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Archiv "Therapie mit Antibiotika bei schwerer akuter Pankreatitis" (18.01.2002)

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A

A116 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

N

ach der derzeit gültigen Klassifi- kation wird die akute Pankreati- tis unterschieden in eine milde und eine schwere Verlaufsform (5).

Die milde akute Pankreatitis heilt im Regelfall spontan ohne Ausfälle der exokrinen und endokrinen Pankreas- funktion aus.

Im Gegensatz dazu ist die schwere akute Pankreatitis assoziiert mit ei- nem Multiorganversagen und langwie- rigen, komplizierten Verläufen. 20 bis 25 Prozent aller Patienten mit akuter Pankreatitis zeigen einen schweren Verlauf (7, 14, 24, 44). Morphologisch finden sich bei diesen Patienten in der Regel intra- und extrapankreatische Parenchymnekrosen und/oder extra- pankreatische Fettgewebsnekrosen.

Bis auf wenige Ausnahmen sind To- desfälle aufgrund einer Pankreatitis durch die nekrotisierende Verlaufs-

form bedingt. Selbst in spezialisierten Zentren liegt die Letalität der nekroti- sierenden Pankreatitis bei 15 bis 25 Prozent (2, 3, 15, 40).

Häufigkeit und

klinische Relevanz infizierter Pankreasnekrosen

Der natürliche Verlauf der schweren akuten Pankreatitis wird entscheidend durch die bakterielle Infektion der Ne- krosen bestimmt (2, 6, 10). 40 bis 70 Prozent aller Patienten mit nekrotisie- render Pankreatitis entwickeln infizier- te Pankreasnekrosen. Ihre Inzidenz steigt mit dem Nekroseausmaß und mit zunehmender Verlaufsdauer der Pan- kreatitis (22).

Grundsätzlich kann davon ausgegan- gen werden, dass die in der Initialphase der schweren akuten Pankreatitis auf- tretenden Nekroseareale primär steril sind und eine bakterielle Kontamina- tion erst im weiteren Verlauf der Er- krankung, typischerweise in der zwei- ten bis vierten Woche nach Pankreati- tisbeginn, auftritt (2).

Die bakterielle Infektion von Pan- kreasnekrosen ist die wichtigste Deter- minante für das Pankreatitis-assoziierte Organversagen und damit für die Pro- gnose der Patienten (Tabelle 1). Die In- zidenz der typischen systemischen Pankreatitiskomplikationen ist bei infi- zierten Nekrosen höher als bei sterilen (Tabelle 2) (22). Daher ist es ein wesent- liches Prinzip des diagnostischen Algo- rithmus bei nekrotisierender Pan- kreatitis, Patienten mit infizierten Ne- krosen zu identifizieren und einer chir- urgischen Therapie zuzuführen.

Keimspektrum

Bisher galten gramnegative, enterische Bakterien als typische, aus infizierten Pankreasnekrosen isolierte Keime (2, 6). In den letzten Jahren wurde eine Zunahme von grampositiven Bakterien und Pilzen, insbesondere Candida, be- obachtet (10, 17–19, 23, 27). Die Ursa- che dieses als „Keim-Shift“ bezeichne- ten Phänomens ist unklar; allerdings ist zu vermuten, dass ein Zusammenhang besteht mit dem routinemäßigen, lang-

Therapie mit

Antibiotika bei schwerer akuter Pankreatitis

Zusammenfassung

Die Prognose der schweren akuten Pankreati- tis wird durch die bakterielle Infektion der Pankreasnekrosen bestimmt. Die prophylakti- sche Antibiotikagabe bei nekrotisierender Pankreatitis soll diese Komplikation verhin- dern. In den letzten Jahren wurden mehrere kontrollierte Studien zu diesem Thema durch- geführt. Lediglich in einer Untersuchung konnte eine Verringerung der Letalität durch die prophylaktische Gabe von Antibiotika nachgewiesen werden. Allerdings belegen weitere Studien eine Reduktion der Inzidenz infizierter Nekrosen. Auf der Basis dieser pro- spektiven Untersuchungen sind Empfehlun- gen verschiedener Fachgesellschaften ent- standen, die eine prophylaktische Gabe von pankreasgängigen Antibiotika bei schwerer akuter Pankreatitis befürworten. Als Gefah-

ren einer solchen Therapiestrategie werden in jüngster Zeit zunehmend die Entwicklung lo- kaler Candidainfektionen in der Bauchspei- cheldrüse mit schlechter Prognose sowie die Selektion grampositiver Bakterien gesehen.

