• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Stiefkind Präventiv-Medizin: Mit dem Bonbon hinein und dem faulen Zahn heraus" (27.09.1979)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Stiefkind Präventiv-Medizin: Mit dem Bonbon hinein und dem faulen Zahn heraus" (27.09.1979)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BRIEF AN DIE REDAKTION

PROTEST

Im Rahmen einer freien Aussprache er- widert der Kölner Ordinarius für Anato- mie auf den Artikel eines Rechtsanwalts

„Zulassung zum Medizinstudium über Gerichtsurteil" in Heft 18 vom 3. Mai 1979, Seite 1263. Die Redaktion verzich- tet auch in diesem Fall auf einen eigenen Korn mentar:

Staudamm

gegen das Chaos

Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT, das Standesorgan der deutschen Ärzte- schaft, öffnet seine Spalten für einen Vertreter jener Rechtsanwaltsbetrie- be, die ihr Geschäft mit der gericht- lich durchgesetzten Zwangsimma- trikulation von Medizinstudenten betreiben und mit Hilfe dieser billi- gen Öffentlichkeitsarbeit auch noch Reklame für ihre Praktiken machen.

Man sollte von den zuständigen Re- dakteuren des Standesorgans der Ärzte erwarten, daß derartige Veröf- fentlichungen vor Aufnahme auf Form und Inhalt sorgfältig geprüft werden.

Der Aufsatz, auf den hier Bezug ge- nommen wird, kann diese Erwar- tung nicht bestätigen und läßt dar- über hinaus eine leicht schizoide Einstellung gegenüber den Überfül- lungserscheinungen in der Berufs- ausbildung der Ärzte erschließen.

Das beginnt bereits bei dem von der Redaktion vorausgesetzten Aufma- cher. Die zweiten Instanzen haben großenteils zugunsten der Universi- täten entschieden (Münster, Lüne- burg). Wenn dem nicht so wäre, brauchten die Immatrikulationsspe- zialisten ihr Geschäft ja nicht vor das Bundesverfassungsgericht zu tra- gen.

Der vierte Absatz des Verfassers steht mit dem dritten im Wider- spruch und beruht schlicht auf un- wahren Behauptungen. Selbstver- ständlich erfüllen auch in Nord- rhein-Westfalen die Assistenten ihr bundeseinheitliches Lehrdeputat von vier Semesterwochenstunden.

Bei dem hochgespielten Rechts- streit geht es um die Verwalter von Assistentenstellen, also um Nach-

wuchskräfte, die nach ihrem Ausbil- dungsstand noch nicht in der Lage sind, eine volle Lehrleistung zu er- bringen, weil sie in der Regel gerade aus dem Staatsexamen kommen und bisher noch nie etwas mit Lehr- aufgaben zu tun gehabt haben.

Durch die Heraufsetzung der Imma- trikulationszahlen so zu tun, als ob sie eine volle Lehrleistung erbringen könnten, heißt auch hier Potemkin- sche Dörfer aufbauen und die Quali- tät der Ausbildung weiter zu redu- zieren, was den Rechtsanwalt nicht mehr bekümmert, wenn er seinen Klienten für gutes Geld zur Immatri- kulation verholfen hat.

Die alte Milchmädchenrechnung vom unverhältnismäßigen Anstieg des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen wird wieder aufgewärmt. Bei diesem Vergleich des Verhältnisses der Zahl des wis- senschaftlichen Personals zu der der Studierenden im Jahr 1960 und 1975 werden unter gleichem Namen Dinge gegenübergestellt, die sich durch Vorgänge außerhalb der Uni- versität entscheidend geändert haben:

1. Die allgemeine Arbeitszeit ist in- zwischen von 48 auf 40 Stunden pro Woche reduziert worden.

2. Die Ministerien haben gegenüber dem ersten Ansturm der Assisten- tenverbände die Pflichtzeit des Assi- stenten im Unterricht auf 4 Stunden (bei halber Anrechnung der Kurszei- ten auf 8 Stunden) reduziert.

3. Für die Dozentenschaft hat sich das dem Studenten anzubietende Stoffgebiet verdoppelt, wie etwa aus dem Lehrangebot der Kölner Fakul- tät im Jahr 1960 und 1975 unschwer nachzuweisen ist.

Während im Jahr 1960 der in der Lehre tätige Assistent ohne Anstän- de bis zur Hälfte seiner Arbeitszeit, also 24 Stunden/Woche eingesetzt werden konnte, gilt dies im Jahr 1975 nur mehr für acht Stunden.

