• Keine Ergebnisse gefunden

Klinische Ernährung – immer noch ein Stiefkind der Medizin?

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Klinische Ernährung – immer noch ein Stiefkind der Medizin?"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

© Anästhesiologie & Intensivmedizin 2003, 44: 776 DIOmed-Verlags GmbH.

Industriemitteilung

776

Sie wird während des Studiums nicht gelehrt, es gibt keine ver- pflichtenden Prüfungen weder im Studium noch in der Weiter- bildung – die Ernährungsmedizin spielt in Deutschland nicht die Rolle, die ihr eigentlich zukommt. Wie steht es derzeit mit der kli- nischen Ernährung? Hat sich die Sichtweise geändert? Was kann getan werden, um zu einer besseren ernährungsmedizinischen Versorgung zu kommen?

Wir sprachen mit Prof.Herbert Lochs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, über dieses Thema.

Frage:Welche Indikationen für die parenterale Ernährung gibt es?

Antwort:Alle Patienten, die weder selbst essen noch enteral ernährt werden können, müssen parenteral ernährt werden. Die moderne klinische Ernährung wird heute als ein Stufen- programm verstanden. Die normale orale Kost ist die erste Stufe, sozusagen die Standardversion. Patienten, die nicht essen kön- nen, sollten versuchsweise enteral ernährt werden. Wird die ente- rale Nahrung nicht toleriert oder kann eine hinreichende Kalorienzufuhr nicht erreicht werden, so ist die parenterale Ernährung die Methode der Wahl.

Frage:Was ist eine "hinreichende" Kalorienzufuhr?

Antwort:Wenn innerhalb von 3 Tagen nicht mindestens 2.500 kcal verabreicht werden können, muss zusätzlich parenteral ernährt werden. Diese Erfahrungswerte aus der Intensivmedizin sind zuverlässig und werden in der täglichen Arbeit als Maßstab herangezogen.

Generell ist festzuhalten, dass immer ernährt werden muss. Den Patienten die Ernährung auch nur für kurze Zeit vorzuenthalten ist heute nicht mehr State-of-the-art.

Frage:Welche Rolle spielt der Ernährungszustand des Patienten?

Antwort:Der Ernährungszustand spielt eine wesentliche Rolle.

Bei mangelernährten Patienten ist der Zeitraum, bei dem eine niedrigere Kalorienzufuhr toleriert werden kann, sehr viel kürzer als bei normal ernährten Patienten. Daher ist es unabdingbar, bei der stationären Aufnahme den Ernährungszustand zu ermitteln.

Leider finden sich heute in den meisten Krankenakten keine Angaben dazu.

Angaben zur Körperoberfläche werden meist nur zur Dosierung von Medikamenten aufgenommen; dabei können die zugrunde liegenden Daten ebenfalls zur Berechnung des BMI (aus Körpergröße und Gewicht) herangezogen werden.

Frage:Welche Parameter weisen auf eine Mangelernährung hin?

Antwort:Es gibt einige Parameter, bei denen eine Korrelation zu einem malnutritionsassoziierten Risiko bekannt ist. Dazu gehören z.B. ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als 10% des Körpergewichts in den letzten 6 Monaten, ein Albumin- spiegel von unter 3 g/dl und eine absolute Lymphozytenzahl von ca. 2.000/µl.

Diese Parameter können mittels eines einfachen Verfahrens, des so genannten subjective global assessment, ermittelt werden.

Dazu gehört auch die körperliche Untersuchung, in der der Arzt den persönlichen Eindruck, ob eine Mangelernährung vorliegt oder nicht, einfließen lässt.

Frage: Wie beeinflusst der Ernährungszustand den weiteren Verlauf der Erkrankung?

Antwort: Wir haben in der jetzt abgeschlossenen Hospital- Malnutritionsstudie gezeigt, dass die Konsequenzen der Mangel- ernährung verzögert auftreten. Betrachtet man z.B. nur den intra- hospitalen Verlauf über 7 Tage bei mangelernährten und nicht- mangelernährten Patienten, so sieht man oft keinen Unterschied.

