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Das Alphabet des Siraciden (Eccls. 51, 13—29).
Eine textkritische Studie.
Von P. Nivard Schlögl.
Vor 17 Jahren hatte bereits ein Orientalist ersten Ranges,
nämlich Professor Dr. Gustav Bickell, in der Innsbrucker „Zeit¬
schrift für katholische Theologie" erkannt, dass die syrische
Übersetzung des Ecclesiasticus gleich der griechi¬
schen ein hebräisches Original zur Grundlage haben
müsse, ünd zwar erschloss er dies gerade aus dem noch im Sy¬
rischen unverkennbar erhaltenen alphabetischen Charakter des Liedes
Eccls. 51, 13—29. Er sagt (Ztschr. k. Th. 1882, S. 330): ,Am
wichtigsten ist das nunmehr unzweifelhafte, obgleich noch von
de Wette und Reusch dahingestellt gelassene, von Kaulen und
Fritzsche bestrittene Resultat, dass die syrische Übersetzung des
Ecclesiasticus, aus welcher die arabische geflossen ist, das verlorene
hebräische Original zur unmittelbaren Vorlage hatte, also für Ver¬
suche zur Herstellung des letzteren zwei einander kontrollierende
Texte zu Gebote stehen". Was Prof. Bickell dann weiter sagt, be¬
rücksichtigt seine syrisierende Metrik, die wohl jetzt als ein über¬
wundener Standpunkt betrachtet werden muss, wenn auch jedermann
die hohen Verdienste Bickells nicht nur um Textkritik, sondern auch
um das Metrum der Hebräer anerkennen muss. Denn ungeachtet
aller entgegenstehenden Meinungen hat er an dem Bestehen eines
hebräischen Metrums festgehalten, und wie nahe er der Wahrheit
trotz seines Syrismus gekommen ist, mag aus seiner von mir accen-
tuiei'ten Übersetzung des erwähnten Akrostichons zu ersehen sein.
Unter 22 Versen finden sich 10 mit dem richtigen Metrum (nach
Grimme, ZDMG. 50. Bd.), 23 b kann gleichfalls mit Nebencäsur und
Pausa (i:;ibnn) zu drei Hebungen gelesen werden, und die andem
Verse haben nur nicht das richtige Metrum (3 -f- 3 Hebungen),
weil sie eben vom hebräischen Original abweichen.
Dies ist von ungeheurer Wichtigkeit. Ich betone dies, weil Stimmen
laut werden, welche den gefundenen hebräischen Text für eine Rück-
670 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.
Übersetzung halten. So z. B. will uns dies Prof. Margoliouth-Oxford
glnuben machen in seiner Broschüre: The Origin of the 'Original
Hebrew' of Ecclesiasticus (London 1899). Aber er hat auch Grund
dazu; denn 1890 behauptete er in seiner Antrittsvorlesung (the
inaugural lecture), betitelt : An essay on the place of Ecclesiasticus
in Semitic Literature (Oxford 1890), dass das Buch Jesus Sirach
in stark aramaisierendem Hebräisch und im 15. Metrum der Araber
(el mutaqärib . ßacchiacum) geschrieben sei. Nachdem nun diese
Behauptung so überraschend durch den gefundenen hebräischen Text
widerlegt erscheint, ist es begreiflich, dass Prof. Margoliouth nicht
gerne seinen Irrtum eingesteht, obwohl ihm dies gewiss an seiner
Ehre nicht schadete. Denn, aufrichtig gestanden, ich hätte betreffs der Sprache dasselbe vermutet. Nun habe ich in meiner von der Wiener
theologischen Pakultät preisgekrönten Schrift, in welcher ich Eccls.
39, 12—49, 12 mit Hilfe der Metrik und der alten Übersetzungen
hergestellt habe, gefunden, dass der Ecclesiasticus in ganz klassischem
Hebräisch geschrieben ist und Zenners Chorliederstruktur zeigt.
