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Archiv "Von schräg unten: Ehrlichkeit" (19.09.2014)

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[56] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 38

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19. September 2014

VON SCHRÄG UNTEN

Ehrlichkeit

Dr. med. Thomas Böhmeke

V

ertrauen und Ehrlichkeit sind die Grundlagen eines fruchtbaren Arzt- Patienten-Verhältnisses, Betrug erschüt- tert diese Fundamente wie ein Lithotripsor den Nierenstein. Daher reagieren wir auf derartige Vorwürfe allergisch, zumal wir keine Mühen scheuen, unsere Schutz- befohlenen trotz Budget und Re- gress optimal zu versorgen, uns keine unbezahlte Überstunde zu lang ist. Ich darf daher die Gelegen-

heit nutzen, um in aller Öffentlichkeit festzustellen: Wir sind ehrlich! Wir agieren nicht in dubio pro Dollar, in ex- tenso pro Euro, per aspera ad moneta! Quasi als Beweis dafür, dass andere Nationen ein medizinisches Prozede- re und die sich daraus ableitenden Honorare so locker sehen wie eine Hüftpfanne im osteoporotischen Becken- knochen, darf ich Sie auf einen kardiologischen Kurztrip über die Kontinente einladen. Marokko, 1998: Ein Inge- nieur begibt sich zum Kardiologen, der im Katheter eine Engstelle nachweist und dilatiert, ein halbes Jahr später erfolgt die invasive Kontrolle. All das kostet ihn ein Jah- resgehalt, scheint aber in Ordnung zu gehen, so hätte es – bis auf die privat zu begleichende Rechnung in besag- ter Höhe – hierzulande auch ablaufen können. Zwei Jah- re später stellt er sich bei mir zum EKG vor und über- reicht bei dieser Gelegenheit die Katheterfilme. Nach kritischer Durchsicht stelle ich verblüfft fest: Er hat ein völlig unauffälliges Koronarsystem. Spanien, 2001: Ei- ne ältere Dame, dort in Urlaub weilend, bekommt nachts einen Vorderwandinfarkt. Die hinzueilende Rettung fährt an drei anderen Krankenhäusern vorbei in eine Pri- vatklinik (honi soit qui mal y pense). Es erfolgt umge- hend die Rekanalisation und Stentimplantation der vor- deren Herzkranzarterie. Tags darauf muss der Sohn 12 000 Euro überweisen, ansonsten würde man die Mut- ter zwangsweise in der Klinik festhalten. Indien, 2002:

Der Mutter eines in Deutschland tätigen Kollegen wird die sofortige Bypassoperation empfohlen, Gefahr drohe.

Angesichts dessen dürfen 50 000 Dollar für die OP keine Rolle spielen. Der Kollege bittet mich um Durchsicht des Herzkatheterfilms. Zu sehen ist eine maximal fünf-

zigprozentige Engstelle des kleinen zweiten Marginalas- tes. Ich kann mir die Frage nicht verkneifen, ob die indi- schen Kollegen für die Überbrückung einer 20%igen Stenose nur 20 000 Dollar verlangen würden. Thailand, 2005: Die Urlaubsfreuden eines dicklichen Diabetikers werden durch einen Hinterwandinfarkt getrübt. In der Klinik eröffnet man ihm, dass man durchaus in der Lage sei, die verstopfte Arterie frei zu machen – aber erst für 5 000 Dollar, und zwar sofort auf den Tisch des Hauses.

Glück dem, der in solch einer vermaledeiten Situation die Taschen voller Bargeld hat. Indonesien, 2013: Eine ältere Dame unterzieht sich einer invasiven Koronardi- agnostik. Es werden mehrere 30%ige Stenosen nachge- wiesen, die der dort ansässige Kardiologe alle mit Stents zu versorgen gedenkt. Sein Pech: Der Sohn der Patientin ist selbst Kardiologe, in unserem schönen Land tätig und versorgt die Mutter nicht mit einem Haufen Draht, son- dern mit Lebensstiländerung und Medikamenten.

Der indonesische Kollege fragt an, ob ich bereit wä- re, seine Landsleute zu behandeln. Wie das denn? frage ich ungläubig. Kein Problem, sie würden in meine Pra- xis kommen. Um die halbe Welt!? Ja, selbstverständ- lich. Das kann doch nicht wahr sein! Doch! Für eine ehrliche Behandlung seien seine Landsleute gerne be- reit, um die halbe Welt zu reisen. Außerdem: Kein Bud- get, kein Regress.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ehrlichkeit lohnt sich doch!

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

S C H L U S S P U N K T

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