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Archiv "Pflegeversicherung: Noch viele Fragen offen" (18.06.2004)

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P O L I T I K

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A1784 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2518. Juni 2004

dienst auch auf spezielle Anforderun- gen zum Beispiel im Katastrophenfall schneller reagieren.

Aus Sicht des Vorsitzenden des Mar- buger Bundes (MB), Dr. med. Frank- Ulrich Montgomery, könnten sich die geplanten Schließungen und die damit verbundene Reduzierung der Zahl von Sanitätsärzten dennoch negativ auf die medizinische Versorgung auswirken.

„Bereits heute gestaltet sich die Ausbil- dung von Sanitätsärzten insbesondere durch den zunehmenden Ärztemangel schwierig.“ So konnten nach Angaben des MB Ende vergangenen Jahres 9,2 Prozent, das sind 216 der insgesamt 2 355 Dienstposten für Ärzte in der Bundeswehr, nicht besetzt werden.

Um Nachteile für die medizinische Ver- sorgung zu verhindern, sei eine sach- gerechte Kooperation mit zivilen Kran- kenhäusern erforderlich.

Zivile Einrichtungen können in die Bresche springen

Die Sorgen um die Ausbildungs- und Arbeitsplätze hält Stölten für unge- rechtfertigt. Zum einen werde das mi- litärische Personal, also auch die als Zeit- und Berufssoldaten beschäftigten Ärzte, generell in anderen Einrichtun- gen der Bundeswehr weiterverwendet.

Zum anderen hätten bereits erfolgte Schließungen von Bundeswehrkran- kenhäusern in den Jahren seit der Wie- dervereinigung gezeigt, dass entweder die Kapazitäten von Krankenhäusern der Umgebung übernommen werden konnten oder dass ein neuer Betreiber die frei werdenden Liegenschaften als Krankenhaus mit dem entsprechenden Ausbildungsumfang weiter genutzt hat.

Ähnliches gelte für die Sicherstellung der Versorgung der Zivilbevölkerung, da auch hier erfahrungsgemäß die zivi- len Einrichtungen in der Region in die Bresche springen würden.

Derzeit beschäftigen die acht Bundes- wehr-Krankenhäuser 5 070 Angestellte, darunter sind knapp 800 Ärztinnen und Ärzte. Von den 2 272 Betten der acht Häuser steht ein knappes Drittel (664 Betten) im Rahmen der Bedarfsplanung der Bundesländer oder auf der Grund- lage von Versorgungsverträgen für Zivil- patienten zur Verfügung. Petra Spielberg

D

ie Diskussion um die Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung hat sich in den letzten Tagen und Wochen weiter zugespitzt. Nach der parlamentarischen Sommerpause will das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung einen Gesetz- entwurf fertigstellen, mit dem das Ur- teil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 umgesetzt werden soll, das von 2005 an eine Entlastung von er- ziehenden gegenüber kinderlosen Pfle- geversicherten fordert. Andererseits haben verschiedene Spitzenverbände Vorstöße unternommen, diese verfas- sungsgerichtlich aufgetragene Gesetzes- änderung mit einer Revision sowohl der Finanzierung als auch mit einer Revision des Pflichtleistungskatalogs zu verbinden. Exponenten von solchen Änderungen sind Bündnis 90/Die Grü- nen und die PDS. Ähnlich argumentie- ren auch der Deutsche Pflegeverband (DPV) e.V., Neuwied, und die Arbeiter- wohlfahrt Bundesverband e.V.

Modell-Rechnungen

Das Bundesgesundheitsministerium rechnet zurzeit noch Finanzierungsmo- delle und politische Alternativen durch, nach denen Kinderlose künftig höhere Beitragssätze entrichten sollen. Erzie- henden und Pflegeversicherten mit Kin- dern soll dagegen ein Freibetrag einge- räumt werden. Am 27. Januar hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder die von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ins Gespräch gebrachte zusätz- liche Belastung für Kinderlose in Höhe von monatlich 2,50 Euro gestoppt. Wei- tere Belastungen seien zurzeit politisch und finanziell nicht darstellbar. Eine Verbesserung der Pflegeleistungen, für die ursprünglich auch Ulla Schmidt plä-

diert hatte und mit der Reform verbin- den wollte, steht zurzeit offenbar nicht auf der Dringlichkeitsliste der Regierung.

