DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
KONGRESS-BERICHT
Verschiedene Fachrichtungen (In- nere Medizin und Osteologie, Röntgenologie, Gynäkologie und Orthopädie) schlossen sich zu- sammen, um die aktuellen Proble- me des Krankheitskomplexes vor allem Ärzten in der Praxis vorzu- stellen. Die Osteoporose stellt sich als ein Geschehen dar, das auf dem Boden der schicksalhaf- ten Verminderung der Knochen- masse mit dem Älterwerden ver- früht Schäden setzt und so zur Er- krankung wird. Die häufigste Form der Osteoporose ist die der Menopause — sie benachteiligt das weibliche Geschlecht durch den natürlichen Ausfall der Östro- gene. Der AndrogenausfaTI beim Manne als Osteoporoseverursa- cher ist viel seltener.
Der idiopathischen, primären Osteoporose stehen die sekundä- ren Formen durch intestinale Er- krankungen, Niereninsuffizienz, Neoplasien, Endokrinopathien (Hyperparathyreoidismus) gegen- über. Die Symptomatik besteht am häufigsten in Rückenschmer- zen, dazu Kleinerwerden mit Rund- rückenausbildung, Frakturen.
Die entscheidende Diagnostik er- bringt der Röntgenologe. Das ein- fache „Osteoporose"-Bild kann sehr vieldeutig sein, da nahezu al- le sekundären Osteoporosen im Frühstadium völlig uncharakteri- stisch aussehen können. Dem ge- genüber erlaubt ihre Fortentwick- lung zum pathognomonischen Bild die Anhiebsdiagnose, eine entsprechende Erfahrung voraus- gesetzt. Leider wird die an- spruchsvolle Technik einer guten radiologischen Knochendiagno- stik unterschätzt und daher oft nicht mit der ausreichenden Sorg-
falt angewandt, so daß durch zu flüchtiges oder inkompetentes Vorgehen erneute Aufnahmen un- vermeidlich sind.
Für die häufigste Form der Osteoporose (postklimakterische Osteoporose) besteht die Mög- lichkeit einer Prophylaxe, wenn Östrogene rechtzeitig, d. h. mög- lichst bald nach der letzten Peri- odenblutung eingesetzt werden.
Das Problem liegt darin, daß die Osteoporosegefährdung zu die- sem Zeitpunkt nur selten erkenn- bar ist. Bei einer besonders frü- hen Menopause, bei familiärer Osteoporosebelastung oder an- deren Gründen sollte mit einer Östrogenprophylaxe nicht gezö- gert werden — für die generelle Östrogentherapie bei jeder ge- sunden Frau auch bei spätem Be- ginn des Klimakteriums ist jedoch wohl kaum eine Indikation gege- ben.
Bei eingetretener Osteoporose ist die Therapie der Wahl die Gabe von Fluoriden. Am besten erprobt ist Natriumfluorid (z. B. Chemiflu- or®, Ossin®); es muß in ausrei- chender Dosierung (80 bis 100 mg/Tag) über ausreichend lange Zeiträume (mindestens 2 Jahre, häufig 3 bis 4 Jahre) verabreicht werden. Es scheint sinnvoll zu sein, zusätzlich für eine ausrei- chende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D zu sorgen. Die Erfolgs- aussichten einer Therapie mit Cal- citonin (Calcitonin-Sandoz®) sind nach bisherigen Erfahrungen ge- ringer, diesem Medikament kom- men schmerzlindernde Effekte zugute. Sonstige empirische Osteoporose-Behandlungsversu- che sind nicht zu empfehlen. We- sentlich für das Wirksamwerden
einer medikamentösen Osteopo- rosetherapie ist eine ausreichen- de Belastung des Skelettes. Der Orthopäde hat ein eventuelles Frakturrisiko abzuschätzen und Anleitungen zur physikalischen Therapie zu geben. Stützmaßnah- men wie Korsetts sind die Ausnah- me bei nur wenigen, mechanisch stark gefährdeten Patienten.
Die Veranstaltung belegt das In- einandergreifen der Disziplinen, deren gemeinsamer Einsatz gute Erfolgsaussichten einer Therapie bietet.
Professor
Dr. med. Reinhard Ziegler Direktor der Abteilung für Innere Medizin IV Klinikum der Universität Luisenstraße 5
6900 Heidelberg 1
FÜR SIE GELESEN
Rauchen und Brustkrebs
Ein negativer Einfluß des Rau- chens auf die Entwicklung von Brustkrebs konnte bislang nicht bewiesen werden. Im Gegenteil, eine um 30 Prozent verminderte Östrogenausscheidung bei star- ken Raucherinnen ließ eher eine protektive Wirkung des Nikotins vermuten. Die Auswertung der Rauchgewohnheiten von 2160 Frauen mit Brustkrebs im Ver- gleich zu 717 Kontrollpatientin- nen mit Ovarial-, Kolon- und Rek- tummalignomen bzw. Melanomen oder lymphoretikulären Tumoren ergab jedoch keinen Unterschied bezüglich der Krebsgefährdung.
Dieses Ergebnis stimmt mit ande- ren Studien überein. In einer Be- obachtungsstudie an 95 000 Ame- rikanerinnen war die Erkran- kungshäufigkeit von Brustkrebs bei Raucherinnen höher als bei Nichtraucherinnen. müb
Rosenberg. L., ei al.: Breast Cancer and Ciga- rette Smoking. N. Engl. J. Med. 310 (1984) 92-94 — Drug Epidemiology Unit, Boston Uni- versity School of Medicine, 1371 Beacon St., Brookline, MA 02146, USA
Osteoporose:
Klinik, Diagnostik und Therapie
Kurzbericht über eine Fortbildungsveranstaltung
„Osteoporose: Klinik, Diagnostik und Therapie"
in Heidelberg, 1984
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 44 vom 31. Oktober 1984 (61) 3249