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Archiv "Versorgung von Patienten mit Kolonkarzinom" (28.01.2011)

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ORIGINALARBEIT

Versorgung von Patienten mit Kolonkarzinom

Erfassung der Behandlungssituation und Evaluation neuer Operationsverfahren

Rainer Kube, Ingo Gastinger, Pawel Mroczkowski, Henry Ptok, Steffanie Wolff, Hans Lippert

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Multizentrische Beobachtungsstudien kön- nen bei entsprechendem Design und Monitoring sowie der Nutzung moderner analytisch-statistischer Strategien einen wichtigen Beitrag zum Erkenntnisgewinn in der Chirurgie leisten.

Methoden: In einer multizentrischen Qualitätssicherungs- studie wurden von 2000 bis 2004 in 346 deutschen Klini- ken die Daten von 31 055 Patienten mit operiertem Kolon- karzinom erfasst. Gegenstand der Analyse war die aktuel- le, flächendeckende Behandlungssituation unter qualitäts- sichernden Aspekten.

Ergebnisse: Bei 46,7 Prozent der Patienten lagen prognos- tisch ungünstige UICC-Stadien III und IV vor. Das 5-Jahres- Gesamtüberleben betrug in diesen fortgeschrittenen Tu- morstadien 53,8 beziehungsweise 9,8 Prozent. 1 401 Pa- tienten (4,7 Prozent) wurden mit der Intention zum laparo- skopischen Vorgehen versorgt. Bei 20,6 Prozent dieser Pa- tienten musste zur Laparotomie konvertiert werden. Diese Konversionsgruppe zeigte im Vergleich ein schlechteres Gesamtergebnis. 28 271 Patienten erhielten eine Tumorre- sektion mit Anastomose. Eine postoperative Nahtinsuffi- zienz wurde bei 3 Prozent (n = 844) dieser Fälle beobach- tet. Die logistische Regression identifizierte OP-Dauer, Ileus, Linkskolon und die einreihige Handnaht als Risiko- faktoren für eine Anastomoseninsuffizienz.

Schlussfolgerungen: Die Daten der multizentrischen Beob- achtungsstudie erlauben Aussagen zur Epidemiologie und zur flächendeckenden Versorgungsqualität des Kolonkarzi- noms in Deutschland.

►Zitierweise

Kube R, Gastinger I, Mroczkowski P, Ptok H, Wolff S, Lippert H: The care of patients with colon cancer:

current treatment, and evaluation of new surgical approaches. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(4): 41–6.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0041

D

er Stellenwert multizentrischer Beobachtungs- studien für den Erkenntnisgewinn in der Chirur- gie ist nach jahrelangen kontroversen Diskussionen heute unbestritten (1–4). Viele Fragestellungen zum Beispiel hinsichtlich qualitätssichernder Aspekte der operativen Medizin lassen sich nur mit dieser Studien- form im Rahmen der klinischen Versorgungsforschung klären. Beobachtungsstudien sind oft das Mittel der Wahl, wenn es sich um die Erfassung langer Zeiträume handelt, zum Beispiel um Überlebensraten in der On- kologie (5).

Ein entsprechendes Studiendesign und -monitoring sowie die Nutzung moderner biostatistischer Methoden sind die Voraussetzung zur Vermeidung verzerrter Er- gebnisse in derartigen Untersuchungen. Aktuelle Mit- teilungen deuten darauf hin, dass Beobachtungsstudien unter gleichen anspruchsvollen und strengen Normen durchgeführt werden können wie randomisierte kon- trollierte Untersuchungen (3, 4, 6).

Wichtig ist eine Risikostratifizierung als Grundvor - aussetzung für den Vergleich von Behandlungsergeb- nissen bei nicht selektionierten Patientenkollektiven auf der Grundlage von Registerdaten. Der einfache uni- variate Vergleich von Ergebnissen, zum Beispiel der Operationsletalität, ohne Berücksichtigung des Risiko- profils kann irreführende Aussagen zur Folge haben und ist damit unzulässig. Es zeichnet sich ab, dass ver- schiedene Score-Systeme wie Possum-Score oder Pro- pensity-Score als praktikable Instrumente für den risi- koadjustierten Vergleich von Klinikergebnissen im Rahmen des Benchmarking eingesetzt werden können.