Die Reformalternativen ventilierten Experten anlässlich des Deutschen Pflegekongresses während des Haupt- stadtkongresses „Medizin und Gesund- heit“ am 5. Juni im ICC zu Berlin. So- wohl die Parteien als auch die Spitzen- verbände verteidigen die 1995 gestarte- te gesetzliche Pflegeversicherung, zu der es keine Alternative gebe und die inzwi- schen auch für andere EU-Länder als Vorbild gelte. Karl Jung, Staatssekretär a. D., einer der „Väter“ der Pflegeversi- cherung, will nicht an der fünften Säule der Sozialversicherung gerüttelt wissen.

Unterschiedliche Sicherungssysteme seien nicht angezeigt. Es müssten „Ver- schiebebahnhöfe“ stillgelegt werden, weil dies administrativ aufwendig und kostenintensiv für die Kranken- und Pflegeversicherung sei.

Nach der Beurteilung von Jung sind die erstmals seit 1999 aufgetretenen De- fizite der Pflegeversicherung „hausge- macht“. Der Gesetzgeber habe infolge unausgegorener Eingriffe die Beitrags- einnahmen vermindert und die Ausga- ben gleichzeitig durch neu eingeführte kostenträchtige Leistungen erhöht. Oh- ne Gesetzeseingriffe hätte es, so Jung, bis zum Jahr 2010 keine roten Zahlen gege- ben. Im Jahr 2003 betrug das Defizit rund 700 Millionen Euro, eine Finanzierungs- lücke, die sich so vergrößern dürfte, dass bereits im Jahr 2007 die finanziellen Re- serven völlig abgeschmolzen sind und der bisher unveränderte Beitragssatz von 1,7 Prozent erhöht werden müsste. Dies will aber die Bundesregierung unter allen Umständen vermeiden, um für Ruhe an der Beitragsfront zumindest bis zum Wahljahr 2006 zu sorgen.

Das Reformkonzept des Bundes- gesundheitsministeriums vom Januar

Pflegeversicherung

Noch viele Fragen offen

Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung

will nach der parlamentarischen Sommerpause die Eckpunkte

zur Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung fertigstellen.

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2004 sei untauglich gewesen; jetzt müssten aber tragfähige Finanzierungs- reformvorschläge vorgelegt werden. Zu- sätzliche Finanzierungsmittel könnten aber kaum zur Konsolidierung der Pfle- gekassen und zur Leistungsausweitung eingesetzt werden. Die Folgen einer all- gemeinen Leistungsverbesserung, etwa die Dynamisierung von Leistungen oder verbesserte Leistungen für Demenz- kranke, könnten nicht einer begrenzten Gruppe von Beitragszahlern aufgebür- det werden. Vieles deutet darauf hin, dass eine Gesamtreform erst nach der Bundestagswahl in Angriff genommen wird. Die pflegepolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Petra Selg, schließt indes eine kurzfristige Beitragserhöhung nicht mehr aus. Ein allgemeiner Bei- tragssatz von wenigstens zwei Prozent sei erforderlich, um die Pflegekassen notdürftig zu sanieren und neue Auf- gaben zu finanzieren. Allein die Ein- beziehung von rund 60 000 Demenz- kranken koste die Pflegekassen rund 500 Millionen Euro im Jahr zusätzlich.

Reform-Alternativen

Prinzipiell kommen folgende Lösungs- möglichkeiten bei der vom Bundesver- fassungsgericht geforderten Finanzie- rungsreform in Betracht:

>Steuerliche Neuregelung des Fami- lienlastenausgleichs insgesamt;

>Beitragsentlastung der Kinderer- ziehenden in der Pflegeversicherung;

>Beitragserhöhung für Kinderlose in der Pflegeversicherung, und zwar von 0,85 auf 1,0 beziehungsweise 1,1 Pro- zent (diese Lösung wird offenbar im Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung erörtert).

