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Archiv "Sachverständige ließen noch viele Fragen offen" (12.03.1987)

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THEMEN DER ZE

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Knapp sieben Stunden dauerte die „Fragestunde" am 23. Februar zum ersten Jahresgutachten des Sachverständigenrates für die Kon- zertierte Aktion im Gesundheitswe- sen: Der Bundesarbeitsminister hat- te dazu eingeladen, um in Vorberei- tung der am 26. März anstehenden Aussprache in der Frühjahrssitzung der Konzertierten Aktion den Betei- ligten Gelegenheit zu geben, die über 500 Seiten umfassende Experti- se mit den Ratsmitgliedern zu erör- tern und ergänzende Fragen zu stel- len. Für die Aussprache am 26.

März sind zwei Stunden vorgesehen.

Ob dies ausreichen wird, ist nach dem Gang der Diskussion fraglich.

Presseberichte und -kommentie- rungen über erste Verlautbarungen zum Gutachten hatten im Vorfeld zu Fehldeutungen und Mißverständnis- sen geführt. Diese wurden zu Be- ginn der Sitzung ausgeräumt. Die Vorsitzende des Rates, Frau Dr.

Rosemarie Scheurlen, nahm dies zum Anlaß, in ihrem einführenden Statement noch einmal den Auftrag des Gremiums zu umreißen. Sie be- tonte ausdrücklich die Unabhängig- keit der Gutachter. Der Rat verste- he sich als wissenschaftliche Bera- tungsinstanz für die Konzertierte Aktion. Dies gelte sowohl für die sektorübergreifende Betrachtung des Teils A des Gutachtens, in dem die Rolle ökonomischer und medizi- nischer Orientierungsdaten, die de- mographische und gesundheitliche Entwicklung sowie Angebot und In- anspruchnahme von Gesundheitslei- stungen / wirtschaftliche und finan- zielle Rahmenbedingungen darge- stellt sind, als auch für die Analyse und die Vorschläge zum Arzneimit- telbereich, zur stationären Versor- gung und zur zahnmedizinischen Versorgung in Teil B. Alle Lösungs- ansätze, so Frau Scheurlen, seien als Anregungen und Vorschläge für die mit allen Beteiligten zu führende Diskussion zu verstehen — eine Fest-

stellung, auf die im Laufe der De- batte die Gutachter immer wieder Wert legten.

In der anschließenden Grund- satzaussprache stimmten alle Dis- kussionsredner, selbst die Zahnärz- te, die ansonsten mit heftiger Kritik nicht sparten, darin überein: das Gutachten enthalte eine Reihe be- deutsamer Denkanstöße und trage insgesamt dazu bei, zu einer sachge- rechten medizinischen und ökono- mischen Beurteilung des Gesund- heitswesens zu gelangen. Allgemein begrüßt wurde die ausgewogene

Anhörung zum

Jahresgutachten für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

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übergreifende Betrachtung des Teils A des Gutachtens. Die von den Sachverständigen empfohlene Ge- sundheitsberichterstattung wurde als eine Schwerpunktaufgabe für die Zukunft gesehen — wenn auch offen- blieb, wie eine solche Berichterstat- tung in der Praxis aussehen könnte.

Medizinische Orientierung immer noch lückenhaft Die Ärztevertreter — für die Bundesärztekammer deren Präsi- dent, Dr. Karsten Vilmar, und für die Kassenärztliche Bundesvereini- gung deren Hauptschäftsführer, Dr.

Eckart Fiedler — unterstrichen, an- knüpfend an die gemeinsame Pres- seerklärung der ärztlichen Organisa- tionen und Verbände vom 12. Fe- bruar*), die Bedeutung des Gutach- tens für die Entwicklung medizini- scher Orientierungsdaten. Mit dem

*) Darüber wurde bereits in Heft 9 vom 26. Februar berichtet.

Hinweis auf die Dringlichkeit der Entwicklung aussagefähiger medizi- nischer Orientierungsdaten hätten die Gutachter die von der Ärzte- schaft seit Jahren erhobene Forde- rung bestätigt. Das Gutachten selbst erweise die Dringlichkeit; zeige die- ses doch, daß in vielen Bereichen unbedingt benötigte medizinische Orientierungsdaten auch den Sach- verständigen für ihre Arbeit nicht zur Verfügung standen, andere Da- ten nicht ihrem Gewicht entspre- chend berücksichtigt wurden.

