A 1376 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 31–32|
4. August 2014W
irklich überrascht waren die Verantwortlichen in Stadt und Landkreis Esslingen nach eige- nem Bekunden nicht, als das Bun- deskartellamt Mitte Mai die Zusam- menlegung der Kreiskliniken mit dem Klinikum Esslingen untersag- te. Man habe schon Signale im Vor- feld erhalten, hießes. Zwei Rechts- anwaltskanzlei- en wurden be -
auftragt, die Chancen für eine An- fechtung der Entscheidung zu eru- ieren. Das Ergebnis muss ziem- lich eindeutig ausgefallen sein.
Denn nicht einmal 14 Tage nach Eingang der Untersagung verzich- teten der Esslinger Kreistag und der Oberbürgermeister auf eine Klage.
Wettbewerb um Qualität
Der Fall zeigt exemplarisch, dass die Bonner Wettbewerbshüter Kli- nikfusionen unabhängig davon prü- fen, wer der Träger ist. Keineswegs nur die großen privaten Kranken- hausgruppen geraten ins Visier. „Es ist gut, dass die Fusionskontrolle besteht“, sagte Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts, bei der Erläuterung des Jahresbe- richts 2013 der Behörde in Bonn.Ziel der Fusionskontrolle sei es,
den Wettbewerb um die Qualität der Versorgung zu erhalten.
Im Fall Esslingen sah sich das Amt gezwungen einzuschreiten.
Das städtische Klinikum mit 625 Planbetten in sieben Fachabteilun- gen und Spezialzentren sollte mit den drei Häusern der Kreiskliniken (insgesamt 1 174 Betten in sieben Planabteilungen sowie zwei Medi- zinische Versorgungszentren) zu- sammengelegt werden. Da es in den Gebieten Esslingen und Kirch-
heim/Nürtingen keine weiteren Akutkrankenhäuser gibt, wäre
mit der Fusion ein marktbeherr- schender Klinikträger ent- standen. „Der Druck, sich
an Leistungs- und Quali- tätsverbesserungen des
jeweils anderen Kran- kenhauses auszurich- ten, würde entfallen“, begründete das Kartellamt
seine Entscheidung. Denn Kliniken in Stuttgart oder Tübingen stellten für die Patienten nur sehr be- grenzt eine Auswahlalternative dar.
Das Argument der beteiligten Kommunen, die Kreiskliniken be- fänden sich in einer finanziell schwierigen Situation, ließ das Kartellamt nicht gelten. Die Eigen- tümer hätten sich mit einer Beteili- gung anderer Träger als Alternative zur Fusion gar nicht befasst.
Von 2003 bis 2013 haben die Wettbewerbshüter mehr als 200 Zu- sammenschlüsse von Krankenhäu- sern geprüft. In 166 Fällen erteilten sie die Freigabe, sechsmal unter- sagten sie die Fusion. Die übrigen Fälle fielen nicht unter die Fusions- kontrolle oder sind noch nicht ab- geschlossen. Dass im umfassend re- gulierten Gesundheitswesen über- haupt die Fusionskontrolle des all- gemeinen Wettbewerbsrechts An- wendung findet, ist umstritten.
Schließlich geht es nicht wie bei
Lebensmitteln oder Benzin darum, einen funktionsfähigen Preiswett- bewerb zum Vorteil der Verbrau- cher zu sichern. Mundt räumt das ein. „Unser Ziel ist ausschließlich, den Wettbewerb um die Qualität der Versorgung der Patienten zu er- halten.“ Das Kartellamt wäge in je- dem Fall sorgfältig und mit Sensiti- vität ab, wie es vorgehe.
Analyse der Patientenströme
Geprüft wird die Wettbewerbssitua- tion von Krankenhäusern, deren Leistungen aus Sicht der Patienten vergleichbar sind. So werden Akut- krankenhäuser getrennt von Reha- Einrichtungen betrachtet. Bei der räumlichen Marktabgrenzung nimmt das Amt für sich in Anspruch, Pa- tientenströme genau zu analysie- ren. Bei der bisher größten Klinik- fusion in Deutschland, dem Er- werb von 40 Kliniken und 13 Me - dizinischen Versorgungszentren der Rhön-Klinikum AG durch Fresenius haben die Unternehmen aufgrund der Bedenken des Kartellamts nachträg- lich vier Standorte von der Übernah- me ausgeschlossen. Auch in der Ver- bindung zwischen Fresenius als Me- dizinprodukthersteller und Rhön als Abnehmer sah das Kartellamt letzt- lich aber keine Handhabe für eine Untersagung. Im Februar 2014 gab es grünes Licht für das Vorhaben.Die lange strittige Frage, ob auch Zusammenschlüsse von Krankenkas- sen der Fusionskontrolle unterliegen, wurde 2013 vom Gesetzgeber mit der Novelle des Gesetzes gegen Wettbe- werbsbeschränkungen bejaht. Mundt hatte sich für diese Klarstellung eingesetzt. Alle 2013 an gemeldeten Krankenkassenfusionen konnten im Vorprüfverfahren freigegeben wer- den, auch der Zusammenschluss der Betriebskrankenkasse Mobil Oil in Celle mit der Hypo Vereinsbank
BKK in München.
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Heinz Stüwe
Abbildung: Fotolia/Mopic (m)
KLINIKFUSIONEN
Kartellamt will Qualitätswettbewerb
Nicht nur die großen privaten Krankenhausgruppen, auch kommunale Träger geraten ins Visier der Wettbewerbshüter. Das belegt das Beispiel Esslingen.