Dazu liegen bereits Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Autoren vor (7).

Um die externe Validität und Qualität der Daten zu sichern, sind die Freiwilligkeit der Beteiligung und ein streng anonymisierter Umgang mit den Daten wichtige Voraussetzungen. Daneben kommt dem Studienmoni- toring mit aufwendigen Plausibilitätsprüfungen und der Kontrolle auf Vollständigkeit der Daten große Bedeu- tung zu (2, 12, 13).

Die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudien ermög- lichen eine Analyse der aktuellen Behandlungssituation beispielsweise des Kolonkarzinoms und ein Abbild der Realität. Zusätzlich kann durch ausreichend hohe Fall- zahlen aus vielen Kliniken unterschiedlichen Profils die umgehende Evaluierung operativer Behandlungs-

An-Institut für Qualitätssicherung in der operativen Medizin, Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg: PD Dr. med. Kube, Prof. Dr. med. Gastinger, Dr. med.

Mroczkowski, PD Dr. med. Ptok, Prof. Dr. med. Lippert

Klinik für Chirurgie, Carl-Thiem-Klinikum Cottbus: PD Dr. med. Kube, Prof. Dr. med. Gastinger, PD Dr. med. Ptok

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Dr. med. Mroczkowski, PD Dr. med. Wolff, Prof. Dr. med. Lippert

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verfahren erfolgen. Des Weiteren lassen sich daraus Hypothesen als Grundlage für die Planung randomi- sierter Studien generieren.

Methode

Es wurden vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 flächendeckend in 346 deutschen Kliniken aller Versorgungsstufen 31 055 Patienten mit einem operativ behandelten Kolonkarzinom erfasst. Das waren circa 15 bis 20 Prozent der in diesem Zeitraum in Deutsch- land operierten Patienten.

Kein teilnehmendes Krankenhaus wurde von der Auswertung ausgeschlossen. Neben der Erfassung der perioperativen Daten erfolgte bis zum 31. Dezember 2008 eine Nachbeobachtung mit Bearbeitung der onko- logischen Langzeitergebnisse. Die Follow-up-Rate be- trug 67,6 Prozent der Patienten, die in eine Erfassung ihrer Nachbeobachtungsdaten eingewilligt hatten (n

= 17 684).

Die mit einem standardisierten Fragebogen erhobe- nen Daten wurden mit dem Statistikprogramm SPSS 12.0 ausgewertet. Eine detaillierte Darstellung dieser Methodik und von Teilergebnissen der Gesamtstudie wurden bereits publiziert (12, 14, 16, 17, 20). Um Ver- zerrungen durch Selektionsbias und Konfundierungsef- fekten vorzubeugen, wurde das Potenzial der Daten auf Störfaktoren abgeschätzt und durch analytische Strate- gien wie die Regression und die Stratifizierung mini- miert (8–11). Für den Fall, dass mehr als zwei Gruppen bestanden, erfolgten einfaktorielle Varianzanalysen (ANOVA) mit anschließendem multiplen Vergleich nach Tukey. Nach der Kaplan-Meier-Methode wurden das Gesamtüberleben und das tumorfreie Überleben berechnet. Bei den angegebenen Überlebensraten han- delt es sich dementsprechend um Wahrscheinlichkei- ten. Unterschiede in den Überlebenskurven wurde mit dem Log-Rank-Test auf Signifikanz geprüft. Potenziel- le Einflussfaktoren auf binäre Zielgrößen wurden mit- tels logistischer Regression (Cox-Regressionsanalyse, Wald-Statistik) untersucht. Dabei wurde eine „ stepwi- se forward“-Analyse verwendet, das heißt, im soge- nannten 0. Schritt wurden sämtliche Kovariablen be- wertet und im anschließenden Aufbauverfahren schritt- weise die Einflussgrößen, zum Beispiel für die Anasto- moseninsuffizienz, ermittelt.

