Aktuelle Medizin FÜR SIE GELESEN
Allergie-Diagnostik in der Praxis
Empfehlungen für das stufenweise Vorgehen
Bei der größten Zahl der allergiever- dächtigen Patienten kann in der Pra- xis eine erschöpfende Allergie-Dia- gnostik durchgeführt werden, wenn sich der Arzt mit den theoretischen Grundlagen und den praktischen Möglichkeiten der Allergie-Diagno- stik vertraut gemacht hat.
Mit dieser einleitenden Feststellung beginnt V. Ruppert, Köln, eine um- fangreiche und sehr übersichtliche Darstellung der Allergie-Diagnostik für die Praxis, veröffentlicht in der von der Bundesärztekammer und von der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung in Köln herausgegebe- nen Zeitschrift" Monatskurse für die ärztliche Fortbildung" (Heft 19 vom 11. Oktober 1979). Besonderes Ge- wicht legen diese Empfehlungen auf ein stufenweises Vorgehen bei der Allergie-Diagnostik.
Aufgrund der heutigen Möglichkei- ten der Allergie-Diagnostik sollte ei- ne bestimmte Reihenfolge eingehal- ten werden:
..".. orientierende und spezielle aller- gologische Anamnese, eventuell mit anschließender Allergen-Karenz ..".. Hauttests (Prick-, Intrakutan-, Reib-, Epikutantests)
..".. serologisch-immunologische Tests und
..".. Provokationstests.
Aus den abgestuften Diagnostik- Programmen des Autors seien eini- ge Empfehlungen wiedergegeben:
Allergologische Anamnese Bei einer allergologischen Ana- mnese, die oft schon entscheidend für die endgültige Diagnose sein kann, wird man erst orientierende
Fragen stellen, um den Kreis der in Frage kommenden allergischen Er- krankungen einzuengen. Die Vorge- schichte ist richtunggebend für den Umfang der weiteren Allergie-Dia- gnostik.
Bei allen Formen eines sogenannten
"Jahresschnupfens" gehört in die Anamnese die Aufnahme der Beson- derheiten des Milieus im Wohn- und Arbeitsbereich. Monovalente Tier- haar-Allergien lassen sich schon auf diese Weise rasch erkennen.
Umfang der Hauttestung
Der Umfang der Hauttestung richtet sich nach der Anamnese. Bei allen inhalativen Allergien genügen in der Regel 15 bis 25 Pricktests.
Aufzugliedern sind unbedingt fol- gende Gruppenextrakte:
..".. Bäume und Unkräuter ..".. Tierhaare und Schimmelpilze ..".. Hausstaub- und Hausstaubmil- ben-Extrakte kommen ebenfalls nur getrennt zur Testung.
Serologisch-immunologische Tests Bis vor wenigen Jahren war es, ab- gesehen von den Hauttests, nur möglich, im Blut nach einer Eosino- philie zu forschen. Auch konnte man versuchen, gegebenenfalls im Kon- junktiva!- oder Nasalsekret eine Ver- mehrung eosinophiler Zellen nach- zuweisen.
Die Bedeutung des Nachweises ei- ner Eosinophilie bei allergischen Er- krankungen ist aber erheblich ge- sunken, seitdem wir in der Lage sind, die Immunglobuline E im Blut- serum nachzuweisen. Wir unter-
2808 Heft 43 vom 25. Oktober 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT
Sonderdrucke des Stufenpro- grammes der Allergie-Diagno- stik in der Praxis können an- gefordert werden bei der Re- daktion der "Monatskurse für die ärztliche Fortbildung··.
Haedenkampstraße 5, 5000 Köln 41.
scheiden dabei zwischen dem Nach- weis der Gesamtimmunglobuline E und der Untersuchung des Serums auf spezielle Immunglobuline der Gruppe E, die gegen bestimmte Al- lergene (zum Beispiel Pollen. Tier- haare oder Hausstaubmilben) ge- richtet sind.
