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(1)

669

Das Alphabet des Siraciden (Eccls. 51, 13—29).

Eine textkritische Studie.

Von P. Nivard Schlögl.

Vor 17 Jahren hatte bereits ein Orientalist ersten Ranges,

nämlich Professor Dr. Gustav Bickell, in der Innsbrucker „Zeit¬

schrift für katholische Theologie" erkannt, dass die syrische

Übersetzung des Ecclesiasticus gleich der griechi¬

schen ein hebräisches Original zur Grundlage haben

müsse, ünd zwar erschloss er dies gerade aus dem noch im Sy¬

rischen unverkennbar erhaltenen alphabetischen Charakter des Liedes

Eccls. 51, 13—29. Er sagt (Ztschr. k. Th. 1882, S. 330): ,Am

wichtigsten ist das nunmehr unzweifelhafte, obgleich noch von

de Wette und Reusch dahingestellt gelassene, von Kaulen und

Fritzsche bestrittene Resultat, dass die syrische Übersetzung des

Ecclesiasticus, aus welcher die arabische geflossen ist, das verlorene

hebräische Original zur unmittelbaren Vorlage hatte, also für Ver¬

suche zur Herstellung des letzteren zwei einander kontrollierende

Texte zu Gebote stehen". Was Prof. Bickell dann weiter sagt, be¬

rücksichtigt seine syrisierende Metrik, die wohl jetzt als ein über¬

wundener Standpunkt betrachtet werden muss, wenn auch jedermann

die hohen Verdienste Bickells nicht nur um Textkritik, sondern auch

um das Metrum der Hebräer anerkennen muss. Denn ungeachtet

aller entgegenstehenden Meinungen hat er an dem Bestehen eines

hebräischen Metrums festgehalten, und wie nahe er der Wahrheit

trotz seines Syrismus gekommen ist, mag aus seiner von mir accen-

tuiei'ten Übersetzung des erwähnten Akrostichons zu ersehen sein.

Unter 22 Versen finden sich 10 mit dem richtigen Metrum (nach

Grimme, ZDMG. 50. Bd.), 23 b kann gleichfalls mit Nebencäsur und

Pausa (i:;ibnn) zu drei Hebungen gelesen werden, und die andem

Verse haben nur nicht das richtige Metrum (3 -f- 3 Hebungen),

weil sie eben vom hebräischen Original abweichen.

Dies ist von ungeheurer Wichtigkeit. Ich betone dies, weil Stimmen

laut werden, welche den gefundenen hebräischen Text für eine Rück-

(2)

670 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.

Übersetzung halten. So z. B. will uns dies Prof. Margoliouth-Oxford

glnuben machen in seiner Broschüre: The Origin of the 'Original

Hebrew' of Ecclesiasticus (London 1899). Aber er hat auch Grund

dazu; denn 1890 behauptete er in seiner Antrittsvorlesung (the

inaugural lecture), betitelt : An essay on the place of Ecclesiasticus

in Semitic Literature (Oxford 1890), dass das Buch Jesus Sirach

in stark aramaisierendem Hebräisch und im 15. Metrum der Araber

(el mutaqärib . ßacchiacum) geschrieben sei. Nachdem nun diese

Behauptung so überraschend durch den gefundenen hebräischen Text

widerlegt erscheint, ist es begreiflich, dass Prof. Margoliouth nicht

gerne seinen Irrtum eingesteht, obwohl ihm dies gewiss an seiner

Ehre nicht schadete. Denn, aufrichtig gestanden, ich hätte betreffs der Sprache dasselbe vermutet. Nun habe ich in meiner von der Wiener

theologischen Pakultät preisgekrönten Schrift, in welcher ich Eccls.

39, 12—49, 12 mit Hilfe der Metrik und der alten Übersetzungen

hergestellt habe, gefunden, dass der Ecclesiasticus in ganz klassischem

Hebräisch geschrieben ist und Zenners Chorliederstruktur zeigt.

Dabei finden sich alle Kunstformen angewendet, welche der klassischen

Poesie eigen sind, nur dass sie nicht mehr in demselben Masse an¬

gewendet sind, wie in den schönsten Psalmen; anderes war aber

auch nicht zu erwarten, zumal in so später Zeit, wo das Judenvolk

längst nicht mehr Hebräisch sprach. Dass nun der gefundene Text

Original sein muss, zeigt eben (ausser der klassischen Sprache) seine

metrische Porm, die ein späterer Übersetzer zu einer Zeit, wo man

von der hebräischen Metrik nicht mehr wusste als Josephus Plavius

und Hieronymus (!), nie zufällig treffen konnte noch auch wirklich

"traf, wie die vorhandenen hebräischen Rückübersetzungen zeigen.

Auch habe ich bei meiner Preisarbeit gefunden, dass Prof. Bickells

Behauptung betreffs der syrischen Übersetzung einzuschränken ist.

— In den von Cowley & Neubauer (Oxford 1897) herausgegebenen

und von mir textkritisch bearbeiteten 10 Kapiteln (Eccls. 39, 12—

49, 12) ist nämlich die syrische Übersetzung sehr ungleicbmässig;

bald hat sie sklavisch den griechischen Text übersetzt, z. B. 43,

2—10 (vgl. Touzard in Bevue Biblique 1898, S. 50), bald stimmt

sie mehr oder weniger mit dem gefundenen hebräischen Texte über¬

ein, sodass sich Übersetzungsfehler des Griechen nach ihr korrigieren

lassen, bald — und dies sehr oft ! — verkürzt sie die hebräischen

Verse zu Halbversen , endlich weist sie grosse Lücken auf, z. B.