Ergebnisse UICC-Stadien

Die Verteilung der Tumorstadien änderte sich im Studi- enverlauf nicht nachhaltig zugunsten prognostisch günstigerer Stadien (Tabelle 1). Bei 72,4 Prozent (n = 6 311) der Patienten im UICC-Stadium III (UICC, union internationale contre le cancer) wurde postopera- tiv eine adjuvante Chemotherapie geplant. Das 5-Jah- res-Gesamtüberleben wurde in den fortgeschrittenen Tumorstadien UICC III/VI mit 53,8 Prozent bezie- hungsweise 9,8 Prozent ermittelt (Grafik 1).

Tumorlokalisation

Die Analyse zeigte Unterschiede, die sich aus der Tu- morlokalisation im Kolon hinsichtlich Rechtskolon- Karzinome (RKK) versus Linkskolon-Karzinome (LKK) ergaben. Die Lokalisationen, orientierend an der TABELLE 1

Verteilung der UICC–Stadien im Studienverlauf

UICC, Union internationale contre le cancer Tumorstadium

UICC 0 UICC I UICC II UICC III UICC IV

Gesamtstudie n (%)

414 (1,4) 5 487 (18,0) 9 738 (32,0) 8 711 (26,6) 6 122 (20,1)

Studienverlauf n (%) 2000

47 (0,8) 960 (15,8) 1 978 (32,6) 1 791 (29,5) 1 297 (21,4)

2001 79 (1,3) 1 058 (17,4) 1 959 (32,2) 1 774 (29,2) 1 215 (20,0)

2002 107 (1,7) 1 111 (17,8) 1 974 (31,6) 1 815 (29,1) 1 239 (19,8)

2003 103 (1,7) 1 190 (19,6) 1 931 (31,7) 1 681 (27,6) 1 179 (19,4)

2004 78 (1,3) 1 168 (19,5) 1 896 (31,7) 1 650 (27,6) 1 192 (19,9)

GRAFIK 1 Gesamtüberleben

(Wahrscheinlichkeit) der Patienten mit Kolonkarzinomen in Abhängigkeit vom Tumorstadium (n = 17 684).

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Embryologie und der Blutversorgung der Darmab- schnitte, beeinflussten das biologische Verhalten der Tumoren. RKK waren bei Frauen sowie bei höherem Patientenalter häufiger. Sie hatten eine höhere Präva- lenz schlecht differenzierter, lokal fortgeschrittener Karzinome bei einer allerdings vergleichbaren Gesamt- wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fernmetasta- sen. Unterschiede gab es beim Metastasierungsmuster (Tabelle 2).

Operatives Vorgehen

Das operative Vorgehen erfolgte in hohem Maße leitlini- enkonform. Bei einer Resektionsrate von 97,2 Prozent betrug der Anteil radikaler Operationsverfahren 93,5 Prozent. 78 Prozent aller Patienten wurden kurativ reseziert. Die primäre Laparotomie war das Standardope- rationsverfahren. 4,7 Prozent der Patienten (n = 1 401) wurden über einen laparoskopischen Zugang in der In- tention zum laparoskopisch-assistierten Vorgehen ver- sorgt. Bei 288 dieser Patienten musste intraoperativ auf ein offenes Vorgehen umgestiegen werden, die Konversi- onsrate betrug 20,6 Prozent (Tabelle 3).

Durch den beobachteten hohen Selektionsmechanis- mus wurden in der laparoskopisch beendeten Gruppe im Vergleich zu dem offenen Vorgehen bessere früh- postoperative und onkologische Ergebnisse erreicht.

Patienten der Konversionsgruppe hatten, verglichen mit offen und laparoskopisch zu Ende operierten Pa- tienten, sowohl schlechtere postoperative als auch schlechtere onkologische Langzeitergebnisse (Grafik 2). Zusätzlich ergab sich eine signifikante Korrelation zwischen der jährlichen Fallzahl und der Konversions- rate. In Kliniken mit weniger als 10 Eingriffen lag diese Rate bei 24,6 Prozent gegenüber 17,1 Prozent in Klini- ken mit 10 bis 19 und 3,6 Prozent bei mehr als 20 lapa- roskopischen Operationen pro Jahr.

