Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESSNACHRICHTEN
Kind oder Hund?
Heute gibt es in der Bundesre- publik schon fast mehr Haushal- te mit Hunden als mit Kindern
— eine betrübliche Entwicklung, auch wenn man bedenkt, daß Hunde vor allem als Witwentrö- ster fungieren. — Nicht jede Kinderlosigkeit ist Folge mißver- standener Liebesfreiheit. Zum großen Teil ist Kinderlosigkeit ungewollt. Im Jahre 1973 waren dies immerhin rund 1,3 Millio- nen Ehepaare in der Bundesre- publik, denen auch die Medizin oft nicht helfen kann. In etwa 50 Prozent dieser Ehen war die Frau steril, in 35 Prozent der Ehemann und in ca. 15 Prozent der Fälle beide Ehepartner (Pro- fessor Dr. P. Stoll, Universitäts- frauenklinik Mannheim). Im übri- gen ist die Zahl der Kinder stets geringer als der ursprüngliche Kinderwunsch, auch bei sehr zurückgeschraubten „moderner Erwartungen".
(1. Interdisziplinäres Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin", Okto- ber 1976, Köln).
Familienplanung
Familienplanung ist weder eine Umschreibung des Begriffs Ab- treibung noch eine Garantie fürs Glücklichsein, auch wenn der Gebrauch des Begriffs immer mehr in diese Richtungen zielt.
Viele junge Menschen werden übrigens immer „planungsfeind- licher". Jedenfalls: „Glück kann man nicht planen" (Professor Dr. J. Zander, II. Universi- täts-Frauenklinik München), und eine erwünschte Schwanger- schaft ist ebensowenig immer Glück, wie eine unerwünschte Schwangerschaft immer als Un- glück zu betrachten ist (Dr. W.
Cyran, Wiesbaden). Das heißt freilich nicht, daß ärztlicherseits auf die notwendige Beratung der Frauen verzichtet werden
kann. Kontrazeptives Wissen ist auch heute noch längst nicht in dem Maße verbreitet, wie uns die Gazetten vormachen wollen.
Am wenigsten ist darüber in den unteren Sozialschichten be- kannt (Dr. M. Wenderlein, Uni- versitätsfrauenklinik Erlangen).
Diese Frauen sind aber mei- stens dem ärztlichen Rat gegen- über besonders aufgeschlossen.
Sie erwarten jedoch, daß der Arzt das Thema von sich aus anschneidet — eine Tatsache, die der erfahrene Landarzt kennt, die aber offenbar mit der Zeit versandet ist.
(1. Interdisziplinäres Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin", Okto- ber 1976, Köln).
Relevante
Slow-Virus-Infektion
Von diesen seltenen be- ziehungsweise exotischen
„Schleich-Virus-Infekten" spielt bei uns höchstens die progressi- ve multifokale Lenkenzephalo- pathie eine gewisse Rolle. Diese Erkrankung tritt hin und wieder auf dem Boden konsumierender Krankheiten beziehungsweise im Verlaufe langfristiger Immun- suppression auf (Professor
Dr.
H. Schrader, Universitätsnerven- klinik München, Klinikum Groß- hadern). Die Symptome erinnern an multiple Sklerose, aber die Krankheiten sind nicht iden- tisch. Die Therapie ist bei pro- gressiver multifokaler Leuken- zephalopathie allerdings genau- so machtlos.
(1. Interdisziplinäres Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin", Okto- ber 1976, Köln).
Verlaufskontrolle bei akuter Pankreatitis
Der beste Zeitpunkt für eine chir- urgische Intervention bei akuter, lebensbedrohlicher Pankreatitis kann durch wiederholte Ultra-
schalluntersuchung recht gut und ohne Belastung des Patien- ten abgegrenzt werden (Dr. H.
Lutz und Mitarb., Medizinische Universitätsklinik Erlangen): Zu Beginn der akuten Pankreatitis ist das Organ im Ganzen aufgetrie- ben, mit dichter Struktur und un- scharfer Begrenzung. Wenn diese Auftreibung bald wieder zurück- geht und die Organgrenzen her- vortreten, liegt im allgemeinen ein günstiger, konservativ zu beherr- schender Krankheitsverlauf vor.
Anders bei Auftreten von um- schriebenen Arealen geringer Echo-Dichte (Nekrosen): Bei die- sen Patienten ist der chirurgische Eingriff dringend indiziert. — Dif- ferentialdiagnose - pankreatoge- ner Aszites, akute Pseudozyste, Milzvenenthrombose.
(Kongreß der Deutschen Arbeitsgemein- schaft fur Ultraschalldiagnostik, September 1976, Heidelberg)
Kochsalz und Lithium
Bei normaler Kochsalzzufuhr ist die an sich recht erfolgreiche Lithiumprophylaxe der zyklothy- men Depressionen weniger to- xisch als bei NaCI-armer Diät.
Deshalb sollte Lithium bei schweren Herz- und Kreislaufer- krankungen gar nicht eingesetzt werden (Professor Dr. K. Hein- rich, Psychiatrische Universi- tätsklinik Düsseldorf). Auch eine Struma kann unter Langzeitbe- handlung mit Lithium auftreten.
Der gelegentlich recht unange- nehme Fingertremor klingt spä- ter wieder ab (notfalls Behand- lung mit einem Betablocker).
Der depressionsprophylaktische Effekt erreicht erst nach etwa sechsmonatiger Lithiumgabe seinen Höhepunkt. Dann sind die Nebenwirkungen meistens auch schon wieder zurückge- gangen. Unter Blutspiegelkon- trolle ist grundsätzlich eine sehr langfristige Anwendung des Li- thiums möglich. WP (1. Interdisziplinäres Forum „Fortschritt und Fortbildung in der Medizin", Okto- ber 1976, Köln)
22 Heft 1 vom 6. Januar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT