessment by doubleblind-placebo- controlled food challenge and clinical, psychosomatic and immunologic analysis. Digestion 1995; 56:

421–428.

Priv.-Doz. Dr. med. Martin Raithel Medizinische Klinik 1

Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12

91054 Erlangen M E D I Z I N

A

A2266 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 34–35½½½½26. August 2002

Referenzen

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