Allerdings konnte in der Gesamtstudie zum Kolon- karzinom im Gegensatz zu den Untersuchungen beim Rektumkarzinom (15) keine signifikante Korrelation zwischen Eingriffshäufigkeit und den Früh- und Spät- ergebnissen nachgewiesen werden.

Anastomoseninsuffizienz

Zu den Problemen, die sich aus ethischen beziehungs- weise methodischen Gründen nicht durch experimen- telle Studien klären lassen, zählt die Frage nach Risiko- faktoren für das Auftreten einer Anastomoseninsuffi- zienz (AI) und deren Auswirkungen auf das periopera-

tive und das onkologische Ergebnis. 28 271 Kolonkar- zinom-Patienten erhielten eine Tumorresektion mit pri- märer Anastomose. Eine postoperative Nahtinsuffi- zienz trat in 3 Prozent (n = 844) dieser Fälle auf. Die Analyse zeigte eine Erhöhung der Letalität um den Faktor 7,2 im Vergleich zu Patienten nach Kolonresek- tionen ohne Insuffizienz (18,6 Prozent mit versus 2,6 Prozent ohne AI) (21). Das Vorhandensein einer Anastomoseninsuffizienz war in der vorliegenden Stu- die mit einem deutlich schlechteren onkologischen Langzeitverlauf assoziiert. Die Wahrscheinlichkeit des 5-Jahres-Gesamtüberlebens war für Patienten nach Anastomoseninsuffizienz signifikant schlechter (51,0 Prozent mit versus 67,3 Prozent ohne AI). Das schlechtere onkologische Langzeitergebnis der Patien- ten mit Anastomoseninsuffizienz ist nicht nur eine Fol- ge der perioperativen Letalität. Auch die tumorfreie 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit betrug in der Gruppe mit Anastomoseninsuffizienz 63,0 Prozent und war deutlich geringer als in der Gruppe ohne Anasto- moseninsuffizienz mit 74,6 Prozent (p < 0,001).

Ein logistisches Regressionsmodell, das mit Hilfe des Aufbauverfahrens gebildet wurde, umfasst die in Tabelle 4 aufgelisteten, voneinander unabhängigen Ri- sikofaktoren für das Auftreten einer postoperativen Anastomoseninsuffizienz, die in der Reihenfolge ihrer Wertigkeit aufgeführt sind. Die einreihige Handnaht stellte in der multiplen Analyse einen unabhängigen Ri- sikofaktor für das Auftreten einer Anastomoseninsuffi-

TABELLE 2

Unterschiede, die sich aus der Tumorlokalisation im Ko- lon ergeben

*1 Rechtskolon-Karzinom; *2 Linkskolon-Karzinom Parameter

Geschlecht weiblich (%) Durchschnittsalter (Jahre) Tumorgrading G1/G2 Gesamtinzidenz synchroner Metastasen davon Lebermetastasen davon Peritonealkarzinose

RKK*1 55,3 71,0 71,4 19,9

14,9 5,9

LKK*2 45,9 68,5 83,0 20,4

16,5 4,9

p-Wert

< 0,001

< 0,001

< 0,001 0,409

0,003 0,001

TABELLE 3

Laparoskopisches Vorgehen beim Kolonkarzinom, Zeitraum 2000 bis 2004 Operativer

Zugang

Laparoskopisch Konversionen

Gesamtstudie n (%)

1 401 (4,5) 288 (20,6)

Studienverlauf n (%)

2000 184 (3,0) 36 (19,6)

2001 232 (3,7) 52 (22,4)

2002 275 (4,3) 64 (23,3)

2003 305 (4,9) 60 (19,7)

2004 405 (6,7) 76 (18,8)

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zienz dar. Von den tumorbezogenen Kovariablen ist die Tumorlokalisation im Linkskolon mit einer signifikant höheren Insuffizienzrate verbunden. In höheren Tumor- stadien finden sich nur tendenziell mehr Insuffizienzen, die Unterschiede sind aber nicht signifikant.

