DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
D
ie Preise für Arzneimittel werden also sinken. Die ersten Vorschläge der Krankenkassen für Festbeträge, bis zu deren Höhe hinkünftig die Kassen zuzahlungsfrei für Arz- neimittel aufkommen werden, liegen vor. Am 19. Juni 1989 soll die definitive Höhe der Festbe- träge verkündet werden. Im Sep- tember werden die ersten Fest- beträge in Kraft treten. Erst dann werden sie für den ver- schreibenden Arzt und seinen Patienten relevant sein.Bisher sind zehn Wirkstoff- gruppen, bei denen demnächst die Festbeträge angewandt wer- den, bekanntgegeben worden, nämlich f3-Acetyldigoxin, Brom- azepan, Diclofenac, Glibencla- mid, Isosorbiddinitrat (ISDN), Isosorbidmononitrat (ISMN), Nifedipin, Oxazepam, Triam + FIydro, Verapamil.
Die Absenkungen gegen- über dem Originalpreis, die die Kassen jetzt vorgeschlagen ha- ben, liegen zumeist zwischen rund 30 und 60 Prozent. Solch hohe Abschläge haben viele überrascht. Doch die Kassen ste- hen unter einem hohen Erwar- tungsdruck. Nicht nur das Bun- desarbeitsministerium, sondern auch die öffentliche Meinung beobachtet mit Argwohn, was auf dem Arzneimittelmarkt ge- schieht. Die Kassen wollen sich sicherlich nicht den Vorwurf einhandeln, gegenüber „der In- dustrie" zu nachgiebig zu sein.
Vielleicht stellt sich schon bald heraus, daß bei dem einen oder anderen Wirkstoff oder bei einzelnen Darreichungsformen der Festbetrag zu niedrig ange- setzt wurde. Zu niedrig deshalb, weil zu dem „neuen Preis" mög- licherweise nicht genügend Arz- neimittel jederzeit und zu gleich- bleibender Qualität zur Verfü- gung stehen. Wenn etwa bei ei- nem Wirkstoff der Marktanteil unterhalb des Festbetrages nur bei 16 Prozent liegt, bei anderen, vielverschriebenen Wirkstoffen zwischen 25 und 30 Prozent, dann könnte es zu Lieferengpäs- sen kommen. Die Kassen rech- nen freilich damit, daß die Her-
Arzneimittel
simmaimme
Hohe Abschläge
steller von Originalpräparaten ihre Preise auf die Festbeträge absenken und das Angebot dann groß genug sein wird.
Tatsächlich dürften namhaf- te Firmen die Preise ihrer Origi- nalpräparate auf die Festbeträge herunterfahren und damit den Markt für sich erobern — zu La- sten der Generika-Hersteller.
Andere Hersteller, denen mehr am Auslandsgeschäft liegt, wer- den auf die deutschen Festbeträ- ge pfeifen und mit Rücksicht auf den Export die Preise hochhal- ten.
Die Preise für Arzneimittel werden also sinken. Hinter die eingangs getroffene Feststellung muß man indes, betrachtet man den gesamten Arzneimittel- markt, vorsichtig ein Fragezei- chen setzen. Selbstverständlich werden die Preise dort, wo Fest-
Medizin-Tourismus
Zahn-Ausfall
N
eues Gebiß in Hong- kong" — diese Schlagzeile geisterte vor kurzem durch die bundesdeutschen Ga- zetten. Sie zeigt einen neuen Trend bei den Blüm-Geschädig- ten auf — den Medizintourismus.Fazit der Meldung: Selbst unter Anrechnung des Flugtickets würden in Hongkong die 3. Zäh- ne billiger kommen als hierzu- lande mit 50 Prozent Selbstbe- halt.
In Budapester Hotels sollen sich bereits Zahnärzte bereithal- ten, um deutsche Besucher zu versorgen. Andere haben die Vorteile des Medizintourismus ebenfalls entdeckt und stehen Gewehr bei Fuß resp. Bohrer bei Hand.
beträge gelten, fallen. Anderer- seits werden demnächst die Prei- se für die echten Novitäten ge- waltig in die Höhe schießen.
Darauf hat der Vorsitzende des Bundesverbandes der pharma- zeutischen Industrie, Erik von Davidson, soeben beim Berliner Fortbildungskongreß hingewie- sen.
Bisher haben nämlich die gängigen Präparate, die ihre Forschungskosten längst herein- gespielt hatten, Deckungsbeiträ- ge zugunsten der Forschung und der Entwicklung neuer Präpara- te erbracht. Diese Deckungsbei- träge werden geringer ausfallen, bei sehr niedrig festgesetzten Festbeträgen sogar entfallen.
Mithin werden neue Präparate die für sie aufgewandten For- schungskosten selbst hereinbrin- gen müssen. Und somit dürfte es demnächst einen zweigeteilten.
Arzneimittelmarkt geben: gängi- ge Präparate zu billigem Preis, Neuentwicklungen zu Höchst- preisen. Was unter dem Strich an Ersparnis herauskommt, steht in den Sternen. NJ
Da über 50 Prozent der Bundesbürger ins Ausland rei- sen, dürften sich hier neue Per- spektiven ergeben, quasi mit dem Urlaub den Arztbesuch zu kombinieren. Vielleicht bringen clevere Verlage bald ein „Who is Who" der internationalen Lei- stungsanbieter heraus. Wo gibt es die billigsten Brücken, Kro- nen, Goldzähne? Wo die preis- wertesten Tabletten? Wo sind Kuren oder Massagen am er- schwinglichsten?
Daß hier auch dubiose Ele- mente mitmischen, nimmt nicht wunder. Mit deutschen Touri- sten ist immer ein „good busi- ness" zu machen. Das weiß man in Budapest ebenso wie in Hong- kong und Singapur. Ein deut- scher Urlauber, der seiner Frau aus der Ferne schrieb: „Meine neuen Zähne sind zu meiner Zu- friedenheit ausgefallen", mußte schon am heimischen Flughafen feststellen, daß sie wirklich aus- fielen . . . UM
Dt. Ärztebl. 86, Heft 21, 25. Mai 1989 (1) A-1545