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Archiv "Behandlung des akuten ischämischen Insults" (30.04.1999)

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(1)

echs Jahre nach der Publikati- on von Therapievorschlägen zur Behandlung des Schlagan- falls (12) werden diese in der vorlie- genden Arbeit aktualisiert. In der Zwischenzeit wurden viele prospekti- ve Studien beendet, die jetzt Eingang in die Therapievorschläge gefunden haben. Diese Vorschläge zur Therapie sind wie im Textkasten Stellenwert der Therapievorschläge dargestellt, ge- gliedert.

Basistherapie und praktische Umsetzung

In der Basistherapie des Schlag- anfalls sind von besonderer Bedeu- tung:

1 Die Aufrechterhaltung eines hochnormalen Blutdrucks,

1das Offenhalten der Atemwe- ge, die Kontrolle der Atemfunktion,

1die Einstellung einer Normo- glykämie,

1die Optimierung der Herzaus- wurfleistung,

1 die Senkung der Körpertem- peratur,

1die pflegerischen Maßnahmen zur Aspirationsprophylaxe,

1die Senkung des Hirndrucks, 1die Frühmobilisation.

Blutdrucktherapie und Kontrolle der Atemfunktion sind bereits wichtig für die prähospitale Behandlung von Schlaganfallpatienten, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht bekannt ist, ob eine zerebrale Ischämie oder Blutung vorliegt. Alle genannten Maßnahmen sind Grundlage jeder Schlaganfallbe- handlung nach Durchführung der in- itialen diagnostischen Schritte inner- halb der ersten drei bis fünf Tage. Kon-

trollierte, prospektive wissenschaftli- che Studien liegen dazu nicht vor (wis- senschaftliche Evidenz: *).

Erhöhte Blutdruckwerte

Therapievorschlag:

1**In der Initialphase des Hirn- infarktes ist eine generelle Blutdruck- senkung nicht angebracht.

1 *Blutdrucksenkung sollte beim frischen Hirninfarkt nur bei Druckwerten über 200 mmHg systo- lisch und 110 mmHg diastolisch erfol- gen oder wenn spezielle Begleiter- krankungen (beispielsweise Myo- kardinfarkt) vorliegen.

1*Es sollten keine Substanzen Anwendung finden, die zentral-vaso- dilatatorisch wirken oder das Hirn- ödem verstärken.

1 *Wenn eine Blutdrucksen- kung notwendig wird, sollen Antihy- pertensiva initial niedrig dosiert wer- den, um den Blutdruck langsam zu senken. Drucksenkung zunächst nicht mehr als zirka 20 Prozent gegenüber Ausgangswert und unter kontinuierli-

chem Monitoring. !

A-1123 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 17, 30. April 1999 (39)

Behandlung des akuten

ischämischen Insults

Karl Max Einhäupl

1

Hans Christoph Diener

2

Werner Hacke

3

Michael Hennerici

4

Bernd Ringelstein

5

Eine frühe Behandlung des Schlaganfalls auf einer Schlagan- fallspezialstation (Stroke Unit) verbessert die Überlebens- chancen und führt zu einer Verringerung des neurologischen Defizits. Elementar hierbei sind die Erhaltung der Sauerstoff- sättigung, Vermeidung einer frühen und abrupten Blutdruck- senkung, konsequente Behandlung einer Hyperglykämie, Senken erhöhter Temperatur und frühzeitiger Beginn von Krankengymnastik und Logopädie. Die systemische oder lokale Thrombolyse kommt nur für hochselektionierte Patien- ten in einem engen Zeitfenster in spezialisierten Zentren in

Frage. Bei jungen Patienten mit mali- gnem Mediainfarkt kann in speziali-

sierten Zentren eine Entlastungskraniektomie durchgeführt werden. Die frühe Antikoagulation mit Heparin ist bei ischä- mischen Infarkten nicht routinemäßig indiziert. Acetylsalicyl- säure reduziert in geringem Ausmaß die Reinsultrate. Die bis- herigen Studienergebnisse zu Neuroprotektiva sind enttäu- schend.

Schlagwörter: Akuter ischämischer Insult, Basistherapie, Thrombolyse, Neuroprotektion, frühe Sekundärprävention

ZUSAMMENFASSUNG

Treatment of Acute Ischemic Stroke

In patients with acute ischemic stroke early hospital admission and treatment in specialized Stroke Units reduce mortality as well as morbidity and improve functional outcome. Essentially, therapy consists in maintaining O2saturation, avoidance of in- adequate lowering of blood pressure, treatment of hyperglycemia and hyperthermia as well as early physiotherapy and speech therapy. Systemic local thrombolysis can be performed in highly

selected patients in specialized centers. Young pa- tients with complete infarction of the medial cere-

bral artery and malignant brain edema may undergo craniotomy.

I. v. heparin is no longer justified as routine therapy. Low doses of aspirin reduce the number of stroke recurrences marginally.

Neuroprotective therapy has still to show its effectiveness.

Keywords: Ischemic stroke, basic therapy, thrombolysis, neuro- protection, early secondary prevention

SUMMARY

S

1Klinik und Poliklinik für Neurologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Karl Max Einhäupl), Humboldt- Universität zu Berlin.

2 Klinik und Poliklinik für Neurologie (Direktor: Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener), Universität GH Essen.

3 Neurologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Werner Hacke), Ruprecht-Karls-Univer- sität, Heidelberg.

4Neurologische Klinik, Mannheim (Direktor:

Prof. Dr. med. Michael Hennerici), Ruprecht- Karls-Universität, Heidelberg.