41, 13— 19a; 42, 1—8; 43, 11—33; 45, 9—14, von kleineren Aus¬

lassungen nicht zu reden. Dagegen erweist sich der griechische

Text trotz seiner Abweichungen und Pehler und gerade durch diese

als ein ausgezeichnetes Mittel, den Originaltext nach den schadhaften

Fragmenten wiederherzustellen. Obgleich ich nun meine darauf-

bezügliche Preisarbeit demnächst bei Mayer & Co. in Wien erscheinen

lasse , so drängt es mich doch , die Gelebrtenwelt durch folgende

Studie über das alphabetische Lied des Siraciden (51, 13—29) schon

jetzt auf meine Resultate aufmerksam zu machen.

♦ 7

(3)

Schlögl, Das Alphabet des Siraciden. 671

Was nun dieses Lied betrifft, so ist es wirklich genau alphabe¬

tisch, aber nicht genau so, wie Prof. Bickell vermutete. Denn

der zuverlässigere Text ist der griechische , wenn es sich um Er¬

gänzungen des gefundenen bebräisehen Textes handelt. Dies zeigt

sich schon beim 2. und 3. Verse (a, a); daher ist auch der I.Vers

nach G ') herzustellen , nicht nach S. Das Nähere siehe vmten in

den krit. Bemerkungen. Dort ist auch an den einzelnen Halb¬

versen nachgewiesen , dass das Syrische wie das Griechische , was

Eccls. 51, 13—29 anbelangt, ein hebräisches Original voraussetzen.

Ganz merkwürdig ist, dass gerade das Syrische den hebräischen

Text schon in ähnlicher Gestalt als Grundlage hatte, wie die ge-

fimdenen Pragmente. Z. B. fehlt Vers 1 wie in H das Wort

nttsn , weshalb der Syrer bis zum v -Vers lauter Maskulinsuffixe

hat, die sich zuerst auf den , Namen Gottes", dann auf „Unterricht"

( julfana) beziehen lassen. Erst im d -Verse und den folgenden ist

das Femininsuffix auf rTODM bezogen , das im d -Vers steht. Über

das sonstige Verhältnis der Übersetzungen zum gefundenen hebrä¬

ischen Texte siehe die krit. Bemerkungen. Das Lied ist ein Chor¬

lied, bestehend aus 2 Strophenpaaren (13— 15 b und 15 c —17;

23— 26 b und 26 c —29) und einer Wechselstrophe von 8 Versen.

Die Verse sind lauter Hexameter mit Mittelcäsur (3 + 3 Hebungen).

Die Kunstformen (Responsion in 13 b und 15 c, in 17 a und 26 a,

in 21c und 20 bd, in 25b und 28b, 26b und 29a) sind durch

den Druck hervorgehoben. Die Verszahlen sind den LXX ent¬

nommen.

1) G bedeutet die griechische Übersetzung, S die syrische, L die latei¬

nische , wie sie Hieronymus unverändert beibehalten hat. Über das Verhältnis vön G, S, L zu H siehe meine demnächst erscheinende Schrift über Eccls.

39, 12—49, 16; ferner Herkenne, de Veteris Latinae Ecelesiastici capitibus 1—43;

Byssel, die Sprüche Jesus', des Sohnes Sirachs (bei Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des A. T.s).

(4)

672 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.

Bickells B&ckübersetzang.

(Zeitschrift f. kath. Theol. 1882, S. 319 ff.

:nai;b n?:Dn imspa

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■«nwu i:b5 ny: nya 13

(4 + 3)

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(3.+ 3)

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(3 + 3)

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nnN mayb inaion 18 (3 + 3)

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naina iibcs nyiau 19 (3 + 4)

naisNi Dinttb iniönc im 20 (3 + 3)

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niisNnw na ini:p ab (3 + 2)

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na\a ijnobb ni "jns 22 (3 + 2)

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!iOTO rr^aa iHibr-i nijioa ibN iniD 23 (3 + 4)

:iN73 riNKj: oaiacii nsn inonn irfls ny 24 (3 + 3)

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*ianNi "'S Tinnc 25 (4 + 3) iioiK oaiBDS npni

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nbya isn oainNis 26 (4 + 3)

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jnni;:: ai -ib naiONi inbny ayn aaisiya itin 27 (3 + 3)

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nsona noiu lywoj 28 (3 + 4)

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nona oaiCDS niaian 29 (3 + 3)

iinya Danam inp

0 0 t

ny i3Bb Dab»D ibye 30 (3 + 3)

(5)

Schlögl, Das Alphabet dea Siraciden. 673

Hebräischer Text.

j[->rbD]ra [nton] Tisom :[nfflnN nia->n yp nyi]

•.[Tf^iy iab nawä'i]

Tiin w ivf 15»

[bain i3Bb] n^ropa [bwi loaa irbwa]

nmnb nttan i-iwaa

jnyi T«»» na-im

snmn "jn« nabrb

nrato ibai nan

T'-I- _

iiyaa nbon inbbonn

maab ib nin aVy[-i]

:i3«snN 13 igntj-Nbi tnaaa "^cnK »b i;bi :na6<TV- rtT Dinji: nsabi

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saia vap ni niap p naya

:[naTyN Kb] p naya

sha aianb [oia]nb siamn« 'aiisbai

aiainb inasan [nst]

na i«B5 npon

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ni-iy« nnnB im

ninNJtia nnnaa [p]

nbnna na ini3p ab

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ininB« na« ib nmi ■^p-

sifflnnn niaa i3ibi

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sqoa «ba naan oab i3p

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INian nbya oanNis:

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sninNsai na inbnyi

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sinniffla iiaian Nbi

nifflpanb Nin namp

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inaifea hobs naajn

4 7 *

(6)

crj

^

CZ!

c- (LXX)

13 Ich war [noch] ein Jüngling,

14 [Ich flehte um sie vor dem Tempel

15 [Sie reifte, wie Trauben reifen.

