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Archiv "Versorgung des akut verwirrten alten Menschen – eine interdisziplinäre Aufgabe" (25.07.2003)

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M E D I Z I N

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A2008 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003

A

kute Verwirrtheitszustände gehö- ren zu den wichtigsten psychi- schen Störungen des höheren Le- bensalters. Besonders häufig manife- stieren sie sich in Verbindung mit aku- ten körperlichen Erkrankungen. Es wird geschätzt, dass 10 bis 40 Prozent der in Allgemeinkrankenhäusern be- handelten älteren Patienten bei Auf- nahme oder im stationären Verlauf von einem akuten Verwirrtheitszustand be- troffen sind (4). Angesichts einer mit dem Lebensalter deutlich steigenden Inzidenz dieses Krankheitsbildes (8) handelt es sich somit um ein Problem, das mit Zunahme der Lebenserwartung zukünftig noch weiter an Bedeutung ge- winnen wird.

Ältere Menschen mit multiplen Er- krankungen haben ein besonders hohes Risiko, an einem Verwirrtheitszustand zu erkranken, und zwar vor allem dann, wenn sie auch von einem demenziellen Abbauprozess betroffen sind (10). Es handelt sich hierbei um eine Patienten- gruppe, die eine besondere Vulnerabi- lität bezüglich typischer geriatrischer

Komplikationen aufweist, wie Stürze, Inkontinenz, Malnutrition oder auch akuter Verwirrtheit. Da man davon aus- gehen kann, dass die aktuell stattfin- denden tiefgreifenden Veränderungen in der Krankenhauslandschaft (Stich- wort: DRG-Einführung) nicht ohne Auswirkungen auf die klinische Versor- gung dieser Patientengruppe bleiben werden, sollen im Folgenden einige grundsätzliche Überlegungen zur Ver- sorgung von Patienten mit akuten Ver- wirrtheitszuständen dargestellt werden.

Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die bereits auch von anderen Auto- ren erörterten interdisziplinären Ge- sichtspunkte dieser Thematik gerichtet (38). Der Begriff des „akuten Verwirrt- heitszustands“ wird in diesem Beitrag als Synonym zum international ge- bräuchlichen Terminus „Delir“, entspre- chend seiner Definition in der ICD-10 verwendet (39).

Klinik akuter

Verwirrtheitssyndrome

Akute Verwirrtheitszustände be- schreiben ein ätiologisch unspezifi- sches Zustandsbild, das als gemeinsa- me Endstrecke für eine Vielzahl von Noxen aufgefasst werden kann, die unmittelbar oder mittelbar eine – in der Regel diffuse – Hirnfunktions- störung bewirken. Als Grunderkran- kungen kommen sowohl zerebrale (Entzündungen, Infarkte et cetera) als auch extrazerebrale Prozesse (zum Beispiel metabolisch endokrine Stö- rungen, kardiozirkulatorische Erkran- kungen) in Betracht, ferner exogen toxische Einwirkungen (einschließ- lich medikamentöser Ursachen) und schließlich Entzugssyndrome bei Al- kohol- und Medikamentenabhängig- keit (23).

Entsprechend der Vielfalt mögli- cher Grunderkrankungen ist das Spektrum involvierter Fachgebiete sehr breit. Es reicht von der Inten- sivmedizin (7), über die operativen

Versorgung des

akut verwirrten alten Menschen – eine

interdisziplinäre Aufgabe

Walter Hewer

Zusammenfassung

Akute Verwirrtheitszustände gehören zu den häufigsten psychischen Störungen des alten Menschen. Bezüglich der Ätiologie und Pathoge- nese dieses Syndroms sind zahlreiche zerebrale und extrazerebrale Erkrankungen, ebenso wie medikamentöse Einflüsse und bestimmte Umge- bungsbedingungen zu bedenken. Insbesondere bei Hochbetagten stellen bekannte oder auch bis dato nicht diagnostizierte Demenzprozesse ei- nen entscheidenden ursächlichen Faktor dar. Der Vielfalt der Einflussfaktoren entsprechend erfor- dert eine wirksame Vorbeugung und Behand- lung akuter Verwirrtheitssyndrome ein interdis- ziplinär ausgerichtetes Vorgehen. Dieses bein- haltet sowohl die Kooperation der beteiligten medizinischen Fachgebiete, als auch eine enge Abstimmung ärztlicher und pflegerischer Arbeit.

