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Archiv "Aktuelle Trends bei der Behandlung der akuten Pankreatitis" (13.11.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AKTUELLE MEDIZIN

Aktuelle Trends

bei der Behandlung der akuten Pankreatitis

Ulrich R. Fölsch und Christian Löser

Die Therapie insbesondere der akut hämorrhagisch nekrotisieren- den Pankreatitis stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Verschiedene konservative, auf geltenden pathophysiologi- schen Vorstellungen basierende Therapieansätze haben keinen nennenswerten Erfolg gebracht.

Grundlage der Therapie einer schweren akuten Pankreatitis ist eine intensivmedizinische Betreu- ung mit engmaschiger Verlaufs- beobachtung sowie bei protra- hierten Verlaufsformen eine enge interdisziplinäre Kooperation zwi- schen Internist, Chirurg und Ra- diologe, um die schweren lokalen und systemischen Komplikatio- nen frühzeitig zu erkennen und den Zeitpunkt einer operativen In- tervention inchviduell festzulegen.

Die Möglichkeiten aktueller thera- peutischer Ansätze, wie zum Bei- spiel interventionelle Endoskopie, Peritoneallavage oder die Gabe von Proteaseinhibitoren werden ebenso diskutiert wie die Inchka- tionen zur Antibiotikagabe oder zu einem operativen Vorgehen.

I. Medizinische Klinik, Klinik für Allgemeine Innere Medizin (Direktor: Prof. Dr. med. Ul- rich R. Fölsch), Christian-Albrechts-Univer- sität zu Kiel

er behandelnde Arzt sieht sich bei der pro- gnostischen Einschät- zung sowie der Wahl der individuell ad- äquaten Therapie besonders bei der schweren Verlaufsform der akuten Pankreatitis nach wie vor großen Problemen gegenüber. Trotz vielfäl- tiger, auf einzelnen zugrundeliegen- den Pathomechanismen basierender Ansätze sind die Fortschritte konser- vativer Therapiekonzepte in den letzten Jahren eher gering. Als wich- tigste Initialmaßnahme hat sich eine engmaschig überwachte, konserva- tiv-intensivmedizinische Therapie durchgesetzt. Durch die individuell abgestimmte, bei Auftreten von Komplikationen notwendige operati-

Klinik der akuten Pankreatitis

Klinisch kann sich die akute Pankreatitis sehr unterschiedlich von unkompliziert milden bis hin zu ful- minant letalen Verlaufsformen ma- nifestieren. Das führende Symptom der akuten Pankreatitis ist der gür- telförmig in den Rücken ausstrah- lende Ab dominalschmerz. Dieser wird häufig von Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus und Darmparese be- gleitet. Klinisch findet sich ein prall elastischer Gummibauch, der nicht so bretthart wie beim akuten Abdo- men auf der Basis zum Beispiel einer Perforation imponiert. Die Diagnose wird durch die Bestimmung von Arnylase und Lipase im Serum und Urin gesichert. Die bildgebenden Verfahren wie Ultraschall und i. v.- kontrastmittelverstärktes Computer-

ve Therapie mit Nekrosektomie so- wie konsekutiver Spüldrainage konn- te die Letalität der hämorrhagisch nekrotisierenden Pankreatitis erfolg- reich gesenkt werden. Im folgenden sollen die aktuellen Therapiekon- zepte sowie neue therapeutische An- sätze dargestellt werden.

Die Inzidenz der akuten Pan- kreatitis nimmt in den letzten Jahren progredient zu (20, 48). Trotz inten- siver Forschung und vielfältiger Stu- dien gibt es nach wie vor viele Un- klarheiten und kontroverse Diskus- sionen über die Wertigkeit und Be- deutung verschiedener ätiologischer und pathophysiologischer Faktoren, morphologischer und prognostischer Kriterien sowie nicht zuletzt thera- peutischer Strategien.

tomogramm zeigen eine typische in- homogene ödematöse Schwellung des Pankreas, gegebenenfalls mit Hinweisen auf Nekrosen oder Pseu- dozysten. Abbildung 1 zeigt ein abdo- minelles Computertomogramm nach i. v. Kontrastmittelgabe bei einem 73jährigen Patienten mit akut hä- morrhagisch nekrotisierender Pan- kreatitis mit deutlichen Nekrosen.