Nasaler Provokationstest
Für die Praxis besonders geeignet ist der nasale Provokationstest. Mit- tels eines großtropfigen Sprays wird ein entsprechender Allergen-Extrakt auf die Schleimhäute gesprüht.
Fünf bis zehn Minuten nach Applika- tion kommt es zu mehr oder weniger starken subjektiven Symptomen mit Juckreiz im Nasenbereich, erhöhter Sekretion und Niesanfällen. Die Na- senschleimhaut schwillt an, so daß die nasale Atmung auf der geprüften Seite erschwert ist.
Bronchialer Provokationstest Beim bronchialen Provokationstest erfolgt im allgemeinen die Verstäu- bung spezieller Allergen-Extrakte mittels eines Aerosols. Danach wird die Einsekundenkapazität der Lunge oder die Änderung des Atemwider- standes gemessen.
Der Atemwiderstand kann seit kur- zem durch ein neues Gerät, das mit oszillierenden Luftströmen arbeitet, auch in der Praxis ohne Mitarbeit des Patienten mit großer Genauig- keit bestimmt werden. d.ä.F.
Ruppert, V.: Allergie-Diagnostik in der Praxis, Monatskurse Arzt!. Fortb. 29 (1979), 599-612
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ
Ergebnisse
nach Oberschenkelamputationen
Albrecht Schneider
Aus der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses Detmold (Chefarzt: Professor Dr. med .. Lutz Braun)
Die Zahl der Patienten, die an schweren peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen leiden, nimmt ständig zu, mit ihr auch die Zahl derer, die chirurgisch behan- delt werden müssen. Die Gründe für diese Entwicklung liegen
..,. in der höheren Lebenserwar- tung,
..,. im zunehmenden Nikotinabusus, ..,. in der chronischen Überernäh- rung vieler Menschen,
..,. in der zu geringen körperlichen Belastung,
..,. und in der Zunahme des Diabe- tes mellitus sowie anderer Stoff- wechselerkrankungen.
Trotz aller Fortschritte in der rekon- struktiven Gefäßchirurgie steht lei- der am Ende des Leidens noch oft die Amputation einer oder mehrerer Extremitäten. Dieser Eingriff beein- flußt das weitere Lebensschicksal naturgemäß insbesondere der älte- ren Patienten, die sich der veränder- ten Situation nur mehr sehr schwer anpassen können und in vielen Fäl- len ohnehin auf fremde Hilfe ange- wiesen sind. Im Schrifttum liegen nur spärliche Berichte über Risiko- faktoren, postoperative Komplika- tionen, Liegedauer sowie insbeson- dere über den Rehabilitationsgrad und die damit zusammenhängende soziale Stellung der Patienten nach Oberschenkelamputation vor. Das veranlaßte uns, unser Krankengut auf diese Fragen hin zu untersu- chen.
Krankengut
Von 1974 bis Anfang 1977 wurden an der Chirurgischen Klinik Detmold bei 60 Patienten 64 Oberschenkel- amputationen vorgenommen. Es handelte sich dabei um 39 Männer und 21 Frauen. Das Lebensalter der Patienten schwankte zwischen 44 und 84 Jahren bei einem mittleren Alter von 71 Jahren. Die größte Gruppe fand sich bei Männern im 7 . und 8. Lebensjahrzehnt und bei Frauen zwischen 70 und 80 Jahren (Tabelle 1). Baumgartner gibt eben- falls ein Durchschnittsalter von rund 70 Jahren an (1, 2).