Diskussion

Mit Hilfe flächendeckender, prospektiver, multizentri- scher Beobachtungsstudien, die einen Evidenzgrad 2b aufweisen, können die frühpostoperativen und die on- kologischen Langzeitergebnisse der operativen Be- handlung von Kolonkarzinomen ermittelt werden. Die- se Daten repräsentieren die aktuelle Behandlungssitua-

tion dieser Patienten in der klinischen Routine in Deutschland. Neben der Darstellung wichtiger epide- miologischer Aspekte sind Aussagen zur Evaluierung neuer Operationsverfahren und die Einschätzung spe- zieller Operationstechniken möglich.

So muss festgestellt werden, dass das im Untersu- chungszeitraum etablierte Koloskopie-Screening im Hinblick auf die UICC-Stadienverteilung nur zu einer marginalen Reduzierung der fortgeschrittenen Tumor- stadien geführt hat. Bessere onkologische Langzeiter- gebnisse sind in erster Linie aber durch die Erkennung der prognostisch günstigen Frühstadien zu erreichen.

Die Analyse der Lokalisation des Kolontumors in Abhängigkeit von der topographischen Lage zur linken Flexur (Rechts-Links-Vergleich) sollte bei Stratifika- tionen für klinische Studien, insbesondere für Chemo- therapiestudien, berücksichtigt werden. Die Ergebnisse unterstützen darüber hinaus die Forderung nach der Ab- klärung des gesamten Kolons sowohl in der Diagnostik als auch beim Koloskopie-Screening (20).

Eine wichtige Erkenntnis bei der Evaluierung der la- paroskopischen Verfahren war, dass Patienten mit einer intraoperativen Konversion vom laparoskopischen zum offenen Vorgehen ein schlechteres frühpostoperatives und onkologisches Ergebnis aufweisen (16). Die mit 20,6 Prozent zu hohe Konversionsrate muss gesenkt werden. Dies ist durch eine noch bessere Patientenselek- tion und eine Erhöhung der Fallzahl an laparoskopi- schen Eingriffen pro Klinik möglich (p = 0,021) (14).

Das impliziert allerdings eine sinnvolle Zentralisierung dieser Eingriffe. Unterstützt wird diese Forderung durch den Nachweis des Einflusses eines Krankenhaus-Volu- men-Effekts auf die Höhe der Konversionsrate (22).

Einen hohen Stellenwert haben die Aussagen zur Anastomoseninsuffizienz, einer eingriffsspezifischen postoperativen Komplikation mit erheblichem Einfluss auf die Gesamtergebnisqualität. Multiple Regressions- analysen konnten Faktoren identifizieren, die eine Anastomoseninsuffizienz begünstigen. Somit kann in Kenntnis dieser Risikofaktoren das operationstechni- sche und taktische Vorgehen gezielt geändert werden (18, 19). Damit ist ein nicht zu unterschätzender Er- kenntnisgewinn für die praktische Chirurgie verbun- den. Dies betrifft beispielsweise die einreihige Hand- naht, die in der multiplen Analyse einen unabhängigen Risikofaktor für das Auftreten einer Anastomoseninsuf- fizienz darstellte. Das erkannte Risiko ist nach Auffas- sung der Autoren aber zu gering, um zu fordern, gene- rell zweireihig zu nähen. Den technischen Aspekten der Anastomosierung ist jedoch – speziell in der Weiterbil- dung – eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Auch wenn der klinikinterne Standard eine einreihige Naht- technik vorsieht, sollte auch die zweireihige Nahttech- nik erlernt werden, um bei entsprechenden Risikokon- stellationen darauf zurückgreifen zu können. Des Wei- teren sollte in der Notfallsituation mit einem durch ein Karzinom verursachten Ileus im Linkskolon die Indika- tion zur primären Anastomosierung nur dann gestellt werden, wenn ein geringes begleitendes Risikoprofil ohne simultane Peritonitis vorliegt und die Tumoren lo- GRAFIK 2