■ Der Präsident der Bundesärz- tekammer verwies in diesem Zusam- menhang insbesondere auf die um- fangreichen Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bun- desärztekammer und des Zentralin- stituts für die kassenärztliche Ver- sorgung in der Bundesrepublik Deutschland, die der Konzertierten Aktion bereits im Herbst 1984 vor- gelegt worden waren. Dr. Fiedler vermißte u a hinreichende Aussa- gen insbesondere zur Problematik der Rentner-Krankenversicherung.

Wer Beitragssatzstabilität in der ge- setzlichen Krankenversicherung for- dere, müsse auch den Ursachen für Beitragssatzsteigerungen auf den Grund gehen.

Fiedler vermißte generell eine stringentere Auswertung und Be- rücksichtigung der in Teil A analy- sierten Daten in der sektoralen Be- trachtung der in Teil B untersuchten Bereiche Arzneimittel, Kranken- haus und zahnmedizinische Versor- gung. So entstehe der Eindruck, als sei letztlich doch die Budgetierung das Allheilmittel. Ziel der gemeinsa- men Analyse und der weiteren Dis- kussion müsse es daher sein, vorhan- dene Lücken und Mängel zu beseiti- gen, um eine exakte, wissenschaft- lichen Kriterien standhaltende Ana- lyse und Bewertung zu schaffen.

Dies sei Voraussetzung für eine po- sitive Weiterentwicklung des Ge- sundheitswesens bei gleichzeitiger Sicherung der Finanzierbarkeit und der Beitragssatzstabilität in der ge- setzlichen Krankenversicherung.

Mangelnde Kongruenz merkten die Ärztevertreter insbesondere auch im Verhältnis der sektoralen Analyse (Teil B) zum Teil C (Zu- sammenfassung) an. Die Zusam-

Sachverständige ließen noch viele Fragen offen

A-620 (20) Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987

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Dr. med. Rosemarie Scheurlen, Homburg (Saar)

Weitere Mitglieder:

Prof. Dr. med. Martin Michael Arnold, Anatomisches Institut, Universität Tübingen

Prof. Dr. med. Peter Helmich, Brüggen

Prof. Dr. med. Friedrich- Wilhelm Schwartz, Institut für Sozialmedizin und Epidemiolo- gie, Medizinische Hochschule Hannover

Prof. Dr. rer. pol. Klaus-Dirk Henke, Institut für Volkswirt- schaftslehre, Abt. Öffentliche Finanzen, Universität Hannover Prof. Dr. Martin Pfaff, Ph. D., Lehrstuhl für Volkswirtschafts- lehre, Universität Augsburg Prof. Dr. rer. pol. Detlev Zöll- ner, Bonn

Die Mitglieder

des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

[ Vorsitzende:

menfassung in C wirke wie eine be- reinigte bzw. entschärfte Kurzfas- sung der zum Teil sehr viel weiter gehenden Vorschläge in B. Eine Kritik, die im übrigen auch von sei- ten des Vertreters der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Apo- theker sowie von den Sprechern der Pharmaindustrie und besonders massiv von den Zahnärzten ange- meldet wurde. Verknüpft war damit die Frage an die Sachverständigen, welche Aussagen denn nun gelten sollten und in welchem Umfang das Gutachten von allen Ratsmitglie- dern einheitlich mitgetragen würde.

Direkt an das Bundesarbeitsmi- nisterium gerichtet war schließlich die Frage, welche Rolle das Gutach- ten in den Koalitionsverhandlungen spielte. In der Koalitionsvereinba- rung wird das Gutachten immerhin gleich zu Beginn als Grundlage für den im Herbst dieses Jahres vorzule- genden Strukturreformgesetzent- wurf apostrophiert.

Strikte Bindung an die Konzertierte Aktion

Dazu betonten in der Stellung- nahme zur Grundsatzaussprache Staatssekretär Höpfinger und Mini- sterialdirektor Jung ausdrücklich die strikte Bindung des Sachverständi- genrates an die Konzertierte Ak- tion. Entsprechend sei auch das Gutachten eindeutig auf die Konzer- tierte Aktion bezogen. Diese habe zu prüfen, ob und inwieweit sie die Empfehlungen des Gutachtens in ih- re Empfehlungen einbeziehen kön- ne. Diese klare Zuordnung werde aber nicht dadurch eingeschränkt, daß im Rahmen der Koalitionsver- handlungen sowie wichtiger politi- scher Fragen das Gutachten darüber hinaus auch in die politische Diskus- sion beispielsweise um die anstehen- de Strukturreform einbezogen werde.

