Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 109|
Heft 11|
16. März 2012 A 507RANDNOTIZ
Nicola Siegmund-Schultze
Leicht gebeugter Rücken, der Blick klebt am Bürgersteig, eine Hand am Gehstock. Die Tasche, die am ande- ren Arm lose baumelt – sie muss gleich weg sein, denkt man, das wird sich nicht verhindern lassen.
Senioren gelten als leichte Opfer kriminellen Verhaltens. Wie sittlich aufrecht aber gehen sie selbst durchs Leben? Nur wenige Analysen des Dunkelfelds tragen dem demo-
grafischen Wandel Rechnung. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht der Universität Freiburg korrigiert das Bild von den korrekten Alten (Z Geriat 2011; 44: 55–65).
Knapp 2 000 Personen (Jahr- gang 1929 bis 1959) beantworteten Fragen nach 14 Deliktarten wie Fah- ren ohne gültigen Fahrschein, Steu- erbetrug, Diebstahl am Arbeitsplatz, Schwarzarbeit, „Wechselgeldirrtum“, Konsum unerlaubter Substanzen und Körperverletzung. Immerhin knapp zwölf Prozent der 71- bis 81-Jährigen gaben an, im letzten Jahr eines der Delikte mindestens ein Mal begangen zu haben, in der Altersgruppe der 60- bis 70-Jähri- gen war es schon jeder Vierte und unter den 49- bis 59-Jährigen jeder Dritte. Zwar betreiben die wenigsten Altersvorsorge mit der Waffe oder unter Einsatz körperlicher Kräfte, Vermögens- und Betrugsdelikte oh- ne Gewalt aber lagen auf den vorde- ren Rängen. Dabei waren die meis- ten Delinquenten finanziell gut abge- sichert und sozial integriert. An ers- ter Stelle aber stand Trunkenheit am Steuer. Fast jeder fünfte Mann der Gesamtgruppe hatte sich in den letzten zwölf Monaten mindestens ein Mal trunken ans Steuer gesetzt und fünf Prozent der Frauen. „Eini- germaßen alarmierend“, so die Stu- die, sei diese verbreitete Alkoholisie- rung älterer Verkehrsteilnehmer.
Trinken und Tricksen
Das Bundesgesundheitsministeri- um hat einen Gesetzentwurf vorge- legt, mit dem klargestellt wird, dass das Kartellrecht und die Fusions- kontrolle auch für die Krankenkas- sen gelten und das Bundeskartell- amt entsprechend zuständig ist.
Im September 2011 hatte das Landessozialgericht Hessen überra- schend geurteilt, dass das Kartell- amt nicht für die Krankenkassen zuständig sei, weil diese keine Un- ternehmen seien. In dem Verfahren ging es um eine gemeinsame Pres- sekonferenz mehrerer Kassen zu Beginn des Jahres 2010, bei der diese die Einführung von Zusatz- beiträgen ankündigten. Die Wettbe- werbsbehörde wertete dies als kar- tellrechtliche Absprache und wurde aktiv. Nach dem Urteil aus Hessen hatte das Bundeskartellamt ange- kündigt, keine Kassenfusionen mehr zu prüfen, zugleich aber den KASSENFUSIONEN
Das Kartellamt soll wieder zuständig sein
Gesetzgeber aufgefordert, diese Re- gelungslücke zu schließen. Dem folgt die Bundesregierung nun.
Mit der Gesetzesänderung wer- den das Kartellverbot und die Miss- brauchsaufsicht auf das Verhältnis der Kassen untereinander und zu den Versicherten für anwendbar erklärt.
Dies sei aber nur sinnvoll, wenn zu- gleich auch Konzentrationsprozesse kontrolliert würden, heißt es in der Begründung. „Dies gilt auch für die gesetzlichen Krankenkassen als Leistungsnachfrager, zumal die Zu- sammenschlusskontrolle auf die Un- ternehmen der Leistungserbringer- seite (zum Beispiel Arzneimittelher- steller, Krankenhäuser) unmittelbar Anwendung findet.“ Bislang hat das Bundeskartellamt noch nie einen Zusammenschluss von Kranken- kassen untersagt. Das Kartellrecht dürfte aber durchaus disziplinieren- de Wirkung entfaltet haben. JF
Geschäfte mit der Sterbehilfe sollen verboten werden. Das haben CDU/
CSU und FDP Anfang März im Ko- alitionsausschuss beschlossen. Da- zu soll ein neuer Tatbestand im
Strafgesetzbuch geschaffen wer- den, der die gewerbsmäßige Förde- rung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Der Präsident der Bundesärz- tekammer, Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, begrüßte die Ankün- digung. Er forderte, alle Mittel aus- STERBEHILFE
Verbot der Gewinnorientierung
zuschöpfen, um die Etablierung solcher Organisationen in Deutsch- land zu verhindern. „In der Praxis lassen sich diese Organisationen leicht zu vermeintlich altruistisch handelnden Vereinen oder Stiftun- gen umfirmieren“, sagte Montgo- mery. Deshalb müsse der Gesetzge- ber allen Facetten der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung einen strafrechtlichen Riegel vorschie- ben. Das fordert auch der nieder- sächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU). „Es ist doch leicht, eine Gewinnerzielungspraxis durch erhebliche Verwaltungskos- ten zu verschleiern“, sagte er. Des- halb reiche es nicht, nur eine ge- werbsmäßige Förderung des Sui- zids unter Strafe zu stellen. Der Prä- sident der Deutschen Hospiz Stif- tung, Eugen Brysch, wies darauf hin, dass das Verbot der Selbsttö- tungshilfe kein Ersatz für ein über- zeugendes Zukunftskonzept der Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen sei. Kli Tod auf Verlan-
gen: Die Bundes- regierung will die
gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter
Strafe stellen. Foto: Keystone