5Neurologische Klinik der Universität Münster (Direktor: Prof. Dr. med. Bernd Ringelstein) Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

(2)

1**Im postakuten Stadium ver- ringert eine normotone Blutdruckein- stellung das Fortschreiten der Arte- riosklerose und zerebraler Mikroan- giopathie.

Es gibt keine kontrollierten ran- domisierten Studien, die Daten zur optimalen Blutdrucktherapie liefern.

Die Empfehlungen basieren auf klini- schen Beobachtungen, Tiermodellen und akuten pathophysiologischen Konzepten bei fokalen Ischämien. Im ischämischen Gebiet ist die zerebrale Autoregulation aufgehoben. Daher folgt der Perfusionsdruck passiv direkt dem arteriellen Druck. Insofern ist ein höherer Druck erwünscht, um potenti- ell regenerationsfähiges Hirngewebe zu erhalten. Zu rasche Blutdrucksen- kung verschlechtert die Prognose (39).

In der Akutsituation werden häu- fig besonders bei lakunären und thrombembolischen Schlaganfällen er- höhte Blutdruckwerte gemessen (4, 25), die meist innerhalb weniger Tage spontan das prämorbide Niveau errei- chen. Vor der antihypertensiven The- rapie muß der neurovaskuläre Status geklärt sein. Insbesondere bei schlecht kollateralisierten Verschlüssen (bei- spielsweise intrakranieller T-Gabel- verschluß) ist ein hochnormaler oder leicht erhöhter Druck anzustreben.

Zur Blutdrucksenkung sollten Sub- stanzen ausgewählt werden, die gut ti- trierbar sind und den Blutdruck rasch, aber nicht exzessiv senken (10).

Über die optimale Blutdruck- steuerung in Zusammenhang mit der Thrombolyse gibt es noch keine ver- läßlichen Daten. Vor und nach Thrombolyse werden Werte unter 180/100 mmHg als angemessen be- trachtet.

Arterielle Hypotonie

Therapievorschlag:

1*Zunächst ist immer die Ursa- che einer Hypotonie zu klären (zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, vermindertes kardiales Auswurfvolu- men).

1*Eine Exsikkose ist unter Be- achtung der Herz-Kreislaufsituation mit Volumensubstitution und Kol- loidlösungen auszugleichen. Zusätz- lich können Katecholamine einge- setzt werden.

Kontrollierte, prospektive Studi- en liegen zu keiner Maßnahme vor.

Abfall des arteriellen Perfusions- drucks (wie Blutdruck systolisch un- ter 90 mmHg) verschlechtert die Pro- gnose (22). Insbesondere sollte bei hämodynamischer Alteration größe- rer Hirngebiete (nicht bei Lakunen) ein hochnormaler Blutdruck ange- strebt werden. Generell ist in der Akutphase des Schlaganfalls der Blut- druck engmaschig zu kontrollieren, da insbesondere während der Nachtstun- den therapiebedürftige Hypotonien

auftreten. Gezielte Anhebung des Blutdrucks mit Volumen und Kate- cholaminen über Normalwerte hinaus wird bei symptomatischen Spasmen nach Subarachnoidalblutung empfoh- len, wenn das zugrundeliegende Aneurysma ausgeschaltet ist (soge- nante „induzierte Hypertension“).

Dieses Vorgehen ist nicht auf eine si- chere Datenlage gestützt, es ist nicht ungefährlich und erfordert intensives Monitoring.

Atemfunktion,

Freihalten der Atemwege und Intubation

Aus theoretischen Erwägungen wird eine Sauerstoffsättigung zwischen 95 und 100 Prozent (Pulsoxymetrie) und Normokapnie angestrebt. Hyper- kapnie entzieht über eine Vasodilatati- on in gesunden Hirnarealen der Ischä- miezone Blut (intrazerebrales Steal-

phänomen) und ist deshalb zu vermei- den. Die Intubation ist nur bei bewußt- seinsgetrübten Patienten, einge- schränkten Schutzreflexen, Aspirati- onsgefahr sowie bei pCO2-Werten über 50 mmHg indiziert. Ansonsten ist sie ungünstig aufgrund der mit der Sedati- on verbundenen Blutdrucksenkung.

Temperatur

Erhöhte Körpertemperatur ver- schlechtert die Prognose nach Schlag- anfall (29). Ob durch eine Temperatur- senkung die Prognose verbessert wird, ist noch nicht kontrolliert untersucht worden. Trotzdem sollten erhöhte Temperaturen frühzeitig physikalisch (Wadenwickel) oder medikamentös (Paracetamol) gesenkt werden.

Normalisieren des Blutzuckers

Sowohl hypoglykämische als auch hyperglykämische Blutzucker- werte waren in Fall-Kontrollstudien mit einer schlechteren Prognose nach Schlaganfall assoziiert (28, 41). In ei- ner kürzlich veröffentlichten Studie war ein Blutzuckerspiegel > 150 mg/

dl beim akuten Schlaganfall ein unab- hängiger Prognosefaktor für einen ungünstigen Verlauf (40). Bei Blut- zuckerwerten über 150 mg/dl soll der Blutzucker daher durch Altinsulin, in- itial 4 IE s. c. und anschließend unter Blutzuckerkontrollen pro Stunde ge- senkt werden. Der Blutzucker sollte nicht unter 100 mg/dl absinken.