Dabei finden sich alle Kunstformen angewendet, welche der klassischen
Poesie eigen sind, nur dass sie nicht mehr in demselben Masse an¬
gewendet sind, wie in den schönsten Psalmen; anderes war aber
auch nicht zu erwarten, zumal in so später Zeit, wo das Judenvolk
längst nicht mehr Hebräisch sprach. Dass nun der gefundene Text
Original sein muss, zeigt eben (ausser der klassischen Sprache) seine
metrische Porm, die ein späterer Übersetzer zu einer Zeit, wo man
von der hebräischen Metrik nicht mehr wusste als Josephus Plavius
und Hieronymus (!), nie zufällig treffen konnte noch auch wirklich
"traf, wie die vorhandenen hebräischen Rückübersetzungen zeigen.
Auch habe ich bei meiner Preisarbeit gefunden, dass Prof. Bickells
Behauptung betreffs der syrischen Übersetzung einzuschränken ist.
— In den von Cowley & Neubauer (Oxford 1897) herausgegebenen
und von mir textkritisch bearbeiteten 10 Kapiteln (Eccls. 39, 12—
49, 12) ist nämlich die syrische Übersetzung sehr ungleicbmässig;
bald hat sie sklavisch den griechischen Text übersetzt, z. B. 43,
2—10 (vgl. Touzard in Bevue Biblique 1898, S. 50), bald stimmt
sie mehr oder weniger mit dem gefundenen hebräischen Texte über¬
ein, sodass sich Übersetzungsfehler des Griechen nach ihr korrigieren
lassen, bald — und dies sehr oft ! — verkürzt sie die hebräischen
Verse zu Halbversen , endlich weist sie grosse Lücken auf, z. B.
41, 13— 19a; 42, 1—8; 43, 11—33; 45, 9—14, von kleineren Aus¬
lassungen nicht zu reden. Dagegen erweist sich der griechische
Text trotz seiner Abweichungen und Pehler und gerade durch diese
als ein ausgezeichnetes Mittel, den Originaltext nach den schadhaften
Fragmenten wiederherzustellen. Obgleich ich nun meine darauf-
bezügliche Preisarbeit demnächst bei Mayer & Co. in Wien erscheinen
lasse , so drängt es mich doch , die Gelebrtenwelt durch folgende
Studie über das alphabetische Lied des Siraciden (51, 13—29) schon
jetzt auf meine Resultate aufmerksam zu machen.
♦ 7
Schlögl, Das Alphabet des Siraciden. 671
Was nun dieses Lied betrifft, so ist es wirklich genau alphabe¬
tisch, aber nicht genau so, wie Prof. Bickell vermutete. Denn
der zuverlässigere Text ist der griechische , wenn es sich um Er¬
gänzungen des gefundenen bebräisehen Textes handelt. Dies zeigt
sich schon beim 2. und 3. Verse (a, a); daher ist auch der I.Vers
nach G ') herzustellen , nicht nach S. Das Nähere siehe vmten in
den krit. Bemerkungen. Dort ist auch an den einzelnen Halb¬
versen nachgewiesen , dass das Syrische wie das Griechische , was
Eccls. 51, 13—29 anbelangt, ein hebräisches Original voraussetzen.
Ganz merkwürdig ist, dass gerade das Syrische den hebräischen
Text schon in ähnlicher Gestalt als Grundlage hatte, wie die ge-
fimdenen Pragmente. Z. B. fehlt Vers 1 wie in H das Wort
nttsn , weshalb der Syrer bis zum v -Vers lauter Maskulinsuffixe
hat, die sich zuerst auf den , Namen Gottes", dann auf „Unterricht"
( julfana) beziehen lassen. Erst im d -Verse und den folgenden ist
das Femininsuffix auf rTODM bezogen , das im d -Vers steht. Über
das sonstige Verhältnis der Übersetzungen zum gefundenen hebrä¬
ischen Texte siehe die krit. Bemerkungen. Das Lied ist ein Chor¬
lied, bestehend aus 2 Strophenpaaren (13— 15 b und 15 c —17;
23— 26 b und 26 c —29) und einer Wechselstrophe von 8 Versen.