Die häufige ödematös-interstitielle Form (Häufigkeit 80 bis 90 Prozent, Letalität 0 bis 3 Prozent) wird von ei- ner hämorrhagisch nekrotisierenden Verlaufsform (Häufigkeit 10 bis 15 Prozent, Letalität 50 bis 90 Prozent) abgegrenzt (5, 77).

Insbesondere zur Abschätzung der Prognose sowie für die Wahl des therapeutischen Vorgehens ist eine frühzeitige Differenzierung in öde- matös-interstitielle (gute Prognose, konservativ intensivmedizinische Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992 (39) Ar3871

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Therapie) oder hämorrhagisch ne- krotisierende Verlaufsform (hohe Letalität, interdisziplinäre Interakti- on zwischen Internist, Chirurg und Radiologe) wünschenswert, aber nach wie vor problematisch. Bei kei- ner anderen akuten abdominellen Erkrankung ist das Abschätzen der Prognose sowie der vorliegenden Verlaufsform so schwierig wie bei der akuten Pankreatitis. Die einzel- nen Ursachen einer akuten Pankrea- titis sind in Tabelle 1 zusammenge- stellt.

Wenn auch einige wesentliche der konsekutiv ablaufenden patho- genetischen Mechanismen experi- mentell zum Teil gut untersucht sind (Druckerhöhung im Ductus pancre- aticus, bilio-pankreatischer sowie duodeno-pankreatischer Reflux, Epithelschäden durch Gallensäuren und damit Erhöhung der Gang- epithelpermeabilität, Trypsinaktivie- rung, Autodigestion der Drüse, Kri- nophagie, Bildung freier Sauerstoff- radikale), so fehlt bis heute ein schlüssiges, allen Phänomenen ge- recht werdendes pathophysiologi- sches Konzept, und die Wertigkeit der einzelnen oben aufgezählten Mechanismen ist nach wie vor un- klar Die Frage nach der Primärläsi- on sowie dem Ausgangsort der Ent- zündung ist ebenso unbeantwortet wie die, was Ursache und was Folge der einzelnen genannten pathophy- siologischen Mechanismen ist. Frag- los haben wir es mit einer multifakto- riellen Pathogenese zu tun (21, 39, 54, 80). Darüber hinaus ist völlig un- klar, inwieweit tierexperimentell ge- wonnene Daten über pathophysiolo- gische Vorgänge induzierter Pan- kreatitiden auf die Pankreatitis beim Menschen übertragen werden kön- nen (81).

Intensivmedizinische

Überwachung und Therapie der akuten Pankreatitis Die konservative, intensivmedi- zinische Überwachung und Basisthe- rapie hat sich als primäre Maßnah- me in der Behandlung der akuten Pankreatitis durchgesetzt (22, 27, 33, 49). Die Fortschritte der intensivme- dizinischen Betreuung haben we-

Abbildung 1: Abdo- minelles Computerto- mogramm unter i. v.

KM-Gabe bei einem 73jährigen Patienten mit alcuter, hämorrha- gisch nekrotisieren- der Pankreatitis. Der Pfeil zeigt noch vita- les Pankreasgewebe, das ventral von ei- nem breiten Nekro- sesaum umgeben ist.

sentlich zur Senkung der Krankheits- letalität beigetragen. Jeder Patient mit dem Verdacht auf das Vorliegen einer akuten Pankreatitis sollte um- gehend stationär in eine Klinik ein- gewiesen werden. Insbesondere bei mittelschweren und schweren Ver- laufsformen muß eine konsequente intensivmedizinische Überwachung nach Möglichkeit in einem erfahre- nen Zentrum durchgeführt werden.

