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Archiv "Antivirale Therapie des Zoster: Frühzeitige Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg" (28.03.2003)

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M E D I Z I N

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A858 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1328. März 2003

D

ie Aktualisierung der Therapie- empfehlung für die Behandlung des Zoster war Ziel der zweiten Konsensuskonferenz der Paul-Ehrlich- Gesellschaft für Chemotherapie e.V.

(PEG) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung zur Bekämp- fung der Viruskrankheiten e.V. (DVV).

Die Aktualisierung der Therapieemp- fehlungen aus dem Jahre 1997 war durch neue Daten aus klinischen Studi- en erforderlich geworden. An den Be- ratungen nahmen Vertreter der Fach- gebiete Dermatologie, Innere Medizin, Pädiatrie, Infektiologie, Anästhesie, Onkologie und Virologie teil. Außer der antiviralen Behandlung wurden auch Fragen der Diagnostik und Schmerztherapie diskutiert. Die Kon- ferenz fand am 7. und 8. März 2002 in Erfurt statt.

Behandlungsziele

Ziel der antiviralen Behandlung des Zoster bei immunkompetenten Patien- ten ist die Verkürzung der akuten Krankheitsphase, gemessen an der Fie- bersenkung, der Linderung des akuten Zosterschmerzes, am Stopp der Bläs- cheneruption, an der beschleunigten Abheilung der Hautläsionen und der Verhinderung der Narbenbildung. Ein weiteres wesentliches Behandlungsziel ist die Verhinderung beziehungsweise Verkürzung der Dauer der postzosteri- schen Neuralgie. Darüber hinaus soll möglichen Komplikationen wie zum

Beispiel der kutanen und viszeralen Disseminierung bei Immunsupprimier- ten, der Augenbeteiligung, dem Befall des ZNS oder kranialer Nerven bei Pa- tienten mit Zoster im Kopfbereich vor- gebeugt werden.

Indikationen zur antiviralen Therapie und Therapiebeginn

Der Behandlungserfolg ist abhängig vom Zeitpunkt des Therapiebeginns (Textkasten). Daher sollte sofort bezie- hungsweise so rasch wie möglich inner- halb von 72 Stunden nach Beginn der Hautsymptomatik die Therapie einge- leitet werden. Ein späterer Therapiebe- ginn ist noch sinnvoll, solange frische Bläschen erkennbar sind, wenn Anzei- chen einer viszeralen Ausbreitung be- stehen, bei floridem Zoster ophthalmi- cus und Zoster oticus sowie generell bei Immunsupprimierten.

Solange noch Bläschen auftreten (dritter bis vierter Tag) ist täglich die Kontrolle durch den Arzt erforderlich.

Antivirale Zostertherapie

Zur antiviralen Behandlung des Zoster bei immunkompetenten Patienten sind in Deutschland für Erwachsene Aciclo- vir (intravenös; oral), Brivudin (oral), Famciclovir (oral) und Valaciclovir (oral) zugelassen (Tabelle). Diese Präpa- rate sind bezüglich ihrer Wirksamkeit auf die kutanen Zosterläsionen als nahe- zu gleichwertig einzuschätzen (1, 3, 6, 11, 13, 17, 19). Klinische Studien weisen in Bezug auf die Dauer des zosterassoziier- ten Schmerzes (akuter Zosterschmerz und postzosterische Neuralgie) eine sig- nifikant bessere Wirkung von Brivudin, Famciclovir und Valaciclovir im Ver- gleich zu Aciclovir (oral) aus. In ihrer Wirkung auf die Dauer der postzosteri-

Antivirale Therapie des Zoster

Frühzeitige Behandlung

entscheidend für den Therapieerfolg

Zusammenfassung

Anhand neuer klinischer Daten wurde eine Ak- tualisierung der Therapieempfehlungen des Zo- ster aus dem Jahr 1997 vorgenommen. Die zur- zeit in Deutschland zur antiviralen Behandlung des Zoster bei immunkompetenten Patienten zu- gelassenen Präparate Aciclovir (intravenös; oral), Brivudin (oral), Famciclovir (oral) und Valaciclovir (oral) sind bezüglich ihrer Wirksamkeit auf die kutanen Zosterläsionen nahezu gleichwertig.