Die Entwicklung neuer Ansätze zur Versorgung akut verwirrter alter Menschen könnte geradezu paradigmatische Bedeutung in der Altersmedi- zin erlangen.

Schlüsselwörter: Demenz, Geriatrie, Prävention, psychische Störung, Diagnosestellung, akutes Verwirrtheitssyndrom, Delirium

Summary

Care of the Elderly Patient with Delirium – an Interdisciplinary Medical Problem Delirium is a psychiatric syndrome occurring very frequently in the elderly patient, espe- cially in the context of acute medical disorders treated in a general hospital setting. Etiologi- cally, numerous cerebral and systemic condi-

tions have to be considered. Likewise, side effects of drugs, withdrawal of psychotropic substances and certain environmental condi- tions may play an important role. Dementing illness – often previously undiagnosed – is a risk factor of crucial importance, in particular in the very old. In view of the manifold causal factors prevention and treatment of delirium requires interdisciplinary action, implicating close cooperation, both of the medical speciali- ties involved, and equally of the medical and nursing profession. The development of new models of care for the delirious elderly could gain paradigmatic significance in geriatric medicine.

Key words: dementia, geriatric medicine, pre- vention, psychiatric disorder, diagnosis, acute confusional state, delirium

Abteilung für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, (Chefarzt: Priv.-Doz. Dr. med. Walter Hewer), Vinzenz von Paul Hospital, Rottweil

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Fächer (12, 37), die Innere Medizin und Geriatrie (22) sowie die Neuro- psychiatrie (21, 32) bis hin zur Palliativ- medizin (6).

Die Symptomatologie akuter Ver- wirrtheitssyndrome kann in ihrer Viel- gestaltigkeit (23) an dieser Stelle nicht dargestellt werden. Die Kardinalsym- ptome des Krankheitsbildes entspre- chend den diagnostischen Leitlinien der ICD-10 (39) umfassen:

> eine Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit,

> ein globales kognitives Defizit (neu aufgetreten beziehungsweise akut verschlechtert),

> Störungen der Psychomotorik, zum Beispiel im Sinne hyper- oder auch hypoaktiver Zustandsbilder,

> eine Störung des Schlaf-Wach- Rhythmus,

>affektive Störungen (zum Beispiel Depressivität, Angst, Reizbarkeit).

Als wesentliche Verlaufsmerkmale des Syndroms werden im Manual der ICD-10 noch der akute Beginn der Symptomatik, eine deutliche Fluk- tuationstendenz sowie eine Gesamt- dauer der Krankheitserscheinungen unter sechs Monaten genannt.

Die Prognose des Syndroms ist in hohem Maße abhängig von Art und Schwere der Grunderkrankung(en), Lebensalter der Patienten und der Ausprägung zerebraler und extraze- rebraler Vorschädigungen. Einerseits kommt es bei vielen Patienten zu einer kompletten Remission der aku- ten Verwirrtheit, meist im Laufe eini- ger Tage bis mehrerer Wochen. Ande- rerseits darf nicht übersehen werden, dass akute Verwirrtheitszustände nicht selten im Zusammenhang mit lebens- bedrohlichen Erkrankungen auftreten, weshalb das Sterblichkeitsrisiko der Patienten im Durchschnitt erheblich erhöht ist (26, 34).

Zu beachten ist weiterhin, dass sich bei einem Teil der Patienten das Voll- bild eines akuten Verwirrtheitssyn- droms zwar zurückbildet, sie anderer- seits aber, gemessen an ihrem prämor- biden Zustand, von einer längerdau- ernden oder auch bleibenden Funkti- onseinbuße in Bezug auf ihre Alltags- bewältigung betroffen sind (22, 25, 33, 34). Verwirrtheitszustände sind auch mit weiteren prognostisch ungünsti-

gen Merkmalen assoziiert, etwa ver- längerten Krankenhausaufenthalten, gehäuften Behandlungskomplikatio- nen oder der Notwendigkeit einer Aufnahme in ein Pflegeheim (30, 35).

