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Archiv "Stiefkind Präventiv-Medizin: Miscellanea" (27.09.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Präventiv-Medizin

fessor Schmidts sind durchweg ein- leuchtend. Seine Forderungen un- terstützen muß jeder Arzt, der seinen Beruf nicht als bloßen Job auffaßt.

Schätzen wir uns glücklich, einen Mann in unseren Reihen zu haben, der ohne Auftrag und persönlichen Vorteil sich so energisch für Ge- sundheit und Wohlergehen unseres Volkes einsetzt. Seine Maximen zu den unseren zu machen in Wort und Tat ist eine ehrenvolle Standes- pflicht, der wir gerne folgen. Der Herausstellung der zentralen Rolle des praktischen Arztes (und des In- ternisten?) in den Bemühungen, die Präventivmedizin gleichrangig ne- ben die kurative Medizin zu stellen, schließen wir uns voll an. Denn der Umwandlung der allgemeinen Sitten und Unsitten voraus geht die Erzie- hung und Prägung des einzelnen Menschen, zu welcher der Arzt als Wegbereiter vernünftiger Lebens- weise und Gesundheit berufen ist.

Dr. med. Friedrich Mehlhose Facharzt für Augenleiden Mühlenstraße 34

1000 Berlin 37

Miscellanea

Die ausführliche Behandlung der obigen Themata (1, 2, 3 u. a)*) in dieser Zeitschrift regt dennoch dazu an, ein oder zwei Gesichtspunkte hinzuzufügen, die zum Teil der All- tagspraxis eines Nervenarztes ent- stammen und die Darlegungen der erwähnten Autoren ergänzen:

F. Schmidt schreibt (S. 1190): „Wer lieber im Polstersessel vor dem Fernsehschirm sitzt, statt sich sport- lich zu betätigen, und mehr Kalorien aufnimmt, als er verbrennt, beweist damit, daß gutes Essen und Be- quemlichkeit ihm mehr bedeuten als

*) 1) F. Schmidt: Stiefkind Präventivmedizin.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 (1187-1192)

2) R. Lehmin9: Streit um Gewichtsreduktion.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 (1193) 3) M. Arnold: Die Evolution des Gesundheits- wesens. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 17 (1169-1179)

Gesundheit. Wer sich die Genüsse des Lebens mehr kosten läßt, als sei- ner Gesundheit zuträglich ist, der kann nicht erwarten, daß die andern die Mehrkosten seiner Krankheiten bezahlen. Ich bin überzeugt, daß ei- ne DM Beitragszuschlag im Monat für die Krankenversicherung je kg Übergewicht einen stärkeren positi- ven Effekt auf die Volksgesundheit hätte als alle Fortschritte der Medi- zin in den letzten Jahrzehnten zusammengenommen".

Ich habe den Bericht gelesen und stimme in mancherlei mit dem Ver- fasser überein; aber müssen wirk- lich derartig drastische Maßnahmen erwogen werden? Muß man sich in primitive duale Denkschablonen hineinpressen lassen: Sozialist—An- tisozialist, Kapitalist—Antikapitalist, Christ—Nichtchrist, Semit—Antisemit, Dicke—Dünne und dgl. mehr? Der Autor merkt nicht, daß er darauf ab- zielt, jedem seine eigene Denkweise aufzuzwingen. In diesem Land kann jeder gesundheitsbewußt leben; daß man ihm aber vorschreibt, ob er Schweinshaxe und ein Glas Bier zu verpönen hat oder nicht, und gar unter Bestrafung, scheint mir zu weit zu gehen. Durch die Hintertür kehren alte religiöse Verhaltenswei- sen zurück, die gar nicht so falsch waren, wie beispielsweise das gele- gentliche Fasten. Nur, daß die Kir- chen die Entscheidung, sich zu ka- steien, dem einzelnen in foro interno frei gelassen und ihn in würdiger Weise motiviert haben.

Es ist denkbar und sicherlich auch belegt, daß Übergewicht die Lebens- dauer verkürzen kann. Aber ist es vertretbar, das Problem nur unter dem Gesichtspunkt von Versiche- rungskosten zu betrachten? Hier sind m. E. zwei wesentliche Punkte zu berücksichtigen: erstens die menschliche Würde und zweitens die psychischen Schäden, die durch eine Abmagerungskur auftreten können. Wenn ein Mensch über- oder untergewichtig ist, so ist dieses seine persönliche Angelegenheit.

Und nur, wenn er darunter leidet, darf ein Arzt eingreifen. Verordnun- gen, wie sie der Verfasser vor- schlägt, stellen einen Eingriff in die

persönliche Sphäre des Menschen dar, der abgelehnt werden muß.

