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A2962 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003
Anämiebehandlung kann Krebsprognose verschlechtern
Ob die Behandlung einer Anämie mit Erythropoietin (Epoetin beta) bei Pati- enten, die an Krebs erkrankt sind, sinn- voll ist, stellen die Autoren einer eu- ropäischen Studie infrage. Die Resulta- te der Untersuchung deuten nach An- sicht von Michael Henke et al. vielmehr darauf hin, dass es für Anämiepatienten im Hinblick auf eine reduzierte Progression der Krebserkrankung und einer erhöhten Überlebenschance bes- ser ist, wenn die Anämie zum Zeitpunkt der Krebstherapie nicht behandelt wird. Eine Anämie ist insbesondere bei Patienten, die eine Strahlentherapie er- halten, mit einer schlechten Krebskon- trolle assoziiert. Die Wissenschaftler untersuchten daher, ob die Behandlung der Anämie mit Epoetin beta die Er- gebnisse einer kurativen Strahlenthera- pie bei Patienten mit Tumoren im Kopf- und Nackenbereich verbessern kann. In der multizentrischen Studie, an der 351 Pobanden aus Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz teilnah- men, bekamen die Patienten über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen vor ei-
ner Strahlentherapie randomisiert ent- weder Epoetin beta oder ein Placebo.
Zwar konnte durch die Gabe von Epo- etin beta die Anämie über eine Er- höhung der Hämoglobinkonzentration wirkungsvoll behandelt werden, die Pa- tienten der Placebogruppe zeigten je- doch eine um etwa 60 Prozent höhere Überlebenschance ohne Progression der Krebserkrankung. Obwohl mit Epoetin beta bei Patienten, die sich ei- ner kurativen Strahlentherapie unter- ziehen, die Anämie effektiv behandelt werden könne, kommentiert Michael Henke, sei diese Behandlung nicht mit einer verbesserten Krebskontrolle oder höheren Überlebenschancen assoziiert.
Bei Bestrahlung eines manifesten Tu- mors könne Erythropoietin sogar die Kontrolle der Krebserkrankung behin- dern. Zukünftige Erythropoietin-Studi- en sollten daher sorgfältig die Krebs- kontrolle, die Überlebenswahrschein- lichkeit und zudem den Mechanismus des klinisch relevanten Hämoglobin- effektes untersuchen. Se Henke M, Laszig R, Rübe Ch et al.: Erythropoietin to treat head and neck cancer patients with anaemia undergoing radiotherapy: randomised, double-blind, placebo- controlled trial. Lancet 2003; 362: 1255–1260.
Dr. Michael Henke, Abteilung Strahlenheilkunde der Ra- diologischen Universitätsklinik, Albert-Ludwigs-Univer- sität Freiburg, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg, Deutschland, E-Mail: henke@uni-freiburg. de
M E D I Z I N
EGF-Einlauf bei Linksseitenkolitis
Der Epidermal Growth Factor (EGF) wird in Speicheldrüsen pro- duziert und weist eine starke mitoge- ne Potenz auf.
Die Autoren untersuchten in ei- nem doppelblinden Therapieansatz bei zwölf Patienten mit leichter bis mäßiger Linksseitenkolitis die Effi- zienz eines Einlaufs von 5 µg EGF in 100 mL Carrierlösung im Vergleich zu einem Placeboklistier. Weiterhin erhielten die Patienten 1,2 g Mesala- min pro Tag oral. Nach zwei Wochen waren zehn der zwölf Patienten un- ter EGF-Einläufen in Remission, aber nur einer von zwölf in der Kon- trollgruppe (p < 0,001). Aktivitätsin- dex der Erkrankung, sigmoidoskopi- scher und histologischer Befund wa- ren alle signifikant gebessert, wobei dieser Effekt über zwölf Wochen
nachweisbar war. w
Sinha A, Nightingalel JMD, West HP et al. Epidermal growth factor enemas with oral mesalamine for mild-to-moderate left-sided ulcerative colitis or proctitis. N Engl J Med 2003; 349: 350–357.
Dr. J. M. D. Nightingale, Gastroenterology Centre, Lei- cester Royal Infirmary, Leicester LE1 SWW, Großbri- tannien, E-Mail: jeremy.nightingale@uhl-tr.nhs.uk
Die topische Behandlung von Druckul- zerationen mit Nervenwachstumsfaktor (NGF) könnte zu einer beschleunigten Abheilung führen. Zu diesem Ergebnis gelangen Francesco Landi et al., katho- lische Universität Fontecchio, Italien, in einer randomisierten, placebokontrol- lierten Doppelblindstudie. Von Septem- ber 2000 bis Mai 2002 wurden 36 Pro- banden, die schwere Druckulzerationen an der Ferse aufwiesen, untersucht. Pati- enten mit chronischen Ulzerationen, Diabetes und peripheren vaskulären Erkrankungen wurden nicht in die Stu- die einbezogen. Die Durchliegege- schwüre wurden nach Standardmetho- den und zusätzlich täglich mit einigen Tropfen von aufgereingtem murinem NGF in einer Konzentration von 50 µg/
mL oder einem Placebo behandelt. Be-
reits nach zwei Wochen wurde in der Verumgruppe ein beschleunigter Hei- lungsprozess beobachtet. Eine vollstän- dige Heilung wurde bei je zwei Patien- ten nach drei und nach vier Wochen, bei einem Patienten nach fünf Wochen und bei drei Patienten nach sechs Wochen
festgestellt. In der Kontrollgruppe heilte in diesem Zeitraum lediglich bei einem Patienten die Druckulzeration vollstän- dig. In der Verumgruppe wurden keine lokalen oder systemischen unerwünsch- ten Wirkungen durch die Gabe von NGF festgestellt. Die Autoren vermu- ten, dass die beschleunigte Wundhei- lung in der Verumgruppe im Zusam- menhang mit der durch NGF stimulier- ten Proliferation von Keratinozyten und der angeregten vaskulären Neoangioge-
nese besteht. me
Landi F, Aloe L Russo A et al.: Topical treatment of pressure ulcers with nerve growth factor. A randomized clinical trial. Ann Intern Med 2003; 139: 635–641.
Dr. Francesco Landi, Department of Geriatrics, Catholic University of the Sacred Heart, Largo Agostino Gemelli, 8, 00168 Rom.
Nervenwachstumsfaktor bei Druckulzerationen wirksam
Fersennekrose bei einem 59-jährigen Dia- betiker, aus: Martin M, Gretzinger B, Kohl- schreiber A: Entstehung, Prophylaxe und Theapie von Durchliegegeschwüren. Dtsch Arztebl 2000; 97: A-1605–1610 [Heft 23].
Referiert