15 c Es wandelte raein Pnss in ihr sicher,

16 Eifrig betete ich in meiner Jugend,

17 ünd ihr Joch ward mir zum Ruhme ;

18 Ich gedachte, sie wohl zu pflegen,

19 Es hängt meine Seele an ihr,

20 Ich jagte ihr nach mein Herz

19 c Meine Hand that auf ihre Thore,

20 c [So] fand ich sie in ihrer Reinheit,

20b Einsicht gewann ich durch sie von Anfang an,

21a Mein Inneres brennt wie ein Peuerofen

22 Zum Lohn gab mir Jahwe meine Lippen,

23 Kehret um zu rair, üngebildete,

24 Wie lange verzichtet ihr auf dessen Vorrat,

25 Meinen Mund thue ich auf und spreche :

26 Beuget unter ihr Joch euren Nacken,

2.

26 c „Nahe ist sie denen, die sie suchen,

27 Sehet: Als ich jung war,

28 Vernehmet meine Lehre, da ihr noeh jung seid

29 Es freut sich meine Seele in meinem Alter,

Deutsche Übersetzung.

1. Strophe.

als ich [im Gebete] nach [Weisheit] begehrt^-,

und will sie suchen bis ans Ende der Tage.]

und mein Herz batte Freude an ihr.]

1. Gegenstrophe.

ja, von Jugend auf lernte ich Weisheit,

und reichlich erwarb ich mir Wissen.

Dank sei dafür meinen Lehrem!

Wechselstrophe.

und ich werde nicht zu Schanden, wenn es mir gelungen,

und nie werde ich mein Angesicht von ihr abwenden,

und will es ihr zuwenden für und für.

und ich erfasste sie und schaute ihre Geheimnisse.

21c darum erwarb ich sie als guten Besitz.

20 d darum will ich sie nimmer lassen.

21b vor Begier, sie nach Lust zu schauen.

und darob will ich mit meiner Zunge ihn preisen.

2. Strophe,

und verweilet in meinem Lehrhause!

während eure Seele überaus dürstet?

„Erwerbt euch Weisheit ohne Geld [zu bezahlen]!

und eure Seele trage ihre Last !"

Gegenstrophe.

und wer sich [ihr] hingiebt, findet sie.

bemühte ich mich um sie und fand sie.

und ihr werdet durch sie Gold und Silber erwerben,

und auch ihr sollt ob meines Liedes nicht zu Schanden werden."

(7)

Schlögl, Das Alphnhet. des Siraciden. 675

Bemerkungen.

V. 13a ergänze nach welches im G fehlt, "ny = «rt.

Dass nQiv i] nlavri^]vai fis = priusquam oberrarem (Vulg.) eine

Glosse sei, ergiebt sich aus dem Metrum und aus dem Vergleich

der alten Übersetzungen ; im S fehlt es. — Dagegen ist 13 b etwas

ausgefallen , wie denn zwei ganze Verse (□, i) vermisst werden.

G hat: i^ritTjacc Goiplav nQOcpccväg iv TtQoasvxij fiov. yen mag ur¬

sprünglich schon gestanden haben, da es auch 40, 7 dieselbe Be¬

deutung hat und in den Psalmen allein 22 mal durch das syrische

Nns wiedergegeben ist. Aber es verlangt in dieser Bedeutung den

Accusativ, darum ergänze n72Dn , welches unbegreiflicherweise aus¬

gefallen ist — vielleicht war das Original beschädigt —-, und

TibDra = G. nQoipavmg , das in den LXX sonst nicht vorkommt,

mag Glosse sein, wie das Metrum zeigt. — 14 a beginnt mit rrrnapn

= ij^iovv TtEQi amrig; vgl. Esth. 4, 8; 9, 12; Dan. 1, 8. Ergänze

bD^n "':ob = ivavrl vaov. — 14b = G: xal eag iax^tav ex^tj-

Tijffco avf^v; vgl. Neh. 13, 6; Dan. 12, 13. — 15a ist nach Js. 18, 5

zu ergänzen, wo G hat: xui oficpcc^ i'^av&riarj av&og dfupani^ovaa;

somit muss es an unserer Stelle heissen : äv&ovg ag öfMpccm^ovßrjg avacpvkfjg oder richtiger : i'^rjv&rjßev ag oinpaKi^ovaa örai/^uil^ =

bizii -1033 nbaa oder n:y loas nb7:a. — 15b = G. — 15c be¬

ginnt mit ns-n und schliesst mit nnasa (wörtlich : in ihrer Sicher¬

heit) = G und S. Wahrscheinlich war nn)3N3, weil aus Versehen

ausgelassen, am Rande daneben geschrieben und geriet so durch

den nächsten Abschreiber an den Anfang. — 15 d hat H gleich S

(15c am Ende) am Anfang: ^pN; das Metrum lässt es als Glosse

erkennen, nicht minder die Übersetzungen (G und L). naan ist

in L und G durchs Pronomen ersetzt, S hat julfana (Lehre). Dass

es notwendig steht, zeigt das Metrum. — 16a hat H bbsriNi; die

alphabetische Porm des Liedes verlangt die Perfektform Tibbsn".

An diesem Stichos scheitert die Ansicht , H sei eine Rücküber¬

setzung; denn der griechische Text, welcher doch im allgemeinen

der zuverlässigere ist, hat: exhva öklyov rb ovg fiov [xai iäe^dfitjv]

ff f

= (npNi) iriN üyao Tiian , was dem Metram und dem Alphabet

ganz gut entspräche. xal iäe^dfiijv ist von Ryssel richtig als

Zusatz erkannt, aber es bedeutet nicht: „und ich erhielt sie [zu

eigen]', sondern: „und ich nahm sie [mit dem Ohre] auf"; vgl.

Schenkl, griech.-dtsch. Schulwörterbuch. Der Zusatz ist also durch

e'xlifa Ktl. veranlasst. Übrigens vergleiche man 19 c und Eccls.

38, 28. An letzterer Stelle hat S : luqbal sukala narken' ideh =

„ad rem mente conceptam manum admovet" (Walton.), und G:

(pavi] GcpvQtig xaivici (lies xaq>aaet od. xacpevoei) rb ovg amoxi.