Überwachung und Prävention

1 Kontrolle der Elektrolyte in den ersten drei Tagen,

1 Flüssigkeitsbilanzierung ab- hängig von der kardialen Funktion,

1 Überwachung der kardialen Funktion (EKG): Herzfrequenz über 100/Minute sollte durch Volumenzu- fuhr, Digitalis, gegebenenfalls Isoptin zur Erhöhung der Herzauswurflei- stung und des zerebralen Perfusions- druckes gesenkt werden,

1Überwachung von Blutdruck und Sauerstoffsättigung,

Stellenwert der Therapievorschläge

*** Therapie ist nach mindestens zwei randomisierten plazebo- kontrollierten Studien oder im Vergleich zu einer anderen wis- senschaftlich gesicherten Thera- pie wirksam oder unwirksam.

** Der Therapievorschlag stützt sich auf die Ergebnisse einer großen randomisierten Studie oder einer Metaanalyse mehre- rer kleinerer Studien.

* Pragmatischer Therapievor- schlag, keine ausreichenden Da- ten aus prospektiven Studien.

(3)

1Magensonde bei Patienten mit Schluckstörungen (Hirnstamminsult, Bewußtseinsstörung, große hemis- phärische Infarkte),

1Low-dose-Heparin (3 x 5 000 IE s.c.) oder niedermolekulares He- parin zur Thrombembolieprophylaxe, passives Durchbewegen der Beine.

Pflegerische und physiotherapeutische Maßnahmen

1 Patienten, die sich nicht selbst bewegen können, müssen mindestens alle vier Stunden mit Unterstützung der paretischen Seite gelagert werden.

1 Die Patienten werden so schnell wie möglich mobilisiert. Die Krankengymnastik beginnt am Tag nach der stationären Aufnahme mit Bettgymnastik und wird entspre- chend dem Zustand des Patienten ausgedehnt.

1Sprachtherapie.

1 Behandlung von Schluck- störungen.

1Bei Inkontinenz Anlage eines Blasenkatheters. Der Katheter sollte jedoch so bald wie möglich wieder entfernt werden oder gegen einen subrapubischen Katheter getauscht werden (unter anderem um einen un- erwünschten Temperaturanstieg bei Harnwegsinfekten zu vermeiden).

Behandlung des Hirnödems

Therapievorschlag:

1 *Kopfhochlagerung und Ver- ringerung des venösen Abflußwider- standes,

1 **frühzeitige Intubation und Beatmung, aber keine Langzeithyper- ventilation,

1*Osmotherapie, 1*Hypothermie.

Zur Behandlung der intrakrani- ellen Druckerhöhung stehen physika- lische, beatmungstechnische und pharmakologische Maßnahmen zur Verfügung. Diese Maßnahmen sollten im Rahmen eines Stufenschemas an- gewandt werden. Physikalische Maß- nahmen bestehen in der Oberkörper- hochlagerung (bis 30°) und Geradela- gerung des Kopfes in der Körpermit-

telachse. Wenn absehbar ist, daß star- ke intrakranielle Druckanstiege zu Bewußtseinsveränderungen führen werden, sollte rechtzeitig intubiert werden. Die rechtzeitige Analogse- dierung, Intubation und Beatmung kann die Prognose von Schlaganfall- patienten verbessern (33). Bei unkriti- scher Hyperventilation kann der zere- brale Blutfluß bis zur Ischämiegrenze gesenkt werden. Prolongierte Hyper- ventilation führt zu einem Rebound (Rückschlag) des Hirnödems (26). Ei- ne Hyperventilation wird daher nur zur kurzfristigen Akutbehandlung von Hirndruckkrisen für eine Dauer von 30 Minuten und überlappend mit THAM (Tris-hydroxy-methyl-amino- methan) empfohlen.

Bei klinischen oder neuroradio- logischen Hinweisen auf ein raumfor- derndes Hirnödem werden zunächst osmotisch wirksame Substanzen wie Glycerol, Mannitol oder hypertone Kochsalzlösung eingesetzt. Der Vor- teil von oralem Glyzerin (50 bis 80 Prozent; 1 g/kg/KG bis zu viermal pro Tag) liegt in der geringen Volumenbe- lastung. Bei Aspirationsgefahr oder Schluckstörungen kann Glyzerol in- travenös (10 Prozent; 250 ml über 60 Minuten) appliziert werden. Mannitol (50 g i.v., viermal am Tag) führt zu ei- nem rascheren Wirkungseintritt, aber auch mit höherer Wahrscheinlich- keit zu einem Rebound. Auch NaCI- HAES-Lösung (NaCI 7,5 Prozent, Hydroxyethylstärke 6 Prozent, 150 ml Bolus i.v.) vermag den Hirndruck zu senken. Die Grenzen der osmotischen Therapie sind bei einer Serum-Osmo- larität bis 315 mmol/l und einem Se- rum-Natrium von 155 mmol/l er- reicht.

Danach kann eine pharmakolo- gische Senkung des erhöhten Hirn- drucks durch die intravenöse Gabe von THAM versucht werden (i.v. Bo- lus 1 mmol/kg/KG; bei Erfolg Dauer- infusion: 0,25 mmol/kg/KG für sieben Stunden), vorausgesetzt, der Patient ist beatmet und die Nierenfunktion ist normal. Eine milde Hypothermie (32 bis 30 °C) scheint einen positiven Ef- fekt zu haben, wenn die Therapie frühzeitig eingeleitet wird (31).

Die Behandlung des malignen Hirnödems mittels Dekompressions- operation bei jungen Patienten wird später diskutiert.

Hämodilution

Therapievorschlag:

1***Eine Empfehlung zur Hä- modilution kann derzeit außerhalb kontrollierter Studien nicht gegeben werden.

Die hypovolämische Hämodilu- tion ist obsolet, da über eine Minde- rung des Perfusionsdrucks die Man- geldurchblutung in der Penumbra zu- nimmt. Für die hypervolämische Hä- modilution wurden mehrere pro- spektive randomisierte Studien vor allem mit Hydroxyethylstärke oder Dextran durchgeführt. Diese Studien waren überwiegend negativ (1, 2).