>Verwendung der Zusatzeinnah- men aus den Beitragserhöhungen für Kinderlose zur Entlastung der aktiv Kindererziehenden oder

>Verbesserung der allgemeinen Fi- nanzsituation im Hinblick auf die zu- sätzlichen Belastungen auf der demo- graphischen Verschiebung des Alters- aufbaus der Bevölkerung.

Karl Jung stellte an die Finanzie- rungsalternativen zwei Bedingungen:

keine Belastungen der Generationen, die früher Kinder erzogen haben, und keine Unterscheidung bei den Ursa-

chen der Kinderlosigkeit (Beachtung der Kausalitätstheorie).

Als weitergehende Reformvorstel- lungen werden zurzeit diskutiert:

>Dynamisierung der Pflichtleistun- gen;

>Einführung von bedarfsdeckenden Leistungen für Demenzkranke;

>erhebliche Verbesserung bei häus- licher Pflege nach dem Prinzip „ambu- lant vor stationär“;

>Einschränkung der Sachleistungen bei den Pflegestufen I und II;

>Einführung von Leistungen zur Prävention und zur medizinischen Re- habilitation für Pflegebedürftige;

>Abwendung weiterer Defizite aus der demographischen Entwicklung: Ge- samtaufwand dieser fünf Reformoptio- nen rund 3,35 Milliarden Euro jährlich.

In Reformpapieren und vor allem auch von der Herzog-Kommission der CDU wird ein teilweiser Übergang vom Umlagefinanzierungsverfahren zum Kapitaldeckungsverfahren als eine Re- formoption im Hinblick auf die demo- graphische Entwicklung gefordert. Jung wandte gegen das Kapitaldeckungsver- fahren ein: Die aktuellen Finanzie- rungsprobleme sowie die Forderung nach einer Leistungsdynamisierung und der Einführung neuer kostenwirk- samer Leistungen können dadurch nicht gelöst werden.

Andreas Storm, MdB, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, plädiert für eine

durchgreifende Finanzierungs- und Leistungskatalogreform, um zu vermei- den, dass sich der Pflichtbeitragssatz in den kommenden beiden Jahrzehnten mehr als verdreifacht. Die Lohnneben- kosten müssten entlastet werden. Zu- dem müsse der Pflegebegriff neu de- finiert und dem wachsenden Pflege- bedarf dementer Patienten Rechnung getragen werden. Storm empfiehlt, die derzeitige Staffelung der Leistungen in den Pflegestufen und die zu starke Spreizung der Leistungshöhe zwischen ambulanter und stationärer Pflege dem Bedarf anzupassen. Ziel sollte dabei eine „aufwandsneutrale Abflachung der Leistungsspreizung“ sein. Es dürften jedoch nicht die Vorschläge der Rürup- Kommission der Bundesregierung um- gesetzt werden, die eine Abwertung und Verringerung der Lei- stungen bei stationärer Pfle- ge auf Kosten der Pflegebe- dürftigen und der Sozialhil- feträger empfohlen hat. Um die häusliche Pflege aufzu- werten, müssten die pflegen- den Angehörigen finanziell besser unterstützt werden.

Der Deutsche Pflege- verband (DPV) e.V. emp- fiehlt, die Behandlungspflege aus der Pflegeversicherung (SGBXI) wieder in den Lei- stungskatalog der Kranken- versicherung zu verlagern (SGB V). Außerdem müsse die Dekubitus-Prophylaxe finanziert werden. Davon seien jährlich etwa 800 000 Versicherte betroffen. Das Versiche- rungssystem werde dadurch durch- schnittlich mit zwei Milliarden Euro, also mehr als der Gesamtausgabe für die ambulante Pflege – 1,7 Milliarden Euro – jährlich belastet. Die AWO Bun- desverband e.V. fordert eine jährliche Dynamisierung aller Leistungen, um reale Einbußen der finanziellen Hil- fen zu vermeiden. Zudem müsse die Pflegeversicherung als eine Bürger- versicherung ausgestaltet, die Beitrags- bemessungsgrenze auf die Höhe der Bemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung angehoben und sämtliche sieben Einkunftsarten bei der Beitragsbemessung herangezogen werden. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2518. Juni 2004 AA1785

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