Vielleicht lautete auch 51, 16 a: iiizeiva öklyog rag x^^Q^S ('■o'"

ei'ic'cfujv, und wurde rait Rücksicht auf 19c: rag XHodg iiov e'^eto-

raaa rcQbg uVo? geändert. Also aus dem Griechischen kann der

(8)

676 Schlögl, Daa Alphabet de» Siraciden.

hebräische Stichos nicht zurückübersetzt sein; aber auch nicht aus

dem Syrischen, wie Prof. Bickell (Zeitschrift f. kath. Theologie 1882)

will. Er meint nämlich, dass in der syrischen Übersetzung sHüteh

had Glosse und ena Schreibfehler für edna sei; das Zeitwort sei

nicht fallith {= ich betete), sondem sHith (= ich neigte) zu

lesen; z^'ür sei = DSns = hllyov. Das sind aber ebensoviele

willkürliche Vermutungen als Wörter und wahrscheinlich gestützt

auf 27b (Lagarde) der syr. Übers. Allein es ist von niemandem

die Eede, dem Jesus Sirach sein Ohr zuwandte ; auch hat in dieser

Phrase das Wort -jTN stets das entsprechende Personalsuffix: es

müsste ednak heissen, nicht edna (stat. emphat.). ünd dann hat

H gar keine Spur von Bickells Übersetzung, stimmt

aber merkwürdigerweise genau mit dem Texte, wie ihn die PeSita

hat, ohne deren falsches Suffix (3. pers. sing, masc.) zu

haben: imssa rtbon Tbbcnn = ich betete ein Gebet in meiner

Jugend; S: scdlith sHütheh had e^ür-na = ich betete sein Gebet,

als ich klein (jung) war. Allerdings könnte der Stichos des Syrers

dem hebräischen Stichos zu Grande liegen, dann müsste dieses Ab¬

stammungsverhältnis auch bei allen andem Stichen gelten, und das

ist bei weitem nicht der Fall. Merkwürdig ist nur, dass gerade

der Grieche die Phrase vom „Neigen des Ohres" hat. Allein das

kann, wenn obige Vermutung nicht richtig ist, eine spätere Korrek¬

tur nach dem missverstandenen S sein. — Statt imiyj lies iny;

(wie 15d) wegen des Metrams. — 16 b hst S jvi fana (Lehre) für

T\S-I (Wissen) = naiSsla, 15 c hat er dasselbe Wort für nWDn

(Weisheit) = ao(pla\ — 17a las G nbS" Spross, Zuwachs (ntQwonri),

S hat richtig ntr = by (Joch) mit äem falschen Suffix. — 17b

lies statt nsnin (aramaisierende Orthographie): nnn. — 18a fehlt

das mit T anlautende Wort; ergänze nNT = avxriv, welches die

fehlende Hehxmg giebt. Tov noifiaai avtijv Mtl i^'^laaa ro aya&bv

ist nur Übersetzung von: aiUin ...nNT. Auch hier ist gerade

das ausgelassene nNT Zeuge dafür, dass das Hebräische Original,

das Syrische (sklavische) Übersetznng ist ; allerdings ist merkwürdig,

dass der syrische Teit mit dem aufgefundenen , korrampierten he¬

bräischen Texte so übereinstimmt, dass er dieselben Fehler und

Lücken hat, wie dieser; allein dies ist hinlänglich erklärt durch

eine Eedaktion der syrischen Version nach dem damals im ümlaufe

befindlichen hebräischen Original. Zur Zeit, in der die syrische

Übersetznng des Eccls. entstand, wurde dieses Buch gewiss von

vielen Juden noch als ein heiliges gelesen. — 18 b ist nun wieder

ganz merkwürdig; S ist sklavische Übersetzung des H: "jcnN Nbi

iiNSKN 13: w^lä ehpuk had läkcMu, das Walton in der Londoner

Polyglotte übersetzt : nec me retractabo, quoties id potuero. Allein

was soU dies heissen: ,ünd ich ziehe mich nicht zurück, auch wenn

ich es kann"? Erstens können wir uns ja jeden Augenblick von

der Weisheit ■zurückziehen, und kostet uns dies leider sehr weuig

Mühe, denn das gerade Gegenteil ist der Fall : es kostet uns Mühe,

(9)

Schlögl, Das Alphabet des Siraciden. 677

stets weise zu sein. Zweitens ist dieser Satz eine Tautologie mit

dem 2. Gliede des folgenden Verses, wo richtig die vollständige

Phrase steht: njaw ipn» Nb -«iCT = ,und mein Angesicht will

ich nie von ihr abwenden'; S hat dies auch eingesehen und darum

sich hinausgeholfen, indem er einfach 19 b auslässt (!), was umsomehr ins Gewicht 0,11t, als er sonst mit H so auffallend übereinstimmt.

19 b kann also nicht aus dem Syrischen ins Hebräische zurück¬

übersetzt sein, weil es ja S nicht hat. Aber auch aus dem

Griechischen ist der Stichos nicht zurückübersetzt, weil auch G ihn

nicht hat ; ebenso hat ihn L nicht. Glosse kann er aber auch nicht

sein, weil sonst eben 3 Hebungen (also ein halber Hexameter) fehlen.