Bei den meisten Studien lagen lange Zeitfenster bis zum Einschluß der Patienten vor und die Infusions- volumina waren relativ gering. Der denkbare postive Effekt einer Hä- modilution wäre auf eine Volumen- steigerung mit Anstieg des Herzzeit- volumens und Hämatokritsenkung zurückzuführen.

Frühe Sekundärprävention

Therapievorschlag:

1 ***Die frühe Gabe von Ace- tylsalicylsäure (ASS) beim ischämi- schen Insult führt zu einer minimalen Reduktion der Mortalität und der Reinsultrate.

Lange Zeit war nicht klar, ob ein klinischer Effekt der ASS auch in der Akutphase eines ischämischen Insultes nachweisbar ist.

Drei große prospektive, rando- misierte Untersuchungen haben das Risiko-Nutzen-Verhältnis einer im Akutstadium gegebenen ASS-Medi- kation untersucht und weitgehend geklärt (5, 21, 27). Faßt man die drei genannten Studien zusammen, er- gibt sich ein geringer Effekt von ASS: Es werden etwa neun Todesfäl- le je 1 000 Patienten verhindert, die Zahl der Verstorbenen und Schwer- behinderten verringert sich um 13 je 1 000.

Dabei ist eine etwas erhöhte Ra- te symptomatischer Hirnblutungen berücksichtigt. Dieser positive Netto- effekt beruht vorwiegend auf einer Reduktion von Frührezidiven und nicht auf direktem therapeutischen Einfluß auf den Infarktablauf selbst.

A-1126 (42) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 17, 30. April 1999

(4)

Für die neueren Antiaggreganti- en, wie beispielsweise Ticlopidin und Clopidogrel, liegen keine Untersu- chungen in der Frühphase ischämi- scher Insulte vor.

Frühe Antikoagulation als Sekundärprävention

Therapievorschlag:

1**Bei Patienten mit ischämi- schem Insult sollte eine subkutane, niedrig dosierte Heparinisierung mit zweimal 5 000 bis 7 000 I.E. täglich oder die Gabe eines niedermole- kulären Heparins zur venösen Thromboseprophylaxe in der Akut- phase des Schlaganfalls bei bettlägri- gen oder immobilen Patienten durchgeführt werden.

1 **Eine systematische Gabe von Heparin oder Heparinoiden in Dosierungen, die PTT-wirksam sind, ist wahrscheinlich nicht wirksam (PTT = partielle Thromboplastinzeit).

1*Bei Patienten mit kardiogen- en Hirnembolien mit hohem Risiko für frühe Embolierezidive kann eine frühzeitige intravenöse durch die PTT gesteuerte Heparinbehandlung durch- geführt werden.

Eine frühzeitige, intravenöse, PTT-gesteuerte Heparinbehandlung nach akutem ischämischen Hirnin- sult oder transitorischen ischämi- schen Attacken erfolgte bisher unter der Vorstellung, Rezidivembolien oder das Fortschreiten einer lokalen Thrombose zu verhindern.

Ein genereller Therapievor- schlag hinsichtlich einer frühen He- parinbehandlung kann zur Zeit nicht gegeben werden, da diese Form der frühen Sekundärprävention durch Studien nicht hinreichend belegt ist.

Sie kommt unter Berücksichtigung der Kontraindikationen und mögli- cher Komplikationen bei Patienten mit kardiogenen Hirnembolien mit hohem Risiko für Embolierezidive in Betracht.

Die Ergebnisse aktueller Studi- en haben die Indikation der intra- venösen Heparinbehandlung zur Frühprophylaxe von Rezidivinsulten in Frage gestellt. Die Rezidivrate nach einem ischämischen Hirnin- farkt oder einer transitorischen ischämischen Attacke nach kardio-

genen Hirnembolien liegt im Durch- schnitt in den ersten vier Wochen nicht höher als 3,5 bis 4 Prozent und damit weit niedriger als früher ange- nommen. Das Risiko komplizieren- der zerebraler und schwerer systemi- scher Blutungen unter Heparin liegt in einer vergleichbaren Größenord- nung (20).

Eine Studie von Kay et al. (23) postulierte, daß die Verabreichung eines niedermolekularen Heparins in der Akutphase des Schlaganfalls möglicherweise eine therapeutische Wirksamkeit hat.

Diese Wirksamkeit war aller- dings vier Wochen beziehungsweise drei Monate nach der Behandlung nicht nachweisbar, sondern erst sechs Monate nach der Behandlung. Der Nutzen der frühen Antikoagulation konnte allerdings in neueren, größe- ren multizentrischen doppelblinden plazebokontrollierten Studien nicht bestätigt werden (19).

Die nordamerikanische TOAST- Studie zum Nachweis der Wirksam- keit eines intravenös verabreichten Heparinoids zur Rezidivprophylaxe hat keine positiven Ergebnisse er- bracht (36).

In dem methodisch angreifbaren International Stroke Trial (21) traten unter einer PTT-wirksamen Hepa- rintherapie mit zweimal 12 500 IE subkutan täglich bei 1,8 Prozent von 4 456 Patienten innerhalb von 14 Ta- gen Hirnblutungen, bei weiteren zwei Prozent transfusionspflichtige oder tödliche systemische Blutungen auf, so daß die Rate der Blutungs- komplikationen die nur geringfügige Reduktion von ischämischen Rezi- divinsulten übertraf.

Die Indikation einer initialen Heparinbehandlung zur frühen Pro- phylaxe von Rezidivinsulten muß daher sehr streng gestellt werden.