Klinische Studien weisen in Bezug auf die Dauer des zosterassoziierten Schmerzes (akuter Zoster- schmerz und postzosterische Neuralgie) eine sig- nifikant bessere Wirkung von Brivudin, Famciclo- vir und Valaciclovir im Vergleich zu Aciclovir (oral) aus. Für die orale Zostertherapie im Kin- desalter ist nur Aciclovir zugelassen, weil klini- sche Studien fehlen. Entscheidend für den Thera- pieerfolg ist der frühzeitige Behandlungsbeginn innerhalb von 72 Stunden nach dem Auftreten der ersten Symptome. Bei Patienten mit erhöh- tem Risiko für Komplikationen ist auch zu einem späteren Zeitpunkt eine antivirale Behandlung zu empfehlen.

Schlüsselwörter: Zoster, antivirale Therapie, Virostatika, postzosterische Neuralgie

Summary

Antiviral Treatment of Herpes Zoster — Early Treatment Shortens Acute Phase of the Disease The recommendations for the antiviral treat- ment of herpes zoster from 1997 have been up- dated on the basis of new clinical data. In Ger- many, aciclovir (intravenous, oral), brivudin (oral), famciclovir (oral), and valaciclovir (oral) are currently approved for the treatment of herpes. These drugs have similar efficacy on the cutaneous zoster lesions. Concerning the zoster-associated pain (acute zoster pain and postherpetic neuralgia) brivudin, famciclovir and valaciclovir proved to be significantly more effec- tive than aciclovir (oral). Aciclovir is the only ap- proved drug for the oral treatment of zoster in children and adolsecents due the lack of clinical trials. The efficacy of treatment depends on the start of medication within 72 hours after the on- set of symptoms. Afterwards, the initiation of an- tiviral treatment is still recommended for patients at risk for a complicated course of zoster.

Key word: zoster, antiviral treatment, posther- petic neuralgia

1Institut für Virologie und Antivirale Therapie (Direktor:

Prof. Dr. med. Peter Wutzler), Klinikum der Friedrich-Schil- ler-Universität, Jena;

2Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie (Direktor: Prof. Dr. med. Gerd Gross), Medizinische Fakul- tät der Universität Rostock;

3Institut für Medizinische Virologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Hans Wilhelm Doerr), Klinikum der Johann Wolf- gang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Peter Wutzler

1

Gerd Gross

2

Hans Wilhelm Doerr

3

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schen Neuralgie sind Brivudin, Fam- ciclovir und Valaciclovir gleich wirk- sam.

Standardtherapie des Zoster bei im- munsupprimierten Patienten ist Aciclo- vir, intravenös verabreicht. Zur oralen Behandlung von Patienten ab dem 25.

Lebensjahr ist auch Famciclovir zuge- lassen (Dosierung siehe Tabelle) (12).

Gegenwärtig liegen noch keine Erfah- rungen in der Behandlung immunsup- primierter Patienten mit Valaciclovir und Brivudin (in der Dosierung von einmal 125 mg) vor.

Für die orale Zostertherapie im Kindes- und Jugendalter ist nur Aciclovir, das Virostatikum mit der schlechtesten Bioverfügbarkeit, zuge- lassen. Da bei oraler Anwendung die Bioverfügbarkeit maximal 20 Prozent beträgt, sollte möglichst nur intravenös behandelt werden. Wenn das nicht machbar ist, muss Aciclovir hoch do- siert (Tabelle) oder eine bislang nicht

zugelassene Alternative gewählt wer- den. Zur Verfügung stehen:

> Brivudin (1 täglich 2 mg/kg KG, maximal 1 125 mg/Tag).

Für diese Dosis, die in etwa der Er- wachsenendosierung entspricht, gibt es für Kinder und Jugendliche keinen Wir- kungsnachweis! Ein solcher liegt auf- grund älterer Studien nur für die Dosie- rung von 15 mg/kg KG/Tag vor.

> Famciclovir (3 täglich 125 bis 250 mg, bei immunsupprimierten Ju- gendlichen bis 3 500 mg).

Da beide Präparate für Kinder nicht zugelassen sind, ist eine eingehende Ab- wägung des Nutzen-Risiko-Verhältnis- ses und Aufklärung wie unter Studien- bedingungen erforderlich (9).