Die Antibiotikaprophylaxe bei schwerer aku- ter Pankreatitis wird deshalb zurzeit kontro- vers diskutiert.

Schlüsselwörter: Antibiotikaprophylaxe, infi- zierte Pankreasnekrosen, nekrotisierende Pan- kreatitis, Leitlinien

Summary

Antibiotics in Patients With Severe Acute Pancreatitis?

Bacterial infection of pancreatic necrosis is a major determinant of outcome in patients with severe acute pancreatitis. It is the purpose of

prophylactic antibiotics in this disease to re- duce the incidence of pancreatic infection. During the past years, several controlled studies targeting on this topic have been published. In one of these trials, a reduction of mortality was seen when antibiotics were given as a routine prophylaxis. Other studies have shown a reduction in the incidence of infected necrosis.

On the basis of these controlled data, guide- lines and recommendations were published which advocated the routine prophylactic use of antibiotics with favourable pancreatic tissue pharmacokinetics in patients with pancreatic necrosis. Given the possible danger of routine antibiotic use, these recommendations are con- troversely discussed.

Key words: antibiotic prophylaxis, infected pancreatic necrosis, necrotizing pancreatitis, guidelines

1Abteilung Chirurgie I (em. Direktor: Prof. Dr. med. Hans G. Beger) der Chirurgischen Universitätsklinik, Ulm

2Abteilung Chirurgie I (Direktorin: Prof. Dr. med. Doris Henne-Bruns) der Chirurgischen Universitätsklinik, Ulm 3 Abteilung für Gastroenterologie und Stoffwechseler- krankungen (Chefarzt: Priv.-Doz. Dr. med. Michael Rün- zi), Kliniken Essen Süd

Hans G. Beger

1

Bettina Rau

2

Michael Rünzi

3

Rainer Isenmann

2

(2)

fristigen Gebrauch von Antibiotika (23, 27, 38). Die prognostische Bedeutung einer lokalen Candidainfektion bei ne- krotisierender Pankreatitis ist in letzter Zeit untersucht worden. Übereinstim- mend belegt ist eine sehr hohe Letalität in dieser Patientengruppe (17–19, 23).

Identifikation infizierter Pankreasnekrosen

Gold-Standard zur Identifikation infi- zierter Nekrosen ist die sonographisch oder computertomographisch geführte Feinnadelpunktion (FNP) mit an- schließender Gramfärbung des Aspira- tes (30, 33). Bisher waren keine labor- chemischen Parameter zur sicheren Identifikation infizierter Pankreasne- krosen verfügbar. Das Serum-C-reakti- ve Protein (CRP) ist hierzu nicht geeig- net. Procalcitonin (PCT), ein aus 116 Aminosäuren bestehendes Propeptid des Calcitonins, wurde im Jahre 1993 erstmals als Serumparameter mit dia- gnostischem Potenzial für bakteri- elle/pilzbedingte Sepsis beschrieben.

Dieser Marker wurde in einer retro- spektiven Studie auf seine Wertigkeit in der Diagnostik septischer Komplikatio- nen der akuten Pankreatitis überprüft (34). Die Ergebnisse zeigten, dass Pati- enten mit akuter Pankreatitis und kon- sekutiv auftretender Nekroseinfektion signifikant erhöhte PCT-Konzentratio- nen im Serum aufweisen. Das Maß des PCT-Anstieges ließ darüber hinaus Schlüsse auf den systemischen Schwe- regrad der Infektion zu (Tabelle 3). Die diagnostische Treffsicherheit dieses Pa- rameters hinsichtlich der Vorhersage ei- ner Nekroseinfektion war hierbei mit der ultraschallgesteuerten FNP ver- gleichbar. Trotz dieser ermutigenden Ergebnisse der Studie bleibt zu beto- nen, dass sich in zwei weiteren Untersu- chungen bei akuter Pankreatitis wider- sprüchliche Ergebnisse gezeigt haben (25, 28). Zudem stellt PCT einen unspe- zifischen Parameter in der Infektions- beziehungsweise Sepsisdiagnostik dar.