Folgende Indikationen erscheinen dennoch gerechtfertigt:

1kardiale Embolien mit hohem Rezidivembolierisiko (beispielsweise künstliche Herzklappen, frischer Vor- derwandinfarkt mit muralen Throm- ben, Vorhofflimmern mit Thromben im linken Vorhof, Mitralstenose mit Vorhofflimmern),

1 Koagulopathien,

1 Dissektion extrakranieller hirnversorgender Gefäße,

1 hochgradige extra- und in- trakranielle Stenosen und frische Verschlüsse, um eine Thrombuspro- gression oder eine Embolisation zu verhindern,

1 symptomatische Karotisste- nosen bis zur Operation.

Diese Subgruppen waren in dem International Stroke Trial nicht dif- ferenziert worden.

Möglicher präventiver Nutzen und Blutungsrisiko der frühen He- parinbehandlung müssen im indivi- duellen Einzelfall gegeneinander ab- gewogen werden. Unabdingbare Voraussetzung für die Heparinthera- pie ist der Ausschluß einer Hirnblu- tung durch ein kraniales Computer- tomogramm.

Die partielle Thromboplastin- zeit soll auf das zwei- bis 2,5fache des individuellen Ausgangswertes ver- längert sein. Die Dosierung richtet sich nach den ein- bis zweimal täglich zu bestimmenden PTT-Werten. Im allgemeinen werden Patienten 7 bis 14 Tage lang heparinisiert, danach wird die Indikation zur Langzeitanti- koagulation mit Kumarinderivaten oder zur Thrombozytenfunktions- hemmung gestellt (13).

Kontraindikationen einer He- parinbehandlung nach Insult sind ei- ne nachgewiesene intrazerebrale Blu- tung im kranialen Computertomo- gramm (CCT) oder Magnetresonanz- tomographie (MRT), eine schlecht einstellbare Hypertonie, große Insul- te und eine schwere subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie.

Bei einer Endokarditis, die ein hohes Rezidivembolierisiko hat, ist die Ent- scheidung zur Heparinbehandlung im Einzelfall zu treffen. Eine bekannte, heparininduzierte Thrombozytope- nie Typ II (HIT II) schließt eine Heparinbehandlung in jeder Dosie- rung aus.

Sinnvoll ist die subkutane nied- rig dosierte Heparinisierung mit zweimal 5 000 bis 7 500 IE täglich oder die Gabe eines niedermoleku- laren Heparins zur venösen Throm- boseprophylaxe in der Akutphase des Schlaganfalls bei bettlägrigen Patienten (19, 21).

Die Behandlung erfolgt unab- hängig davon, ob ein ischämischer Hirninfarkt oder eine intrakranielle

Blutung vorliegen. !

(5)

Spezifische Therapie

Thrombolyse

Eingangs wird die thrombolyti- sche Therapie der vorderen Zirkula- tion beschrieben.

Therapievorschlag:

1 **Systemische intravenöse Thrombolyse mit 0,9 mg/kg Körper- gewicht rekominantem Gewebeplas- minogenaktivator (rt-PA) in den er- sten drei Stunden nach Beginn der klinischen Symptome unter Berück- sichtigung der Kontraindikationen in spezialisierten Zentren.

1**Wahrscheinliche Wirksam- keit der Thrombolyse mit rt-PA im Zeitfenster bis zu sechs Stunden.

1 ***Die systemische Gabe von Streptokinase geht mit einer in- tolerabel hohen Komplikationsrate einher und muß deshalb vermieden werden.

1 *Die lokale Thrombolyse in der vorderen Zirkulation ist derzeit Gegenstand kontrollierter Studien.

Die Wirksamkeit der systemi- schen thrombolytischen Therapie mit 0,9 mg/kg/KG Gewebeplasmonogen- aktivator (rt-PA) ist in einer Studie belegt (35). Die Behandlung muß in den ersten drei Stunden nach Sym- ptombeginn durchgeführt werden.

Zu diesem Zeitpunkt muß ein Com- putertomogramm (CT) vorliegen, das eine intrazerebrale Blutung aus- schließt und in dem noch nicht die Zeichen eines ausgedehnten Media- Infarktes vorliegen. Diese Empfeh- lung basiert auf der klinischen Erfah- rung der amerikanischen NINDS- Studie (35) und bezüglich der Rolle des Computertomogramms auf der europäischen ECASS-Studie (15).

Die klinischen Ergebnisse der euro- päischen ECASS-Studie legen nahe, daß die thrombolytische Therapie in der vorderen Zirkulation auch in ei- nem Zeitfenster von sechs Stunden nach Beginn der Symptome wirksam sein könnte. Diese Empfehlung stützt sich jedoch nicht auf die Ergebnisse der Intention-to-treat-Analyse.

Im Herbst 1998 wurden die Er- gebnisse von ECASS II, der zweiten Europäischen rt-PA-Studie publiziert (17). In dieser Studie, die randomi- siert, doppelblind und plazebokon-

trolliert war, wurden insgesamt 800 Patienten in 108 Zentren in Europa, Australien und Neuseeland einge- schlossen und innerhalb eines Sechs- Stundenfensters mit 0,9 mg/kg/KG rt-PA oder Plazebo behandelt. Die Studie zeigte eine 3,7prozentige ab- solute Differenz im Erreichen des primären Endpunktes (Rankin-Ska- la 0 und 1) für die rt-PA behandelten Patienten. Dieser Effekt war kleiner als erwartet und die Studie ist dem- zufolge nicht signifikant. Dagegen war der Effekt für eine alternative Dichitomisierung (Rankin 0 bis 2) statistisch signifikant. Für die Kom- bination aus Barthel-Index und mo- difizierter Rankin-Skala wurde ein statistischer Trend (p = 0,098) und für die NIH-Stroke-Skala ein signifi-

kantes Behandlungsergebnis zum Vorteil der rt-PA behandelten Pati- enten gezeigt (p = 0,035). In dieser Studie fand sich kein Unterschied zwischen der in 0 bis 3 Stunden und der in 3 bis 6 Stunden behandelten Kohorten. In beiden lag die erreichte Effektgröße bei etwa vier Prozent.