Die Verse sind lauter Hexameter mit Mittelcäsur (3 + 3 Hebungen).
Die Kunstformen (Responsion in 13 b und 15 c, in 17 a und 26 a,
in 21c und 20 bd, in 25b und 28b, 26b und 29a) sind durch
den Druck hervorgehoben. Die Verszahlen sind den LXX ent¬
nommen.
1) G bedeutet die griechische Übersetzung, S die syrische, L die latei¬
nische , wie sie Hieronymus unverändert beibehalten hat. Über das Verhältnis vön G, S, L zu H siehe meine demnächst erscheinende Schrift über Eccls.
39, 12—49, 16; ferner Herkenne, de Veteris Latinae Ecelesiastici capitibus 1—43;
Byssel, die Sprüche Jesus', des Sohnes Sirachs (bei Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des A. T.s).
672 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.
Bickells B&ckübersetzang.
(Zeitschrift f. kath. Theol. 1882, S. 319 ff.
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Schlögl, Das Alphabet dea Siraciden. 673
Hebräischer Text.
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•.[Tf^iy iab nawä'i]
Tiin w ivf 15»
[bain i3Bb] n^ropa [bwi loaa irbwa]
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CZ!
c- (LXX)
13 Ich war [noch] ein Jüngling,
14 [Ich flehte um sie vor dem Tempel
15 [Sie reifte, wie Trauben reifen.
15 c Es wandelte raein Pnss in ihr sicher,
16 Eifrig betete ich in meiner Jugend,
17 ünd ihr Joch ward mir zum Ruhme ;
18 Ich gedachte, sie wohl zu pflegen,
19 Es hängt meine Seele an ihr,
20 Ich jagte ihr nach mein Herz
19 c Meine Hand that auf ihre Thore,
20 c [So] fand ich sie in ihrer Reinheit,
20b Einsicht gewann ich durch sie von Anfang an,
21a Mein Inneres brennt wie ein Peuerofen
22 Zum Lohn gab mir Jahwe meine Lippen,
23 Kehret um zu rair, üngebildete,
24 Wie lange verzichtet ihr auf dessen Vorrat,
25 Meinen Mund thue ich auf und spreche :
26 Beuget unter ihr Joch euren Nacken,
2.
26 c „Nahe ist sie denen, die sie suchen,
27 Sehet: Als ich jung war,
28 Vernehmet meine Lehre, da ihr noeh jung seid
29 Es freut sich meine Seele in meinem Alter,
Deutsche Übersetzung.
1. Strophe.
als ich [im Gebete] nach [Weisheit] begehrt^-,
und will sie suchen bis ans Ende der Tage.]
und mein Herz batte Freude an ihr.]
1. Gegenstrophe.
ja, von Jugend auf lernte ich Weisheit,
und reichlich erwarb ich mir Wissen.
Dank sei dafür meinen Lehrem!
Wechselstrophe.
und ich werde nicht zu Schanden, wenn es mir gelungen,
und nie werde ich mein Angesicht von ihr abwenden,
und will es ihr zuwenden für und für.
und ich erfasste sie und schaute ihre Geheimnisse.
21c darum erwarb ich sie als guten Besitz.
20 d darum will ich sie nimmer lassen.
21b vor Begier, sie nach Lust zu schauen.
und darob will ich mit meiner Zunge ihn preisen.
2. Strophe,
und verweilet in meinem Lehrhause!
während eure Seele überaus dürstet?
„Erwerbt euch Weisheit ohne Geld [zu bezahlen]!
und eure Seele trage ihre Last !"
Gegenstrophe.
und wer sich [ihr] hingiebt, findet sie.
bemühte ich mich um sie und fand sie.
und ihr werdet durch sie Gold und Silber erwerben,
und auch ihr sollt ob meines Liedes nicht zu Schanden werden."
Schlögl, Das Alphnhet. des Siraciden. 675
Bemerkungen.