Für den Sachverständigenrat stellte Frau Dr. Scheurlen fest, daß alle Sachverständigen geschlossen zu dem Gutachten stehen und dieses insgesamt vertreten. Sie hätten ihre Aufgabe eindeutig nur auf die Kon- zertierte Aktion bezogen gesehen.

Zu dem Eindruck, der Rat favorisie-

re ein Budgetdenken, erklärte Pro- fessor Schwartz, dies sei keineswegs der Fall. Das Bemühen, Anreize für alle Beteiligten zu schaffen, sowie die intendierte Stärkung der Selbst- verwaltung hätten im Gegenteil Vorrang vor jeder Budgetierung.

Professor Arnold räumte ein, daß ei- ne stärkere Differenzierung in man- chen Aussagen wünschenswert ge-

wesen wäre, aber aus Gründen der Einheitlichkeit und Praktikabilität für die politische Diskussion und Entscheidungsfindung Kompromis- se notwendig gewesen seien.

Im Hinblick auf eine kurzfristige Umsetzung in Empfehlungen der Konzertierten Aktion, welche die Sprecherin der Kommunalen Spit- zenverbände bezweifelt hatte, unter- strich Professor Henke noch einmal die Notwendigkeit, die in § 405 a

RVO vorrangig angelegte kurzfristi- ge Betrachtung durch mittel- und längerfristige Analysen zu ergänzen.

Wenn der Rat lediglich Orientie- rungsdaten jeweils für die jährlichen Empfehlungen der Frühjahrssitzung der Konzertierten Aktion vorlegen sollte, so wäre ein Überwinden des allseits als unzureichend und unbe- friedigend empfundenen Denkens in Versorgungsblöcken nicht möglich.

Eine heftige Kontroverse löste die Diskussion zwischen den Zahn- ärzten und den Gutachtern aus. Der Vorsitzende der Kassenzahnärzt- lichen Bundesvereinigung (KZBV) hatte massive Kritik an der „Ag- gressivität" der Aussagen zum zahn- medizinischen Bereich geübt. Er verband damit den Vorwurf, viele Aussagen des Gutachtens seien sachlich falsch, und die im Gutach- ten erhobene Kritik an der Arbeits- weise der Zahnärzte sei völlig unge- rechtfertigt. Er warf dem Rat weiter vor, sich nicht ausreichend zahnme- dizinischen Sachverstandes bedient zu haben. Er forderte schließlich ei- ne systematische Untersuchung be- ziehungsweise Korrektur des zahn- medizinischen Teils durch ein unab- hängiges Gutachtergremium, eine Forderung, die schon aus Verfah- rensgründen nicht realisierbar ist.

Sie wurde seitens des Arbeitsmini- steriums und des Sachverständigen- rates denn auch einhellig abgelehnt.

Daraufhin kündigte der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundes- vereinigung eine dezidierte schrift- liche Stellungnahme der KZBV und der Bundeszahnärztekammer zum Gutachten an.

Eine Vielzahl kritischer Fragen und Argumente

Die vierstündige Dikussion am Nachmittag konzentrierte sich auf die Aussprache über die in Teil B des Gutachtens getroffenen Aussa- gen zum Arzneimittelbereich, zur stationären Versorgung und zum zahnmedizinischen Bereich. Erwar- tungsgemäß wurden die Sachver- ständigen hierzu mit einer Vielzahl von kritischen Fragen und Argu- menten konfrontiert. Mancher Punkt konnte direkt geklärt werden, Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987 (21) A-621

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vieles blieb kontrovers in Rede und Gegenrede stehen.

Breiten Raum nahm die Aus- sprache zum Arzneimittelbereich ein. Seitens des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie wurde unter Hinweis auf eine Reihe sachlicher Ungenauigkeiten und Fehler im Gutachten eine schrift- liche Stellungnahme angekündigt.