Im Vergleich zu den Daten von ECASS, aber auch im Vergleich zur NINDS-Studie, war eine deutlich niedrigere Gesamtmortalität zu ver- zeichnen. Auch die Zahl der sympto- matischen Blutungen war im Ver- gleich zu ECASS I deutlich redu- ziert, aber immer noch häufiger in der mit rt-PA behandelten Gruppe.

Ein Unterschied in der Mortalität zwischen den beiden Behandlungs- gruppen war nicht festzustellen. Die Mortalitätsrate lag in der aktiv be- handelten Gruppe um 0,5 Prozent niedriger als in der Plazebogruppe.

NINDS ist die einzige verblei- bende positive Therapiestudie in der Behandlung des akuten Schlagan- falls. Auch wenn rt-PA bislang im Drei-Stundenfenster in Europa nicht zugelassen ist, können ausge- wählte Patienten in diesem Zeit- fenster unter Beachtung der zahlrei- chen Kontraindikationen (Testkasten Ausschlußkriterien) behandelt wer- den.

Die systemische Gabe von Strep- tokinase ist nicht wirksam. Drei große internationale randomisierte

und plazebokontrollierte Studien zur systemischen Gabe von Streptokina- se fanden inakzeptabel hohe Kompli- kationsraten mit blutungsbedingter Morbidität und Mortalität ohne Hin- weise auf eine Verbesserung des klini- schen Status (18, 27, 34).

Die systemische Thrombolyse in der vorderen Zirkulation muß unter Intensiv-Überwachungsbedingungen durchgeführt werden. Die Autoren halten es für wünschenswert, wenn neben der frühen computertomogra- phischen Darstellung auch Informa- tionen über den Gefäßstatus bei- spielsweise durch CT-Angiographie, extra- und transkraniellen Gefäßul-

A-1128 (44) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 17, 30. April 1999

Wichtige Ausschlußkriterien für eine systemische Thrombolyse mit rt-PA – Geringe neurologische Ausfälle (obwohl auch Patienten mit geringen neuro-

logischen Ausfällen in die NINDS-Studie aufgenommen wurden), – schwerste neurologische Ausfälle mit Bewußtseinsstörung, – spontane Besserung der neurologischen Ausfälle,

– Blutung im CT,

– frühe Infarktzeichen im CT, die nahelegen, daß mehr als ein Drittel des Me- diaterritoriums betroffen sind,

– persistenter oder fixienter Bluthochdruck über 200 mmHg systolisch und 110 mmHg diastolisch,

– Verdacht auf septisch bedingte Embolie,

– Operation oder Biopsie innerhalb der letzten 30 Tage,

– Trauma oder ulzerierende Wunden innerhalb der letzten 30 Tage, – Schädelhirntrauma innerhalb der letzten drei Monate,

– epileptischer Anfall, – intramuskuläre Injektionen.

(6)

traschall oder moderne MR-Sequen- zen (diffusion weighted imaging, perfusionsgewichtetes MR, MR-An- giographie) vorliegen. Bei einem Drittel der im Drei-Stundenfenster angiographierten Patienten fand sich bereits eine spontane Lyse des Thrombus oder eine Thrombosie- rung, die einer systemischen Throm- bolyse nicht zugänglich ist (frischer Verschluß der A. carotis interna, T- Verschluß).

Fall-Kontrollserien deuten eine Überlegenheit der intraarteriellen thrombolytischen Therapie in bezug auf die Rekanalisation der Gefäße an (8, 11). Dies wird auch durch eine kleine randomisierte, plazebokon- trollierte Studie belegt (9). Dagegen gibt es keine verläßlichen Informa- tionen über eine klinische Überle- genheit der intraarteriellen Gabe ei- nes Thrombolytikums über die intra- venöse Gabe. Diese Fragestellung wird derzeit in den Vereinigten Staa- ten untersucht. Ein routinemäßiger Einsatz der intraarteriellen Throm- bolyse in der vorderen Zirkulation außerhalb von lokalen Prüfprotokol- len in spezialisierten Zentren wird nicht empfohlen.

Die thrombolytische Therapie der hinteren Zirkulation wird im fol- genden diskutiert.

Therapievorschlag:

1 *Die intraarterielle throm- bolytische Therapie mit Urokinase oder rt-PA ist in Einzelfällen bei Ba- silaristhrombosen in einem Zeitfen- ster bis zu zwölf Stunden wirksam.

Empfehlungen zur Thrombolyse im Versorgungsgebiet der A. verte- bralis und basilaris stammen nicht aus kontrollierten randomisierten Studi- en, sondern stützen sich auf Fallserien (3, 16, 42) und waren in NINDS aller- dings nicht ausgeschlossen. Die größ- te Erfahrung besteht mit der intraar- teriellen thrombolytischen Behand- lung von Basilarisverschlüssen mit Urokinase. Geringe Erfahrungen be- stehen mit Streptokinase oder rt-PA.