Unter Valaciclovir können bei hohen Dosierungen Halluzinationen auftreten (5). Daher wird bis auf weiteres von Valaciclovir abgeraten.

Es ist notwendig, Voraussetzungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass

zukünftig auch Kinder am medizini- schen Fortschritt teilhaben können.

Dieses Ziel kann nur mit klinischen Studien erreicht werden. Die pharama- zeutische Industrie ist aufgefordert, Studien zur Pharmakokinetik (für Vala- ciclovir bereits vorhanden) und Ver- träglichkeit der gegen Zoster wirksa- men Virostatika bei Kindern und Ju- gendlichen nachzuholen und danach die Zulassung zu beantragen.

Die antivirale Behandlung des Zo- ster in der Schwangerschaft ist nur indi- ziert, wenn für die Schwangere die Ge- fahr von Komplikationen besteht. Eine Virusübertragung auf den Feten ist nicht zu befürchten (8). Die Therapie kann nur mit Aciclovir oder seinem Prodrug Valaciclovir erfolgen. In den Schwangerschaftsregistern des Herstel- lers für Aciclovir und Valaciclovir, die sich bisher auf mehrere tausend Frauen erstrecken, sind keine Fruchtschädigun- gen erfasst worden.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1328. März 2003 AA859

Indikationen zur antiviralen Therapie

(nach der Leitlinie "Zoster und Zosterschmerzen"

aus der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Infektiologie der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie *1).

Folgende Patienten mit Zoster sollten unverzüg- lich antiviral behandelt werden:

Dringende Indikationen:

>Zoster jeder Lokalisation bei Patienten ab dem 50. Lebensjahr

>Zoster im Kopf-Hals-Bereich bei Patienten jeden Alters

>Schwerer Zoster (hämorrhagische Läsionen, mehr als ein Segment befallen, aberrierende Bläschen, Schleimhautbeteiligung) am Stamm und an den Extremitäten

> Zoster bei immundefizienten Patienten

>Zoster bei Patienten mit schwerer Dermatitis atopica und ausgedehnten Ekzemen

> Zoster bei Kindern und Jugendlichen, die Salizylate oder Kortikosteroide als Dauer- therapie erhalten

Relative Indikation:

> Zoster am Stamm oder an den Extremitäten bei Patienten jünger als 50 Jahre

*1Gross G et al.: Zoster und Zosterschmerzen, Leit- linie der Dermatologischen Gesellschaft, Arbeits- gemeinschaft Dermatologische Infektiologie. Che- motherapie Journal 2002; 11: 165–173.

Textkasten ´ TabelleCC´

Antivirale Therapie des Herpes zoster

Virostatikum Dosierung Behandlungsdauer

Acicloviri.v.-Inf. Erwachsene:*1 7 Tage

Zovirax 3 täglich 5–10 mg/kg KG

Generika Kinder: 7 Tage

3 täglich 10(–15) mg/kg KG (maximal 2 500 mg/Tag)

Aciclovir (oral) Erwachsene: 7 Tage

Zovirax 800 5 täglich 800 mg

Generika Kinder und Jugendliche:

5 täglich 15 mg/kg KG (maximal 4 000 mg/Tag)

Brivudin (oral) Immunkompetente Erwachsene: 7 Tage

Zostex 1 täglich 125 mg

Kinder und Jugendliche:*2 1 täglich 2 mg/kg KG

(maximal 1125 mg/Tag) 7 Tage Famciclovir (oral) Immunkompetente Erwachsene: 7 Tage Famvir Zoster 250 mg 3 täglich 250 mg

bei Zoster ophtalmicus: 7 Tage 3 täglich 500 mg

Immunsupprimierte Patienten 10 Tage ab dem 25. Lebensjahr

3 täglich 500 mg Kinder und Jugendliche:*2

3 täglich 125–250 (–500) mg 7 (10) Tage Valaciclovir (oral) Immunkompetente Erwachsene: 7 Tage

Valtrex 3 täglich 1 000 mg

*1Für Patienten mit einem schweren Krankheitsbild, insbesondere für Immunsupprimierte wird die intravenöse Therapie empfohlen (Höchstdosis über 10 Tage ist zu erwägen).

