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Archiv "Pneumologie: Die Lunge - Stiefkind der deutschen Medizin" (06.01.1997)

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ede Universitätsklinik in den USA hat eine eigenständige Ab- teilung für Pulmologie, meist, wie in Denver, eine „Division of Pul- monary and Critical Care“, nota bene:

nicht eine kardiopneumologische Ab- teilung. Die Fakultätsmitglieder sind alle Internisten, Fachärzte für Pulmo- logie mit drei- bis vierjähriger Zusatz- ausbildung und meist auch examinier- te Intensivmediziner. Diese Ärzte be- treiben die gesamte Pulmologie und die nicht kardiologische innere Inten- sivmedizin. Sie kümmern sich bei- spielsweise um Patienten mit Menin- gitis und Leberkoma (mit und ohne akutem Lungenversagen). Sie betreu- en konsiliarisch die Beatmung der Pa- tienten mit kardiogenem Schock so- wie die Patienten, die nach einer Hüftoperation an einer Lungenembo- lie leiden. Sie steuern die Patienten mit terminalen chronischen Lungen- erkrankungen wie interstitieller und zystischer Fibrose oder Alpha-1-Anti- trypsinmangel zur Lungentransplan- tation und kümmern sich um die kom- plizierte postoperative Nachsorge. Sie versorgen die Patienten mit schweren Formen der pulmonalen Hypertonie und betreiben Schlafapnoediagnostik.

Außerdem nehmen sie die Lungen- krebsdiagnostik vor, prüfen die Lun- genfunktion und betreuen das Asth- ma. Im Vergleich dazu befindet sich die Lungenheilkunde in Deutschland in einem schlimmen Zustand.

Lungenheilkunde: Nicht nur ein bißchen Asthma

Bei Berufungsverhandlungen in den USA wird nie die Frage gestellt, worum es eigentlich geht bei dem Fach Lungenheilkunde. Dafür haben unter anderem Ärzte wie Tom Petty, Kenneth Moser, Attilo Renzetti, Ben- jamin Burrows und John Murray ge- sorgt, die zur kritischen Zeit, als die Chemotherapie der Tuberkulose auf- kam und so beeindruckend erfolg- reich war, verstanden, daß das Fach Lungenheilkunde ein enorm wichti- ges Teilgebiet der Universitätsmedi- zin ist. Während die Lungenärzte in Deutschland in den Sanatorien und den Grüngürteln am Rande der Groß- städte blieben und zu Pneumologen wurden, wurden in den USA die be-

sten Internisten zu Lungenärzten (lung doctors) ausgebildet. Aus der Polioepidemie mit der eisernen Lun- ge kamen die ersten Lungenmecha- nik-Daten.

Bei Berufungsverfahren in Deutschland wurde regelmäßig die Frage gestellt: „Was wollen Sie eigent- lich mit Ihrem bißchen Asthma? Wis-

sen Sie, Herr Kollege, bei uns ist das so: den Bronchialkrebs hat der Onko- loge, das akute Lungenversagen macht der Anästhesist, die normale Pneumonie kann der Allgemein-In- ternist, und Tbc gibt es ja nicht mehr!“

An dieser Attitüde scheint sich auch im AIDS-Zeitalter nichts geändert zu haben. Es werden in Deutschland wei- terhin pneumologische Abteilungen

stillgelegt, oder der Bereich wird von kardiopneumologischen Zwittern ab- gedeckt.

Wenn es also das Fach der Lun- genheilkunde im universitären Be- reich nicht gibt, wo sollen dann Aus- bildung und Forschungsarbeit statt- finden? Ist die Deutsche Forschungs- gesellschaft geneigt, Forschungsmittel an die LVA-Kliniken zu geben? Sind die Universitäten daran interessiert, die großen Lungenfachkliniken im Grüngürtel, die oft nur wie in Gauting bei München drei bis fünf Kilometer vom Universitätsklinikum entfernt liegen, zu integrieren?