Erhöhte PCT-Konzentrationen lassen ohne klinische beziehungsweise bild- gebende Zusatzinformationen keine Rückschlüsse auf die Infektionsursache oder das zugrunde liegende Keimspek- trum zu. Interessanterweise bestanden

´ Tabelle 1C´

Faktoren, die die Inzidenz des Organversagens bei nekrotisierender Pankreatitis bestimmen

Variable Odds Ratio 95 % Konfidenzintervall

Unteres Oberes

Bakterieller Status Infiziert versus steril 4,15 1,72 11,42

30–50 % versus ✜30 % 1,78 0,83 4,01

✞50 % versus 30–50 % 4,84 1,39 22,65

Ätiologie Biliär versus Alkohol 0,48 0,20 1,11

Andere versus Alkohol 1,49 0,62 3,90

Multivariate Analyse von Daten von 225 Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis. Neben dem bakteriellen Status der Nekrosen bestimmt das Nekroseausmaß die Inzidenz der systemischen Komplikationen. Aus (22), mit freundlicher Erlaubnis der Autoren.

´ Tabelle 2C´

Bedeutung der bakteriellen Infektion bei nekrotisierender Pankreatitis bezüglich klinischem Verlauf

Sterile Nekrosen Infizierte Nekrosen

(188 Patienten)(85 Patienten)

Anzahl Prozent Anzahl Prozent p

Pulmonale Insuffizienz 109 58 62 73 0,021

Sepsis/SIRS 61 32 48 57 0,006

Koagulopathie 68 36 46 54 0,004

Niereninsuffizienz 40 21 18 21 1,0

Schock 43 23 25 29 0,29

Inzidenz systemischer Komplikationen der akuten Pankreatitis bei 273 Patienten mit Pankreasnekrosen.

Aus (22), mit freundlicher Erlaubnis der Autoren.

Intrapankreatisches Nekroseausmaß im Kontrastmittel-CT

´ Tabelle 3C´

Wertigkeit von Serum-CRP und Serum-PCT zur Vorhersage/

Diagnose schwerer Komplikationen bei nekrotisierender Pankreatitis

Cut-Off Sensitivität (Prozent)Spezifität (Prozent) Vorhersage von IN

PCT (ng/ml) ✞1,8 95 88

CRP (mg/l) ✞300 86 75

Vorhersage von sMODS

PCT (ng/ml) ✞3,0 88 91

CRP (mg/l) ✞325 75 76

Vorhersage von Tod

PCT (ng/ml) ✞5,7 93 91

CRP (mg/l) ✞325 64 70

Cut-off-Levels mit optimalem Verhältnis von Sensitivität und Spezifität für PCT und CRP in der Vorhersage/Diagnose infizierter Nekrosen (IN), septischem MODS (sMODS) und Tod bei akuter Pankreatitis.

Aus (34), mit freundlicher Erlaubnis der Autoren. PCT, Procalcitonin; CRP, C-reaktives Protein

(3)

bei der Mehrzahl der Patienten mit infi- zierter Nekrose erhöhte PCT-Werte be- reits Tage vor der definitiven, bakterio- logischen Infektionsdiagnose. Nach Er- fahrung der Autoren kann PCT dazu beitragen, Nekroseinfektionen früher zu erkennen und weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen früher einzuleiten. Eine multizentrische Real- time-Studie zur Erhärtung der klini- schen Wertigkeit des PCT unter Einbe- ziehung weiterer septischer Krank- heitsbilder, wie der Peritonitis, befindet sich derzeit in Durchführung.