Erhebliche Bedenken meldeten die Vertreter der Pharmaindustrie, der Apotheker und der Ärzteschaft ge- gen die globale Behauptung an, die Ausgaben der gesetzlichen Kran- kenversicherung für Arzneimittel könnten um 20 bis 25 Prozent ge- senkt werden, ohne die Qualität der medizinischen Versorgung dadurch zwangsläufig zu beeinträchtigen. Zu den Realisierungsvorschlägen nah- men die Sprecher der pharmazeuti- schen Industrie und der Apotheker dezidiert Stellung. Die dieser An- nahme zugrundeliegenden Modell- rechnungen wurden generell ange- zweifelt. Im übrigen sei die medizi- nische Entwicklung entschieden zu wenig berücksichtigt. Gerade auch in diesem Zusammenhang hätten Faktoren wie Krankheitsspektrum, Multimorbidität und Dauerbehand- lungsbedürftigkeit in die Betrach- tung einbezogen werden müssen.

In ihrer Stellungnahme räumten die Sachverständigen ein, daß das erwartete Einsparpotential auf einer fiktiven Rechnung beruhe. Sie ver- wiesen in diesem Zusammenhang auch auf das noch ausstehende Gut- achten zum ambulanten Bereich, von dem sie sich diesbezüglich mehr Sicherheit in der Beurteilung ver- sprechen.

Massive Kritik an

Bonus-Malus-Vorschlägen Auf massive Kritik stieß die Forderung der Gutachter, das In- strument des Arzneimittelhöchstbe- trages dahingehend zu verschärfen, daß künftig Einsparungen durch Er- höhung der kassenärztlichen Ge- samtvergütung und umgekehrt Überschreitungen durch Kürzung der kassenärztlichen Gesamtvergü- gung ausgeglichen würden. Die Ärz- teseite wies, unterstützt von den

Vertretern der pharmazeutischen Industrie und der Apotheker, darauf hin, daß angesichts der demographi- schen Entwicklung in der Bundesre- publik Deutschland mit einer Zu- nahme des Arzneimittelverbrauchs gerechnet werden müsse. In den letzten zehn Jahren habe sich ge- zeigt, daß allein die Entwicklung in der Krankenversicherung der Rent- ner für den überproportionalen Aus- gabenzuwachs im Hinblick auf die Zunahme der Grundlöhne aus- schlaggebend gewesen sei. Allein aufgrund dieser Entwicklung sei die vorgeschlagene Lösung medizinisch nicht vertretbar. Darüber hinaus sei die mit dem Vorschlag verbundene Kollektivhaftung der Gesamtkassen- ärzteschaft rechtlich problematisch und auch von daher abzulehnen.

Im übrigen sei die Verschärfung des Arzneimittelhöchstbetrages kein neuer Vorschlag. Bereits der Refe- rentenentwurf zum Krankenversi- cherungs-Kostendämpfungsgesetz hatte vorgesehen, bei Uberschreiten des Arzneimittelhöchstbetrages eine Regelung über Art und Umfang des Ausgleichs durch Anrechnung auf die Gesamtvergütung zu treffen.

Aufgrund ordnungspolitischer Be- denken des Bundesrates war der Vorschlag im Laufe des Gesetzge- bungsverfahrens fallengelassen wor- den. Übereinstimmend sahen die Kritiker des Bonu-Malus-Vorschla- ges die Gefahr einer erheblichen Be- einträchtigung des Patient-Arzt- Verhältnisses im Falle einer Kopp- lung des ärztlichen Honorars mit den Ausgaben für verordnete Arz- neimittel.

Ein Konsens konnte in diesem Punkt nicht erzielt werden. Ange- sichts der Argumentation einiger Gutachter in diesem Zusammenhang darf man gespannt sein, wie das Gut- achten zum Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung zumindest in diesem Punkt ausfallen wird.

Kritische Fragen wurden auch zum Krankenhausbereich gestellt.

Zwar bestand weitgehend Einigkeit darüber, daß es wünschenswert sei, die Verweildauer im Krankenhaus zu verkürzen, überzählige Betten abzubauen und die derzeit hohen Fallzahlen nach Möglichkeit zu sen- ken. Unklarheit herrscht jedoch

über den Weg dorthin. Für eine ab- schließende sachgerechte Beurtei- lung wurde auch hier auf das Gut- achten zum ambulanten Bereich ver- wiesen. Die Sachverständigen sowie die Krankenhaus- und Länderver- treter wiesen in diesem Zusammen- hang insbesondere auf die Frage der

„Verzahnung" zwischen ambulan- ter und stationärer Versorgung hin.