Nun erklärt sich das Ganze, wenn man 18 b im Griechischen näher

betrachtet. Dort steht für das hebräische "^DriN Nbi merkwürdiger¬

weise: VM ov (iri aiaxvv&& = "lEHN Nbi ; nun ist wohl ~i (r) und

Schluss-Kaph ("i) leicht zu verwechseln; man vergleiche nur die

Euting'sche Tafel der semitischen Alphabete, wo 1 und besonders

ähnlich sind; noch leichter sind n nnd n zu verwechseln. Nun

ist die Sache klar: der griechische Übersetzer hatte noch einen

besseren hebräischen Text und las richtig icriN; i:NsaN liess

er aus , vielleicht weil er es nicht verstand ; oder es ist die Über¬

setzung dieser Worte erst in den griechischen Abschriften aus¬

gefallen. Dann ist auch 19 b keine Tautologie mehr zu 18 b und

darum echt und beizubehalten. G hat 19b: »al iv nonqaei vdftov

(Tischendorf: Xifiov) öirjUQißaadfirjv (Vulg. : et in faciendo eam con-

firmatus snm), was wohl freie Übersetznng des hebräischen Stichos

ist; Xifiov und vöfiov (Fritzsche) sind nur Erweiterungen von fiov,

welches Tiscbendorf (Nestle) als Variante aufweist; sowie dirixQißa-

edfirjv die richtige Lesart ist , mag hier statt fiov zu lesen sein :

am-^v (vgl. Ryssel). Der Syrer hat ganz dieselben Vokabeln wie

H, nur gebraucht er das Perfekt Aphel von "^cn. Das griechische

6iafiaxea&ai 19a ist nur freie Übersetzung von pran; es heisst:

,sich abmühen'. — 20a. Von hier an bis zum tt-Vers sind die

Stichen durcheinander geraten, lassen sich aber mittels des Alpha¬

betes leicht ordnen. Auf n muss ü folgen. Wie Schechter und

Taylor richtig vermuteten, ist (treiben, jagen) zu restituieren,

und zwar für ^nna , das leicht aus imna durch ein Versehen oder

Missverständnis entstehen konnte ; S hat jehbeth, G »axtv&vva.

ist kräftiger. — 20b hat H: nUN Nb, wozu Schechter und Taylor

Punkte setzen , als ob etwas fehlte ; das Metrum aber zeigt , dass

nichts fehlt. Nur ist Nb in nb zu korrigieren und HEN zu punk¬

tieren; vgl. 1/; 141,4. Zu D-inx; narb vgl. Js. 34,10. Im Griechi¬

schen (Tischendorf-Nestle) fehlt dieser Stichos, dafür ist er in manchen

Handschriften, sowie in der lateinischen Übersetzung 20c hierher

gerückt; vgl. Fritzsche-Grimm, Kurzgefasstes exeget. Hdbch. zu den

Apokryphen. S hat: wal'alam 'almin la 'efew (mit falschem

Masculinsuffix) = ,in Ewigkeit will ich ihn nicht vergessen'. Da

(10)

678 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.

der griechische Übersetzer diesen Halbvers nicht hat, so kann der

Syrer ihn nur aus dem hebräischen Texte haben, in welchem er

bereits Nb las; liüN Nb = „ich will sie nicht abweisen (oder Ver¬

stössen)" übersetzte er also frei. Vgl. ip 78, 60: ibia pia?^ lau^i

= „und er verwarf das Zelt zu Silo", wo S hat: toafa ImeS-

kana diüu = „und er vergass das Zelt von Silo". 19 cd

G: zag %ÜQäg fiov i^eneraea TtQog vipog xal tu ayvoi';fiaTa a^f^g

insv&rjaa, richtig inevor^aa = Codd. 23. 55. 248. 253. 254. Co

(Fritzsche) ; er las also : rTOi7:ia Tinnc . Der Syrer las, wie der

gefundene hebräische Text lautet, nur hat er nyia (Thor) im Sin¬

gular. Für ayvorjiiaxa schlagen Schechter und Taylor vor: ayv6zr)ra,

was unvergleichlich besser passt und als Übersetzung von "^m =

„Mitte, Inneres" gelten kann, ünd doch halte ich, da dyvoTijg =

mb ist und dieses ohnehin im nächsten Verse steht (G: xad'aqi.a-

fiög) , ccyvorjfiara für richtig. Meines Erachtens ist es nur vom

lateinischen Übersetzer unrichtig wiedergegeben. Dieser hat näm¬

lich insipientia = „Vergehen, Unwissenheitssünde" (ip 25, 7), und

ihm folgen alle Erklärer, auch Kautzsch, Zöckler, Fritzsche. Nun

ist aber ayvorifiaza = dyvoovfieva — rd dSr]Xa xal rd xQvq>ia in

Ip 50, 5 (hebr. 51, 8), also lies rtiuins oder mjairpa. Dies stimmt

auch mit der syrischen Übersetzung, welche freier ist; westakleth

beh (mit falschem Masculinsuffix) = „et intellixi eam". Die vor¬

hergehenden Worte des H TinN nbi hat S genau so vor sich ge¬

habt {wethchaddreth leh = accinctus sum ad eam = „ich machte

mich an sie"), doch scheint richtiger gelesen zu werden: triN nm.

Der griechische Übersetzer hat beide Worte ausgelassen. — 20 c.

Der D -Vei-s fehlt an seiner Stelle ; nun ist aber dem b -Vers ein

Stichos vorgesetzt oder eingefügt (Tischendorf), dem 73 -Vers ein

Stichos angehängt; diese beide müssen den D-Vers geben. Wahr¬

scheinlich wurde dieser Vers von einem Abschreiber ausgelassen

und dann der eine Halbvei-s rechts , der andere links am Rande

bemerkt, worauf der nächste Kopist sie iniümlich zu beiden ge¬

nannten Versen einfügte und diese zu Tristichen machte. — Er¬

gänze am Anfang des Verses welches den vermissten Buchstaben

des Akrostichons und die fehlende Hebung giebt. — 21c haben

alle Versionen gleichlautend. — 20 b lies statt nb : ra (Fritzsche :

ft£T avxi]g). G hat fitr avr&v; vielleicht las er nnb (72 aus nbnn7:).