Die Richtlinien der Basistherapie so- wie der konsequenten Überwachung sind in den Tabellen 2 und 3 aufge- führt. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei einer ausreichenden,

Tabelle 1: Ursachen der aku- ten Pankreatins

Gallenwegs-

erkrankungen (40-50%)

Alkohol (30-40%)

idiopathisch (10-30%) Seltene Ursachen:

—verschiedene Medikamente

—Trauma

—Hyperkalziämie

—Hyperlipoproteinämie

—anatomische Anomalien

—Obstruktion der Papilla Vateri

—Infektionen

(Viren, Bakterien, Parasi- ten)

—medizinische Eingriffe (ERCP)

modifiziert nach 29, 59

durch Messung des Zentralvenen- drucks (ZVD) und der Urinausschei- dung gesteuerten Volumen- und Elektrolytsubstitution zu, die in den ersten Tagen mindestens drei bis vier Liter pro Tag betragen sollte und in Einzelfällen bis über zehn Liter pro Tag erreichen kann (33, 79). In der Schmerztherapie hat sich die Gabe von Procainhydrochlorid (2 g/24 h i. v.; cave kardiale Nebenwirkun- gen!) sowie Tramadol und Bupren- orphin bewährt (33, 79). Wegen ih- rer kontraktionsfördernden Wirkung auf den Sphincter Oddi sollten Mor- phine nur in Ausnahmefällen einge- setzt werden.

Bei zunehmender respiratori- seher Insuffizienz, insbesondere bei weiterem Abfall des p02 unter 55 bis 60 mm Hg trotz Sauerstoffzufuhr, sollte großzügig die Indikation zur kontrollierten Beatmung mit positi- vem endexspiratorischem Druck

(PEEP) gestellt werden (35). In bis zu zirka zehn Prozent der Fälle von akuter Pankreatitis kommt es zu ei- nem akuten Nierenversagen, das mit Volumenersatz, Mannitolinfusionen und Furosemid behandelt wird. Un- tersuchungen über den frühzeitigen Einsatz der Hämofiltration zur Ver- meidung und Therapie des Multior- ganversagens haben ermutigende Er- gebnisse gezeigt (6), die aber erst in kontrollierten klinischen Studien verifiziert werden müssen.

Bei Patienten mit Pankreasab- szessen oder infizierten Pseudozy- sten sollte zunächst eine ultraschall- gesteuerte Punktionsdrainage der Ar3872 (40) Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992

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Abszeßhöhle anglegt werden und ei- ne Spülbehandlung erfolgen. Erst wenn eine Sanierung des Sepsisher- des so nicht gelingt oder wenn größe- res Nekrosenmaterial in der Abszeß- höhle anfällt, wäre die Indikation zu einer operativen Ausräumung mit Spüldrainage gegeben (5).

Konservative Therapieansätze

Leider haben bisher sämtliche therapeutischen Konzepte, die auf den möglichen Pathomechanismen basierten, enttäuscht und sich kli- nisch nicht durchsetzen können. Ta- belle 4 zeigt eine Übersicht verschie- dener konservativer Therapieansät- ze, die in ldinischen Studien geprüft wurden, ohne sich als therapeuti- sches Prinzip bewährt zu haben (Übersichten siehe 33, 77). Insbeson- dere alle Versuche, die die Hem- mung der autodigestiven, destruie- renden Enzyme sowohl im Pankreas als auch systemisch zum Ziel haben, stellen nach wie vor ein bestechen- des Konzept dar. Mehrere klinische Studien mit dem Proteaseninhibitor Aprotinin (Trasylo18) konnten kei- nen positiven klinischen Effekt nach- weisen (siehe 38, 40). Untersuchun- gen mit dem niedermolekularen Trypsin- und Phospholipase-A2-Inhi- bitor Gabexat-Mesilat (F0Y9) zeig- ten ebensowenig einen signifikanten Effekt bezüglich der Letalität (30, 32).

Auch in einer kürzlich abge- schlossenen multizentrischen Studie an 218 Patienten mit hochdosierter Gabe von Gabexat-Mesilat (4 g/Tag i. v.) konnte kein sicherer therapeu- tischer Effekt dieses Trypsininhibi- tors nachgewiesen werden (17). Die Gabe von frisch gefrorenem Plasma (FFP) unter der Vorstellung, hiermit natürliche Proteasen-Inhibitoren zu applizieren, hat sich trotz anfänglich optimistischer Einschätzung (23) ebensowenig bewährt (52) wie die Gabe von Trypsin-, Kallikrein-, Plas- minogen- und plasminhemmenden Fibrinolytika (45).

