ganangebot und -nachfrage die Ent- wicklung von Schwarzmärkten und Grauzonen. Es stelle sich daher die Frage, so Becker auf dem Essener Sym- posium, ob solchen Auswüchsen nicht gegengesteuert werden könnte. In den USA diskutiere man daher über die Möglichkeiten der Organspende zwi- schen nicht verwandten Spendern mit der Aussicht auf finanzielle Aufwands- entschädigungen.
Auch Broelsch kann sich durchaus vorstellen, Organspendern einen „Bo- nus“ zu gewähren, damit die Organ- spendezahlen wieder ansteigen. „Mit der Hoffnung auf Altruismus allein schaffen wir es nicht mehr, die Situation zu verbessern. Ich plädiere dafür, dass ein Organspender eine Anerkennung erhält. In welcher Form – darüber soll- te die Gesellschaft diskutieren.“ Er schlägt zum Beispiel vor, dass jede Per- son, die eine Organspenderkarte unter- schreibt, diese als Kopie dem Finanz- amt einreichen könnte, um steuerliche Vergünstigungen geltend zu machen.
Broelsch wehrt sich gegen Angriffe, mit dem Vorschlag indirekt den Organhan- del zu fördern. „Ich will nur einen Den- kanstoß geben“, sagte Broelsch dem Deutschen Ärzteblatt.
Für Prof. Dr. med. Martin Molzahn, Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Organtransplantation, kommt dieser Vorstoß zum falschen Zeitpunkt.
Für die Einführung einer „Bonusrege- lung“ müsse das Transplantationsge- setz geändert werden, das erst wenige
Jahre in Kraft sei und sich in vielen Be- reichen bereits jetzt als effektiv erwei- se. „Um Strukturen nachhaltig zu ver- bessern, brauchen wir Stabilität. Wer jetzt eine Novellierung des Transplan- tationsgesetzes betreibt, wird Schiff- bruch erleiden“, sagte Molzahn.
„Wir leben vom Vertrauen . . .“
Kontroverse Themen der Transplanta- tionsmedizin sollten zunächst in den geeigneten Gremien (zum Beispiel in der Bundesärztekammer und den Fach- gesellschaften) erörtert werden und nicht in den Medien. „Es ist notwendig, dass wir auf diesem sensiblen Feld mit einer Stimme sprechen.Wir leben vom
Vertrauen in den Krankenhäuser und der Bevölkerung. Beide müssen davon ausgehen können, dass in der Trans- plantationsmedizin alles mit rechten Dingen zugeht.“ Auch deshalb habe das Deutsche Rote Kreuz beispiels- weise darauf verzichtet, Blutspendern Geld zu zahlen.
Prof. Dr. med. Walter Land, Leiter des Transplantationszentrums der Uni- versität München, sieht medizinische und soziale Aspekte, weshalb die Le- bendspende stärker diskutiert werden müsse: „Je kürzer die Zeit der Dialyse, desto besser sind die Langzeitergebnis- se der Transplantation, und desto eher vermeidet man den Ausstieg des Patien- ten aus der Erwerbsfähigkeit.“
Zudem seien die Langzeitergebnisse der Nierentransplantation bei Lebend- spende besser als bei postmortaler Spende: 85 Prozent der Nierentrans- plantate vom lebenden Spender sind auch nach fünf Jahren noch funkti- onstüchtig, bei der postmortalen Spen- de sind es 70 Prozent. Nach Aussage von Land sind in bisherigen Langzeitstudi- en keine Spätfolgen bei Nierenspen- dern beobachtet worden.
Auch das Transplantationszentrum in Düsseldorf sieht aufgrund po- sitiver amerikanischer Publikationen eine Chance in der intensiven Förde- rung der Lebendnierentransplantati- on, vor allem bei Nicht-Verwandten.
Diese Form der Lebendspende müsse jedoch besonders streng kontrolliert werden, da sie – wie die Erfahrungen im Ausland gezeigt haben – zum Or- ganhandel missbraucht wird (www.
blick-in-den-op.de). Danach gehen Ex- perten davon aus, dass es gefälschte Bescheinigungen über Verwandtschaft gibt, wenn diese Voraussetzung zur Or- ganspende ist.
Formal sind Lebendspender in Deutschland durch das Transplantations- gesetz abgesichert, doch fehlt in vielen Bereichen die praktische Umsetzung.
Die Nachsorge der Spender ist nicht standardisiert und somit nach Ansicht von Experten unzureichend. Hier möch- te die vor wenigen Monaten gegründete
„Stiftung Lebendspende“ ansetzen, die sich für die Rechte und die Gesundheit von Menschen einsetzt, die eine Niere oder einen Teil ihrer Leber gespendet haben. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn P O L I T I K
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A1728 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 25½½½½21. Juni 2002
Lebendspende
Die Organentnahme von einer lebenden Person ist nach dem Transplantationsgesetz nur zulässig, wenn es sich um eine volljährige Person handelt, die in die Entnahme eingewilligt hat. Der Organ- spender ist zuvor über die Art des Eingriffs und mögliche mittelbare Folgen und Spätfolgen für seine Gesundheit durch den Arzt aufzuklären. Sein Leben darf über das Operationsrisiko hinaus nicht ge- fährdet sein. Der Eingriff ist durch einen Arzt vorzunehmen und nur erlaubt, wenn zum Zeitpunkt der Organentnahme kein geeignetes Organ eines toten Spenders zur Verfügung steht. Die Lebendspende ist nur zulässig zur Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobte oder Personen, die in besonderer persönlicher Beziehung stehen. Eine Organentnahme darf erst durchge- führt werden, wenn Organspender und -empfänger sich zu einer ärztlichen Nachbetreuung bereit er- klärt haben. Eine Kommission hat zu begutachten, ob die Einwilligung in die Organspende freiwillig erfolgt und nicht Gegenstand von Organhandel ist.
Organhandel
Es ist verboten, mit Organen, die einer Heilbehandlung dienen, Handel zu betreiben. Unter das Verbot fällt, solcherart gehandelte Organe zu entnehmen, zu verpflanzen oder sich selbst einpflanzen zu las- sen. Wer hiergegen verstößt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstra- fe bestraft. Bereits der Versuch eines Organhandels ist strafbar. Das Gericht kann bei Organspendern und Organempfängern bei Vorliegen eines Organhandels von einer Strafe absehen oder sie nach sei- nem Ermessen mildern.
Die diabetische Nephropathie ist eine der Hauptindikationen für eine Nierentransplan- tation. Foto: Aventis (Schauer, Göttingen)