Dass es zur Manifestation eines akuten Verwirrtheitszustandes im in- dividuellen Fall kommt, kann als ein Schwellenphänomen verstanden wer- den (19). Bei fehlender oder nur gerin- ger Vorschädigung des Gehirns bedarf es stärkergradiger Noxen, während mit zunehmender Schwere der Hirn- schädigung bereits relativ leichte Er-

krankungen – zum Beispiel ein un- komplizierter Harnwegsinfekt – zur Krankheitsmanifestation führen kön- nen. Bei betagten Patienten sind demenzielle Abbauprozesse die wich- tigste Form einer prädisponierenden zerebralen Vorschädigung, häufig in Verbindung mit allgemeiner Multi- morbidität und Einnahme multipler Medikamente. Das Faktum eines zu- nehmenden Risikos für die Manifesta- tion von Verwirrtheitszuständen mit fortschreitendem Lebensalter dürfte seine Erklärung in der epidemiolo- gisch gut gesicherten altersabhängigen Zunahme der Prävalenz von Demenz- erkrankungen finden (2). Es ist auch davon auszugehen, dass das Auftreten eines akuten Verwirrtheitssyndroms beim alten Menschen nicht selten die Erstmanifestation eines zuvor subkli- nischen Demenzprozesses darstellt (34).

Generell gilt, dass sich mit zuneh- mender allgemein körperlicher bezie-

hungsweise zerebraler Vorschädigung einerseits und steigendem Ausprä- gungsgrad akut einwirkender Noxen (zum Beispiel Infektionen, Exsikkose, respiratorische Störungen) anderer- seits die Wahrscheinlichkeit des Auf- tretens von Verwirrtheitszuständen deutlich erhöht (15). Medikamente gehören zu den besonders wichtigen Faktoren, die akute Verwirrtheit aus- lösen.

Es ist zu beachten, dass dies nicht nur für zentralnervös wirksame Sub- stanzen, sondern auch für eine Viel- zahl von Pharmaka mit primär extrazerebralem An- griffspunkt gilt (36).

Der interdisziplinäre Cha- rakter des Krankheitsbildes wird nicht zuletzt an dem er- forderlichen diagnostischen Procedere deutlich. Hier steht an erster Stelle die Syn- dromdiagnostik, also das Er- kennen des Syndroms „akute Verwirrtheit“ und seine Ab- grenzung von anderen Syn- dromen. Stehen hierbei die psychopathologischen Ge- sichtspunkte bei Anamnese- und Befunderhebung im Vor- dergrund, so handelt es sich bei dem zweiten diagnosti- schen Schritt, nämlich der Abklärung der Ätiologie des Syndroms, wesent- lich um eine internistisch neurologi- sche Abklärung mit dem Ziel, aus der Fülle denkbarer Grunderkrankungen die im Einzelfall in Betracht kommen- den zu erkennen beziehungsweise aus- zuschließen (Übersicht bei 13).

In diesem Kontext soll auf den ho- hen Anteil von Verwirrtheitssyndro- men hingewiesen werden, die im Rah- men der klinischen Routineversor- gung nicht als solche erkannt werden.

Es wird geschätzt, dass dies bei bis zu zwei Dritteln der Erkrankungen der Fall ist (8). Besonders bedeutsam ist zweifellos die Differenzialdiagnose zwischen akuter Verwirrtheit und De- menz.

Da der Querschnittsbefund häufig nicht ausreicht, um eine sichere Aus- sage zu treffen, sollte man hier wegen der damit verbundenen therapeuti- schen Konsequenzen bis zum Beweis des Gegenteils immer von einem aku- M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003 AA2009

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ten Verwirrtheitssyndrom, also von einer potenziell reversiblen kogni- tiven Beeinträchtigung, ausgehen (4).

Besonders beachtet werden sollten zudem die so genannten hypoaktiven Verwirrtheitssyndrome, da sie einer- seits wegen ihrer wenig dramatischen Symptomatik leicht übersehen wer- den, und sich andererseits dahin- ter durchaus schwerwiegende körper- liche Erkrankungen verbergen kön- nen (31).