Wenn die Dozentenschaft nun das doppelte Lehrangebot bieten muß, entspricht ihr Lehreffekt pro Student nur mehr der Hälfte desjenigen von

Präventiv-Medizin

den Gurtzwang sogar erhöhen könnten. Die hier in der Bundesre- publik bestehende ausgewogene und abwartende Haltung diesem Problem gegenüber ist die weisere.

Sollte das Risiko für die Versiche- rungen jedoch zu hoch sein, so könnte eine Extragebühr für die

„Non-Gurter" das Problem elegant lösen. Und die Würde des Menschen bliebe dabei unangetastet. Die Medi- zin stößt hier nicht nur auf ökonomi- sche, sondern auch auf sittliche Grenzen .. .

Dr. med. Joseph Garcia Nervenarzt

Friedensweg 26 4450 Lingen

Mit dem Bonbon hinein und

dem faulen Zahn heraus

Der Beitrag von Professor Dr. Ferdi- nand Schmidt über die Krankheits- verhütung verdient vor allem, wenn auch nicht nur, bei uns Kollegen die allergrößte Beachtung, ist doch die Krankheitsverhütung und nicht al- lein die Früherkennung die einzige Maßnahme, die eine echte Kosten- dämpfung im Gesundheits-, besser Krankheitswesen bewirken kann.

Denn die jetzige gewalttätige Ko- stendämpfung durch das KVKG

„greift" ja lediglich bei den frei nie- dergelassenen Kollegen, die da- durch wohl bald eine Dezimierung erfahren könnten. Bei der apparati- ven Medizin in den kommunalen An- stalten werden die Kosten ins Unbe- zahlbare explodieren; vorher wird aber keine Besteuerung des Überge- wichts durch erhöhte Sozialabga- ben möglich sein, eine mächtige In- dustrie wird dies genauso verhin- dern wie das Erscheinen der Brief- marke zum Jahr des Kindes mit dem Bonbon hinein und dem faulen Zahn heraus aus dem Mund. Das gleiche dürfte der Grund für die in dem Bei- trag geschilderten Ungereimtheiten im Bereich des Rauchens sein.

Dr. med. Eckart Buchholz Ludwigstraße 13

8530 Neustadt/Aisch

2514 Heft 39 vom 27. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Wolfgang Knierer

„Man findet in der Literatur auch gewisse Speisen und Getränke als genetische Ursachen (der Akne vul- garis) . subjektive Ansichten oh- ne reelle Basis"

„Akne-Patienten brauchen keine Diät einzuhalten. . . . Restriktive Maßnahmen (Fisch, Fleisch, Scho- kolade, Nüsse etc.) stammen aus der Zeit unklarer aethiopathogeneti- scher Vorstellungen."

Das erste Zitat aus dem Jahre 1872 stammt von Ferdinand von Hebra (16)*), das zweite von Plewig (46) aus dem Jahre 1975.

Nach über hundert Jahren war also die Ansicht über den Erfolg einer Diät zur Behandlung der Acne vul- garis vollkommen konform.

Es handelt sich bei folgenden Unter- suchungen um Literatur aus dem deutschen Sprachbereich, soweit sie zugänglich war.

Ferdinand von Hebra war offenbar mit seiner Ansicht damals nicht al- lein, denn wenig später haben Neu- mann (41) und später von Hebras Schüler Kaposi (25, 26), H. von He- bra (17) und dann Jarisch-Matzen- auer (20), Jessner (21, 22) und Les- ser (35, 36) keine Empfehlungen ei- ner Diät zur Behandlung der Acne vulgaris im Zeitraum von ungefähr 1872 bis 1908 gegeben.

Unna (58) hat im Jahre 1899 ganz allgemein eine spezifische Diät für Hautkranke eine „liebgewordene

Autosuggestion ohne tatsächliche Grundlage" genannt.

Auch die ablehnende Meinung von Plewig, die er mit Kligman zusam- men 1978 geäußert hat (47), steht nicht allein, denn auch Meinhof (38), Nolting (42), Nolting und Berg (43), Voigtländer (61), ferner Vakilzadeh und Macher (60) und Wüthrich und Much (67) haben in den Jahren 1976 bis 1978 eine Diät zur Therapie der Acne vulgaris abgelehnt oder auch nicht erwähnt.

Plewig und Kligman:

„...der Einfluß jener, die zwar älter, aber nicht klüger sind"

„Der Glaube an therapeutische Diät- vorschriften blüht immer dann, wenn Ursache und Wirkung einer Erkrankung wenig bekannt sind .. . Nahrungsmittel werden nicht vorge- schlagen, sondern mit heiligem Ernst untersagt. . . . Viele Patienten glauben an Zusammenhänge mit ei- ner Diät. Unserer Meinung nach un- terliegen sie damit dem Einfluß je- ner, die zwar älter, aber nicht klüger sind."