*2Brivudin und Famciclovir sind für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen. Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und Aufklärung wie unter Studienbedingungen (9).

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A860 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1328. März 2003

Schmerztherapie

Neben der antiviralen Behandlung muss bei auftretenden Schmerzen un- verzüglich mit der Schmerztherapie be- gonnen werden, um einer Chroni- fizierung des Schmerzes vorzubeugen (9, 16). Der Dosisaufbau sollte kon- sequent nach Wirkung bis zur deutli- chen Schmerzreduktion erfolgen. Für starke Opioide gibt es bei subjekti- ver Verträglichkeit (Dosisaufbau bei gleichzeitiger Verordnung von Laxanzi- en!) keine Dosisbegrenzungen. Wird unter konsequenter Analgesie kei- ne ausreichende Schmerzlinderung er- reicht, ist frühzeitig ein Schmerzthera- peut hinzuzuziehen. Die Behandlung sollte nach dem 3-Stufen-Schema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt werden.

Additive Zostertherapie

Im Unterschied zur antiseptischen Lo- kaltherapie ist die topische Anwendung von Virostatika nicht zu empfehlen, da sie keinen Einfluss auf die Ausbreitung und Abheilung der Zostereffloreszen- zen hat.

Eine zusätzliche hochdosierte Verab- reichung von Steroiden verkürzt bei Er- wachsenen die Phase des akuten Zo- sterschmerzes, bringt jedoch keinen therapeutischen Zugewinn bezüglich der postzosterischen Neuralgie (13, 14).

Die Frage der Lokaltherapie des Zoster ophthalmicus mit Steroiden ist in Zu- sammenarbeit mit dem Augenarzt zu klären. Eine zusätzliche Gabe von Vita- min B oder Interferonen hat keinen therapeutischen Effekt.

Die seltenen bakteriellen Sekundär- infektionen werden in den meisten Fäl- len durch Staphylococcus aureus und Staphylococcus pyogenes verursacht.

Wenn eine antibiotische Behandlung indiziert ist wie zum Beispiel bei im- mundefizienten Patienten, sollten im- mer Antibiotika gewählt werden, die gegen beide Erreger wirksam sind (sta- phylokokkenwirksame Cephalospori- ne, Aminopenicillin-β-Laktamasehem- mer-Kombinationen). Im Kindesalter sollten wegen der Gefahr des Reye- Syndroms keine Salizylate verordnet werden.

Resistenzentwicklung

Die Resistenzentwicklung von VZV- Stämmen gegen Nukleosidanaloga hat bei immunkompetenten Zosterpatien- ten keine klinische Relevanz.

Von immunsupprimierten Patienten mit persistierenden Zosterläsionen unter Aciclovirtherapie sind resistente VZV- Stämme isoliert worden (7). Es handelt sich dabei um Viren mit veränderter Sub- stratspezifität der Thymidinkinase, so- dass ein oder alle der phosphorylierungs- pflichtigen Nukleosidanaloga unwirk- sam sind. In Anbetracht einer möglichen partiellen Kreuzresistenz kann bei Nicht- ansprechen auf eines der nukleosidana- logen Präparate zunächst auf ein anderes umgestellt werden: von Aciclovir/Vala- ciclovir auf Brivudin oder Famciclovir vsv. In kritischen Fällen sollte der Einsatz von Foscarnet-Natrium erwogen werden (2). (Zur Dosierung und zu Nebenwir- kungen von Foscarnet-Natrium siehe Fa- chinformation Foscavir). Bei den sehr seltenen Varicella-Zoster-Virus-Stäm- men mit Mutationen im Polymerase-Gen kann auch Foscarnet-Natrium unwirk-

sam sein. Eine weitere Alternative bietet für diese Fälle Cidofovir. Für die Beur- teilung einer möglichen Virusresistenz sind klinische Aspekte entscheidend, da die Resistenzbestimmung in vitro noch keine Routinemethode ist.

Teilnehmer der Konsensuskonferenz:

Prof. P. Wutzler, Jena; Prof. G. Gross, Rostock; Prof. H. W.

