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Archiv "Gesundheitsdienstleistungen: Mehr Preis- und Qualitätswettbewerb" (27.05.2005)

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as Gesundheitswesen in Ländern wie der Schweiz und Deutschland ist von Überregulation und in- transparenten Finanzierungsströmen gekennzeichnet, die der effizienten Al- lokation von Ressourcen entgegen- steht. Obwohl nach geltendem Recht der Gesundheitsmarkt einer staatlich begründeten Preis- und Leistungsord- nung unterliegt, versucht der Gesetzge- ber durchaus einige Bereiche dem Spiel von Angebot und Nachfrage zu überlas- sen. Diese Anreize sind jedoch relativ schwach und weitere Bestimmungen zumeist restriktiv. Zudem stoßen diese Versuche an systembedingte Grenzen, wo Kontrahierungszwang (Marktregu- lation) oder eine unscharfe Festlegung von Anbieter- und Nachfrageseite (Er- stattungsprinzip und Informations- asymmetrie et cetera) die positiven Ef- fekte einer Marktwirtschaft verhindern.

Auf der Basis von fünf Thesen wird versucht,die Eckpunkte eines marktwirt- schaftlichen Rahmens für den Austausch von Gesundheitsdienstleistungen (Gü- ter) zu definieren. Im Kern basiert dieses Modell auf der Entscheidungsautonomie der Akteure und dem durch spezifische Kontrollinstanzen realisierbaren Wett- bewerb („enabled competition“).

Fünf Thesen

–Wettbewerb kann nur so weit stattfinden, als soziale Grundgedanken nicht beeinträchtigt werden.

—Der Rahmen des Wettbewerbs wird durch vorrangige (demokratisch legitimierte) Sozialziele, wie zum Bei- spiel die Versorgungs- und Zugangssi- cherheit, bestimmt.

˜Es ist ein bestmöglicher Interes- senausgleich zwischen den Akteuren, dem Patienten beziehungsweise dem Versicherten und dem Leistungserbrin- ger, anzustreben.

™Eine Optimierung der wirtschaftli- chen respektive sozialen Ergebnisse entsprechend der Sozialziele erfordert (auch und gerade im Gesundheitswe- sen) ein gewisses Maß an Kontrolle („Freier Wettbewerb ist nicht alles“).

šWettbewerb schließt nicht aus, dass gewisse Marktakteure mit dem Ziel der Ergebnisoptimierung und Effi- zienzsteigerung auf Unternehmensebe- ne kooperieren (zum Beispiel Planung der Spitzenmedizin durch die entspre- chenden Institutionen).

Eckpunkte des Modells

Aufhebung der staatlichen Markt- und Preisordnung für definierte Leistungs- bereiche:

Die staatliche Markt- und Preisord- nung wird für fest definierte Leistungsbe- reiche der Grundversicherung aufgeho- ben. Diese Leistungsbereiche sind unter anderem das Gros der elektiven Inter- ventionen, Standardeingriffe, heutige teilstationäre Leistungen und über einen Zeitraum wiederholt notwendige Kon- sultationen zur Gesundheitserhaltung.

Der Einsatz von Personen, Dienstlei- stungen und Produkten (Medikamenten, Medizintechnik und anderem) muss bei gleicher Eignung beziehungsweise Qua- lität austauschbar sein. Das Produkt und die darauf aufbauende Dienstleistung müssen in ausreichender Zahl und von mindestens zwei in Konkurrenz stehen- den Anbietern erbracht werden können.

Für den Einkauf (Austausch) dieser Leistungen sind Produkte (homogene Güter) zu entwickeln. Diese erlauben eine Preisfestlegung (-verhandlung).

Das Produkt muss kostendeckend kal- kuliert und darf nicht über andere Lei- stungen oder andere Finanzierungswe- ge quersubventioniert sein. Unter die- sen Prämissen eignen sich insbesondere prospektive Vergütungsformen, bei der eine Teilung finanzieller Risiken zwi- schen Kostenträger und Leistungser- bringer stattfindet. Aufgrund ihrer An- reizwirkung sind Fallpauschalen, Kom- plexpauschalen oder Kopfpauschalen besonders geeignet.

Im Qualitäts- und Preiswettbewerb wählen die Kostenträger den notwen- digen Kreis an Leistungserbringern aus. Der Patient erhält unbeschränkten Anspruch und Zugriff auf zeitgerecht erbrachte Leistungen. Er besitzt aber keine unbeschränkte Wahlfreiheit des Leistungserbringers und dies zugun- sten der Qualität. Es wird ein Grad an Transparenz der zugrunde gelegten Leistungen je Produkt bestimmt. Au- ßerdem müssen klare Verantwortlich- keiten bezüglich der Basisqualität der erbrachten Leistungen festgelegt wer- den. Hier ist die Leistungserbringer- seite aufgerufen, verbindliche Richt- linien aufzustellen. Diese Transparenz in Verbindung mit Möglichkeiten der heutigen Informationsgesellschaft stärkt zudem die Patientenautonomie (Wahl des Versicherers).

Kontrollinstanz 1: Absprachen und Beschränkungen

Zur Verhinderung volkswirtschaft- lich und sozial schädlicher Effekte, wie zum Beispiel der Kartellbildung, er- langt die jeweilige Wettbewerbskom- mission auch für diesen Bereich des Gesundheitswesens erweiterte Verfü- gungsgewalt. Sie untersucht, wie in an- deren Wirtschaftszweigen, mögliche Absprachen und Beschränkungen.