Bei der Therapie akuter Verwirrt- heitssyndrome ist als erstes zu berück- sichtigen, dass es sich hierbei um die psychopathologische Manifestati- on vital bedrohlicher Erkrankungen handeln kann (beispielsweise einer in- trazerebralen Blutung, einer kardio- pulmonalen Dekompensation, einer schweren Infektion), das heißt die Pa- tienten bedürfen unter Umständen ei- ner unverzüglich einzuleitenden not- fallmedizinischen Versorgung (14).

Auch generell sollten zunächst einmal kausale Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden (zum Beispiel Glucosegabe bei Hypoglykämie, Anti- biose bei Pneumonie, Elektrolytaus- gleich et cetera).

In Ergänzung dazu sind allge- meintherapeutische Maßnahmen ins- besondere bei multimorbiden älteren Patienten sehr wichtig, wie zum Bei- spiel die Regulierung von Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Thrombembo- lie- und Infektionsprophylaxe, regel- mäßige Lagerung und Mobilisation, die Überwachung der Vitalparameter, und nicht zuletzt eine Beschränkung der verordneten Medikamente auf das absolut notwendige Maß. Ziel aller dieser Maßnahmen ist es, eine verbes- serte Homöostase wichtiger körperli- cher Funktionen zu erreichen.

Genauso wichtig sind Maßnahmen, die der psychologischen Homöostase dienen, das heißt bestimmte Prinzipien des therapeutischen Umgangs mit dem Kranken müssen beachtet werden, da diese wesentlich zu seiner Beruhigung beitragen und zum Beispiel paranoi- den Verarbeitungen im Kontext der bestehenden kognitiven Einschrän- kungen entgegenwirken (Textkasten).

Es kann nicht genug betont werden, dass bei zugrunde liegender Hirn- oder Allgemeinerkrankung Psychopharma-

ka nur unter rein symptomatischem Aspekt eingesetzt werden (38), das heißt dann, wenn durch kausale und allgemeintherapeutische Maßnahmen keine ausreichende Besserung erzielt werden konnte (1). Die Notwendigkeit einer sorgfältigen Indikationsstellung bei der Anwendung von Psychophar- maka begründet sich wesentlich durch das Nebenwirkungspotenzial der in- frage kommenden Substanzen, insbe- sondere auch daraus, dass diese im Einzelfall eine Zunahme der Verwirrt- heit bewirken können (11, 20).

Interdisziplinäre Behandlungsoptionen

Aufgrund der häufig sehr komplexen Si- tuation, die bei akut verwirrten Patien- ten vorliegt, dem Zusammentreffen multipler Erkrankungen und neu aufge- tretenen beziehungsweise exazerbier- ten kognitiven Beeinträchtigungen so- wie einem oft hohen Pflegebedarf, kom- men hinsichtlich der Initialbehandlung unterschiedliche Optionen in Betracht (Tabelle). Für welche dieser Optionen man sich als behandelnder Arzt ent- scheidet, muss nach den Gegebenheiten des Einzelfalls festgelegt werden:

> Schwere psychopathologische Auffälligkeiten, die vielleicht sogar

mit einer akuten Eigen- oder Fremdge- fährdung einhergehen, sprechen für die Behandlung in einer (geronto)psychia- trischen Einrichtung.

>Körperlich schwer beeinträchtigte Patienten bedürfen primär der Versor- gung in einem Allgemeinkrankenhaus.

>Mit zunehmender Schwere einer vorbekannten Demenz sollte die Not- wendigkeit einer Hospitalisierung be- sonders sorgfältig geprüft werden, nämlich dann, wenn es möglich er- scheint, die erforderlichen Maßnah- men unter bestimmten Voraussetzun- gen auch ambulant in die Wege zu lei- ten.

Aber auch nach einer Entscheidung für eine dieser Optionen ist ein inter- disziplinärer Behandlungsansatz wei- terhin wichtig, zum Beispiel wenn ein primär in einer gerontopsychiatri- schen Fachabteilung aufgenommener Patient aufgrund akuter medizinischer Probleme in ein Allgemeinkranken- haus verlegt werden muss.