Hinsichtlich der psychischen Schä- den sind mir aus der Alltagspraxis Fälle bekannt, die nach einer Abma- gerungskur, und zwar noch unter ärztlicher Aufsicht, eine schwere De- pression erlitten haben, die die Ar- beitsfähigkeit und auch die Lebens- freude der Betroffenen sehr wahr- scheinlich für immer beeinträchtigt hat. Die Zurückhaltung von R. Leh- ming (3, S. 1193) bezüglich gewisser Abmagerungskuren (Nulldiät) kann man nur unterstützen.

Aber die gerade erwähnten psychi- schen Schäden sind nicht die einzi- gen. Es ist leider so, daß der Mensch das psychische Bedürfnis hat, sich Sündenböcke zu verschaffen: ein- mal sind es die Juden, ein anderes Mal die Kleriker, ein anderes Mal die Weißen oder die Farbigen, oder die Ärzte, und warum nicht: vielleicht die Dicken? Das Nichtakzeptieren der Menschheit, wie sie ist, kann zu schwerwiegenden Konsequenzen führen. Aus meiner Erfahrung sind mir junge Menschen bekannt, die wegen Hänselei, wegen der offiziell geförderten Dicke-Dünne-Hänselei, versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Jedes Übertreiben ist unnatürlich. In Fragen, die die Persönlichkeit des Menschen betreffen, sind Flexibilität und Ausgewogenheit sehr am Plat- ze. Mit Aufklärungsmaßnahmen ist meines Erachtens auf Gebieten, die die Persönlichkeit berühren, die Grenze des Machbaren erreicht. In diesem Zusammenhang scheint mir die ausgewogene Haltung der deut- schen zuständigen Stellen in einer anderen Frage, die medizinisch be- trachtet auch von Belang ist, erwäh- nenswert. Vielleicht könnte die Zahl der Todesfälle durch Einführung des Gurtzwangs beim Autofahren redu- ziert werden. Hat man aber daran gedacht, daß sich einige Menschen einen Sicherheitsgurt aus psychi- schen Gründen, bewußt oder auch unbewußt, nicht anlegen werden?

Man denke an die wertvollen Men- schen, die an phobischen Ängsten leiden und das Verkehrsrisiko durch

2512 Heft 39 vom 27. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BRIEF AN DIE REDAKTION

PROTEST

Im Rahmen einer freien Aussprache er- widert der Kölner Ordinarius für Anato- mie auf den Artikel eines Rechtsanwalts

„Zulassung zum Medizinstudium über Gerichtsurteil" in Heft 18 vom 3. Mai 1979, Seite 1263. Die Redaktion verzich- tet auch in diesem Fall auf einen eigenen Korn mentar:

Staudamm

gegen das Chaos

Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT, das Standesorgan der deutschen Ärzte- schaft, öffnet seine Spalten für einen Vertreter jener Rechtsanwaltsbetrie- be, die ihr Geschäft mit der gericht- lich durchgesetzten Zwangsimma- trikulation von Medizinstudenten betreiben und mit Hilfe dieser billi- gen Öffentlichkeitsarbeit auch noch Reklame für ihre Praktiken machen.

Man sollte von den zuständigen Re- dakteuren des Standesorgans der Ärzte erwarten, daß derartige Veröf- fentlichungen vor Aufnahme auf Form und Inhalt sorgfältig geprüft werden.

Der Aufsatz, auf den hier Bezug ge- nommen wird, kann diese Erwar- tung nicht bestätigen und läßt dar- über hinaus eine leicht schizoide Einstellung gegenüber den Überfül- lungserscheinungen in der Berufs- ausbildung der Ärzte erschließen.

Das beginnt bereits bei dem von der Redaktion vorausgesetzten Aufma- cher. Die zweiten Instanzen haben großenteils zugunsten der Universi- täten entschieden (Münster, Lüne- burg). Wenn dem nicht so wäre, brauchten die Immatrikulationsspe- zialisten ihr Geschäft ja nicht vor das Bundesverfassungsgericht zu tra- gen.

Der vierte Absatz des Verfassers steht mit dem dritten im Wider- spruch und beruht schlicht auf un- wahren Behauptungen. Selbstver- ständlich erfüllen auch in Nord- rhein-Westfalen die Assistenten ihr bundeseinheitliches Lehrdeputat von vier Semesterwochenstunden.

Bei dem hochgespielten Rechts- streit geht es um die Verwalter von Assistentenstellen, also um Nach-

wuchskräfte, die nach ihrem Ausbil- dungsstand noch nicht in der Lage sind, eine volle Lehrleistung zu er- bringen, weil sie in der Regel gerade aus dem Staatsexamen kommen und bisher noch nie etwas mit Lehr- aufgaben zu tun gehabt haben.