Kontrollinstanz 2: Angebots- beziehungs- weise leistungsinduzierte Nachfrage

Für die unter freiem Wettbewerb ste- henden Leistungsbereiche müssen die erbrachten Leistungsmengen kontrol- liert oder plausibilisiert werden, auch deshalb, weil der Leistungserbringer ei- nen diskretionären Spielraum hinsicht- T H E M E N D E R Z E I T

A

A1504 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2127. Mai 2005

Gesundheitsdienstleistungen

Mehr Preis- und

Qualitätswettbewerb

Klarer Rahmen für die Akteure

schafft „Mehrwert“ für die Versicherten.

Simon Hölzer, Koray Demir

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er Anruf von „Ärzte ohne Gren- zen“ kam am Karfreitag: Das Mar- burg-Virus ist in Angola ausgebro- chen. Es gilt, eine Isolierstation in der Hauptstadt Luanda einzurichten und das Personal im Umgang mit den hochgradig ansteckenden Patienten zu schulen. Zwei Tage später erfolgt der Aufbruch.

Angola liegt an der Südwestküste Afrikas und gehört zu den ärmsten der armen Länder, ist aber an Bodenschät- zen (Erdöl, Diamanten, Eisenerz, Man- gan, Kupfer, Uran, Phosphate und Salz) das viertreichste Land der Welt.

Doch diese Bodenschätze entwickelten sich zum Fluch statt zum Segen. Drei Kriege, von nur wenigen Monaten Frie- den unterbrochen, folgten aufeinander:

1961, 1975 und 1992. Am 14. März 2002 einigten sich die angolanische Regie- rung und die UNITA-Rebellen nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg auf ei- nen Waffenstillstand. Eines der potenzi- ell reichsten Länder Afrikas war am Nullpunkt angelangt.

Der Krieg kostete schätzungsweise 600 000 Menschen das Leben, mehr als vier Millionen mussten fliehen. Dörfer, Straßen und Brücken wurden zerstört.

Brachliegende Äcker und verminte Fel-

der machen eine Selbstversorgung un- möglich. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist die zweit- höchste der Welt. Nach UN-Angaben liegt die durchschnittliche Lebenser- wartung bei 44,6 Jahren, die Analpha- betenrate beträgt bei Frauen 72 und bei Männern 44 Prozent. Heute sind die schwerwiegendsten Probleme Angolas die humanitäre Katastrophe und die große Zahl von Minenfeldern.

In dieser ohnehin schwierigen Situa- tion wurden seit Oktober 2004 in der Provinz Uige Fälle hämorrhagischen Fiebers gemeldet.Am 23. März 2005 be- stätigten die Centers for Disease Con- trol and Prevention im US-amerikani- schen Atlanta das Marburg-Virus als auslösendes Agens der bis dahin unge- klärten Todesfälle. Inzwischen sind von 336 infizierten Patienten 292 an dem Virus gestorben (Stand: 18. Mai, Quelle:

WHO), und von den 18 Provinzen in Angola sind bereits sieben betroffen;

der Fokus liegt aber weiterhin in der nördlichen Provinz Uige.

44 Prozent der Erkrankten sind Kin- der unter fünf Jahren. Weil die ersten Fälle bei Kindern auftraten, die im Pro- vinzhospital in Uige behandelt worden T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 2127. Mai 2005 AA1505

lich der Menge medizinischer Leistun- gen hat. Dabei kann ein realitätsnaher Bedarf von Gesundheitsleistungen auf regionaler oder nationaler Ebene zum Beispiel über einen Ländervergleich abgeschätzt werden (relative Zahl von Interventionen/Pauschalen pro Alters- gruppen). Über diese „Fremdbewer- tung“ unter Berücksichtigung der So- zialziele können Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit objektiviert wer- den. Auch hier eignen sich pauschalie- rende Vergütungsformen, weil grund- sätzlich eine Fallzahlvermehrung leich- ter zu kontrollieren ist als eine Mengen- ausweitung je Fall.

Keine Disziplinierung

Fehlende Markttransparenz, Kontra- hierungszwang und mangelnde Pro- duktdefinition führt heute dazu, dass das Verhalten „konkurrierender“ Ak- teure keine disziplinierende Wirkung auf Preise (und Qualität) hat. Die Er- fahrung zeigt, dass ein Kostenbewusst- sein der Konsumenten (Patienten) durch das Erstattungsprinzip und trotz Selbstbehalt nicht gefördert wird. Hier- aus resultiert eine preisunelastische Nachfrage. In einem Teufelskreis ver- halten sich weder Unternehmer noch Nachfrager rational.

Wettbewerb in definierten Lei- stungsbereichen wird als ein geeignetes Instrument zur Verbesserung der Res- sourcenallokation, das heißt eine Ver- besserung beziehungsweise Förderung der allokativen Effizienz auf Nachfra- geseite (Kostenträger) und der produk- tiven Effizienz der Leistungserbringer, erachtet. In Kombination mit dem Weg- fall des Kontrahierungszwangs kann dies in eine Qualitätsoffensive der Lei- stungserbringer münden. In diesem Modell steht jedoch die Gewinnorien- tierung am Anfang eines „spirit of com- petition“, was ein Umdenken mancher Beteiligter erfordern würde.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 1504–1505 [Heft 21]

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Simon Hölzer H+ Die Spitäler der Schweiz Lorrainestraße 4 A CH-3000 Bern

Marburg-Virus in Angola

Gegen Seuche und Misstrauen

Christa Kitz bildet medizinisches Personal im Umgang mit hochkontagiösen Erkrankungen aus, jüngst auch in Angola im Kampf gegen das hämorrhagische Fieber.

Fotos:Christa Kitz

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