Indikationen
Die Indikation zur Oberschenkelam- putation ist gegeben, wenn die Durchblutung des Beines durch ei- nen gefäßrekonstruktiven Eingriff oder eine lumbale Sympathektomie nicht wiederhergestellt werden kann. ln der Regel liegt der Gefäß- verschluß oberhalb des Abganges der Arteria femoralis profunda, wo- bei diese verschlossen ist. Bei unse- ren 64 Amputationen am Ober- schenkel gingen in 61 Fällen gefäß- rekonstruktive Eingriffe voraus. ln 58 Fällen erfolgte die Amputation wegen hochgradiger Durchb~u
tungsstörungen der Beine- teils mit diabetiseher Gangrän -, in 3 Fällen wegen Durchblutungsstörungen mit chronischer Osteomyelitis, in 2 Fäl- len wegen eines Malignoms und in 1 Fall wegen eines großen therapiere- sistenten Ulcus cruris mit Unter- schenkelphlegmone bei einer nach Apoplexie gelähmten Patientin (Ta-
Noch immer steht am Ende der chirurgischen Therapie du rehblutungsgestörter Pa- tienten oft die Amputation ei- ner oder beider unterer Extre- mitäten. Mehrere Risikofakto- ren bedingen die Schwere der Durchblutungsstörung. Die Letalität ist sehr hoch. Früh- zeitige Prothesenversorgung gewährleistet die rascheste Rehabilitation. Sie ist jedoch durch viele Faktoren be- grenzt. Forderungen zur Re- habilitation Insbesondere al- ter Patienten werden aufge- stellt.
belle 2). Eine Erhaltung des Kniege- lenkes war. in allen Fällen wegen der oben angegebenen Kriterien nicht möglich.
Operationstechnik
Oft wird der Operationszeitpunkt durch fehlende Einsicht seitens des Patienten verschleppt. Erst un- erträgliche Schmerzen in der durch- blutungsgestörten Extremität mit Störungen des Allgemeinbefindens überzeugen den Patienten von der Notwendigkeit des Eingriffes. Der operative Eingriff selbst soll unter größter Schonung des Gewebes oh- ne Esmarchsche Blutleere erfolgen.
Zur besseren prothetischen Versor- gung ist der Oberschenkelstumpf möglichst lang zu lassen (1, 2, 5, 6). Wir bevorzugen die Amputationshö- he handbreit über dem Kniegelenk, wobei der Oberschenkel durch Froschmaulschnitt stufenförmig durchtrennt wird. Die Muskulatur wird mit resorbierbarem Material antagonistisch über dem Femur weit vernäht. Blutgefäße werden mög- lichst im Amputationsniveau unter- bunden, um die Kollateralgefäße weit peripher zu erhalten. Nerven dagegen werden proximal versorgt, damit sie nicht in das Narbengewe- be einwachsen können. Jede Wunde muß ausreichend mit Gummi- oder Saugdrainagen versehen werden (2). Die Hautlappen werden durch
Tabelle 1: Altersverteilung
Gesamt 2 6 16 26 10 60
Gesamt
58 3 2 1 64
Gesamt n 36 60,0 33 55,0 17 28,3 14 23,3 42 70,0 36 60,0 Lebensalter (Jahre) Männer Frauen
41-50 51-60 61-70 71-80 81-90
2 4 14 13 6
0 2 2 13 4
insgesamt 39 21
Tabelle 2: Indikationen zur Oberschenkelamputation
Indikation Männer Frauen
Durchblutungsstörungen
der Beine mit Gangrän 41 17
Durchblutungsstörungen
mit Osteomyelitis 1 2
bösartige Tumoren 0 2
großes Ulcus cruris mit
Unterschenkelphlegmone 1 0
insgesamt 43 21
Tabelle 3: Risikofaktoren
Männer n %
Frauen n % Risikofaktoren
Nikotin
Diabetes mellitus Hypertonie Adipositas pathologischer Herzbefund Alter
über 70 Jahren
34 19 9 7 28 19
87,1 48,7 23,1 17,9 71,8 48,7
2 14 8 7 14 17
9,5 66,6 38,0 33,3 66,6 81,0
Oberschenkelamputation
weite Nähte atraumatisch lose adap- tiert. Liegt bereits eine aszendieren- de Gangrän vor, so wird auf einen Primärverschluß verzichtet. Sind ge- fäßrekonstruktive Eingriffe mit Im- plantationen von Kunststoffprothe- sen vorausgegangen, so sind diese distal des Leistenbandes zu entfer- nen (4). Die physiotherapeutische Behandlung beginnt sofort postope- rativ. Nach Baumgartner sollte sie schon präoperativ beginnen, um Ge- lenkkontrakturen zu vermeiden und die gesamte Körpermuskulatur so- wie die Respiration zu trainieren (2).
