• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Krankenhäuser: Von Hochleistungspferden, die zu Tode gehetzt werden" (23.11.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Krankenhäuser: Von Hochleistungspferden, die zu Tode gehetzt werden" (23.11.2007)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4723. November 2007 A3221

P O L I T I K

N

ach der jüngsten OECD-Stati- stik sichern in Deutschland 10,8 Krankenhausmitarbeiter je 1 000 Einwohner die stationäre Ver- sorgung. In anderen Gesundheits- systemen liegen die Werte zum Teil wesentlich höher: In Irland kommen 14,9 Mitarbeiter auf 1 000 Einwoh- ner, in Österreich sind es 15,3 und in den USA sogar 16,1 Mitarbeiter. Was sagen diese Zahlen aus? „Die deut- schen Krankenhäuser arbeiten immer effizienter, beim wirtschaftlichen Einsatz des Personals nehmen sie in- ternational einen Spitzenplatz ein“, analysierte Dr. rer. pol. Rudolf Kös- ters, Präsident der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft (DKG), Mitte November in Düsseldorf. Aber sind die Werte nicht auch ein Indiz für die Ausbeutung der Ärzte und Pflege- kräfte in den Krankenhäusern? „Das gute Ergebnis wird sicher erkauft durch eine enorme Belastung der Mitarbeiter in den Kliniken“, räumte Kösters am Rande des 30. Deutschen Krankenhaustags dann aber ein.

Fantasieloses Sparen

Tatsächlich sind die meisten Kran- kenhäuser nach wie vor sehr fanta- sielos, wenn sie Kosten einsparen wollen. So wurden in den letzten zehn Jahren in den Kliniken rund zehn Prozent des Personals abgebaut – das sind 90 000 Mitarbeiter. Allein in der Pflege wurden 50 000 Stellen gestrichen. Hier sei das Ende der Fahnenstange jedoch längst erreicht, betonte Kösters: „Wenn wir jetzt noch Personal abbauen, dann geht dies zulasten der Leistung.“ Schon heute bekämen die jährlich 17 Mil- lionen Patienten in den Kliniken die Folgen der Rationierung in der me- dizinischen Versorgung zu spüren.

Und nach DKG-Darstellung ver- schärft sich die Situation weiter:

Energiekostensteigerungen, Tarifer- höhungen für Ärzte und Pflegekräf- te, Mehrkosten infolge des revidier- ten Arbeitszeitgesetzes sowie die Mehrwertsteuererhöhung setzten den Krankenhausträgern heftig zu.

Darüber hinaus habe die Politik noch zusätzliche Kürzungen mit den Einspargesetzen 2006 und der Sanierungsabgabe (jährlich 700 Millionen Euro) vorgenommen. Da- bei betrage die Budgetsteigerungs- rate für die Krankenhäuser dieses Jahr nur 0,4 Prozent und im Jahr 2008 lediglich 0,64 Prozent. „Man kann Hochleistungspferde auch zu Tode hetzen“, sagte Kösters bei der Eröffnung des Krankenhaustags am 14. November.

Die aktuelle wirtschaftliche Lage veranlasst immer mehr Kranken- häuser zum Abschluss von Not- lagentarifverträgen – mit Einbußen für die Ärzte und die Pflegekräfte beim Weihnachtsgeld und zum Teil auch bei der Grundvergütung. In den neuen Bundesländern gilt nach DKG-Angaben bereits in jedem fünften Krankenhaus ein Notla- gentarifvertrag. Tendenz steigend:

„Wenn sich VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) und MB (Marburger Bund) für das nächste Jahr erneut auf höhere Gehälter für die Ärzte einigen – wo- von auszugehen ist –, geraten noch mehr Häuser in Not und müssen ent- sprechende Verträge vereinbaren“, warnte Kösters.