Statt nnbnn72 ist wohl nbnn73 = niiaN"!72 zu lesen. Zu ab n:p

vgl. Prov. 15, 32. — 20d ist nach S zu ergänzen: naiy« Nb =

non dimittam illam; G und L haben das Passivum: „ich werde

nicht verlassen sein". — 21a = S; lies statt VtTr (HGL) : 172-;

(S), das allein zu nima passt; vgl. Osee 7, 7. nima ist nicht

Glosse, wie das Metram zeigt. Der griecb. Ubersetzer liess es aus,

weil er i"in.- = era()di&t] las. Bemerke den Pehler des S mellqj,

statt me'aj, welcher wieder ein starkes Argument für die Origina-

(11)

Schlögl, Das Alphabet des Siraciden. 679

lität des H ist. Dieser inüsste iia'!i oder gleichfalls ^bu haben,

wäre das Syrische Original. — 21b ist nb der Rest von D^tpn'b;

vgl. Levi, Neuhebr. u. chald. Wörterbuch. Die Übersetzer haben

das Wort ausgelassen. — 22 a hat G: ykäaaäv iioi (al. fiov) (ita&öv

fiov (al. ftoi); S: ,Es gab der Herr meiner Zunge Lohn'. —

22b hat G weder .Zunge' noch „Lippe', sondern avtfj (sc. yldaaar]);

S: „und mit meinen Lippen will ich ihn loben". — 23a hat

S den alphabetischen Buchstaben bewahrt: NüO; dies ist aber ip 14, 3

und 119, 102 = mo. Somit wird auch in H statt i;d gestanden

haben: Tip; das o wurde mit D verwechselt und *i mit :. Es ist

also nicht nötig, mit Schechter und Taylor D^bDO an die Spitze

zu stellen (gegen G und S), und metrisch wäre damit nichts ge¬

wonnen, da ibst i;b nur eine Hebung giebt. — 23b hat G naiSelag

ohne fiov = S. H hat richtig 1101173 = meine Lehre oder

meine Lehren, wie aus dem folgenden erhellt. — 24a G: dion

(mehrere Codd. richtiger: tl ort) 'iateQeirs iv rovioig; S: „wie lange

entbehret ihr dieser Dinge?' Beide setzen nbN voraus, was

auch ganz gnt passt; nur ist dann 23b "'ICI'173 zu lesen, worauf

sich nbN bezieht. Doch scheint das doppelt geschriebene ib^N des

H ein ibir zu bergen. N ist ein lapsus auris. — 24b hat H ein

überflüssiges ninn, welches das Metrum stört. — 25a = G und

S. — 25b fehlt in G aocplav. — 26a = G, S; streiche i am An¬

fang, da Alphabet und Metrum es ausschliessen. Hier las G richtig

rr^y" vno ^vyöv (ergänze: avrrig — S und H). — 26b H: TNteK"

wörtlich: „imd ihre Last' (vielleicht: „und ihren Gewinn'; vgl Levi,

Neuhebr. u. chald. Wörterbch.). G, S, L: „ihre Zucht'; sie scheinen

10173 gelesen zu haben. — 26c G: iyyvg ianv evQCiv avxriv. S =

H. — 26d fehlt in G und L. S = H. — 27 a hat G in^n y^]>

(= „ich war jung»; vgl. Cant. 8, 8; Gen. 9, 24; 27, 15; L Sarn^

17, 14) und inb73y (H: im73y = ich bin gestanden) miteinander

verquickt und daraus dXlyov ixonCaaa gemacht; dann fehlte ihm

zu evQOv ifiavrä ein Objekt, und so ergänzte er als Gegensatz zu

KOTtiav: dvanaveiv. noXlrjv kann ebenfalls als Gegensatz zu oUyov

ergänzt sein; doch lässt es sich auch anders erklären. In H steht

nämlich vor dem o-Vers Di3l, welches schon der griechische Über¬

setzer las und zum 1-Vers ziehen konnte. Doch siehe unten zu

v. 28. H zeigt den i -Vers also : ■'m?3yi in^n pp io DO'Siya ini

: ninNS73i na „Sehet es mit eigenen Augen : Als (nicht: dass) ich

jung war , bemühte ich mich um sie (lies : inb72") , und ich fand

sie'. im733' „ich stand' (in ihr) ist unmögliche Lesart, da man

in der Weisheit nicht stehen kann , bevor man sie gefunden hat.

S hat : ch'zau h'ainaikün meiul daz'ur-u 'emlcth bah weSkachthali

saygi = „Sehet es mit eigenen Augen: wenig gab ich mir Mühe

Bd. LIII. 45

(12)

680 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.

mit ihr, und ich fand sie reichlich». Er las also: !T>n pp oder

übersetzte nngenau statt kad z'ür-na = „als ich jung war" (wie

V. 21 der syr. Übers.) : metul daz'ür-u = „dass es wenig ist

was" u. s. w. Der Syrer hat also das avänavaiv des Gr. nicht.

Wäre nnn H Rückübersetzung aus dem Griechischen, so müsste

der - Vers lauten, wie Bickell hat :

nrn:n an nDisNi | Tbay oya I-ia] aa^Jiya itii

Dem Metrum nach wäre es möglich, da DDiJisa ohnehin nur Glosse

ist. Wäre H Rückübersetzung aus dem Syrischen, so müsste nnser

Vers lanten:

snam nnaaNi | inVar aya ^a naisiya ini.