Tumorfreies Überle- ben der Gruppen offene Operation ver- sus laparoskopische Intervention, wobei die Gruppen laparo-

skopisch beendet und Konversion ge-

trennt dargestellt werden (p = 0,007) (Aus Kube R, Ptok H, Steinert R, et al.:

Stellenwert der laparoskopischen Chirurgie des Ko- lonkarzinoms in der

klinischen Routine.

Der Chirurg 2008;

79: 1145–50, Abdruck mit freund- licher Genehmigung

des Springer-Ver- lags, Heidelberg)

TABELLE 4

Schätzung des Risikos für die Entstehung einer Anastomoseninsuffizienz

ASA, American Society of Anesthesiologists Risikofaktor

OP–Dauer ASA-Risikoscore Männliches Geschlecht Ileus

Tumor im Linkskolon Kardiovaskuläre Erkrankungen Valtrac-Anastomose Hand-Anastomose einreihig Intraoperative Komplikation Hepatogene Erkrankungen BMI-Kategorie > 30 kg/m2

Odds Ratio

1,003 1,47 1,58 1,90 1,45 1,35 3,62 1,26 1,56 1,48 1,20

95-%-Konfidenz- intervall 1,002–1,004 1,26–1,72 1,37–1,83 1,54–2,33 1,28–1,73 1,13–1,61 1,72–7,60 1,09–1,46 1,18–2,23 1,08–2,04 1,01–1,44

p-Wert

< 0,001

< 0,001

< 0,001

< 0,001

< 0,001 0,0011 0,0011 0,0016 0,0018 0,0145 0,0366

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kal gut resektabel sind. Im Zweifelsfall sollte man sich bei einem fortgeschrittenen Ileus und weiterer Risiko- faktoren in der Erkenntnis, dass die Anastomosierung selbst einen – aktiv beeinflussbaren – Risikofaktor dar- stellt, für die Diskontinuitätsresektion entscheiden.

So wurden bisher mit Hilfe dieser flächendeckenden, prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudien wichtige frühpostoperative und onkologische Langzeit- ergebnisse der operativen Behandlung kolorektaler Karzinome ermittelt (13, 19).

In Hinblick auf qualitätssichernde Aspekte dieser Un- tersuchungen im Rahmen der klinischen Versorgungsfor- schung ist festzustellen, dass das Konzept der Freiwillig- keit und Anonymität jeder der teilnehmenden Einrich- tungen die Sicherheit der gemeldeten Daten garantiert.

Einmal jährlich erhalten die beteiligten Kliniken eine Auswertung bezüglich der eigenen gemeldeten Patien- ten, verglichen zur Gesamtstudie. Damit ergeben sich valide Informationen bezüglich der einrichtungsbezoge- nen Ergebnisqualität, ohne dass die einzelne Abteilung wegen der gemeldeten Daten irgendwelche Restriktio- nen fürchten müsste. Stattdessen hat jedes Krankenhaus die Möglichkeit, aus den Ergebnissen der Studie eigene Schwachpunkte zu erkennen und darauf aufbauend an deren Beseitigung zu arbeiten. Die Freiwilligkeit zeigt das ehrliche Interesse des teilnehmenden Krankenhauses am Benchmarking zur Verbesserung der eigenen Resul- tate. Die Anonymität in Verbindung mit der Nutzung moderner statistisch-analytischer Strategien wie Regres- sion und Stratifizierung sind Instrumente, um an Daten ohne Selektionsbias und ergebnisverzerrende Störfakto- ren zu gelangen.