Antazida und H2-Rezeptorblok- ker haben sicher keinen Einfluß auf den Verlauf einer akuten Pankreati- tis (12, 60, 84), spielen aber eine Rol-

Tabelle 2: Basistherapie der alcuten Pankreatitis

—sofortige Klinikeinweisung

—intensivmedizinische Überwachung

—Magenverweilsonde

—orale Nahrungskarenz

—ausreichende parenterale Volumensubstitution, ZVD- Kontrolle

—bei protrahiertem Verlauf ausreichende parenterale Kaloriensubstitution (Elektrolyt-Glukose-Amino- säuren-Fettemulsionen)

—ausreichende Analgesie

—Streßulkusprophylaxe

—Antibiotikaprophylaxe bei schwerer Verlaufsform sowie biliärer Pankreatitis (siehe Text)

le in der Streßulkusprophylaxe und erleichtem möglicherweise ebenso wie die Magensonde die Symptome des Subileus. Aktuellere experimen- tell-therapeutische Konzepte wie die Bindung freier Sauerstoffradikale (83), die Blockade des Cholezystoki-

ninrezeptors (63) oder Komplement- inhibitoren erscheinen interessant, müssen sich aber erst in kontrollier- ten klinischen Studien bewähren.

Einsatz von Antibiotika Obwohl rund 80 Prozent der To- desfälle bei akuter Pankreatitis auf infektiöse Komplikationen zurückge- hen, sind unsere Kenntnisse über Wirkung und Einsatz der verschiede- nen Antibiotika bei diesem Krank- heitsbild noch sehr lückenhaft (10, 18). Eine generelle prophylaktische Antibiotikagabe kann nicht empfoh- len werden. Während Antibiotika bei alkoholinduzierter und idiopathi- scher Pankreatitis wirkungslos zu sein scheinen (10, 18), ist bei biliärer Pankreatitis und insbesondere bei schweren Verlaufsformen die Indi- kation zur .frühzeitigen Gabe von Antibiotika gegeben (10, 18, 33). Da- bei sollte bei Verdacht auf das Vor- liegen einer infizierten Nekrose eine US- oder CT-gesteuerte Feinnadel- punktion durchgeführt werden, um eine Antibiotikagabe nach Antibio- gramm zu ermöglichen (5, 18). >

Tabell.e 3: Intensivmedizinisches Überwachungsprogramm bei akuter Pankreatitis

mehrmals täglich: — Klinische Untersuchung

—Palpation und Auskultation des Abdomens

—Blutdruck- und Pulskontrolle

—Flüssigkeitsbilanzierung

—Urinausscheidung

—ZVD-Kontrolle

täglich: — Amylase und Lipase im Serum

—Amylase im Urin

—Blutbild (Leukozyten, Hb, HK)

—Arterieller p02

—Säure-Basen-Haushalt

—Kreatinin, Harnstoff

—Blutzucker-Tagesprofile

—Serumkalzium

—Gesamteiweiß, Albumin

—Gerinnungsstatus

—Elektrolyte

2- bis 3tägig sowie — Oberbauchsonographie

bei Verschlechterung: — Abdomen-CT unter i. v.-Gabe von KM

—Röntgen-Thorax

—Abdomenübersicht

—Chirurgisches Konsil

Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992 (43) Ar3875

(4)

Tabelle 4: Konservative Therapieprinzipien der akuten Pankreatitis, die in kontrollierten oder offenen Studien ohne Erfolg blieben Direkte Hemmung

der Pankreassekretion

—Atropin

—Calcitonin

—Glukagon

—Somatostatin

—Carboanhydrase-Hemmer

Hemmung — Aprotinin

autodigestiver Enzyme — Gab exat-Mesilat/Camostat

—Phospholipase-Hemmer

—Fresh-Frozen-Plasma Förderung der — Antifibrinolytika Mikrozirkulation

Entfernung — Peritoneallavage toxischer Substanzen

Entzündungs- — Indometacin

hemmung — Prostaglandine

Bindung freier — Acetylcystein Sauerstoffradikale

modifiziert nach 33

Generell müssen zwei wesentli- che Punkte berücksichtigt werden:

Zum einen sind in zirka 70 Prozent gram-negative aerobe und anaerobe Bakterien Ursache der Infektion (5, 18), zum anderen penetrieren nur sehr wenige Antibiotika in den Pan- kreasgang und erreichen bei akuter Pankreatitis überhaupt therapeuti- sche Effekte (zum Beispiel Metroni- dazol, Azlocillin, Mezlocillin, Cipro- floxacin, Cephalosporine, Rifampi- cin; Übersicht siehe 10). Trotz mo- derner, adäquater Antibiotikathera- pie lassen sich typische septische Komplikationen (Abszeß, Pneumo- nie, Peritonitis, infizierte Pseudocy- ste, Niereninfektion) oft nicht ver- meiden. Wünschenswert wäre die Durchführung vergleichender kon- trollierter Studien, um den effekti- ven Wert der einzelnen Antibiotika in der Therapie der schweren akuten Pankreatitis zu evaluieren.

Wichtigstes Ziel der initialen in- tensivmedizinischen Überwachungs- therapie (Tabelle 3) muß es sein,

rechtzeitig lokale und systemische Komplikationen (67) (Tabelle 5) zu erfassen und konsequent zu thera- pieren. Dabei ist der Verlauf einer akuten Pankreatitis auch bei initial blander Klinik nur sehr schwer vor- aussehbar. Viele initiale Prognose- Scores sind etabliert worden (2, 38, 65, 70, 86) ebenso wie Parameter zur täglichen Verlaufskontrolle (Tabelle

3) (8, 50, 86). Der Verlauf der Pan- kreatitis ist dabei abhängig vom Auf- treten und dem Ausmaß der Nekro- sen, der bakteriellen Kontamination, der Ausdehnung der peri- und retro- peritone alen Fettgewebsnekros en, der lokalen und systemischen Frei- setzung vasoaktiver und toxischer Substanzen (3, 5, 76). In deren ra- scher Erkennung haben sich das

kontrastmittelverstärkte Computer- tomogramm (7, 55, 72, 76) sowie ad- ditiv Serummarker wie C-reaktives Protein (13, 56, 68), Leukozytenelas- tase (14), freies Trypsinogen-Aktiva- tionspeptid (TAP) (34), LDH (15), a2-Makroglobulin (58), Phospholipa- se A2 (16, 68) sowie der APACHE-II- Score (50, 86) als sehr hilfreich er- wiesen. Als etablierter und einfach zu bestimmender Parameter sollte routinemäßig zumindest das C-reak- tive Protein gemessen werden.

Operative Therapie

Wenn auch das primär konser- vativ-intensivmedizinische Vorgehen sich heute als Erstmaßnahme eta- bliert hat und das Prinzip der opera- tiven Frühintervention verlassen wurde (5), ist für die Verlaufsbeob- achtung und die Indikation weiterer, insbesondere operativer Maßnah- men eine tägliche, interdisziplinäre Zusammenarbeit zvvischen Internist, Chirurg und Radiologe zwingend notwendig. Durch engmaschige Kon- trolle der bereits erwähnten labor- chemischen Parameter, des Kon- trastmittel-CT, der Aspirationspunk- Tabelle 5: Lokale und extrapankreatische Komplikationen der akuten

Pankreatitis

I. lokal: — Pseudozyste

—Abszeß

—peripankreatische Nekrose und Entzündung

—Fisteln

—Fettnekrosen

—intraperitoneale Blutung, GI-Blutung

—pankreatogener Aszites II. extrapankreatisch: — Kreislaufschock

—respiratorische Insuffizienz

—akutes Nierenversagen

—Gerinnungsstörungen

—Stenose des Ductus choledochus

—Stenosen der benachbarten Hohlorgane (Duodenum, Kolon)