Eine erfolgreiche Rekanalisierung mit 1,5 bis 2 Millionen IE Urokinase senkt die Mortalität und verbessert das klinische Ergebnis. Die intraarte- rielle Behandlung mit Urokinase er- folgt in spezialisierten Zentren in der Regel mit 500 000 IE Urokinase über

eine halbe Stunde bis zu einer maxi- malen Dosierung von 2 Millionen IE.

Das Zeitfenster wird bei fluktuieren- der klinischer Symptomatik nicht so streng gesehen wie bei der Thrombo- lyse in der vorderen Zirkulation. Er- folgreiche Rekanalisierungen waren in einem Zeitraum bis zu zwölf Stun- den nach Beginn der Symptomatik möglich. Tiefes Koma mit Ausfall der Hirnstammreflexe spricht gegen eine Thrombolyse. Die Datenlage zur sy- stemischen intravenösen Behandlung von Verschlüssen der hinteren Zirku- lation ist rudimentär.

Neuroprotektiva Therapievorschlag:

1 ***Bisher hat kein Neuro- protektivum seine Wirksamkeit in zwei unabhängigen prospektiven randomisierten doppelblinden pla- zebokontrollieren Phase-III-Studien belegt.

Neuroprotektiva greifen an ver- schiedenen Stellen in die Schadens- kaskade nach fokaler zerebraler Ischämie ein und sollen zu einer Re- duktion der Infarktgröße und zu ei- ner Verbesserung des funktionellen Ergebnisses führen. Für Lubeluzol gab es eine positive Phase-II- und ei- ne positive Phase-III-Studie. Eine zweite Studie in der Phase III er- brachte keinen signifikanten Effekt bezüglich Mortalität und funktionel- len Ergebnissen. Die letzte große Phase-III-Studie war ebenfalls nega- tiv. Die Einzelstudien zur oralen Ga- be von Nimodipin waren negativ. In einer großen Metaanalyse ergaben sich Hinweise, daß die orale Gabe in einem Zwölf-Stunden-Zeitfenster möglicherweise das funktionale Er- gebnis verbessert (24). Eine pros- pektive Studie, die dies untersucht, wurde nach der Interimsanalyse we- gen Unwirksamkeit von Nimodipin abgebrochen. Die intravenöse Gabe von Nimodipin ist potentiell gefähr- lich, da die Substanz über ihren blut- drucksenkenden Effekt die Progno- se verschlechtert (39).

Unwirksam sind die Glutamat- antagonisten Selfotel (7) und Elipro- dil, der GABA-Agonist Clomethia- zol (38), der freie Radikalfänger Tiri- lazad (37) und der Antikörper gegen das Adhäsionsmolekül Anti-ICAM.

In klinischer Erprobung befinden sich Citicolin (6), der Glyzinantago- nist GV 150526, der Wachstumsfak- tor Fiblast, der AMPA-Antagonist ZK 200775, Piracetam und Magne- sium.

Dekompressionskraniotomie bei malignem Mediainfarkt Therapievorschlag:

1 *Bei jüngeren Patienten mit einem malignen Mediainfarkt kann in spezialisierten Zentren eine frühe Dekompressionsoperation durchge- führt werden.

Bei jüngeren Patienten mit dista- lem Verschluß der A. carotis interna (Carotis T) oder proximalem Ver- schluß der A. cerebri media ohne aus- reichende Kollateralen kann es zur Entwicklung eines malignen Hirn- ödems mit hoher Mortalitätsrate (zir- ka 80 Prozent) kommen. Das maligne Hirnödem scheint nach thrombolyti- scher Therapie gehäuft aufzutreten (Reperfusionsschaden). Oft reicht die konservative Hirndrucktherapie nicht aus, um die drohende Einklem- mung zu bekämpfen.

Eine frühe Dekompressions- operation ist nach den Ergebnissen einer kontrollierten Studie in der Lage, die Mortalität von etwa 80 Pro- zent auf 20 bis 30 Prozent zu senken (30, 32). Entscheidend ist die korrek- te Indikationsstellung und die frühe Durchführung einer ausgedehnten (Durchmesser mindestens 12 bis 15 cm) Kraniotomie mit Duraplastik.

Besonders wichtig ist, daß bei den Überlebenden die Lebensqualität ausreichend gut ist. Nur wenige Pa- tienten bleiben pflegebedürftig. Alle Patienten haben ein bleibendes neu- rologisches Defizit, in vielen Fällen wird die Gehfähigkeit wieder er- reicht. Die Indikationsstellung und Durchführung sollte spezialisierten Schlaganfallzentren vorbehalten blei- ben. Eine kontrollierte Studie zur Überprüfung dieser Therapie ist in Planung. Bei der gleichen Indikation wird experimentell auch die modera- te Hypothermie (Körperkerntempe- ratur 32 °C) über drei bis fünf Tage eingesetzt (14, 31). Die Erfahrungen hierzu sind jedoch noch nicht ausrei- chend, um einen Therapievorschlag

abzugeben. !

(7)

Kraniektomie bei

raumfordernden Infarkten der hinteren Schädelgrube

Therapievorschlag:

1 *Bei ausgedehnten ischämi- schen Infarkten der hinteren Schädel- grube ist die Hirnstammdekompres- sion lebensrettend.

Ausgedehnte ischämische Klein- hirninfarkte können raumfordernd wirken mit konsekutiver Hirnstamm- kompression und Verschlußhydroze- phalus. Hierdurch entwickelt sich nicht selten eine lebensbedrohliche Situation mit progredienter Bewußt- seinsstörung und zunehmenden Ein- klemmungserscheinungen. Eine neu- rochirurgische Intervention ist in die- sen Fällen nicht nur lebensrettend, sondern in den meisten Fällen ist auch das funktionelle Ergebnis günstig. Die Prognose ist vom Ausmaß der Be- wußtseinsstörung abhängig. Wenn nur eine geringe Bewußtseinsstörung vorliegt, reicht vielfach eine passagere Ventrikeldrainage durch den Neuro- chirurgen aus. Bei tiefem Sopor oder Koma ist die subokzipitale Kranioto- mie mit Dekompression der hinteren Schädelgrube unumgänglich.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-1123–1130 [Heft 17]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med.