Risikofaktoren
Bei allen Patienten wurden anamne- stisch die Risikofaktoren ermittelt (Tabelle 3).
Bei den Männern fanden sich 87,1 Prozent, bei den Frauen dagegen nur 9,5 Prozent Raucher. Wir sind jedoch der Überzeugung, daß insbe- sondere die Frauen bei der Aufnah- meuntersuchung Nikotinabusus ver- heimlichten. Schmauss u. a. fanden in ihrem Krankengut 93,3 Prozent Raucher unter den Männern und 28,5 Prozent unter den Frauen. Has- se gibt einen Prozentsatz von 99,1 Prozent bei den Männern und 57,8 Prozent bei den Frauen an (10).
48,7 Prozent der Männer und 66,6 Prozent der Frauen litten an Diabe- tes mellitus.
Eine arterielle Hypertonie - systoli- sche Blutdruckwerte über 160 mmHg - ergab sich bei 23,1 Prozent der Männer und bei 38,0 Prozent der Frauen. Eine Adipositas wurde bei Frauen mit 33,3 Prozent nahezu doppelt so häufig wie bei Männern mit 17,9 Prozent festgestellt.
Pathologische Herzbefunde waren bei Männern (71,8 Prozent) und Frauen (66,6 Prozent) nahezu gleich häufig.
Der Anteil der Patienten über 70 Jah- ren war bei Frauen mit 81,0 Prozent gegenüber 48,7 Prozent bei den Männern deutlich höher. Prenner gibt das Alter der Frauen gleichfalls
um 10 Jahre höher an mit dem Gipfel zwischen dem 70. und 80. Lebens- jahr (8).
Letalität
Zum Zeitpunkt der Nachuntersu- chung - 4 bis 36 Monate nach der Amputation - waren insgesamt 29
Patienten (48,3 Prozent) verstorben.
12 Patienten (20 Prozent) sind inner- halb der ersten 30 postoperativen Tage verstorben. Ihr Lebensalter lag zwischen 63 und 83 Jahren bei ei- nem mittleren Alter von 72 Jahren.
Todesursachen waren akutes Herz- Kreislauf-Versagen, Nierenversa- gen, Myokardinfarkt und Apoplexie (Tabelle 4). In der Literatur schwan-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 25. Oktober 1979
2811Tabelle 4: Frühletalität
Todesursache n Lebensalter (in Jahren)
akutes Herz-Kreislauf-Versagen 7 75-80
Nierenversagen 3 67-83
Myokardinfarkt 1 63
Apoplexie 1 70
insgesamt 12 63-83
Tabelle 5: Spätletalität
Todesursache n Lebensalter (in Jahren)
Herz-Kreislauf-Versagen 9 71-81
Apoplexie 5 56-73
fortschreitende Tumorkachexie 3 58-73
insgesamt 17 56-81
Tabelle 6: Wundheilungsdauer
Männer Frauen Gesamt n Primärheilung
bis 4 Wochen 4 bis 8 Wochen über 8 Wochen
vorher eingetretener Exitus
13 7 8 8 7
6 2 5 4 4
19 9 13 12 11
29,7 14,1 20,3 18,8 17,2
insgesamt 43 21 64 100,1
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Oberschenkelamputation
ken die Angaben über die Letalität in den ersten 30 postoperativen Tagen zwischen 20 Prozent und 46 Prozent (4, 8, 10, 11). Die hohe Sterblichkeit resultiert in erster Linie aus der ne- gativen Auslese der Patienten, die operiert wurden.