V. 13a ergänze nach welches im G fehlt, "ny = «rt.
Dass nQiv i] nlavri^]vai fis = priusquam oberrarem (Vulg.) eine
Glosse sei, ergiebt sich aus dem Metrum und aus dem Vergleich
der alten Übersetzungen ; im S fehlt es. — Dagegen ist 13 b etwas
ausgefallen , wie denn zwei ganze Verse (□, i) vermisst werden.
G hat: i^ritTjacc Goiplav nQOcpccväg iv TtQoasvxij fiov. yen mag ur¬
sprünglich schon gestanden haben, da es auch 40, 7 dieselbe Be¬
deutung hat und in den Psalmen allein 22 mal durch das syrische
Nns wiedergegeben ist. Aber es verlangt in dieser Bedeutung den
Accusativ, darum ergänze n72Dn , welches unbegreiflicherweise aus¬
gefallen ist — vielleicht war das Original beschädigt —-, und
TibDra = G. nQoipavmg , das in den LXX sonst nicht vorkommt,
mag Glosse sein, wie das Metrum zeigt. — 14 a beginnt mit rrrnapn
= ij^iovv TtEQi amrig; vgl. Esth. 4, 8; 9, 12; Dan. 1, 8. Ergänze
bD^n "':ob = ivavrl vaov. — 14b = G: xal eag iax^tav ex^tj-
Tijffco avf^v; vgl. Neh. 13, 6; Dan. 12, 13. — 15a ist nach Js. 18, 5
zu ergänzen, wo G hat: xui oficpcc^ i'^av&riarj av&og dfupani^ovaa;
somit muss es an unserer Stelle heissen : äv&ovg ag öfMpccm^ovßrjg avacpvkfjg oder richtiger : i'^rjv&rjßev ag oinpaKi^ovaa örai/^uil^ =
bizii -1033 nbaa oder n:y loas nb7:a. — 15b = G. — 15c be¬
ginnt mit ns-n und schliesst mit nnasa (wörtlich : in ihrer Sicher¬
heit) = G und S. Wahrscheinlich war nn)3N3, weil aus Versehen
ausgelassen, am Rande daneben geschrieben und geriet so durch
den nächsten Abschreiber an den Anfang. — 15 d hat H gleich S
(15c am Ende) am Anfang: ^pN; das Metrum lässt es als Glosse
erkennen, nicht minder die Übersetzungen (G und L). naan ist
in L und G durchs Pronomen ersetzt, S hat julfana (Lehre). Dass
es notwendig steht, zeigt das Metrum. — 16a hat H bbsriNi; die
alphabetische Porm des Liedes verlangt die Perfektform Tibbsn".
An diesem Stichos scheitert die Ansicht , H sei eine Rücküber¬
setzung; denn der griechische Text, welcher doch im allgemeinen
der zuverlässigere ist, hat: exhva öklyov rb ovg fiov [xai iäe^dfitjv]
ff f
= (npNi) iriN üyao Tiian , was dem Metram und dem Alphabet
ganz gut entspräche. xal iäe^dfiijv ist von Ryssel richtig als
Zusatz erkannt, aber es bedeutet nicht: „und ich erhielt sie [zu
eigen]', sondern: „und ich nahm sie [mit dem Ohre] auf"; vgl.
Schenkl, griech.-dtsch. Schulwörterbuch. Der Zusatz ist also durch
e'xlifa Ktl. veranlasst. Übrigens vergleiche man 19 c und Eccls.
38, 28. An letzterer Stelle hat S : luqbal sukala narken' ideh =
„ad rem mente conceptam manum admovet" (Walton.), und G:
(pavi] GcpvQtig xaivici (lies xaq>aaet od. xacpevoei) rb ovg amoxi.