Pathogenese

Die Tatsache, dass das bakterielle Spektrum infizierter Pankreasnekrosen überwiegend enterische Bakterien um- fasst (Tabelle 4)und die enge anatomi- sche Beziehung des Querkolons zur Bauchspeicheldrüse legen die Vermu- tung nahe, dass die relevanten Bakte- rien aus dem Gastrointestinaltrakt stammen und auf dem Wege der bakte- riellen Translokation in die Nekrose- areale gelangen. So ist im Tierversuch belegt, dass die Umhüllung des Colons mit einer bakteriendichten Membran – nur die Gefäßverbin-

dungen bleiben intakt – vor Induktion der Pan- kreatitis die Inzidenz in- fizierter Nekrosen redu- ziert (43). Analoge Be- obachtungen wurden ge- macht nach subtotaler Kolektomie oder nach Reduktion der endoge- nen Darmflora durch se- lektive Darmdekonta- mination (16, 26). Pan- kreatitis-bedingte Verän- derungen der Permeabi- lität der Darmschleim- haut für Bakterien und eine Verlängerung der Verweildauer von Bak- terien im Darmlumen durch die für eine schwe- re Pankreatitis typische Darmatonie scheinen weitere Faktoren zu sein, die die Translokation un- terstützen (41, 42). Al- lerdings sind die genau-

en Wege der Bakterien aus der Darm- wand in die Nekroseareale nach wie vor unklar.

Rationale der antibiotischen Therapie bei nekrotisierender Pankreatitis

Für die Antibiotikatherapie der nekroti- sierenden Pankreatitis können folgende Punkte als gesichert angesehen werden:

❃ Septische Komplikationen werden bei der milden, nicht nekrotisierenden Verlaufsform der akuten Pankreatitis bei weniger als einem Prozent der Pati- enten beobachtet. Eine gezielte Anti- biotikatherapie ist nur in seltenen Fäl- len mikrobiologisch nachgewiesener extrapankreatischer bakterieller Infek- tionen indiziert. Die prophylaktische Gabe von Antibiotika bei milder akuter Pankreatitis hat keinen positiven Effekt für die Patienten und ist im Hinblick auf die Gefahr einer bakteriellen Re- sistenzentwicklung problematisch.

❃ Infizierte Pankreasnekrosen bedür- fen neben der resistenzgerechten anti- biotischen Therapie einer zeitgerech- ten, dringlichen operativen Sanierung im Sinne einer Nekrosektomie mit an-

schließender Drainage oder Lavage. Die rein konservative Behandlung infizierter Pankreasnekrosen durch langfristige Ga- be von Breitspektrumantibiotika ist in einzelnen Zentren Gegenstand klini- scher Untersuchungen. Allerdings sind die bisher publizierten Patientenzahlen zu klein um valide Rückschlüsse auf die Qualität dieses Ansatzes zuzulassen und führten zu konträren Ergebnissen (13, 35). Die frühzeitige prophylaktische An- tibiotikagabe bei Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis ist momentan Ge- genstand klinischer Untersuchungen und kontroverser Diskussionen. Ziel ist es, durch Einleitung einer Antibiotikapro- phylaxe unmittelbar nach Diagnosestel- lung der schweren Pankreatitisform die Infektion der Pankreasnekrosen im wei- teren Verlauf der Erkrankung zu verhin- dern und damit die Prognose zu verbes- sern. Diese Fragestellung ist in den letz- ten Jahren in verschiedenen Studien un- tersucht worden.

Pharmakokinetische Untersuchungen

Für das menschliche Pankreas ist eine selektive Aufnahme von Antibiotika beschrieben (8). Aus diesem Grund sind die Spiegel verschiedener Breit- spektrumantibiotika in menschlichem Pankreasgewebe untersucht worden.

Diese Daten zeigen, dass Imipenem, Ci- profloxacin, Ofloxacin und auch einige Penicilline wie Piperacillin/Tazobactam ausreichend in menschliches Pankreas- gewebe penetrieren (9, 20). Im Ge- gensatz dazu konnten für andere Anti- biotika, zum Beispiel die Aminoglyko- sid-Antibiotika Netilmicin und Tob- ramycin keine antibakteriell aktiven Pankreaskonzentrationen nachgewiesen werden.

Klinische Studien

Basierend auf pharmakokinetischen Daten wurden kontrollierte klinische Studien zur frühzeitigen prophylakti- schen Antibiotikagabe bei nekrotisie- render Pankreatitis initiiert (Tabelle 5).