Doerr, Frankfurt; Prof. R. Engst, München; Prof. I. Färber, Jena; Prof. U.-F. Haustein, Leipzig; Priv.-Doz. Dr.A. Sauerbrei, Jena; Prof. H. Schöfer, Frankfurt; Priv.-Doz. Dr. H. Scholz, Ber- lin; Prof. E. Stockfleth, Berlin; Prof. S. W. Wassilew, Krefeld;

Prof. F. Weber, Senftenberg; Priv.-Doz. Dr. K.-D. Wutke, Mell- richstadt

Manuskript eingereicht am 27. 5. 2002, revidierte Fassung angenommen: 7. 1. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100:A 858–860 [Heft 13]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturver- zeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet un- ter www.aerzteblatt.de/lit1303 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Peter Wutzler Institut für Virologie und Antivirale Therapie Klinikum der Friedrich-Schiller Universität, Jena Winzerlaer Straße 10, 07745 Jena

E-Mail: peter.wutzler@med.uni-jena.de

A

m 11. Februar 2003 wurde die Welt- gesundheitsorganisation durch die zuständigen chinesischen Ministe- rien über einen seit November dauern- den Ausbruch akuter respiratorischer Erkrankungen in der Provinz Guang- dong, Südchina, informiert. Nachdem dort gegen Ende Februar keine Fälle mehr auftraten, wurden seit Ende Febru- ar ähnliche Erkrankungen erst in Viet-

nam und Hongkong, dann auch in ande- ren Ländern, bekannt. Die Erkrankung manifestiert sich anfangs mit grippeähn- lichen Symptomen und kann nach eini- gen Tagen, auch bei jungen Menschen, in eine Pneumonie und zum Teil in eine Schocklunge übergehen.

Der Erreger dieser Erkrankung ist bisher nicht bekannt, neuere Ergebnis- se deuten aber darauf hin, dass es sich

Schweres akutes

respiratorisches Syndrom (SARS) unklarer Ursache

Walter Haas, Udo Buchholz, Johannes Schnitzler,

Martin Mielke, Andrea Ammon

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hierbei um Viren handeln könnte. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch wahrscheinlich vorwiegend durch Tröpfcheninfektion. Patienten scheinen erst und vor allem dann in- fektiös zu sein, wenn sie symptoma- tisch werden, denn viele der bisher auf- getretenen Fälle betreffen medizini- sches Personal, das Patienten ohne Atemschutz untersucht oder versorgt hatte. Die Inkubationszeit beträgt nach derzeitigem Kenntnisstand zwei bis sieben Tage. Das Syndrom wird als schweres akutes respiratorisches Syn- drom unklarer Ursache (SARS) be- zeichnet.

Aufgrund der weltweiten Entwick- lungen hat die Weltgesundheitsorgani- sation eine Falldefinition entwickelt und zu einer globalen Überwachung des SARS aufgerufen. Ein wichtiger Bestandteil der Falldefinition ist eine Reiseanamnese in Länder, in denen nicht nur importierte Fälle auftraten, sondern auch eine lokale Übertragung stattgefunden hat. Diese Liste wird von der WHO ständig aktualisiert.

Falldefinition

Die Falldefinition ist erfüllt, wenn fol- gende Eigenschaften erfüllt sind (Stand 18. März 2003).

Ein Verdachtsfall von SARS ist gege- ben wenn:

> der Erkrankungsbeginn nach dem 1. Februar 2003 datiert und

> Fieber > 38°C gemessen wird und

> eines oder mehrere respiratori- sche Symptome auftreten wie zum Bei- spiel Husten, Atemnot oder Kurzatmig- keit und

> mindestens eine der folgenden Ex- positionen vorliegt:

– Enger Kontakt innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Symptome mit ei- nem wahrscheinlichen Fall für SARS

– Aufenthalt innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Symptome in einer Re- gion, aus der gemäß der unten stehen- der Liste Häufungen von SARS berich- tet wurden.

Ein wahrscheinlicher Fall von SARS ist gegeben, wenn Kriterien für einen SARS-Verdachtsfall erfüllt sind und mindestens eine der folgenden Bedin- gungen vorliegt:

> Röntgenbefund weist auf eine Pneumonie oder auf ein akutes Atem- notsyndrom (ARDS) hin.

> Feststellung einer ungeklärten Atemwegserkrankung mit Todesfolge sowie ein Autopsiebefund mit Hinwei- sen auf ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) ohne feststellbare Ursache.

Hinweise

SARS kann zusätzlich auch von Kopf- schmerzen, Muskelsteifigkeit, Appetit- verlust, Übelkeit, Verwirrtheit, Aus- schlag oder Durchfall begleitet sein.

Die hier genannten Symptome sind je- doch keine Kriterien der Falldefinition.

Ein enger Kontakt liegt vor, wenn ein Fall gepflegt oder auch körperlich un- tersucht wurde, eine gemeinsame Woh- nung bewohnt wurde oder ein direk- ter Kontakt mit Atemwegssekreten oder Körperflüssigkeiten mit einem an SARS Erkrankten stattfand.

Länder und Regionen, in denen wahrscheinliche SARS-Fälle (gemäß Falldefinition) aufgetreten sind, sind Kanada (dort nur die Regionen Toron- to und Vancouver), China (dort nur Hongkong und die Provinz Guangdong [Kanton]), Singapur und Vietnam (dort nur die Region Hanoi).

Empfehlungen zum Vorgehen

Zur Vermeidung von Infektionen im Bereich des Gesundheitswesens er- scheint es in der gegenwärtigen Situati- on geboten, bei erstmaliger Vorstellung eines Patienten mit akuter respiratori- scher Symptomatik und einem Aus- landsaufenthalt in einem der Länder mit SARS-Erkrankungsherden inner- halb der letzten 10 Tage, bei der weite- ren Anamnese und körperlichen Unter- suchung eine „erweiterte Standardhy- giene“ zu beachten. Hierzu zählen ne- ben dem Tragen von Handschuhen und hygienischer Händedesinfektion das Tragen eines dicht anliegenden Mund- Nasen-Schutzes. Bei invasiver Diagno- stik (beispielsweise Bronchoskopie) empfiehlt sich zusätzlich das Tragen ei- ner Schutzbrille.

Bei unklarer Ursache der Erkran- kung und bestehendem Verdacht auf ein SARS ist eine umgehend durchge-

führte Röntgenaufnahme der Lunge mit Befundung am gleichen Tag not- wendig, um frühzeitig eine Pneumonie zu erkennen. Bei positivem Befund ist eine sofortige Einweisung in die näch- ste Klinik mit Möglichkeiten zur stren- gen Isolierung erforderlich. Das Kran- kenhaus und der Krankentransport- dienst müssen vorab informiert wer- den. Bis zum Transport des Betroffe- nen muss eine weitestmögliche Isolie- rung des Betroffenen erfolgen.

Umsetzung des WHO-Aufrufs zur globalen Überwachung

Die namentliche Meldung (nach § 6 Abs.1, Nr. 5a des Infektionsschutzge- setzes) der Verdachtsfälle und der wahrscheinlichen Fälle muss unver- züglich telefonisch an das zuständige Gesundheitsamt erfolgen. Das Ge- sundheitsamt ermittelt und registriert die Kontaktpersonen, klärt sie über das weitere Vorgehen auf und kann diese in die aktive Gesundheitsüber- wachung aufnehmen. Das RKI hat den Gesundheitsämtern Übermittlungsbö- gen zur Verfügung gestellt, mit denen die Weiterleitung der Fälle (über das Bundesland) durch das RKI an die WHO erfolgt.

Die aktuellen Informationen zum Umgang mit entnommenem Proben- material und zu Desinfektionsmaß- nahmen sowie zur aktuellen Falldefini- tion können auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts eingesehen wer- den.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 860–861 [Heft 13]

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Andrea Ammon MPH Robert Koch-Institut

Seestraße 10 13353 Berlin

Weitere Informationen im Internet:

www.rki.de

www.rki.de/GESUND/DESINF/RKI-DES.PDF www.rki.de/GESUND/HYGIENE/HYGIENE.HTM www.who.int/csr/en/

Ansprechpartner:

Das örtliche Gesundheitsamt SARS-Hotline des RKI:

0 18 88/7 54 35 36

(Montag - Freitag, 8.30 -17.00 Uhr) M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1328. März 2003 AA861

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