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Archiv "Gesundheitsreform: Plädoyer für Totalumbau" (28.06.2002)

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ür eine Reform an Haupt und Glie- dern der Gesetzlichen Krankenver- sicherung und einen Totalumbau der parallel laufenden Systeme der Ge- setzlichen und privaten Krankenversi- cherung hat sich der Frankfurter Natio- nalökonom Prof. Dr. rer. pol. Wilhelm Hankel anlässlich eines Experten-Sym- posions der Vertragsärztlichen Bundes- vereinigung in Berlin eingesetzt.

Hankel, der vor allem als Währungs- politiker bekannt wurde, zuletzt durch seine Kritik an der Umstellung auf Euro, setzt sich dafür ein, dass die bisherige Marktabgrenzung zwischen Gesetzli- cher und freiwilliger (privater) Kranken- versicherung künftig vollends entfällt.

Dem Frankfurter Volkswirt schwebt eine generelle Versicherungspflicht in der Form der Kaskoversicherung vor (analog der Kfz-Haftpflichtversiche- rung) bei einer freigestellten Wahl des Versicherungsträgers und des

Leistungsangebotes. Die Versi- cherungsprämien sollten nach dem versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip risikoge- recht kalkuliert werden. Die staatliche Aufsicht könne inso- weit nicht suspendiert werden, als die Versicherungsaufsicht Mindeststandards festlegen sollte. Den Versicherten soll es freigestellt werden, einen stan- dardisierten Mindestleistungs-

katalog zu wählen oder sich auf Kasko- basis zusätzlich finanziell abzusichern.

Sämtliche in Deutschland Erwerbs- tätige sollten der Pflicht zur Versiche- rung in der Krankenversicherung unter- liegen, und zwar ohne eine Versiche- rungspflichtgrenze bei Wahlfreiheit der Leistungstarife. Künftig sollten in diese obligatorische Krankenversicherungs- pflicht sämtliche Arbeitnehmer und Selbstständige einbezogen werden, un- beschadet ihrer Einkommensverhältnis-

se. Neben der Lohnbezugsbasis sollten auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitaleinkünfte und Ge- winne der Unternehmen in die Finanzie- rungspflicht einbezogen werden. Durch eine Verbreiterung der Finanzierungs- basis ließe sich so der Solidarausgleich besser als jetzt vollziehen, und die bis- herigen Finanzierungsengpässe und die Krisenanfälligkeit der Krankenversiche- rung ließen sich überwinden. Hankel verspricht sich durch einen verstärkten Leistungs- und Qualitätswettbewerb der Versicherungsträger einen Druck auf die Preise (Beitragssätze), mehr Effizienz und vor allem eine Öffnung des Kran- kenversicherungs- und Gesundheits- dienstleistungsmarktes auch für die Bür- ger aus dem benachbarten Ausland. Zu- gleich könnten sämtliche europäischen Krankenkassen und private Versiche- rungen auf dem deutschen Gesundheits-

gütermarkt zugelassen werden. Die oft- mals lediglich regional zuständigen ge- setzlichen Krankenkassen würden da- durch ihre Gebiets- und Versicherungs- monopolstellung verlieren. Der so ent- fachte Versicherungswettbewerb zwinge die Versicherungsträger sowohl zu einer großflächigeren Reorganisation als auch zu einem internen Strukturausgleich oder zur weiteren Privatisierung.

Bei Erweiterung der Gesundheitswirt- schaft zu einem wachsenden, dynami-

schen Dienstleistungsmarkt müssten al- lerdings auch soziale und gesellschaftspo- litisch gewollte Elemente implementiert werden. Hankel zählt staatliche Auflagen zur Ausgestaltung der Krankenversiche- rungstarife zu den unverzichtbaren sozia- len Rahmenbedingungen seines Modells.

Dazu müsse eine Familienkomponente einbezogen werden, zum Beispiel die Mitversicherung erziehender Elternteile und der mitversicherbaren Kinder sowie einen rechtlich verbrieften Sozialtarif für sozial Schwache, Arbeitslose, Sozialhilfe- empfänger und einkommensschwache Rentner. Diese Personengruppen müss- ten sich zu den am Markt angebotenen Tarifen zwar versichern, der Staat sei je- doch verpflichtet, für diese Gruppen aus dem allgemeinen Steueraufkommen ent- weder Tarifzuschüsse zu zahlen,oder aber er beschränkt das Gesundheitssiche- rungssystem wie bisher auf einen gesetzli- chen Zweig.

Arbeitgeber in der Pflicht

Die Mitbeteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung der Gesundheits- und Krankheitskosten dürfe nicht suspen- diert werden. Das Modell soll nicht dazu instrumentalisiert werden, die Arbeitge- ber auf „kaltem Weg“ von den Lohnne- benkosten zu entlasten und ein markt- wirtschaftlich reformiertes Gesundheits- wesen zur Verbesserung des Wirtschafts- standortes Deutschland einzuspannen.

Im Modell werden sämtliche Kontrahie- rungszwänge und kartellähnliche Markt- bildungen abgeschafft zugunsten von kontrollierten Individualverträgen und versicherungstechnisch überwachten Ta- rifsystemen. Jeder Patient wird Direkt- kontrahent und Privatpatient im Verhält- nis zum Leistungserbringer. Das Arzt- Patienten-Verhältnis basiert demnach auf einem Privatbehandlungsvertrag, dem die Kostenerstattung zugrunde liegt.

Je nach Wahl des Tarifs sind Zuzahlungen und Selbstbehalte der Versicherten fällig.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen neuer Prägung könnten andere Aufga- ben als bisher übernehmen, zum Bei- spiel ein Engagement in der Qualitätssi- cherung, Fortbildung und in der Ent- wicklung brancheninterner Leitlinien für eine allerdings unverbindliche Ge- bührenordnung. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 26½½½½28. Juni 2002 AA1801

Gesundheitsreform

Plädoyer für Totalumbau

Wirtschaftsexperte Hankel setzt auf Liberalisierung und mehr Marktwirtschaft.

Prof. Dr. rer. pol.Wilhelm Hankel, Honorarprofes- sor an der Universität Frankfurt/Main: „Eine Liberalisierung des Ge- sundheitsmarktes wäre das größte und wirk- samste Beschäftigungs- programm der Nach- kriegszeit, ein zweites Beschäftigungswunder mit regionalen Schwer- punkten.“ Foto: Archiv

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