—Hautmanifestationen

—Enzephalopathie

Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992 (45) A1-3877

(5)

Abbildung 2: Endoskopischer Befund der hämorrhagisch-entzündlich veränderten Papilla major einer Patientin mit akuter biliärer Pankreatitis und intra-papillär inkarzeriertem Gallen- gangstein.

tion zur Keimbestimmung sowie ins- besondere durch Einschätzung des klinischen Verlaufes muß individuell die Entscheidung über die Notwen- digkeit operativer Maßnahmen ge- troffen werden. Der computerto- mographische Befund allein stellt keine Operationsindikation dar!

Während in der Frühphase der schweren akuten Pankreatitis insbe- sondere die pulmonalen, renalen und kardiozirkulatorischen Kompli- kationen gefürchtet sind (67), steht in der Spätphase die septische Kom- plikation als häufigste Todesursache im Vordergrund. Die OP-Indikatio- nen bei akuter Pankreatitis sind in Tabelle 6 aufgezählt. Ziel einer ope- rativen Intervention muß die Entfer- nung von Nekrosen sowie die konti- nuierliche Entfernung der peripan- kreatischen Flüssigkeit sein, die Bak- terien, Toxine und vasoaktive Sub- stanzen enthält (6). Der alleinige Nachweis von Nekrosen stellt dabei keine OP-Indikation dar, die früh- zeitige Nekrosektomie hat bei hoher Letalität keinen wesentlichen klini- schen Effekt gezeigt (5, 11, 69). Bei ausgedehnten und vor allem auf das Retroperitoneum übergreifenden Nekrosen sowie bei bakterieller Kontamination (gesteuerte Feinna- delaspiration) ist eine OP-Indikation absolut gegeben (5, 69, 75). Hierbei hat sich eine Kombinationstherapie mit Nekrosektomie unter weitgehen-

Tabelle 6: Operationsindika- tionen bei akuter Pankreatitis

—Versagen des konservativ-in- tensivmedizinischen Vorge- hens (mindestens über drei Tage)

—progredientes Multiorgan- versagen (Lunge, Niere)

—akutes Abdomen, schwere Peritonitis

—Schock

—Sepsis

—ausgedehnte, übergreifende Nekrose

—infizierte Pankreasnekrose, ausgedehnter Abszeß

—massive Hämorrhagien

der Erhaltung vitalen Gewebes mit einer anschließenden, längerfristigen Spül-Drainage-Behandlung durchge- setzt (5, 75). Während sich in Euro- pa die geschlossene, kontinuierliche Bursa-Lavage sowie die program- mierte Reoperation oder Etappenla- vage durchgesetzt haben (4, 77, 82), wird in der angelsächsischen Litera- tur das Offenlassen des Abdomens (open packing) propagiert (9, 75).

Die Pankreasresektion hat sich als akute Maßnahme nicht durchge- setzt. Durch die Kombination von Nekrosektomie und anschließender Spülbehandlung konnte die Letalität der schweren akuten Pankreatitis weiter gesenkt werden.

Die alleinige Peritoneallavage wurde in mehreren Studien sowohl als diagnostisch-prognostisches Pro- cedere (66) als auch als therapeu- tischer Ansatz zur Verhinderung ei- ner Sepsis angewandt (37, 57, 71, 76). Diese Untersuchungen führten zu widersprüchlichen Ergebnissen, wobei zumeist kein günstiger Einfluß der Lavage nachgewiesen werden konnte (37, 57). Eine neuere kon- trollierte klinische Studie zeigte al- lerdings bei langfristiger Peritoneal- lavage einen signifikant positiven Ef- fekt bezüglich der Verhinderung septischer Komplikationen sowie der Letalität (74). Eine weitere Klärung dieser nicht einheitlichen Ergebnisse sollte jedoch klinischen Studien vor- behalten bleiben, bevor die Peritone- allavage generell in der Therapie der akut nekrotisierenden Pankreatitis empfohlen werden kann.