Pederzoli et al. konnten in einer ran- domisierten Untersuchung zeigen, dass die frühzeitige Gabe von Imipenem (3 × A

A118 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

´ Tabelle 4C´

Keimspektrum von 92 Patienten mit infizierten Pankreasnekrosen

Isolierte Keime aus intraoperativen Abstrichen Anzahl Prozentuale Verteilung

Gramnegative Bakterien 58 35

Escherichia coli 30 18

Klebsiella spp. 16 10

Proteus spp. 4 2

Pseudomonas spp. 3 2

Bacteroides spp. 5 3

Grampositive Bakterien 57 35

Enterokokken 33 20

Staphylococcus aureus 15 9

Staphylococcus epidermidis 9 6

Andere Bakterien 26 16

Candida spp. 22 14

Isolierte Keime gesamt 163 Aus (23), mit freundlicher Erlaubnis der Autoren.

(4)

0,5 g) die Anzahl infizierter Nekrosen und die Anzahl extrapankreatischer In- fektionen in der Therapiegruppe signi- fikant gegenüber der unbehandelten Kontrollgruppe reduziert. Allerdings differiert die Letalität und auch die Ra- te des Multiorganversagens nicht zwi- schen den beiden Gruppen (31).

In teilweisem Widerspruch hierzu er- scheinen die Ergebnisse einer finni- schen prospektiven, randomisierten Studie, bei der Cefuroxim (3 × 1,5 g/Tag) untersucht wurde im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgrup- pe. In der Therapiegruppe fand sich ei- ne signifikante Reduktion der Letalität ohne Reduktion der Anzahl infizierter Pankreasnekrosen (36). Diese Studie ist bis heute die einzige Untersuchung, die eine Reduktion der Letalität durch Antibiotikaprophylaxe bei nekrotisie- render Pankreatitis zeigt. Allerdings sind die Ergebnisse problematisch.

Zwei der Todesfälle in der Therapie- gruppe traten während der ersten Tage nach Pankreatitisbeginn auf und sind nicht Folge septischer Komplikationen, die charakteristischerweise erst im spä- teren Verlauf der Erkrankung auftre- ten. Wird die Letalitätsanalyse auf sep-

sisbedingte Todesfälle beschränkt, fehlt die statistische Signifikanz.

In einer eigenen prospektiven Studie in der Klinik der Autoren konnte ge- zeigt werden, dass Prophylaxe mit Oflo- xacin und Metronidazol den APACHE- 2-Score zehn Tage nach Pankreatitisbe- ginn im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe signifikant reduziert (37).

Bassi und Mitarbeiter haben das be- reits früher untersuchte Regime mit Imipenem (3 × 500 mg/Tag) verglichen mit Pefloxacin (2 × 400 mg/Tag). Ein- geschlossen wurden nur Patienten mit einer computertomographisch nach- gewiesenen Nekroseausdehnung von mehr als 50 Prozent der Bauchspei- cheldrüse. Diese Patienten sind durch eine besonders schlechte Prognose und eine hohe Rate an septischen Kompli- kationen gekennzeichnet (21, 22). Als wesentliches Ergebnis fand sich eine Reduktion intrapankreatischer und ex- trapankreatischer Infektionen in der Imipenemgruppe; die Letalität beider Gruppen unterscheidet sich nicht stati- stisch signifikant (1). Bemerkenswer- terweise entspricht die Rate septischer Komplikationen unter Pefloxacin der

unbehandelten Kontrollgruppen ande- rer Studien (31, 36). Alle Patienten, die trotz Imipenemprophylaxe infizierte Nekrosen entwickelten sind im späte- ren Verlauf der Erkrankung verstor- ben. Ein wesentliches Ergebnis dieser Studie ist die Tatsache, dass in der Pe- floxacingruppe gehäuft Infektionen mit Candida glabrata gefunden wurden.

Andere Untersuchungen unterstrei- chen die schlechte Prognose von loka- len Candidainfektionen bei nekrotisie- render Pankreatitis, die häufig nach längerer antibiotischer Vortherapie be- obachtet werden (17–19, 23). Die Tatsa- che, dass alle Patienten der Bassi-Stu- die, bei denen eine Candidainfektion aufgetreten ist, im späteren Verlauf der Erkrankung verstorben sind, unter- streicht den Stellenwert der Pilzinfek- tionen bei nekrotisierender Pankreati- tis.