Durch die Heraufsetzung der Imma- trikulationszahlen so zu tun, als ob sie eine volle Lehrleistung erbringen könnten, heißt auch hier Potemkin- sche Dörfer aufbauen und die Quali- tät der Ausbildung weiter zu redu- zieren, was den Rechtsanwalt nicht mehr bekümmert, wenn er seinen Klienten für gutes Geld zur Immatri- kulation verholfen hat.

Die alte Milchmädchenrechnung vom unverhältnismäßigen Anstieg des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen wird wieder aufgewärmt. Bei diesem Vergleich des Verhältnisses der Zahl des wis- senschaftlichen Personals zu der der Studierenden im Jahr 1960 und 1975 werden unter gleichem Namen Dinge gegenübergestellt, die sich durch Vorgänge außerhalb der Uni- versität entscheidend geändert haben:

1. Die allgemeine Arbeitszeit ist in- zwischen von 48 auf 40 Stunden pro Woche reduziert worden.

2. Die Ministerien haben gegenüber dem ersten Ansturm der Assisten- tenverbände die Pflichtzeit des Assi- stenten im Unterricht auf 4 Stunden (bei halber Anrechnung der Kurszei- ten auf 8 Stunden) reduziert.

3. Für die Dozentenschaft hat sich das dem Studenten anzubietende Stoffgebiet verdoppelt, wie etwa aus dem Lehrangebot der Kölner Fakul- tät im Jahr 1960 und 1975 unschwer nachzuweisen ist.

Während im Jahr 1960 der in der Lehre tätige Assistent ohne Anstän- de bis zur Hälfte seiner Arbeitszeit, also 24 Stunden/Woche eingesetzt werden konnte, gilt dies im Jahr 1975 nur mehr für acht Stunden.

Wenn die Dozentenschaft nun das doppelte Lehrangebot bieten muß, entspricht ihr Lehreffekt pro Student nur mehr der Hälfte desjenigen von Präventiv-Medizin

den Gurtzwang sogar erhöhen könnten. Die hier in der Bundesre- publik bestehende ausgewogene und abwartende Haltung diesem Problem gegenüber ist die weisere.

Sollte das Risiko für die Versiche- rungen jedoch zu hoch sein, so könnte eine Extragebühr für die

„Non-Gurter" das Problem elegant lösen. Und die Würde des Menschen bliebe dabei unangetastet. Die Medi- zin stößt hier nicht nur auf ökonomi- sche, sondern auch auf sittliche Grenzen .. .

Dr. med. Joseph Garcia Nervenarzt

Friedensweg 26 4450 Lingen

Mit dem Bonbon hinein und

dem faulen Zahn heraus

Der Beitrag von Professor Dr. Ferdi- nand Schmidt über die Krankheits- verhütung verdient vor allem, wenn auch nicht nur, bei uns Kollegen die allergrößte Beachtung, ist doch die Krankheitsverhütung und nicht al- lein die Früherkennung die einzige Maßnahme, die eine echte Kosten- dämpfung im Gesundheits-, besser Krankheitswesen bewirken kann.

Denn die jetzige gewalttätige Ko- stendämpfung durch das KVKG

„greift" ja lediglich bei den frei nie- dergelassenen Kollegen, die da- durch wohl bald eine Dezimierung erfahren könnten. Bei der apparati- ven Medizin in den kommunalen An- stalten werden die Kosten ins Unbe- zahlbare explodieren; vorher wird aber keine Besteuerung des Überge- wichts durch erhöhte Sozialabga- ben möglich sein, eine mächtige In- dustrie wird dies genauso verhin- dern wie das Erscheinen der Brief- marke zum Jahr des Kindes mit dem Bonbon hinein und dem faulen Zahn heraus aus dem Mund. Das gleiche dürfte der Grund für die in dem Bei- trag geschilderten Ungereimtheiten im Bereich des Rauchens sein.

Dr. med. Eckart Buchholz Ludwigstraße 13

8530 Neustadt/Aisch

2514 Heft 39 vom 27. September 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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Hier könnte einerseits durch wirk- lich geeignete Gesundheitserzieher und andererseits durch gesetzliche Maßnahmen eine totale Enthaltsam- keit durchgesetzt werden, was ja auch

*) 1) F. Schmidt: Stiefkind Präventivmedizin. Lehmin9: Streit um Gewichtsreduktion. Arnold: Die Evolution des Gesundheits- wesens. Wer sich die Genüsse des Lebens mehr kosten läßt,

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