17 Patienten (28,3 Prozent) sind nach dem 30. postoperativen Tag — in der überwiegenden Mehrzahl nach Entlassung aus stationärer Be- handlung — verstorben. Das Sterbe- alter lag zwischen 56 und 81 Jahren bei einem mittleren Alter von 70 Jah- ren. Todesursachen waren hierbei Herz-Kreislauf-Versagen, Apoplexie und fortschreitende Tumorkachexie
(Tabelle 5). Bei 2 Patienten lagen bösartige Knochentumoren, bei 1 Patient neben den Durchblutungs- störungen ein Rektumkarzinom vor.
Angaben über Spätletalität finden sich in der Literatur kaum.
Liegedauer
Die Verweildauer im Krankenhaus betrug zwischen 12 und 131 Tagen und lag im Durchschnitt bei 48 Ta- gen. 1 Patient wurde infolge chroni- scher Eiterung nachamputiert und konnte nach 37 Tagen entlassen werden.
Wundheilungsdauer
Tabelle 6 gibt eine Ubersicht über die Wundheilungsdauer. Dabei ist auffällig, daß nur 19 von 64 Ober- schenkelstümpfen (29,7 Prozent) primär und 34 (53,1 Prozent) sekun- där heilten. 11 Patienten (17,2 Pro- zent) verstarben, noch bevor ihre Wunden verheilt waren.
Die relativ hohe Anzahl der Sekundär- heilungen ist darauf zurückzuführen, daß zum Zeitpunkt der Amputation bereits Infektionen in dem betroffe- nen Bein vorlagen. Bei unserem Krankengut handelt es sich fast aus- schließlich um Patienten mit arteriel- len Durchblutungsstörungen.
Für diese Gruppe der Patienten gibt Kristen ebenfalls einen Prozentsatz von 50 Prozent an, wobei er von ei- ner gewissen positiven Auswahl sei- ner durchblutungsgestörten Patien- ten spricht. Ausgesprochene Not- amputationen wurden dabei nicht berücksichtigt (5). Kretschmer u. a.
geben mit 40 Prozent eine günstige- re Infektionsrate an (4).
Oberflächliche Nekrosen werden abgetragen und mit antiseptischen Bädern behandelt. Tiefe Stumpfne- krosen sollen soweit als möglich konservativ behandelt werden, nur bei Gangrän mit aszendierender In- fektion ist eine Nachamputation er- forderlich (2). In unserem Kranken- gut war dies in einem Fall not- wendig.
Nachuntersuchungsergebnisse 31 Patienten (52 Prozent) konnten einige Monate bis 3 Jahre nach dem Eingriff nachuntersucht werden. Sie wurden ohne Anmeldung in ihrer häuslichen Umgebung aufgesucht, um eine exakte Auskunft über Mobi- lität, aktive Anteilnahme an ihrer Umwelt und soziale Stellung der Pa- tienten zu erhalten. 15 Männer und 4 Frauen sind mit einer Prothese ver- sorgt worden, bei 2 weiteren Patien- ten war eine Prothesenversorgung vorgesehen. 6 Männer und 4 Frauen waren nur mit einem Krankenfahr- stuhl mobil (Tabelle 7).
9 31
insgesamt 22 100,0
Männer Frauen Gesamt n Prothesenversorgung
durchgeführt
Prothesenversorgung vorgesehen
nur mit Krankenfahrstuhl beweglich
15 1
6
4 1 4
19 2 10
61,3 6,4 32,3 Tabelle 7: Rehabilitation bei 31 überlebenden Patienten
Tabelle 8: Mobilität der Prothesenträger
Männer Frauen Gesamt n c1/0
nach Gehschule gut
mittel schlecht
9 4 2
2 2 0
11 6 2
57,9 31,6 10,5
5 3 1
insgesamt 15 4 19 100,0 9
Oberschenkelamputation
Von- den 19 Prothesenträgern waren 11 gut, 6 befriedigend und 2 schlecht gehfähig. Auffällig war, daß trotz Angebot nur die Hälfte der Pa- tienten eine sogeriannte Gehschule besucht hatten (Tabelle 8).
Diese Ergebnisse decken sich in et- wa mit den Untersuchungen von Kri- sten (5).