Als dringend lösungsbedürftig, zur Zeit aber ebenfalls ohne erkennba- ren Lösungsansatz wurde dabei auch die Frage der Fehlbelegung mit Pfle- gefällen diskutiert. Diese Frage sei auch im Zusammenhang mit der fi- nanziellen Absicherung des Pflege- fallrisikos zu sehen.

Kritisch beurteilt wurde von al- len Beteiligten der Vorschlag eines prospektiv geschätzten regionalen, altersabhängigen Pflegetagevolu- mens. Die Ländervertreter sahen hier die Schwierigkeit der Realisie- rung. Selbst wenn man zu Anhalts- zahlen der vorgeschlagenen Art kä- me, bliebe offen, wie diese auf das einzelne Krankenhaus zu beziehen sind. Im übrigen befürchteten sie er- hebliche zusätzliche Schwierig- keiten, wenn die heute schon bei der Umsetzung der Bundespflegesatz- verordnung schwierigen Vertragsbe- ziehungen noch um einen Partner (Kassenärzte) erweitert würden.

Dieser wäre zwangsläufig mit im Spiel; denn die Sachverständigen hatten mit dem Vorschlag auch für den Krankenhausbereich ein Bonus- Malus-System verknüpft. Bei Unter- schreitung des Pflegetagevolumens sollen nach ihren Vorstellungen die Kassenärzte „belohnt", bei Über- schreitung durch Kürzung der Ge- samtvergütung „bestraft" werden.

Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung hatte bereits in einer ersten Stellungnahme klargestellt, daß an- gesichts der Tatsache, daß das Pfle- getagevolumen entscheidend durch die Verweildauer im Krankenhaus geprägt wird, eine solche Belastung der Kassenärzte nicht tolerabel ist.

Stellvertretend für den Sachver- ständigenrat nahm Professor Arnold zu den Fragen und kritischen An- merkungen Stellung. Er betonte ein- leitend, daß die Nennung der Ge- samtausgaben für stationäre Versor- gung allein noch nichts über die A-622 (22) Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987

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Wirtschaftlichkeit des Krankenhaus- systems besagt. Das hohe Leistungs- volumen sei im wesentlichen bedingt durch hohe Fallzahlen und hohe Verweildauer. Diese Faktoren wie- derum hingen zusammen mit der Verzahnung zwischen dem stationä- ren und ambulanten Bereich einer- seits, zum Teil aber auch mit Fehlbe- legungen durch Pflegefälle anderer- seits. Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß 20 Prozent der Fälle im Krankenhaus zur Zeit Patienten betreffen, die le- diglich drei Tage im Krankenhaus sind. Eine Verkürzung der Verweil- dauer, so Arnold, politisch ge- wünscht, um Kosten einzusparen, sei medizinisch durchaus möglich, was Vergleichszahlen z. B. aus den Niederlanden eindeutig belegten.

Grundsätzlich aber hänge die Lö- sung des Problems entscheidend da- von ab, wie die nachstationäre Ver- sorgung der Patienten sichergestellt sei. Im Hinblick auf das vorgeschla- gene prospektiv geschätzte Pflegeta- gevolumen räumte er ein, daß eine Realisierung, zumal zwischen drei Partnern, sicherlich schwierig sei, verwies aber in diesem Zusammen- hang ebenfalls auf das Vorbild aus- ländischer Versorgungsmodelle und -strukturen.

Für den zahnmedizinischen Be- reich konnten der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesverei- nigung und der Präsident der Bun- deszahnärztekammer aufgrund der weit fortgeschrittenen Zeit nur noch kurz Stellung nehmen. Sie verwiesen auf die bereits in der Grundsatzaus- sprache angekündigte ausführliche schriftliche Stellungnahme. Den Vorwurf erheblicher Qualitäts- und Beratungsdefizite in der zahnärzt- lichen Versorgung wiesen sie scharf zurück. Nahezu in jedem Abschnitt des Gutachtens bemängelten sie un- zureichend bzw. falsche Sachaussa- gen. Die Meinungen prallten hart aufeinander. Die Ratsmitglieder be- riefen sich auf eine Reihe externer Beratungen, die sie in besonderem Maße zum zahnmedizinischen Be- reich in Anspruch genommen hät- ten, und hielten den Vertretern der KZBV und der Bundeszahnärzte- kammer entgegen, daß namentlich der von den Zahnärzten benannte