Bei Überlegungen dieser Art sind immer auch die im jeweiligen Umfeld bestehenden Rahmenbedingungen ge- nau zu beachten, das heißt bauliche Gegebenheiten, apparative Ausrü- stung, vorhandene Personalressourcen et cetera. Auch das Ausmaß der Ko- operation zwischen den beteiligten In- stitutionen ist wichtig, zum Beispiel, wenn es um die Möglichkeit geht, ei- nen Patienten kurzfristig in die zustän- dige klinische Fachabteilung verlegen zu können.

Neue Entwicklungen

Angesichts der Erkenntnisse zur ungünstigen Prognose akuter Verwirrt- heitszustände lag es nahe, den Stellen- wert präventiver Interventionen zu un- tersuchen. Verschiedene Arbeitsgrup- pen haben hier ermutigende Ergebnis- se erzielt, nämlich eine Reduktion der Inzidenz akuter Verwirrtheitszustände um ein Drittel oder mehr bei internisti- schen (17) und chirurgischen Alterspa- tienten (3, 24). Bei näherer Betrach- tung der Interventionsprogramme wird erneut der interdisziplinäre Charakter des Krankheitsbildes deutlich. Diese Programme verknüpfen medizinische Maßnahmen (zum Beispiel die kardio- M E D I Z I N

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A2010 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003

Prinzipien des therapeutischen Umgangs mit akut verwirrten Patienten*

>engmaschige Überwachung

>vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung eigen- und fremdgefährdenden Verhaltens

>Gewährleistung einer überschaubaren Umge- bung (Orientierungshilfen, Beleuchtungsver- hältnisse etc.)

>Versuch der Reorientierung, klare und eindeuti- ge Kommunikation verbal/nonverbal

>Beheben sensorischer Beeinträchtigungen

>Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus

>Vermeiden einer Reizüberflutung (zum Beispiel durch Lärmeinwirkung), aber auch einer Reiz- deprivation (zum Beispiel durch Ermöglichen von Beschäftigung, Mobilität)

>möglichst hohe Konstanz der Bezugspersonen

>enger Kontakt zu den Angehörigen

* modifiziert und ergänzt nach Meagher et al. 1996 (27), Meagher 2001 (28)

Textkasten

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pulmonale Situation, frühzeitige Infek- tionsbekämpfung oder die sorgfältige Indikationsstellung beim Einsatz po- tenziell delirogener Medikamente be- treffend) mit gezielten pflegerischen Aktivitäten, die unter anderem eine Orientierungsgebung, eine Schlafför- derung mit nichtpharmakologischen Mitteln, die Gewährleistung ausrei- chenden Trinkens oder eine frühzeitige Mobilisierung zum Ziel haben.

Angesichts solcher Erkenntnisse ist es wünschenswert, dass sich in der Al- tersmedizin tätige Ärzte und Pflege- kräfte gleichermaßen angesprochen fühlen, derartige präventive Ansätze gemeinsam umzusetzen und weiterzu- entwickeln. Die Beschäftigung mit den Verwirrtheitszuständen des alten Menschen wirft auch gesundheitspoli- tische Fragen auf. So wurde von der Gruppe um Sharon Inouye von der Yale Universität, die in den letzten Jahren wegweisende Beiträge zum Verständnis des Krankheitsbildes ge- liefert hat, die Frage gestellt, in wel- chem Umfang die Häufigkeit des Auf- tretens von Verwirrtheitssyndromen als Kenngröße für die Qualität der me- dizinischen Versorgung in Akutkran- kenhäusern benutzt werden kann (18).

Diese Autoren erörtern verschie- dene Faktoren, die sich potenziell ungünstig auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens beziehungsweise die Behandlung von Verwirrtheitssyndro- men auswirken können, wie zum Bei- spiel das mangelnde Erkennen der Frühstadien des Krankheitsbildes, das Fehlen einer ausreichenden Beset- zung mit qualifizierten Pflegekräf- ten und die Auswirkungen der drasti- schen Verkürzung der Krankenhaus- verweildauern.