Dem Metrum nach wäre der Vers auch in dieser Porm möglich,

wenn die Glosse gestrichen wird. Nun lautet aber der Vers im

Hebräischen ganz anders ; von hUyov und aya ist keine Spur, ferner

hat H iniT:, das bei G und S fehlt, ja unmöglich ist; und dann

kommt dazu noch der Schreibfehler imay statt ijibay 1 Das syrische

'emleth und das griechische Iwyniaaa konnte nicht mit imay wieder¬

gegeben werden ! Nun könnte man allerdings einwenden, der Schreib¬

fehler imay sei ja anch in der Abschrift der Rückübersetzung

möglich. Dies ist allerdings richtig, aber mit der Möglichkeit ist

noch nicht die Wirklichkeit erwiesen, ünd abgesehen davon, dass

ein einziger Vers nicht Ausschlag gebend ist, ist es anch mit der

Möglichkeit schwach bestellt. Denn es lässt sich 1. sehr leicht er¬

klären, dass man pp falsch als Neutrum übersetzt {hllyov^ und

iniin auslässt oder innn pp mit inbay als einen Begriff auf;

fasst, wie aiiB neben einem anderen Verbum .wieder" bedeutet,

dass aber ein hebräischer Übersetzer ein oUyov als Maskulinum

übersetzt und ein innn vrillkürlich einschaltet, ist mehr als unwahr¬

scheinlich. Die ganze hebräische Übersetzung müsste dann wohl

ähnlich aussehen , wie etwa die erste lateinische Schularbeit eines

schwachen Primaners. 2. Gesetzt der Syrer oder der Grieche hätten

den Vers richtig und der hebräische Text wäre verstümmelt oder

böte den Vers in unrichtiger Übersetzung: dann frage ich: Wie

stimmt denn der Vers mit dem Ganzen ? Der Sänger hat im ganzen

Liede hisher nicht genug betonen können , wie er von Jugend auf

nur durch unablässiges Gebet und eifriges, mühevolles Streben sich

die Weisheit erwerben konnte; er spricht wiederholt von ihrem

Joche (!) und von ihrer Last , sagt im p - Vers , dass sie nur denen

nahe sei, die sie suchen, und nur von denen gefunden werde, die

sich ihr ganz hingehen: und unmittelbar darauf sollte er sagen,

dass er sich wenig {}) abgemüht habe, um sie reichlich QX) zu finden??

Da wird es doch viel richtiger geschlossen sein , wenn man den

Vers des H als echt anerkennt, zumal er allein dem Kontext ent¬

spricht und auf den N-Vers zurückweist, dessen innn iy:, das

(13)

Schlögl, Das Alphab^ des Siraciden. 681

soviel ist vfie 'n yap, sowohl der griechische als auch der syrische Übersetzer richtig vriedergegeben hat ! Dazu kommt, dass im tä - Vers

von .Jugend", im n-Vers von .Alter" die Rede ist. ünd somit

kämen wir endlich zum Schlüsse. — 28 a b lautet nach H:

••"'5 ispn asir rioai | im-iysa nirab wo« n^ai

G: fmäe%tre ncciSslag iv nollä aQi.&fi& a^yvQlov Kal noliiv XQvabv xtij- OaO&s iv avT'^. S: .Audite doctrinam meam licet exignam, et argentum

et aurum per me possidebitis" (Walton). Das Wort n^ai des

hebräischeu Verses ist jedenfalls eine Randglosse und als solche in

den Text selbst geraten. Schon das Alphabet nnd das Metrum

scbliessen es aus. nnttb bedeutet im A. T. als Adj. .gewöhnt, ver¬

traut", als Snbst. .Schüler, Belehrter"; neuhebräisch aber .Lehre",

vgl. Levi, Neuhebr. u. chald. Wörterbch. Für iniiab = .meine

Lehre" hat G: nutStlug = oni»': und Codd. BS^: naidclav =

ninb. S = H. Der zweite Halhvers ist in der syrischen Über¬

setzimg genau die Wiedergabe des hebräischen Stichos der ge¬

fundenen Handschrift. Sonderbar ist ia der griechischen Über¬

setzung der zweite Halhvers vom ersten beeinflusst. Der Grund

ist wohl das letzte Wort des ersten Versgliedes im Hebräischen.

Tinysa ist wiederum ein Hauptargument gegen die Annahme einer

hebräischen Rückübersetzung ans dem Griechischen oder Syrischen.

Der wahre Sachverhalt ist folgender: Der erste Stichos hatte schon

dem griechischen wie auch dem syrischen Übersetzer verderbt oder

in undeutlicher Schrift vorgelegen, mit der Glosse O^an knapp am

Rande. Dies kann aber nur für das undeutliche Tilissa Ver¬

besserung (oder Vermutung) sein. Das weist darauf hin, dass auch

das letztere ähnlich geendet hat; es mag also statt nnss oder

my: gestanden haben: O^ny:, sei es dass ti" aus D""' verderbt

oder Din»: absichtlich von einem Schreiber mit mn»: vertauscht

wurde, da beides .Jugendzeit" bedeutet. Der Grieche hat nun ent¬

weder, vrie Ryssel vermutet, noon gelesen und prägnant durch

iv TtoHä dQi&ii& übersetzt, oder er las, was weit wahrschein¬

licher ist, der Randglosse gemäss D^an , dann erklärt sich, warum

er das 1 vor qOD nicht übersetzte. Er betrachtete nämlich O^an

als zn ariTi CjOa gehörig, somit konnte er das Attribut vom Sub¬

stantiv nicht trennen; noXvv ist die Wiederaufnahme des Attributs

vor ;(9t)ff6v. Was ist es nun aber mit dem Syrer? Dieser hat

äma' juif an had ifi'ür = .vernehmet meine Lehre, obgleich sie

gering ist*. Da ist nun wieder das leidige ifi'ür , welches der

Hebräer mit ifyp oder tsyn hätte übersetzen müssen, während er

das Griechische wohl durch an irgendvrie übersetzt hätte, aber

keinesfalls so, dass O^an an der Stelle von Tiinysa stünde. Da

ist wieder anzunehmen, dass der Syrer, welcher hier gewiss nicht

nach dem griechischen Texte übersetzt hat, das hebräische Wort

unrichtig gelesen habe. Nun ist nichts näherliegender nnd klarer,

46»

(14)