Der DKG-Präsident appellierte erneut an die Politik, die Sanie- rungsabgabe für die Krankenhäuser zu streichen. Die Bundesregierung müsse zur Kenntnis nehmen, dass

sich die jetzige Haushaltslage we- sentlich besser darstelle als er- wartet. Kösters: „Sowohl bei den Steuereinnahmen als auch bei den Haushalten der Sozialversicherun- gen wurde die Trendumkehr ge- schafft.“ So fielen die Steuereinnah- men der öffentlichen Hand im Jahr 2007 um 20,2 Milliarden Euro hö- her aus als prognostiziert. Und die gesetzliche Krankenversicherung ha- be im ersten Halbjahr 2007 einen Nettoüberschuss von mehr als 300 Millionen Euro erzielt, sie sei per saldo längst schuldenfrei. „Für die Sanierungsabgabe ist daher jede Rechtfertigung entfallen. Sie muss für 2008 gestrichen werden.“

Vom Aufschwung abgekoppelt

Die DKG forderte darüber hinaus, die Anbindung der Krankenhausbud- gets an die Veränderungsrate der Grundlohnsumme in der gesetzli- chen Krankenversicherung aufzuhe- ben. Hintergrund: Die aus der Lohn- entwicklung der Vergangenheit ab- geleitete Grundlohnrate ist die ge- setzliche Obergrenze für die Preis- zuwächse der Fallpauschalen, mit denen inzwischen mehr als 90 Pro- zent der Krankenhausleistungen ver- gütet werden. Die vergangenheits- bezogene Festlegungsmethode führe dazu, dass die Krankenhäuser von der guten wirtschaftlichen Entwick- lung abgekoppelt würden, während sie gleichzeitig massive Kostenstei- gerungen hätten, kritisierte DKG- Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Er sagte: „Die bisherigen Lohnab- schlüsse in anderen Wirtschafts- zweigen, die allesamt am Auf- schwung orientiert sind, können für die eine Million Beschäftigten in den Krankenhäusern angesichts die- ser gesetzlichen Zuwachsobergren- ze überhaupt kein Signal für die bevorstehenden Tarifverhandlungen sein.“ Damit drohten im Kranken- haussektor Qualitätsverluste, weite- re Stellenstreichungen und die Fort- setzung von Abwanderungsbewe- gungen in andere Länder und Beru- fe. Baum: „Anders als die Industrie und der Handel können die Kran- kenhäuser ihre Kostensteigerungen in keiner Weise in den Vergütungen

weitergeben.“ n

Jens Flintrop

KRANKENHÄUSER

Von Hochleistungspferden, die zu Tode gehetzt werden

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft betont die

Leistungsfähigkeit der Kliniken. Weitere Rationalisierungs-

reserven seien aber nicht zu heben.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die vergütungsrelevanten Bestand- teile des Tarifvertrags für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) werden

Auch Paket- angebote sind gefragter: Die Hälfte der Studienteilnehmer kann sich für ein „Berufsstarterpaket“ (mit Kran- ken-, Haftpflicht- und Berufsun-

Damit soll gewährleistet werden, dass in Kranken- häusern noch ein angemessener Zeit- raum für notwendige Anpassungsmaß- nahmen bleibt.. Bei den Budgetverhand- lungen werden

Etwa zwei Drittel der Befragten erwarten, dass das neue Entgeltsystem zu einer verstärkten Patientenselektion führen wird; fast drei Viertel rechnen damit, dass der

Zwar sei die Si- tuation nicht mit der vor zwei Jahren vergleichbar – „damals ging es um mehr als Tarifpolitik“ –, der Unmut der Ärzte über die Hinhaltetaktik der

Die genaue Zahl der jährlich in Deutschland am- bulant durchgeführten OPs an der unteren Extremität ist uns nicht bekannt, bei einer – vorsichtig geschätzten – Häu- figkeit von

Bei solch einem Vorhaben ist eine Zusammenarbeit mit ver.di als Großgewerkschaft nicht hilfreich, da ver.di unsere Forderungen nicht vehement genug vertritt!. Wir können

Die sozialen Konsequenzen für die Patienten, für ihre An- gehörigen und die sozialen Konsequenzen für die nach- rückende Medizinergenerati- on werden dramatisch sein und sicher