Meinhof:

„Keine meßbaren Unterschiede"

„...daß gerade die Nahrungsmittel, denen generell der höchste Grad an

*) Die in Klammern gesetzten Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis, das den Sonderdrucken beigelegt wird.

1960. Die Lehreffektivität des Lehr- personals, auf den Studenten bezo- gen, ist 1975 somit schon durch die- se beiden Fakten zwischen zwei Drittel bzw. der Hälfte gegenüber 1960 reduziert.

Wenn das Personenverhältnis 1975 1:2,9 beträgt, so kann der Arbeitsef- fekt nur einem Verhältnis von 1:5,8 bis 1:8,4 betragen. Bei der Berück- sichtigung der allgemeinen Arbeits- zeitreduktion liegen die Werte zwi- schen 1:6,7 und 1:9,8. Das Verhält- nis ist in Wirklichkeit somit nicht günstiger, sondern wesentlich schlechter geworden.

Wer im Vergleich eine Lehrkraft von 1960 mit der von 1975 gleichsetzt und die Verdoppelung des Lehran- gebotes unberücksichtigt läßt, spielt mit gezinkten Karten.

Vielleicht bedarf es für den Außen- stehenden noch des Hinweises, daß die Steigerung des Lehrangebotes — im Gegensatz zur Steigerung der Im- matrikulationsprozesse durch die Rechtsanwälte — keinerlei wirt- schaftlichen Anreiz für den Hoch- schullehrer bietet und somit aus- schließlich auf die Wissensexplo- sion unserer Zeit zurückzuführen ist.

Die Sorglosigkeit, mit der man den Vertreter der Rechtsanwälte für die weitere Betreibung von Prozessen werben läßt, ist kaum zu überbieten.

Seiner Meinung nach können die Prozesse in den unteren Instanzen ruhig verlorengehen, weil der Stu- dent bis zur letzten Instanz nicht am Studium gehindert werden kann und nach der Schlußinstanz nahe dem Schlußexamen stehen kann.

Dem Rechtsanwalt kann es nur recht sein, wenn er immer mehr Prozesse weiterlaufen lassen kann, sein Inter- esse wird nicht berührt, wenn der Medizinerunterricht einem Ermü- dungsbruch zugeführt wird, wenn die Medizinerausbildung durch die einmal eingebrochenen Staudämme in ein Chaos zerfließt

Prof. Dr. med. R. Ortmann Joseph-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

Wege und Umwege:

Hundert Jahre Diättherapie der Acne vulgaris

Zitatensammlung

aus der Literatur des deutschen Sprachbereiches

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39

vom 27. September 1979 2515

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

*) 1) F. Schmidt: Stiefkind Präventivmedizin. Lehmin9: Streit um Gewichtsreduktion. Arnold: Die Evolution des Gesundheits- wesens. Wer sich die Genüsse des Lebens mehr kosten läßt,

Der transatlantische Beobach- ter fragt sich, wie man es sich in Deutschland leisten kann, komplizierte, wissenschaftlich anspruchsvolle Krankheitsbil- der und

Wohnung 5000 DM pro Qua- dratmeter, eine ähnlich konzi- pierte „Normalwohnung“ in- des nur 3500 DM pro Qua- dratmeter, dann wird klar, daß die „altengerechte Geld- anlage“

Crohn: Nachdem er zunächst zu seinem behandelnden Arzt Vertrauen gefaßt hat, wird er im Rahmen eines psychiatrischen Konsils für den psychischen Bereich seiner Krankheit —

Eine Einbeziehung der vollen Verantwortung des Pa- tienten für sich und seine Ge- sundheit wird auch zu erheb- lichem Einsparpotenzial

Mit drei weiteren rein ärztlich-psy- chotherapeutischen Berufsverbänden (Textkasten) haben sich die rund 1 300 Psychosomatiker der AÄGP zur Ar- beitsgemeinschaft Ärztliche

Die ersten Vorschläge der Krankenkassen für Festbeträge, bis zu deren Höhe hinkünftig die Kassen zuzahlungsfrei für Arz- neimittel aufkommen werden, liegen vor.. Juni 1989 soll

Ja, ich würde sogar sagen, dass wir Experten auf diesem Gebiet sind, dass der ganze Medizinbetrieb ohne diese Effekte in sich zusammensacken würde wie ein Lun- genflügel