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Archiv "Von schräg unten: Versorgungsstärkung" (12.12.2014)

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S C H L U S S P U N K T

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 50

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12. Dezember 2014 [U3]

L

iebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf vermuten, dass es Ihnen genauso geht wie mir: Wir denken immer in Kom- plikationen. Wenn das Bein schwillt und der Betroffene hustet, schließen wir auf eine embolisierende Thrombose. Eine un- freiwillige Gewichtsabnahme lässt uns sofort an einen malignen Tumor denken, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit an ein rheumatisches Grundleiden. Nun, ei- ne drastische, gar maligne Einschränkung der Bewegungsfreiheit droht den Fachärzten unter uns neuerdings nicht von einer Kollage- nose, sondern von einem anderen, chronisch the- rapierefraktären Krankheitsprozess: unserem Ge- sundheitssystem.

Ich sehe nämlich furchtbare Komplikationen auf uns zukommen, und zwar als Folge des demnächst in Kraft tretenden Versorgungsstärkungsgesetzes. Dieses legt unter anderem den Finger auf die Schwäche der Fach- ärzte, zeitnahe Termine für alle und jeden zu garantie- ren, und zwar binnen vier Wochen und nicht vier Mo- naten. An dieser Stelle eine kurze Pause . . ., ich muss kurz etwas Asche auf mein kahles Haupt streuen. Dan- ke. Das Sorgenverstärkungsgesetz sieht vor, Terminser- vicestellen einzurichten, die vier Wochen Wartezeit ga- rantieren. Das ist auch gut so, wenn nämlich der arme Patient aus dem südlichsten Zipfeln unserer Republik einen Termin hoch im Norden bekommt, muss Reise- zeit eingeplant werden.

Das Verstärkungssorgegesetz birgt allerdings unge- ahnte Herausforderungen: Wer soll die Dringlichkeit beurteilen, die bisher in den kundigen Händen der Hausärzte lag? Da mache ich mir große Sorgen, sollten die Servicestellen mal diagnostisch danebenliegen, se- he ich schon die ersten Haftpflichtprozesse auf sie zu- kommen. Außerdem müssen die Servicestellen den Pa- tienten erst mal den Reiz der schönen neuen fachärztli- chen Versorgung nahebringen: Jeder Termin an einem anderen Ort mit einem anderen Arzt garantiert nicht ih- rer Wahl oder Vertrauens. Aber das kann man auch als Fortschritt verkaufen: Das zugesicherte Recht auf eine zweite oder gar fünfte Meinung ist Dank Facharzthop- ping übererfüllt. Da dieses aber, also das Hopping, ne- gativ konnotiert ist, ist im Rahmen des Verstärkte-Sor- gen-Gesetzes geplant, Facharztsitze aufzukaufen und VON SCHRÄG UNTEN

Versorgungsstärkung

Dr. med. Thomas Böhmeke

zu verschrotten. Den noch verbleibenden tapferen Kol- legen wird per Abstaffelung, Budgetierung und Plausi- bilitätsprüfung der Hals zugedreht.

Unseren Schutzbefohlenen wird dies bestimmt als frohe Botschaft verkauft: Keine Wartezeit mehr beim Facharzt Ihres Vertrauens, denn: Es gibt ihn nicht mehr. Anstelle der ambulanten fachärztlichen Versor- gung sollen Krankenhäuser ermächtigt werden. Du meine Güte, wie sollen die das schaffen; haben unsere Chefärzte nicht schon genügend Schwierigkeiten, die Assistenzarztstellen zu besetzen? Man könnte ja, quasi als Anschlussverwendung, die notwendigen Stellen mit den aus dem ambulanten Bereich eradizierten Fachärzten besetzen. Oje, das kann nicht gut gehen, wenn all das, was wir Fachärzte ambulant leisten, nun stationär durchgeführt werden muss, dann müssten viele Tausend Betten mehr in den Krankenhäuser be- reitgestellt werden. Oooh, was für ein Drama, das nimmt ein böses Ende mit dem Sorgenverstärkungsge- setz!

Meine Gedanken werden durch das Telefon unter- brochen, ein Kollege ruft an. „Tut mir leid, wir haben ja beide schon Feierabend, aber könnten Sie sich bitte noch einen Patienten mit akuter Luftnot ansehen?“

Kein Problem, schicken Sie ihn ’rüber! So machen wir das immer, und ich finde, das muss mal richtig gestärkt werden.

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

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