Die Aufgaben

des Sachverständigenrats

„Der Rat hat

1.die Entwicklungen in der gesundheitlichen Versorgung mit ihren medizinischen und wirtschaftlichen Auswirkun- gen zu analysieren

2. positive und negative Ent- wicklungen aufzuzeigen, 3. unter Berücksichtigung der finanziellen Rahmenbedingun- gen und vorhandener Wirt- schaftlichkeitsreserven Priori- täten für den Abbau von Ver- sorgungsdefiziten und beste- henden Überversorgungen zu entwickeln

und damit der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen Vorschläge für medizinische und ökonomische Orientie- rungsdaten vorzulegen."

Aus dem Erlaß über die Errichtung eines Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vom 12.

Dezember 1985 (§ 1).

Gutachter, Professor Dr. Willi Schulte, Tübingen, die im Gutach- ten getroffenen Aussagen gestützt habe. Die Positionen blieben auch in dieser Runde genauso kontrovers wie in der Grundsatzaussprache am Vormittag.

Ein Anfang ist gemacht, es bleibt noch viel zu tun

■ Zusammenfassend bleibt nach dieser ersten Aussprache nicht nur aus ärztlicher Sicht, sondern sicher auch für manchen anderen Beteilig- ten zweierlei festzustellen:

■ Die Aufgabe, medizinische und ökonomische Orientierungsdaten für die Konzertierte Aktion zu ent- wickeln, ist nur teilweise erfüllt. Ein wichtiger Anfang ist gemacht, aber hier ist, das hat auch die Aussprache bestätigt, sicher noch viel zu tun, um

zu der von allen gewünschten und dringend für notwendig befundenen medizinisch-gesundheitspolitischen Beurteilung und Entscheidungsfin- dung zu kommen

■ Zum anderen: Trotz aller Be- teuerungen des Bundesarbeitsmini- steriums und des Sachverständigen- rates selbst bleibt die Frage im Raum, ob der eindeutig auf die Kon- zertierte Aktion bezogene Auftrag nicht teilweise verfehlt worden ist.

Immerhin formulieren die Sachver- ständigen Vergütungsvorschläge und unterbreiten Empfehlungen, die nicht nur hart an der Grenze zur Empfehlungskompetenz der Kon- zertierten Aktion liegen, sondern zum Teil weit darüber hinaus auch dezidiert in Richtung Strukturre- form zielen. Auch dieser Eindruck wurde durch die Anhörung eher be- stätigt als widerlegt.

Das Problem haben die Sach- verständigen selbst gesehen. Im Gutachten heißt es in der Zusam- menfassung dazu: „Bei der Analyse wurde deutlich, daß sich das aktuelle Leistungsgeschehen unter teilweise falschen Anreizen entwickelt hat.

Die Konsequenz aus dieser Einsicht hätte sein müssen, nach Mitteln und Wegen zu suchen, die bestehenden falschen Anreize zu beseitigen und Strukturen vorzuschlagen, mit de- nen dies konsequent zu erreichen ist. Dies war dem Rat nur einge- schränkt möglich, denn er sollte ex- plizit Lösungen erarbeiten, die unter den gegebenen Rahmenbedingun- gen die Wirtschaftlichkeit des Sy- stems erhöhen. Aus der durch den Errichtungserlaß vorgegebenen Aufgabenstellung folgt, daß das Gutachten in erster Linie der medi- zinischen und ökonomischen Orien- tierung dient und die Ergebnisse nur indirekt zur Diskussion über Struk- turreform beigetragen."

Mit dieser Schwierigkeit wird man die Sachverständigen nicht al- lein lassen können. Von daher wird die Konzertierte Aktion am 26.

März nicht nur über die Einbezie- hung des Gutachtens in die von ihr abzugebenden Empfehlungen, son- dern auch über die Zielrichtung der weiteren Arbeit des Sachverständi- genrates nachzudenken haben.

Dr. Thomas Stührenberg Dt. Ärztebl. 84, Heft 11, 12. März 1987 (23) A-623

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