Der transatlantische Beobach- ter fragt sich, wie man es sich in Deutschland leisten kann, komplizierte, wissenschaftlich anspruchsvolle Krankheitsbil- der und interessante Fragestellungen im Grüngürtel zu lassen: Fragen wie die Infektabwehr beim immunsuppri- mierten Patienten, Einflüsse der Um- welt auf die Entstehung von Lungen- krebs, die Spätfolgen und Lungen- schäden nach einer Knochenmark- transplantation, diurnale Rhythmik und Atemregulation, Sarkoidose- Immunologie oder die genetische Be- dingtheit von Lungenerkrankungen.

Er fragt sich, wann der Medizin- student lernt, daß in den Industrie- Ländern ein Drittel der Bevölkerung direkt oder indirekt an Lungenerkran- kungen stirbt. Er fragt sich, warum es die Tom Petties und John Murrays in Deutschland nicht gab, als es kritisch wurde in den Grüngürteln. Offensicht- A-27 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 1–2, 6. Januar 1997 (27)

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Pneumologie

Die Lunge – Stiefkind der deutschen Medizin

„Während in den meisten europäischen Ländern wie auch in den USA und Kana- da die Pneumologie an den Universitäten fest etabliert ist, existieren in Deutschland nur recht wenige Lehrstühle.“ Das Zitat von Prof. Dr. med. Niko- laus Konietzko (siehe Deutsches Ärzteblatt, Heft 33/1995) veranlaßte Norbert F. Voelkel, MD, die Lage der Lungenheilkunde in Deutschland kritisch zu analysieren. Zum Vergleich dient ihm die Situation in den USA, wo er seit 1977 an der Universitätsklinik in Denver, Colorado, arbeitet.

Zeichnung: Elie Nasser

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lich hat die Generation der Lungen- fachärzte, die jetzt dem Ruhestand entgegenlebt, versagt. Oder liegt es daran, daß Husten und Auswurf un- elegant sind und nicht akzeptabel wie eine feine Arrhythmie? Oder liegt es am Zynismus einiger weniger („Ich habe ja auch einen jungen Oberarzt, der macht mir die Bronchoskopie.“).

Die Lungenheilkunde führt ihr Schat- tendasein nicht, weil es an Patienten oder an Geld mangelt. Es liegt an der Struktur, die sich zum Teil aus der ge- schichtlichen Entwicklung erklärt, die anders war als in den USA.

In diesem Frühjahr bringe ich – wie in den letzten zehn Jahren auch – an den meisten Tagen eine Stunde da- mit zu, mir Kandidaten für unser Trai- ningsprogramm in „Pulmonary and Critical Care Medicine“ anzusehen.

Im letzten Jahr hatten wir 360 schrift- liche Bewerbungen für sechs Stellen

(First Year Fellows). 50 Kandidaten wurden zum Interview eingeladen.

„Warum Lungenheilkunde?“ frage ich. „Ich habe zuerst an Nephrologie oder Kardiologie gedacht“, antwortet der Kandidat, „aber die Rotation durch die Intensivstation machte die Entscheidung leicht. In der Lungen- heilkunde gibt es noch die gesamte In- nere Medizin.“ Ich nehme den Kandi- daten mit auf die Station. Dort sieht er den jungen Mann mit AIDS und der Zytomegalie-Pneumonie, einen älte- ren Mann nach der Resektion seiner durch resistente Mykobakterien zer- störten Lunge, die Patientin mit der Aspergillose, immunsupprimiert nach einer Knochenmarktransplantation, und den Patienten mit dem Riesenin- farkt, beatmet, Ballonpumpe. Der Be- werber muß sich noch acht weiteren Interviewern stellen. Zwei Monate später wird er nach einem nationalen

„Matching“ wissen, ob er sein Trai- ning in Denver beginnt oder in San Diego, Seattle, St. Louis, New Or- leans, Philadelphia, Detroit.

Der Notstand der deutschen Pneumologie ist ein Politikum.