Bei einer Nachbeobachtung darüber hinaus aber wird deutlich, dass mangelernährte Patienten eine signifikant höhere posthos- pitale Sterblichkeit und eine hochsignifikant höhere Wieder- aufnahmerate haben als nicht-mangelernährte Patienten. Die adäquate Ernährung bewirkt somit eine Prophylaxe späterer Komplikationen. Das ist die wichtigste Erkenntnis aus dieser Studie.

Frage:Wie können Patienten mit Indikation zur parenteralen Ernährung mit Nährstoffen versorgt werden?

Antwort:Wir ernähren diese Patienten mit Komplettlösungen, die Aminosäuren, Glukose und Fett in einem Beutel enthalten.

Damit sind sowohl Patienten auf Intensivstationen als auch auf Normalstationen gut versorgt.

Frage:Gerade auf der Intensivstation wird die Ernährung mit Einzelbausteinen sehr häufig eingesetzt. Wie sehen Sie das?

Antwort: Durch die qualitativ sehr hochwertigen Komplettlö- sungen, die es heute gibt, gibt es nahezu keine Indikation für Einzellösungen mehr. Der ursprüngliche Grund für Einzellö- sungen waren galenische Probleme mit der Zugabe von Fett;

diese hat man heute gelöst.

Auch das Argument, selektiv einzelne Parameter, z.B. hohe Plas- matriglyceridspiegel korrigieren zu können, ist so nicht mehr stichhaltig, da sehr hohe Spiegel ausgesprochene Raritäten sind.

Hohe Glukosespiegel werden heute durch die großzügigere Indi- kation zur Insulingabe eigentlich auch nicht mehr beobachtet.

Frage:Was wünschen Sie der Ernährungstherapie zukünftig?

Antwort:Die Ernährungsmedizin muss aus ihrem "Stiefkind"- Image heraustreten. Anstrengungen dazu werden unternommen.

Die Schaffung eines Ordinariats für Ernährungsmedizin würde sehr viel bringen. Man könnte auch an jedem Krankenhaus einen Arzt für die Ernährungsmedizin verpflichten, ähnlich wie es die Hygienebeauftragten in der Infektiologie sind.

Das Interview wurde geführt mit Prof. Dr. Herbert Lochs, Direktor der Med. Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie, Universitätsklinikum Charité, Berlin.

Korrespondenzadresse:

Dr.Petra Reuter

Mittelbachstraße 9, 74918 Angelbachtal.

Klinische Ernährung – immer noch ein Stiefkind der Medizin?

776 Industrie Fresenius 04.11.2003 13:47 Uhr Seite 776

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Studien haben gezeigt, dass eine angemessene Ernährungsunterstützung für Patienten, bei denen Krebs diagnostiziert wurde, die klinischen Ergebnisse verbessern kann (12)..

Die in diesem Aktionsplan skizzierten Konzepte und Instrumente für die Umsetzung sind für alle Länder in der Region relevant, jedoch so geschmeidig und anpassungsfähig gestaltet,

Trotz ausreichender Zufuhr von Wasser, Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß kann es vorkommen, dass für eine ge- sunde Ernährung bestimmte Stoffe fehlen und wir krank werden..

Für eine gesunde Ernäh- rung ist nicht nur die richti- ge Zusammensetzung der Nahrung wichtig, sondern auch die zeitliche Vertei- lung der Mahlzeiten über den Tag.. An dieser

b) Die Aussage ist wie folgt zu verstehen: Je besser die Nahrung gekaut (d. zerkleinert und eingespeichelt) ist, desto leichter kann sie in Mund, Magen und Darm verdaut werden,

Die Verbesserung der Qualität der Gesundheitsdienste ist eines der obersten Ziele des Sanitätsbetriebes Bozen. Mit Klarheit informieren ist unerlässlich. Diese Broschüre ist eine

Selbst wenn der Iran sich zur Es- kalation entscheiden sollte, sind sich die Befürworter eines Militärschlags sicher, dass der Westen iranische Ge- genangriffe abwehren

Aber die Arbeit unter den Bedingungen der Pandemie ist auch eine große Chance: Wir haben neue Aufgabenfelder für die Apotheken er- schlossen?. Und es hat sich gezeigt, dass