Zielsetzung einer jüngst publizierten finnischen Studie war es, durch die Ga- be von Imipenem die nekrotisierende Pankreatitis rein konservativ zu behan- deln (29). In einer Patientengruppe wurde die Therapie mit Imipenem bin- nen 48 Stunden nach Klinikaufnahme initiert, die andere Gruppe erhielt Imi-

´ Tabelle 5C´

Prospektiv randomisierte Studien zur Antibiotikaprophylaxe bei nekrotisierender Pankreatitis

Autor Antibiotikum Dosierung Anzahl Letalität Infizierte Nekrosen

Patienten gesamt Anzahl Patienten Prozent Anzahl Patienten Prozent

Pederzoli et al. 1993 Imipenem 3 x 0,5 g 41 3 7 5 12*2

(31) Kein Antibiotikum 33 4 12 10 30*2

Sainio et al. 1995 Cefuroxim 3 x 1,5 g 30 1 3*2 9 30

(36) Kein Antibiotikum 30 7 23*2 12 40

Delcenserie et al. 1996 Ceftazidime 3 x 2 g

(11) + Amikacin 2 x 7,5 mg/kg 11 0 0

+ Metronidazol 3 x 0,5 g

Kein Antibiotikum 12 3 25 4 33

Schwarz et al. 1997 Ofloxacin 2 x 200 mg 13 0 8 62

(37) + Metronidazol 2 x 500 mg

Kein Antibiotikum 13 2 15 7 54

Bassi et al. 1998 Imipenem 3 x 500 mg 30 3 10 3 10*2

(1) Pefloxacin 2 x 400 mg 30 7 24 10 34*2

Nordback et al. 2001 Imipenem (sofort) 3 x 1 g 25 2 8 2 8*1,*2

(29) Imipenem 3 x 1 g 33 5 15 14 42*1,*2

(verzögert)

*1, Zielgröße: Versagen der Initialtherapie, Nekroseinfektion nicht bewiesen; *2, statistisch signifikante Unterschiede

(5)

penem erst dann, wenn eine klassische OP-Indikation vorlag im Sinne eines persistierenden septischen Krankheits- bildes mit Verdacht auf infizierte Pan- kreasnekrosen. Bemerkenswerterweise verbesserte sich der Zustand von neun Patienten in dieser Therapiegruppe nach Initiierung der Imipenemtherapie;

die Pankreatitis konnte erfolgreich konservativ weiterbehandelt werden.

Im Gegensatz hierzu sind alle Patien- ten, die einer operativen Therapie un- terzogen wurden im weiteren Verlauf verstorben. Dies gibt Anlass zu Zwei- feln an der korrekten Indikationsstel- lung zur chirurgischen Therapie (4).

Risiken der

Antibiotikatherapie

Der Einsatz von Antibiotika bei nekro- tisierender Pankreatitis ist nicht ohne Risiken. Wie schon erwähnt scheint ein Zusammenhang zu bestehen zwischen dem regelmäßigen, langfristigen Ein- satz von Breitspektrumantibiotika bei dieser Erkrankung und dem Auftreten von Candidainfektionen mit schlechter Prognose. Auch werden zunehmend grampositive Bakterien in infizierten Pankreasnekrosen nachgewiesen. Die- ser Wechsel im Keimspektrum scheint ebenfalls assoziiert zu sein mit dem rou- tinemäßigen Gebrauch von Antibiotika (27).

Leitlinien und evidenz- basierte Medizin

Die derzeitige Datenlage führte zur all- gemeinen Propagierung der Antibioti- kaprophylaxe bei schwerer akuter Pankreatitis (10, 12, 39). Mehrere Fach- gesellschaften haben in ihren Leitlinien im Sinne einer evidenz-basierten Medi- zin zu dieser Frage Stellung bezogen (Tabelle 6). Dies hat unmittelbare Aus- wirkungen auf das ärztliche Therapie- verhalten: Eine Fragebogen-Untersu- chung in Großbritannien zeigte, dass 88 Prozent der antwortenden Chirurgen Antibiotika bei schwerer akuter Pan- kreatitis einsetzen. Etwa ein Viertel der Ärzte wendet Antibiotika auch bei der milden Verlaufsform an, bei der sicher- lich keine Vorteile für die Patienten zu

erwarten sind. Außerdem werden nur in der Hälfte der Fälle auch die Anti- biotika eingesetzt, die ihre Wirksamkeit im Rahmen von klinischen Studien be- wiesen haben (32).