Rehabilitation
Die Amputation erfolgt in der Regel zur unmittelbaren Abwendung einer lebensbedrohlichen Situation infol- ge Intoxikation.
Sobald eine Stabilisierung der le- benswichtigen Funktionen erreicht ist, sollte ganz unabhängig vom Le- bensalter der Ersatz des verlorenen Beines durch eine Prothese ange- strebt werden.
Frühzeitige Prothesenversorgung nach abgeschlossener Wundheilung und intensives Training in einer Gehschule gewährleisten eine ra- sche Rehabilitation.
Eine prothetische Sofortversorgung
— das heißt unmittelbar nach der Operation — hat sich bei durchblu- tungsgestörten Patienten nicht be- währt und ist für diesen Patienten- kreis abzulehnen (5, 11).
Mehrere Ursachen stehen einer weitgehenden oder vollständigen Rehabilitation entgegen. Sie lassen sich in drei Gruppen zusammen- fassen.
0
Körperliche FaktorenLokale Faktoren wie anatomisch ungünstige Stumpfverhältnisse, schlechte Wundheilung und schwe- re Zirkulationsstörungen mit Ulkus- bildung verhindern oft die Versor- gung mit einer Prothese.
Patienten mit Erkrankungen des Herzens, der Lungen oder der Nie- ren sind häufig durch ihre Grundlei- den so beeinträchtigt, daß ein kör- perliches Training nicht möglich ist.
Zunehmende arteriosklerotisch be- dingte Zerebralinsuffizienz,. psychi- sche Störungen und Lähmungen nach apoplektischen Insulten schließen häufig die notwendige Kooperation des Patienten aus.
Durchblutungsstörungen im erhal- tenen Bein zwingen viele Patienten zu Übungspausen, die sich ungün- stig auf die Rehabilitierung aus- wirken.
In fünf Fällen unseres Krankengutes wurde noch während der Rehabilita- tion nach einseitiger Oberschenkel- amputation die Amputation des zweiten Beines notwendig, wodurch zwangsläufig die Rehabilitations- maßnahmen abgebrochen werden mußten.
0
Psychische UrsachenUnterschiedliche seelische Stabilität wirkt sich naturgemäß auch in der Einstellung aus, die der Amputierte seinem Gliedmaßenverlust entge- genbringt. Ein athletischer, gewand-
ter und elastischer Mensch verarbei- tet eine Amputation eher als ein un- trainierter, schwächlicher und unbe- holfener Patient.
Der seelisch robuste, willensstarke und selbstbewußte Patient überwin- det den Mangel leichter als der de- pressive, pessimistisch veranlagte und willensschwache, welcher nicht die notwendige Energie aufbringt, durch Übung und Selbstbeherr- schung das Laufen wieder zu erler- nen.
Unter Umständen überwindet er den Verlust seines Beines nie, fühlt sich seinen Mitmenschen gegenüber nicht mehr vollwertig, glaubt sich von ihnen zurückgesetzt und leidet somit stets unter den Folgen der Amputation.
Nicht nur seelische Grundstimmung und Charakter, auch die Intelligenz sind für das weitere Schicksal des Amputierten von Bedeutung. Ein in- telligenter Mensch hat naturgemäß größere Möglichkeiten, sich der ver- änderten Situation anzupassen. >
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 25. Oktober 1979
2813Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Oberschenkelamputation
8
Umweltbedingungen und UmwelteinflüsseDem alleinstehenden, isolierten Am- putierten bietet sich kaum die Chan- ce der Rehabilitation. Mangelhafte soziale, ärztliche und orthopädische Betreuung verhindern geradezu ei- ne mögliche prothetische Versor- gung.
Kann ein Patient aus den oben ge- nannten Gründen nicht durch Ver- sorgung mit einer Prothese rehabili- tiert werden, so ist er auf einen Fahr- stuhl angewiesen.
ln unserem Krankengut fand sich diese Situation bei 10 von 31 zum Zeitpunkt der Untersuchung noch lebenden Patienten (32,2 Prozent). Darunter befanden sich 5 doppelsei- tig Amputierte.