682 Schlögl, Das Alpliabet des Siraciden.

als dass e^'ür Übersetzung des verwandten Ii?» sei, wie ip 68 28

und 119, 141 (vgl. auch ip 115, 13: zl"ür — ppi), aass also'der

S3rrer, der bei seiner Übersetzung ein hebräisches Exemplar des

Sirach vor sich gehabt haben muss, DiliyK D^mab las und es

durch den kollektiven Singular gab. Also lautet der hebräische

Vers höchstwahrscheinlich:

na i3pn ann rioai | o^-wi inab iya»

na = iv amy entspricht besser als ia (H und S). — 29 a b lautet

bei G: evcpQav&elrj r) ipviij vfiäv iv xö> ilisi avxov, xai firj aiaxvv-

^elrjxc iv alviaei avxov. Wie das Wort ikeet hiebergekommen sei,

mag man begreifen, wenn man bedenkt, dass dasselbe Wort ip 83, 12

Übersetzimg von ffiaa (Sonne!) ist. Der Übersetzer las wohl

TyiiDi, wie im zweiten Versgliede iniiiB, dessen Suffix er objektiv

nahm. Da er den ganzen Vers als Fortsetzung von v. 28 nahm,

las er DDiSca statt iiDc;. S hat: ,Laetetur anima vestra de poeni¬

tentia mea, et ne pudeat vos canticorum meorum" (Walton); er

bezog also anch den ganzen n-Vers auf seine Zuhörer, daher naf-

skün, und las statt inaiiDia (H): inaica oder inaioa von aiiD

,sich bekehren, Busse thun" (vgl. 1. Sam. 7,3; 1. Reg. 8,33;

Jer. 4, 1). Auch hier ist nicht schwer zu sagen, was Original sei

und was Übersetzung. Denn was die Busse hier auf einmal soll,

ist unerfindlich, nachdem von keinem Vergehen, von keiner Sünde

die Rede war, sondem nur vom richtigen Suchen wahrer Weisheit.

Der Syrer hat also falsch punktiert; das hebräische Wort ist "naiiB.

Das 1 nach a mag unrichtige Lesung sein: inaiB: (neuhebr.) ,das

Sitzen, der Sitz ; der Gelehrtensitz in der Akademie oder der Königs¬

sitz auf dem Throne; Akademie"; vgl. Levi, Neuhebr. u. chald.

Wörterbch. Ein Absclireiber mag zu dieser Schreibung durch v. 23

verleitet worden sein. Der Sänger will seine Zuhörer durch den

Hinweis auf die Freude seines Alters zum Studium und zur Pflege

der Weisheit ermuntern. 29b bedeutet irnaiä „mein Lied", „mein

Lehrgedicht". Vom Lob Gottes ist gar keine Rede. — Der hehr.

Text hat darm noch folgende Zeilen:

nnsa oaiaffl nab -jms-Nim | fipnita im oaiiaya (3 + 4)

: in-Tib laia naipai | obwb inn-« ^na

Von diesen beiden Verszeilen haben G und L nur noch den ersteren,

welchen Prof. Bickell als zweiten D-Vers vermutete (vgl. ip 25 u.

34): 'Epyaffö'O'f xb k'gyov vfiäv nqb xaiQOv , xai Sioaei xbv (iia&bv

Vfimv ev xaiQä avtov = Operamini opus vestrum ante tempus, et

dabit vobis mercedem vestram in tempore suo. S hat beide Verse

ganz wie H. Beide sind nur ein feierliches „Finis". Übrigens

werde ich gelegentlich darauf noch zurückkommen.

(15)

683

Päseq.

Von Franz Fraetorins.

Olshausen hat, Lehrb. d. hebr. Sprache § 43 a. E., wahrschein¬

lich gemacht, dass der senkrechte Strich zwischen zwei Worten

des hebräischen Bibeltextes bisweilen da steht, wo „kleine Teile

des Textes ... am Bande gestanden, oder auch ehemalige . . . Rand¬

glossen in den Text eingerückt sind". Vgl. F. Perles, Analekten

zur Textkritik des A. T. S. 21 f. Ich halte Olshausens Vermutung,

wie gesagt, für sehr wahrscheinlich : Der senkrechte Strich ist manch¬

mal als stehengebliebener Wegweiser zu einer ursprünglichen Band¬

glosse , oder zu einer am Rand ausgefüllten Textlücke anzusehn.

Mir fällt dabei noch ein das von der Kritik längst als Randglosse

verdächtigte i iBSa Thren. 2,1. — Was v. Ortenberg hier noch

weiter angeknüpft hat , geht viel zu weit und ist m. W. allseitig

abgelehnt worden; s. Wiekes in Stade's Zeitschr. VIII, 149 f., König

in Zeitschr. f kirchl. Wissensch. X, 234 ff.

Wenn wir von diesen (seltneren) Fällen absehen , so scheint

sich bei schärferem Zusehen zu ergeben , dass der Strich in vor-

masoretischer Zeit ausserdem noch zwei anderen Zwecken gedient

hat. Wahrscheinlich hat dieser jetzt nur senkrechte Strich dem¬

entsprechend früher auch nicht die einheitliche Richtung und Form

gehabt, die er heute zeigt, sondern war je nach seiner Anwendung

so oder so gerichtet und gestaltet. Dass sich eine einheitliche

Gestalt des Zeichens herausbildete, war dadurch veranlasst, dass der

Sinn der einen Anwendimg in masoretischer Zeit in Vergessenheit

geriet (man kann sagen : in Vergessenheit geraten musste) und nun

irrtümlich und künstlich von dem Sinne der anderen Anwendung

mitumfasst wurde.

Denn die eine Anwendung des senkrechten Striches ist dem

Bewusstsein der jüdischen Gelehrten lebendig geblieben. Sie lag

auch unmittelbar nahe : Ein ungewöhnlicher senkrechter Strich

zwischen zwei Wörtem kann kaum einen anderen Sinn haben, als

zu trennen. Darauf deutet der dem Zeichen gegebene Name Päseq

d. i. trennend. Es kann wohl kein Zweifel darüber obwalten, ^.ass

Päseq von den vormasoretischen Schreibern nach Belieben und ohne

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