Auch wenn die Verweildauern in deutschen Krankenhäusern noch nicht amerikanische Größenordnungen er- reicht haben, ist zu fragen, ob die lau- fenden Entwicklungen nicht auch bei uns zu einer Verschärfung der erörter- ten Problematik führen könnten. Die Versorgung des akut verwirrten alten Menschen ist zwangsläufig personal- intensiv, und die Verlaufsdynamik der Verwirrtheitszustände ist nicht kon- gruent mit den heute üblichen, im Zeit- alter der DRGs sicherlich noch weiter zurückgehenden Verweildauern. Inso-

fern stellt sich die Frage, ob angesichts der zu erwartenden steigenden Häu- figkeit akuter Verwirrtheitssyndrome die vorhandenen Strukturen des Ge- sundheitssystems die Voraussetzungen für eine adäquate Versorgung der be- troffenen Patienten bieten. Da bei den laufenden Entwicklungen im Kran- kenhaussektor nicht damit zu rechnen ist, dass die Mehrheit der akut verwirr- ten alten Patienten eine ausreichende, den ganzen Krankheitsverlauf ab- deckende Versorgung in den Kliniken der somatischen Akutversorgung er- halten kann (29), sind mögliche Alter- nativen zu bedenken. Da sowohl im häuslichen Umfeld als auch in Pflege- heimen üblichen Zuschnitts die nötige Betreuungsintensität für den Großteil betroffener Patienten nicht gewährlei- stet werden kann, übernehmen geron- topsychiatrische Abteilungen psychia- trischer Fachkrankenhäuser hier eine wichtige Aufgabe.

Da aber auch sie hinsichtlich Ver- weildauer und Behandlungskapazitä- ten erheblichen Limitationen unterlie- gen, könnten unter Umständen Kurz- zeitpflegeeinrichtungen mit „interme- diate care“-Charakter die bestehende Versorgungslücke schließen. Gelänge es solche Einrichtungen aufzubauen, die eine gute pflegerische Versorgung mit der notwendigen Betreuungsin- tensität auf medizinischem, ergo- und physiotherapeutischem Gebiet ver- knüpfen würden, wären damit günsti- ge Voraussetzungen für diejenigen Pa- tienten geschaffen, bei denen die Aus- sicht auf eine Verbesserung des allge- meinen und insbesondere mentalen Funktionsniveaus besteht, und die da- mit auch verbesserte Chancen für eine Rückkehr in das bisherige Lebensum- feld hätten.

Ausblick

Ziel der vorausgegangenen Ausfüh- rungen war es herauszuarbeiten, dass sich bei der Versorgung des akut ver- wirrten alten Menschen eine Schnitt- stelle ergibt zwischen ansonsten eher weit auseinander liegenden Fächern, wie beispielsweise der Chirurgie und Intensivmedizin auf der einen Seite und der Psychiatrie auf der anderen Seite. Darüber hinaus machen die vor- handenen Erkenntnisse zur Therapie, und insbesondere auch zur Prävention akuter Verwirrtheitssyndrome deut- lich, dass eine enge Abstimmung zwi- schen ärztlicher und pflegerischer Ar- beit eine unverzichtbare Vorausset- zung darstellt, um den betroffenen Pa- tienten die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Die Entwicklung moderner Konzepte zur Therapie und Prophylaxe der akuten Verwirrtheit beim alten Menschen könnte daher modellhaft werden für zukunftswei- sende Kooperationsformen zwischen Ärzten und Pflegedienst.

Danksagung:

Herrn Prof. Dr. med. Hans Förstl, München, sei gedankt für wertvolle Hinweise bei der Erstellung des Manuskripts.

Manuskript eingereicht: 5. 3. 2003; revidierte Fassung an- genommen: 24. 4. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2008–2012 [Heft 30]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3003 abrufbar ist.

Anschrift des Verfassers:

Priv.-Doz. Dr. med. Walter Hewer Vinzenz von Paul Hospital

Schwenningerstraße 55 78628 Rottweil E-Mail: w.hewer@VvPH.de M E D I Z I N

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A2012 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003

´ Tabelle ´

Behandlungsoptionen für akut verwirrte alte Menschen

Behandlung Vorteile Probleme

Zu Hause/im Heim Verbleib in der gewohnten Erhöhter Pflege-/

Umgebung Behandlungsbedarf

Im Allgemeinkrankenhaus Optimale Verfügbarkeit Orientierungsschwierigkeiten für medizinischer Ressourcen verwirrte Menschen

In der Fachabteilung Milieu einer geronto- Internmedizinischer Gerontopsychiatrie psychiatrischen Station Behandlungsbedarf

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