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Archiv "Paragraph 218: Ein Sturm der Entrüstung" (19.11.1993)

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Paragraph 218

Ein Sturm der Entrüstung

V an einer „neuen Inquisiti- on der Frauen", einem

„frauenverachtenden Spiel" und einer „tiefen Enttäu- schung" war die Rede. Mit sol- chen Außerungen kommentierten Politikerinnen die Neuregelung des § 218 StGB, auf die sich die Koalitionspartner CDU/CSU und FDP verständigt haben. Danach solle eine neu eingeführte soziale Indikation enger gefaßt sein als die frühere gesetzliche Regelung.

Die Beratung solle dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen.

Unmittelbar vor einer Abtreibung müsse der Arzt noch einmal bera- ten. Andernfalls drohe ihm Strafe.

Noch offen sei die Frage, in wel- chen Fällen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für ei- nen Schwangerschaftsabbruch übernehmen und in welchen Här- tefällen die Sozialhilfe einsprin- gen soll.

Kaum waren diese angebli- chen oder tatsächlichen Unions-

vorschläge in der Welt, schon reg- te sich ein Sturm der Entrüstung.

Das „Selbstbestimmungsrecht der Frauen" werde dem „Koalitions- frieden geopfert", sagte die stell- vertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Ursula Engelen-Kefer. Inge Wettig-Danielmeier (SPD) vertrat die Ansicht, unsinnige Strafandro- hungen hätten in dem Beratungs- modell nichts zu suchen. Sie zer- störten die Chance auf eine wirk- lich freie Entscheidung. Auch das Bundesverfassungsgericht verlan- ge keine Strafvorschriften.

Doch von Einigung ist inner- halb der Koalition ebenfalls nichts mehr zu spüren. So forderte Bun- desbauministerin Dr. rer. nat.

Irmgard Schwaetzer (FDP) den Abbruch der Koalitionsgespräche mit den Unionsparteien zu diesem Thema. Sie verlangte statt dessen erneute Bemühungen um eine Allparteienregelung unter Ein- schluß der Opposition.

Die Aufregung ist also offen- sichtlich groß. Wer in der Presse die Äußerungen von Politikerin- nen und vereinzelten Politikern liest, wird allerdings vergeblich nach genaueren Informationen oder gar wörtlichen Zitaten aus dem Entwurf suchen. Denn dieser lag — jedenfalls zum Zeitpunkt der Kommentierungen — noch gar nicht vor. Die erste Lesung ist zwar noch für dieses Jahr vorgese- hen. Doch selbst das scheint ange- sichts des Konflikts innerhalb der Fraktionen keineswegs sicher.

Eins steht jedenfalls fest: Je näher der Wahlkampf rückt, desto erregter wird die Debatte um das Thema „Reform des § 218" ge- führt werden. Ob sich die Politi- ker damit jedoch immer einen Ge- fallen tun, scheint fraglich. Etwas mehr Besonnenheit würde dem Wähler wahrscheinlich besser ge- fallen als markige Äußerungen, die einer konkreten Grundlage entbehren. Kli

Sozialversicherung

Ungereimtheiten

S

o sehr führende Sozialpo- litiker nicht müde werden, die Geschlossenheit des Systems der sozialen Sicherung in Deutschland zu loben, so gibt es dennoch in einigen Bereichen auf- fällige Ungereimtheiten. Kein ge- ringerer als der manchmal iro- nisch als „Herz-Jesu-Sozialist" be- zeichnete Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm hat kürzlich auf die Ungereimtheiten bei der Fi- nanzierung von beruflichen Um- schulungsmaßnahmen hingewie- sen.

So gibt es augenfällige Dispa- ritäten bei der Finanzierung von Maßnahmen zur beruflichen Um- schulung im Bereich der nicht- akademischen Berufe und denen an Universitäten und Hochschu- len. Zumindest ist eine rechtsun- systematische und durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehand- lung von Maßnahmen der berufli-

chen Umschulung im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmer im Vergleich zur akademischen Aus- und Fortbildung im Wege eines Zweitstudiums zu registrieren.

Konkret: Während die Maß- nahmen zur Arbeitsförderung und zur beruflichen Umschulung bei den nicht-akademischen Berufen ausschließlich aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit und da- mit aus den Pflichtbeiträgen zur Arbeitslosenversicherung finan- ziert werden, wird ein der berufli- chen Umorientierung dienendes akademisches Zweitstudium aus- schließlich aus Steuermitteln fi- nanziert. Dies kann den Steuer- zahler teuer zu stehen kommen:

Immerhin beansprucht das Studi- um der Humanmedizin heute im Durchschnitt 400 000 bis 500 000 DM (aus Steuergeldern aufge- bracht). Ein Beispiel: Läßt sich ein arbeitsloser Bergmann zum

Schreiner umschulen, so wird dies von der Bundesanstalt aus Ar- beitslosenversicherungsbeiträgen finanziert, wohingegen ein akade- misches Zweitstudium eines ar- beitslosen Lehrers, der Arzt wer- den will, zu Lasten der allgemei- nen Steuerfinanzierung geht.

Was die beruflichen Umschu- lungsmaßnahmen, die Reaktivie- rung und Integration ins Erwerbs- leben betrifft, wäre hier eine Gleichbehandlung bei der Finan- zierung geboten, mithin eine Steu- erfinanzierung beider berufli- cher Förderungsmaßnahmen (Umschulung und akademisches Zweitstudium) schon aus Gerech- tigkeitsgründen indiziert. Dies wä- re einer Überlegung und einer po- litischen Entscheidung wert, um die defizitären Haushalte der Ar- beitslosenversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit (10 Mil- liarden DM) zu entlasten. HC Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 46, 19. November 1993 (1) A1-3025

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