Schließt die pneumologischen und kardiopneumologischen Abteilungen, dann gibt es die Möglichkeit, an jeder Universität eine unabhängige Abtei- lung für Lungenheilkunde zu etablie- ren. Macht Ernst mit dem Auftrag, die Lungenerkrankungen der Bevölke- rung universitär zu repräsentieren.

Anschrift des Verfassers:

Norbert F. Voelkel, MD Professor of Medicine Director, Pulmonary Hypertension Center University of Colorado Health Sciences Center Denver, Colorado 80262, USA

A-28 (28) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 1–2, 6. Januar 1997

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

In Heft 12/1996 des Deutschen Ärzteblattes wurde in einer kleinen Notiz darauf hingewiesen: Weiß- russische Arzt-Studenten der höhe- ren Semester wollen ihre Fach- und Sprachkenntnisse in Deutschland er- weitern. Die Resonanz war überwäl- tigend. Rund 20 Ärzte haben in- zwischen Interesse angemeldet. Die Organisation der Aufenthalte für nächsten Sommer läuft auf Hoch- touren. Studenten und Ärzte haben persönlichen Kontakt aufgenom- men, auch eine günstige Versiche- rung ist gefunden. Nach einem Ge- spräch in der deutschen Botschaft in Minsk unterstützt auch diese das Vorhaben.

Leider konnte keine deutsche Organisation, Vereinigung oder Insti- tution gefunden werden, die den Auf- enthalt finanziell unterstützt. Alle an- geschriebenen Einrichtungen helfen nur bei konkreten Forschungsvorha- ben beziehungsweise „fertigen“ Ärz- ten. Bei dem im Durchschnitt vier-

wöchigen Aufenthalt der Studenten belaufen sich die Gesamtkosten auf maximal etwa 2 000 DM. Das Geld

soll nun in einer bundesweiten Spen- denaktion gesammelt werden.

Die Studenten bereiten sich be- reits auf ihren Aufenthalt vor. Sie neh- men zusätzlich Deutschunterricht und befassen sich mit Artikeln aus deut- schen Medizin-Zeitschriften. Die Be- dingungen für die Ausbildung und Arbeit in Minsk sind oft sehr schlecht, da es an vielem fehlt. Das beginnt nicht selten schon bei Arztkitteln und Mundschutz. Trotzdem weisen die ausgewählten Studenten sehr gute Leistungen auf.

Auch die deutschen Ärzte freuen sich auf diesen Besuch, wie sie in vie- len Briefen und Gesprächen beton- ten. Es ist ein Stück des Kennen- lernens. Und es ist Hilfe und Be- reicherung für beide Seiten. Es wäre deshalb schön, wenn mit einer Spende zum Zustandekommen der Hospita- tion beigetragen würde. Spenden für den Verein „Medizin für Weißrußland e.V.“ können eingezahlt werden beim Bankhaus H. Lampe, Bielefeld, Kto.

153 311, BLZ 480 201 51, Kennwort:

Studenten.

lSpendenbescheinigungen kön- nen, wenn gewünscht, ausgestellt wer- den. Informationen: Heike Sabel, Haeckelstraße 13, 01809 Heidenau, Telefon/Fax 0 35 29/51 38 76 (privat), Telefon/Fax 0 35 01/56 33 16 (dienst-

lich). Heike Sabel

Spendenaktion

Weißrussische Studenten hospitieren bei Ärzten

Der achtjähri- ge Dima aus Minsk (hier mit seiner Mutter) litt an einer Lähmung in den Beinen, die durch ei- ne Hirnschädi- gung verur- sacht wurde.

Im September wurde er in Budapest ope- riert, zur Zeit wird er rehabi- litiert. Operati- on und Rehabi-

litation wurden durch Spenden finanziert. Jetzt soll weiteren Kindern aus Weißrußland geholfen werden.

Bankverbindung: Landeskirchliche Kreditgenossen- schaft Dresden, Kto. 102 019 024, BLZ 850 951 64, Kennwort: Weißrussische Kinder. Foto: Heike Sabel

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