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Archiv "Von schräg unten: Schwindel" (06.02.2015)

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[72] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 6

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6. Februar 2015

VON SCHRÄG UNTEN

Schwindel

Dr. med. Thomas Böhmeke

D

ie Diagnose ist der Anfang aller Dinge, die Mut- ter aller Therapien. Mit solchen Sprüchen pflege ich meine Umgebung gerne zu nerven. Und wähne mich immer auf der sicheren Seite, wenn ich den Kern des Übels überführe, sei es mit EKG oder UKG, PCR oder MRT, EPU oder PET. Ist es nicht wunderbar, mit welch technischer Präzision und Raffinesse wir heute die Menschen bis ins kleinste Detail ausleuchten kön- nen? Unter uns, NSA und BND sind dagegen doch Lai- enspieltruppen, kommen mir vor wie alte Doktoren, die nur mit Anamnese und Stethoskop hantieren. Aber manchmal gerät dieses selbstzufriedene Weltbild ge- waltig ins Wanken.

„Thomas, Du kannst Dir das nicht vorstellen, was passiert ist“, echauffiert sich meine Saxofonschülerin.

Mir schwant Schlimmes, weit über Komplexität von Akkorderweiterungen hinausgehend. „Ich habe Dir ja schon mal von meinem Bruder erzählt, er wohnt in München und hat nichts als Arbeit im Kopf, er schreibt gerade an seinem Buch. Sonntags morgens war ihm ganz schwindelig, das war ihm neu, und er hatte Panik bekommen, dass es eine Durchblutungsstörung des Ge- hirns sein könnte, die er sich nicht leisten kann!“ Piano, piano, ganz ruhig. Schwindel hat mehr Differenzialdi- agnosen als sämtliche Molltonleitern Noten; es muss also nicht immer die Höchststrafe sein. Und wie ging es weiter? „Er wusste sich keinen Rat und ließ sich vom Krankenwagen in die nächste Neurologie bringen!“

Erst einmal keine schlechte Idee, aber am Wochenende sind die Mannschaften ausgedünnt, sozusagen mono- phon, da kann es mit der Versorgung schon mal etwas holprig werden, sozusagen synkopal. „Genau! Er traf erst mal auf einen Kollegen von Dir, der kaum Deutsch sprach.“ Leider ist es so, dass sich derzeit zu viele freie Stellen um unsere jungen Ärzte rangeln, daher sind wir froh, wenn wir Verstärkung aus dem Ausland bekom- men. „Weil er nicht mehr weiter wusste, hat er als Pri- vatpatient nach dem Chef verlangt!“ Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee oder eine Dissonanz war. „War es. Er wurde auf der Schlaganfall-Einheit eingebuchtet, bis der Oberarzt kam.“ Dann war alles sicher wieder gut.

„Denkst Du! Er hat sich als Juraprofessor zu erken- nen gegeben, und dann lief die ganze Maschinerie an!“

Das kann ich verstehen. Mediziner wollen sich bei Ju- risten immer absichern, fürchten diese wie der Geigen- bauer den Holzwurm. Und, haben sie was gefunden?

„Ach, i wo! Am Ende vermuteten sie einen Schlagan- fall im Stammhirn, den man partout nicht sehen kann.“

Aber dann war alles gut, oder? „Von wegen! Mit dieser Diagnose des kryptischen Schlaganfalls musste er für ein Jahr seinen Führerschein abgeben!“ Was für eine Kakophonie! Ist im Nachhinein nicht geklärt worden, woher der Schwindel kam? Konnte man das Rätsel lö- sen? „Na klar. Er hatte am Abend zuvor nur zu viel ge- trunken und am nächsten Morgen einen fulminanten Kater.“ Aha, also war Alkohol die Lösung. Wer kam ei- gentlich darauf? „Na, sein alter Hausarzt!“

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

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