Methodenkritisch soll allerdings auch angemerkt werden, dass trotz aufwendiger Plausibilitätsprüfungen nicht in jedem Fall alle Fragekomplexe vollständig zu beantworten sind. Eine weitere potenzielle Fehlerquelle ist die Übertragung der Daten des Erfassungsbogens in die elektronische Datenbank. Angesichts der umfang- reichen Datenmenge kann man von zufälligen Fehlern ausgehen, ein diesbezüglicher Kontrollmechanismus fehlt jedoch. Zur Problematik der Erfassung der Lang- zeitergebnisse ist anzumerken, dass zum Beispiel 13 Prozent der Patienten das Einverständnis zur Erhe- bung von Follow-up-Daten verweigerten. Aufgrund der freiwilligen Teilnahme kann keine sichere Aussage dar - über getroffen werden, ob die erhobenen Daten reprä- sentativ für alle Kliniken in Deutschland sind.

Die vorliegenden Daten der Versorgungsforschung zur Qualitätsmessung und -transparenz könnten nach Meinung der Autoren die Grundlage bilden für die von der Gesundheitspolitik angestrebte qualitätsorientierte Vergütung. Gerade die Kostenträger sind immer weni- ger an der Flut fragwürdiger Zertifizierungen interes- siert, sondern viel mehr an einer wissenschaftlich fun- dierten, sektorenübergreifenden Qualitätssicherung mit kontinuierlicher Kontrolle der Ergebnisqualität (23).

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 14. 1. 2010, revidierte Fassung angenommen: 15. 3. 2010

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KERNAUSSAGEN

Die Daten multizentrischer Qualitätssicherungsstudien erlauben Aussagen zur flächendeckenden Versor- gungsqualität des Kolonkarzinoms.

Das Koloskopie-Screening hat bisher nur zu einer mar- ginalen Reduzierung fortgeschrittener Tumorstadien ge- führt.

Eine Korrelation zwischen Eingriffshäufigkeit und den Früh- und Spätergebnissen konnte für das Kolonkarzi- nom nicht nachgewiesen werden.

Bei der Evaluierung der laparoskopischen Verfahren wurde die Konversion als Risiko für ein schlechteres frühpostoperatives und onkologisches Ergebnis identifi- ziert.

Eine Anastomoseninsuffizienz erhöht die Hospitalletali- tät und ist mit einem deutlich schlechteren onkologi- schen Langzeitverlauf assoziiert.

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23. Leber WD (2010) Der Chirurg BDC 1: 10–14. (letter to the editor)

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Ingo Gastinger

An-Institut für Qualitätssicherung in der operativen Medizin Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Leipziger Straße, 4439120 Magdeburg E-Mail: i.gastinger@ctk.de

SUMMARY

The Care of Patients with Colon Cancer: Current Treatment, and Evaluation of New Surgical Approaches

Background: Multi-center observational studies in surgery can yield im- portant findings, as long as they are appropriately designed and moni- tored and employ modern methods of statistical analysis.

Methods: In a multi-center quality assurance study carried out in 346 German hospitals from 2000 to 2004, data were collected from a total of 31 055 patients who underwent surgery for colon carcinoma. The current, overall state of medical care for this disease was analyzed, with particular attention to aspects of quality assurance.

Results: 46.7% of the patients were in the advanced, prognostically un- favorable stages UICC III and IV and had an overall 5-year survival of 53.8 % in stage III and 9.8% in stage IV. Laparoscopic intention-to-treat procedures were performed on 1 401 patients (4.7%), of whom 20.6%

required conversion to laparotomy. The patients who required conversi- on to laparotomy had a worse overall outcome. 28 271 patients were treated with tumor resection and primary anastomosis; in this group, 3% (n=844) developed an anastomotic leak. Logistic regression analy- sis identified the following risk factors for anastomotic leakage: duration of surgery, ileus, tumor localization in the left colon, and single-layer su- turing.

Conclusion: This multi-center observational study yields valid findings about the epidemiology and overall quality of medical care for colon carcinoma in Germany.

Zitierweise

Kube R, Gastinger I, Mroczkowski P, Ptok H, Wolff S, Lippert H:

The care of patients with colon cancer: current treatment, and evaluation of new surgical approaches. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(4): 41–6.

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0041

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