Biliäre Pankreatitis

Gallensteine stellen eine häufige Ursache für das Auftreten einer aku- ten Pankreatitis dar. Bereits 1901 postulierte Opie, daß der Verschluß der gemeinsamen Mündungsstelle von Gallen- und Pankreasgang mit Rückfluß von Galle in den Pankreas- gang zur Entwicklung einer akuten biliären Pankreatitis führt (64). Of- fensichtlich sind es vor allem klei- nere Gallensteine, die häufiger eine Pankreatitis induzieren (26, 36, 44), die bei Steineinklemmung klinisch sehr schwer verlaufen kann (20, 26).

Zum anderen scheint die intermittie- rende Steineinklemmung mit Spon- tanabgang wesentlich häufiger als die persistierende Einklemmung zu sein, da mit zunehmendem Zeitin- tervall zum Symptombeginn die Inzi- denz inkarzerierter Papillensteine abnimmt (1, 42, 43, 85). Abbildung 2 zeigt den endoskopischen Befund ei- ner hämorrhagisch-entzündlich ver- änderten Papilla major bei einer Pa- tientin mit akut biliärer Pankreatitis und intrapapillär inkarzeriertem Gallenstein.

Während die ERCP bis Anfang der achtziger Jahre beim Vorliegen einer akuten Pankreatitis als kontra- indiziert galt, berichteten Safrany et al. (78) in einem Case-Report erst- mals über den therapeutischen Nut- zen einer endoskopischen Papilloto- mie (EPT) bei akuter Pankreatitis mit eingeklemmtem Gallenstein.

Das inkarzerierte Konkrement ist al- lerdings die seltene Ausnahme bei Ar3880 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992

(6)

der akuten biliären Pankreatitis.

Aufgrund eigener Beobachtungen wurde seither von einer Arbeitsgrup- pe sogar postuliert, bei grundsätzlich jeder Pankreatitis, gleich welcher Ätiologie, wegen der Häufigkeit von Mikrolithen eine ERCP mit EPT durchzuführen (24, 25), ein Vorge- hen, das nicht durch kontrollierte klinische Daten belegt und somit nicht empfohlen werden kann.

Die pathophysiologische Hypo- these, die der notfallmäßigen Durch- führung einer ERCP/EPT bei der akuten biliären Pankreatitis zugrun- deliegt, geht davon aus, daß der Stein nicht nur die Pankreatitis ver- ursacht, sondern sie auch unterhält (41), wofür es allerdings ebenfalls keinen einzigen experimentellen An- satz gibt. Im Gegenteil muß man da- von ausgehen, daß Patienten mit akuter Pankreatitis keine relevante Saftsekretion und somit keinen Se- kretionsdruck mehr haben und daß die weitaus meisten Patienten ihre Gangsteine spontan entleeren.

Es kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesagt werden, ob durch eine EPT nicht eventuell nur die Cholangitis beseitigt wird, ohne daß dabei der Verlauf der akuten Pankreatitis beeinflußt wird.

Welcher Patient wann gegebe- nenfalls von der Durchführung einer ERCP mit EPT im Rahmen einer akuten biliären Pankreatitis profi- tiert, kann gegenwärtig nicht sicher entschieden werden (19, 28, 44, 61, 62, 73). Es liegt zu dieser Fragestel- lung nur eine kontrollierte Studie aus England vor (62), die bei insge- samt 121 Patienten mit akuter bili- ärer Pankreatitis in der Gruppe der schweren Verlaufsformen bei Pa- tienten, die einer ERCP und bei Steinnachweis einer EPT unterzogen wurden, einen günstigen Verlauf mit signifikant niedriger Komplikations- rate bei allerdings nicht signifikant verbesserter Letalität fanden. Dieser günstige Effekt fand sich in der Gruppe der leichteren Verlauffor- men nicht, das heißt diese Patienten profitierten nicht von der ERCP plus EPT. Darüber hinaus muß erwähnt werden, daß sämtliche Untersuchun- gen in dieser Studie von einem einzi- gen, sehr erfahrenen Endoskopeur durchgeführt wurden.