Die Empfehlungen der Fachgesell- schaften basieren auf kontrollierten, nicht aber auf verblindeten Studien. Ei- ne Verblindung erscheint gerade bei dieser Fragestellung sehr wichtig, da der zu erwartende positive Effekt von Antibiotika im Sinne der Studienziel- setzung die Therapieentscheidungen, insbesondere die Antibiotikagabe in der initial unbehandelten Kontroll- gruppe, beeinflusst haben könnte. Es sollte nicht vergessen werden, dass in allen bisher publizierten Untersuchun- gen die Patientenzahl 30 bis 40 pro The- rapiegruppe nicht überschritten wurde.

Summarisch sind damit weltweit nicht mehr als etwa 150 Patienten unter kon- trollierten Bedingungen einer Antibio- tikaprophylaxe unterzogen worden.

Untersuchungen mit größeren Patien- tenzahlen sind aufgrund der Komple- xität des Krankheitsbildes und der ge- ringen Prävalenz der nekrotisierenden Pankreatitis schwierig und erfordern ei- ne multizentrische Durchführung mit einem präzisen Studienprotokoll. Mo- mentan läuft in Deutschland eine multi- zentrische Doppelblindstudie zum The- ma Antibiotika bei schwerer akuter Pankreatitis (ASAP-Studie). Patienten erhalten entweder Ciprofloxacin (2 × 400 mg/Tag) in Kombination mit Me- tronidazol (2 × 500 mg/Tag) oder Place- bo.

Gegenwärtig häufen sich aus diesen Gründen Stimmen, die den prophylak- tischen Einsatz von Antibiotika bei ne-

krotisierender Pankreatitis kritisch hin- terfragen und in diesem Zusammen- hang auf die ungenügende Datenlage und die vermeintlichen Risiken verwei- sen (4, 38). Dieser Standpunkt wird auch von den Autoren dieses Beitrags vertreten. Obwohl es anhand der vor- liegenden Daten und in Anbetracht der Schwere des Krankheitsbildes vorder- gründig schwierig erscheint auf eine prophylaktische Antibiotikagabe bei nekrotisierender Pankreatitis zu ver- zichten, muss die Fragestellung unver- ändert kritisch und in keinem Falle als definitiv beantwortet gesehen werden.

Es wird Ziel weiterer Untersuchungen, unter anderem der ASAP-Studie, sein, die Patientengruppen zu identifizieren, die tatsächlich von einer Antibiotika- prophylaxe profitieren.

Manuskript eingereicht: 21. 5. 2001, angenommen: 24. 7. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 116–122 [Heft 3]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Hans G. Beger Abteilung Chirurgie I Chirurgische Universitätsklinik Universität Ulm

Steinhövelstraße 9, 89075 Ulm E-Mail: hans.beger@medizin.uni-ulm.de

A

A122 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 3½½½½18. Januar 2002

´ Tabelle 6C´

Empfehlungen von Fachgesellschaften zur Antibiotikaprophylaxe bei nekrotisierender Pankreatitis

American College of 1997 It is reasonable to initiate antibiotic therapy in Gastroenterology severe acute pancreatitis.

British Society of 1998 There is a place for prophylactic antibiotics early Gastroenterologists in an attack of AP predicted as severe. Cefuroxime is

currently the antibiotic recommended.

DGVS/DGC/DGVC 2000 Antibiotika sollen nicht generell prophylaktisch gegeben werden. Eine Indikation . . . kann sein: nekrotisierende Verlaufsform, schwere Verlaufsform.

DGVS, Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten; DGC, Deutsche Gesellschaft für Chirurgie;

DGVC, Deutsche Gesellschaft für Visceralchirurgie

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