Hans Christoph Diener

Neurologische Universitätsklinik Essen

Hufelandstraße 55 45122 Essen

A-1130 (46) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 17, 30. April 1999 An der Erarbeitung des Manuskriptes waren

beteiligt: Aichner, Linz; Busse, Minden;

Grond, Köln; Hamann, München; Haberl, München; Hartmann, Bonn; Hornig, Weil- münster; Kaps, Gießen; Kessler, Greifswald;

von Kummer, Dresden; Marx, Berlin; Schnei- der, Leipzig; Thie, Itzehoe; Weiller, Jena.

Hyperplastische Magenpolypen werden nur selten bösartig, das malig- ne Entartungsrisiko wird mit 1,5 bis 3,0 Prozent angegeben. Eine Indikation zu einer Abtragung ist nur bei gastroin- testinaler Blutung oder Magenaus- gangsstenose gegeben. Die japani- schen Autoren berichten über 35 Pati- enten, bei denen neben hyperplasti- schen Magenpolypen von mindestens 3 mm Durchmesser auch eine Heli- cobacter-pylori-Infektion der Magen- schleimhaut vorlag. Bei 17 wurde eine Eradikationstherapie durchgeführt, 18 Patienten dienten als Kontrollgruppe.

Nach durchschnittlich sieben Monaten hatten sich die hyperplastischen Poly-

pen bei 12 von 17 Patienten (71 Pro- zent) nach einer Eradikationstherapie zurückgebildet. Berücksichtigt man nur die Patienten, bei denen diese The- rapie erfolgreich verlief (15 / 17), hat- ten sich sogar bei 80 Prozent die Poly- pen zurückgebildet, während in der Kontrollgruppe keine Veränderung des Polypenstatus nachweisbar war. w

Ohkusa T, Takashimizu I, Fujiki K, et al.:

Disappearance of hyperplastic polyps in the stomach after eradication of Helico- bacter Pylori. A Randomized, Controlled Trial. Ann Int Med 1998; 129: 712–715.

Tokyo Medical and Dental University School of Medicine 1-5-45 Yashima, Bunkyo-ku, Tokyo 113, Japan.

Hyperplastische Magenpolypen verschwinden nach H.-p.-Eradikation

Britische Untersucher bezwei- feln anhand von Untersuchungen an über 12 000 Soldaten die Existenz ei- nes eigenständigen Golfkrieg-Syn- droms. Sie verglichen die Beschwer- den britischer Soldaten, die aktiv am Golfkrieg teilgenommen hatten, mit denen einer Gruppe von Soldaten, die in dieser Zeit in England Wehr- dienst ableisteten und mit solchen, die im Bosnien-Konflikt eingesetzt worden waren. Dabei zeigten sich bei den hauptsächlich festgestellten

Gesundheitsschäden (Psyche, Respi- rationstrakt, peripheres Nervensy- stem) nur graduelle Unterschiede zwischen den untersuchten Grup- pen, ein neues Syndrom konnte von den Untersuchern nicht herausgefil-

tert werden. acc

Ismail K et al.: Is there a Gulf War syn- drome? Lancet 1999; 353: 179–82.

Dr. Kahalida Ismail, Gulf War Illness Research Unit, Guy’s, King’s and St Thomas’s Medical School, London SE5 8AF, Großbritannien.

Gibt es ein eigenständiges Golfkrieg-Syndrom?

Anders als bisher vermutet schei- nen große Mengen an Ballaststoffen in der Nahrung nicht entscheidend vor Dickdarmkrebs oder Kolonadenomen zu schützen. Dieses Ergebnis zeigte ei- ne weitere Auswertung von Daten der amerikanischen Nurses Health Study, bei der 88 757 Frauen im Alter von 34 bis 59 Jahren befragt wurden, die keine Vorgeschichte zu Krebs, familiärer ade- nomatöser Polyposis oder chronischen entzündlichen Darmerkrankungen hatten. Innerhalb von 16 Jahren wur- den in der Gruppe 787 Fälle von Dick- darmkrebs diagnostiziert, bei 27 530 Teilnehmerinnen, die sich einer endo- skopischen Untersuchung unterzogen, fanden sich 1 012 Frauen mit Adeno- men im distalen Kolon und Rektum.

Nachdem die Daten für Risikofaktoren

und die gesamte Energieaufnahme mit der Nahrung adjustiert waren, zeigten sich keine Unterschiede im Erkran- kungsrisiko zwischen der Gruppe, die sich extrem ballaststoffreich ernährte und den Frauen, die dies nicht taten.

Diese Ergebnisse änderten sich auch nicht, wenn die Energiebilanz der Ernährung nicht in die Auswertung einbezogen wurde oder wenn die Ko- lonkarzinome ausgeschlossen wurden, die in den ersten sechs Jahren des Be- obachtungszeitraums auftraten. silk

Fuchs CS, Giovannucci EL et al.: Dietary fiber and the risk of colorectal cancer and adenoma in women, N Engl J Med 1999;

340: 169–176.

Dr. Charles S. Fuchs, Dana-Faber Can- cer Institute, 44 Binney St., Boston, MA 02115 USA.

Ballaststoffe und Darmkrebs bei Frauen

Referenzen

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