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Archiv "Von schräg unten: Potemkin" (13.06.2008)

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[120] Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 2413. Juni 2008

S C H L U S S P U N K T

E

s gibt Dinge, die kann man sich aussuchen. Re- gressfreie Medikamente und erlesenen Wein, zum Beispiel. Verwandte kann man sich nicht aussuchen, von denen wird man blöderweise auch regelmäßig und ungebeten heimgesucht. Wie ich von den frechen Nef- fen. „Onkel Thomas, wir haben in Geschichte etwas über einen General Patomki gehört, mit so falschen Dör- fern und so. Du weißt doch so viel Müll, kennst du den?!“ Ob dieser Unverfro-

renheit möchte ich die beiden, beglei-

tet von einer neffiziden

Bemer-

kung, am liebsten wieder herauswerfen, fühle mich aber in meiner nicht medizinischen Bildung herausgefordert.

Also erkläre ich: Der Sage nach ließ Feldmarschall Potemkin für die Zarin Katharina II. am Ufer der Krim Dörfer aus bemalten Kulissen errichten, um das wahre Elend der Landbevölkerung zu verbergen. Ob das tatsächlich stimmt, ist allerdings strittig, tatsächlich war Potemkin ein fähiger Gouverneur, der . . . „Onkel Tho- mas, warum sollen wir dieses Zeugs dann eigentlich ler- nen, wenn es sowieso nicht stimmt?!“ Mein lieber fre- cher Neffe, es handelt sich um ein Bild. Es geht einer-

seits um das Schönfärben dröger Realitäten, anderer- seits um mutwillige Irreführung. Wir Mediziner kennen uns mit diesen potemkinschen Effekten bestens aus. Ja, ich würde sogar sagen, dass wir Experten auf diesem Gebiet sind, dass der ganze Medizinbetrieb ohne diese Effekte in sich zusammensacken würde wie ein Lun- genflügel beim Spannungspneumothorax. Die Neffen schauen mich wieder mit diesem „Wo-ist-der-Psychia- ter?“-Blick an, also muss ich weiter ausholen: Erste Be- kanntschaften mit falschen Vorstellungen machen wir Mediziner, wenn wir unglaubliche Energien investie- ren, einen Medizinstudienplatz zu ergattern und das Studium zu bewältigen – gilt das Arztsein doch im- mer noch als lustvolles Pendeln zwischen karibischen Traumurlauben und Golfplätzen. Später, also hinter den Kulissen, rattert man im Hamsterrad seine 60, 70 Stun- den pro Woche; statt eines ausgefüllten Berufsle- bens gibt’s nur DMP-Bögen. Für unsere Pa- tienten wiederum gibt es unzählige potem- kinsche Medikamente, unter Ärzten auch Placebo forte genannt. Für diese sind unsere Patienten bereit, horrende Sum- men zu bezahlen, weil nicht unter die GKV-Leistungspflicht fallend. Der Heilungseffekt ist umso dramati- scher, je teurer die Pille ist – wer will schon zugeben, auf einen 200 Jahre al- ten Attrappen- maler hereinge- fallen zu sein.

Potemkinsche Scharmützel wie- derum werden gern zwischen niedergelassenen All- gemeinärzten, Fachärzten und Krankenhausärzten angezettelt, um diese gegeneinander auszuspielen.

Diese Neiddebatten führen dazu, dass wir Ärzte uns hinter den Ku- lissen weiterhin tief zerstritten abstrampeln. „Sag mal, Onkel Thomas, dein Patomki ist ja über- all“, meint der Neffe.

Nein, mein lieber Nef- fe, Potemkin muss es heißen, nicht Patomki. Patomki heißt im Russischen Dunkelheit. Fröhlich rufen die Neffen:

„Mit des Feldmarschalls alter List macht ihr heute noch viel Mist!

In jeder Medizin, steckt er drin,

keiner gibt zu, dass er drauf reingefallen ist!“ – Raus mit euch!

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

VON SCHRÄG UNTEN

Potemkin

Dr. med. Thomas Böhmeke

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