Zur Zeit läuft in Deutschland ei- ne kontrollierte Studie, die die Be- funde dieser englischen Studie in ei- nem multizentrischen Ansatz an ei- nem großen Patientenkollektiv eva- luiert (29a). Eine andere Studie, die zur Zielsetzung hatte, ob auch Pa- tienten mit akuter Pankreatitis nicht- biliärer Genese von einer EPT profi- tieren, wurde mittlerweile abgebro- chen, da sich keine signifikanten Un- terschiede abzeichneten (J. Schöl- merich, Regensburg; persönl. Mittei- lung). Auch bei der erstgenannten Studie erhofft man sich eine Klärung der Frage, welchen Patienten eine ERCP plus EPT hilft, wie sicher die- se Maßnahme ist und ob sie generell als Notfallmaßnahme empfohlen werden soll.

Unumstritten ist zur Zeit ledig- lich die Indikation zur ERCP plus

Kombinierte

Radiochemotherapie beim inoperablen Bronchialkarzinom

In der Onkologie ist der radio- sensitivierende Effekt von Cisplatin seit den 80er Jahren bekannt In ei- ner randomisierten Studie an 331 Patienten mit lokal inoperablen, nicht-metastasierenden, nicht-klein- zelligen Bronchialkarzinomen wurde der Effekt einer kombinierten Ra- dio-Chemotherapie untersucht.

Eine Behandlungsgruppe erhielt nur Strahlentherapie (10 x 3 Gy in 5 Fraktionen/Woche für 2 Wochen, nach 3 Wochen Pause erneut 10 x 2.5 Gy in 5 Fraktionen/Woche für 2 Wochen), die zweite Gruppe erhielt zusätzlich zur Strahlentherapie 30 mg Cisplatin/m2 KOF, jeweils zu Be- ginn der Behandlungswochen, und die dritte Gruppe erhielt an den Be- strahlungstagen jeweils 6 mg Cispla- tin/m2 KOF.

In der Gruppe mit täglicher Cis- platintherapie war die Überlebens- rate gegenüber der reinen Bestrah- lungsgruppe signifikant erhöht (54 Prozent versus 46 Prozent nach ei- nem Jahr, 26 Prozent versus 13 Pro-

EPT bei Patienten mit schwerer bili- ärer Pankreatitis mit Verdacht auf ein inkarzeriertes Konkrement (ho- hes Bilirubin) und gegebenenfalls begleitende Sepsis (28, 61).

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A1-3871-3882 [Heft 46]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Ulrich R. Fölsch Dr. med. Christian Löser I. Medizinische Klinik

Christian-Albrechts-Universität Schittenhelmstraße 12

W-2300 Kiel

FÜR SIE REFERIERT

zent nach zwei Jahren und 16 Pro- zent versus 2 Prozent nach drei Jah- ren). Die Gruppe der Patienten, die zusätzlich zur Strahlentherapie wö- chentlich Cisplatin erhalten hatte, unterschied sich von keiner der bei- den anderen Gruppen signifikant (44 Prozent, 19 Prozent und 13 Prozent resp.). Die verbesserte Überlebens- rate war primär durch eine geringere lokale Tumorprogression bedingt.

Bei bis zu 86 Prozent der Patienten kam es unter der zusätzlichen Che- motherapie zu Übelkeit und Erbre- chen, dies war bei 28 Prozent der Pa- tienten ausgeprägt.

Die Autoren folgern, daß die kombinierte Radiochemotherapie mit begleitender, täglicher Cisplatin- gabe die Überlebensrate von Patien- ten mit inoperablen, nichtmetasta- sierenden Bronchialkarzinomen ver- bessert. acc

Schaake-Koning, C. et. al.: Effects of con- comitant cisplatin and radiotherapie on in- operable non-small-lung cancer. N. Engl.

J. Med. 326 (1992) 524-530.

Dr. Schaake-Koning, Dep. of Radiothera- py, Netherlands Cancer Institute, Ples- manlaan 121, 1066 CX Amsterdam, Nie- derlande.

A1-3882 (50) Dt. Ärztebl. 89, Heft 46, 13. November 1992

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