Es ist wichtig, einen umweltgerech- ten Fahrstuhl zu wählen, der ein weitgehend unabhängiges Leben in der gewohnten Umwelt ermöglicht.
Eventuell muß die Wohnung so ver- ändert werden, daß der Patient ohne größere Schwierigkeit mit dem Fahr- stuhl allein beweglich bleibt.
Dazu gehört unter anderem das Ent- fernen von Türschwellen, das Erset- zen von Treppenstufen durch schie- fe Ebenen und das Verbreitern zu schmaler Türen.
Patienten, die weder durch eine Pro- these noch durch einen Fahrstuhl versorgt werden können, bedürfen der größten Hilfe durch andere Per- sonen. ln unserem Krankengut war das bei einem Patienten der Fall (3,2 Prozent).
Folgerungen
Die beschriebenen Untersuchungs- ergebnisse führen zu folgenden For- derungen für die Nachbehandlung alter amputierter Patienten:
.,.. Unmittelbar nach der Operation muß neben aktiven und passiven Be- wegungsübungen mit der physikali- schen Stumpfbehandlung begon- nen werden.
.,.. Jeder amputierte Patient ist un- abhängig von seinem Lebensalter einer eingehenden psychischen un·d physischen Untersuchung und Kon- trolluntersuchungen zu unterziehen.
Dabei ist zu beachten, daß sich gera- de bei alten Patienten der Allge- meinzustand nach Entlassung aus stationärer Betreuung akut verbes- sern oder verschlechtern kann. Stets sollte daher insbesondere bei alten Patienten eine rasche Versorgung mit einer Prothese angestrebt wer- den.
.,.. Jeder mit einer Prothese versorg- te Patient bedarf der ambulanten oder stationären Betreuung in einer sogenannten Gehschule.
.,.. Zusätzliche Allgemeinerkrankun- gen wie Hypertonie, Diabetes melli- tus und andere bedürfen der sorg- fältigen ärztlichen Behandlung.
Zusammenfassung
Von 1974 bis Anfang 1977 wurden in der Chirurgischen Klinik Detmold bei 60 Patienten 64 Oberschenkel- amputationen durchgeführt. Das Le- bensalter der Patienten lag zwi- schen 44 und 84 Jahren und betrug im Mittel 71 Jahre. Über das Ergeb- nis der Nachuntersuchungen von 31 Patienten 4 Monate bis 3 Jahre nach dem Eingriff wird berichtet.
Ursachen und Risikofaktoren, wel- che zur Amputation führten, Früh- und Spätletalität, Dauer der Kran- kenhausbehandlung und Ausmaß der erreichten Rehabilitation der überlebenden Patienten werden un- tersucht. Abschließend werden For- derungen zur Rehabilitation insbe- sondere alter Patienten mit Ober- schenkelamputation aufgestellt.
Literatur
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Anschrift des Verfassers: Dr. med. Albrecht Schneider Chirurgische Klinik
des Krankenhauses Detmold Röntgenstraße 18
4930 Detmold
ECHO
Zu: "Die ,künstliche' Ernährung
des Säuglings" von Prof. Dr. med. Werner Droese und Dr. med. Hel- ga Stolley in Heft 20/1979, Seite 1379 ff.
Wenn Mütter nicht stillen können
Weniger als zehn Prozent al- ler Säuglinge werden gegen Ende ihres ersten Lebens- monats ausschließlich aus der natürlichen Quelle der Brust ihrer Mutter ernährt.
Das stellt das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT in seinem Er- fahrungsbericht aus dem Dortmunder Forschungsin- stitut für Kinderernährung fest. Für den nichtgestillten Säugling ist Kuhmilch Grundlage der Ernährung. Allerdings muß sie, um be- kömmlich zu sein, in ihrer Zusammensetzung der Mut- termilch angenähert werden.
(Brunsbütteler Zeitung und andere Tageszeitungen)