Vielleicht lautete auch 51, 16 a: iiizeiva öklyog rag x^^Q^S ('■o'"
ei'ic'cfujv, und wurde rait Rücksicht auf 19c: rag XHodg iiov e'^eto-
raaa rcQbg uVo? geändert. Also aus dem Griechischen kann der
676 Schlögl, Daa Alphabet de» Siraciden.
hebräische Stichos nicht zurückübersetzt sein; aber auch nicht aus
dem Syrischen, wie Prof. Bickell (Zeitschrift f. kath. Theologie 1882)
will. Er meint nämlich, dass in der syrischen Übersetzung sHüteh
had Glosse und ena Schreibfehler für edna sei; das Zeitwort sei
nicht fallith {= ich betete), sondem sHith (= ich neigte) zu
lesen; z^'ür sei = DSns = hllyov. Das sind aber ebensoviele
willkürliche Vermutungen als Wörter und wahrscheinlich gestützt
auf 27b (Lagarde) der syr. Übers. Allein es ist von niemandem
die Eede, dem Jesus Sirach sein Ohr zuwandte ; auch hat in dieser
Phrase das Wort -jTN stets das entsprechende Personalsuffix: es
müsste ednak heissen, nicht edna (stat. emphat.). ünd dann hat
H gar keine Spur von Bickells Übersetzung, stimmt
aber merkwürdigerweise genau mit dem Texte, wie ihn die PeSita
hat, ohne deren falsches Suffix (3. pers. sing, masc.) zu
haben: imssa rtbon Tbbcnn = ich betete ein Gebet in meiner
Jugend; S: scdlith sHütheh had e^ür-na = ich betete sein Gebet,
als ich klein (jung) war. Allerdings könnte der Stichos des Syrers
dem hebräischen Stichos zu Grande liegen, dann müsste dieses Ab¬
stammungsverhältnis auch bei allen andem Stichen gelten, und das
ist bei weitem nicht der Fall. Merkwürdig ist nur, dass gerade
der Grieche die Phrase vom „Neigen des Ohres" hat. Allein das
kann, wenn obige Vermutung nicht richtig ist, eine spätere Korrek¬
tur nach dem missverstandenen S sein. — Statt imiyj lies iny;
(wie 15d) wegen des Metrams. — 16 b hst S jvi fana (Lehre) für
T\S-I (Wissen) = naiSsla, 15 c hat er dasselbe Wort für nWDn
(Weisheit) = ao(pla\ — 17a las G nbS" Spross, Zuwachs (ntQwonri),
S hat richtig ntr = by (Joch) mit äem falschen Suffix. — 17b
lies statt nsnin (aramaisierende Orthographie): nnn. — 18a fehlt
das mit T anlautende Wort; ergänze nNT = avxriv, welches die
fehlende Hehxmg giebt. Tov noifiaai avtijv Mtl i^'^laaa ro aya&bv
ist nur Übersetzung von: aiUin ...nNT. Auch hier ist gerade
das ausgelassene nNT Zeuge dafür, dass das Hebräische Original,
das Syrische (sklavische) Übersetznng ist ; allerdings ist merkwürdig,
dass der syrische Teit mit dem aufgefundenen , korrampierten he¬
bräischen Texte so übereinstimmt, dass er dieselben Fehler und
Lücken hat, wie dieser; allein dies ist hinlänglich erklärt durch
eine Eedaktion der syrischen Version nach dem damals im ümlaufe
befindlichen hebräischen Original. Zur Zeit, in der die syrische
Übersetznng des Eccls. entstand, wurde dieses Buch gewiss von
vielen Juden noch als ein heiliges gelesen. — 18 b ist nun wieder
ganz merkwürdig; S ist sklavische Übersetzung des H: "jcnN Nbi
iiNSKN 13: w^lä ehpuk had läkcMu, das Walton in der Londoner
Polyglotte übersetzt : nec me retractabo, quoties id potuero. Allein
was soU dies heissen: ,ünd ich ziehe mich nicht zurück, auch wenn
ich es kann"? Erstens können wir uns ja jeden Augenblick von
der Weisheit ■zurückziehen, und kostet uns dies leider sehr weuig
Mühe, denn das gerade Gegenteil ist der Fall : es kostet uns Mühe,
Schlögl, Das Alphabet des Siraciden. 677
stets weise zu sein. Zweitens ist dieser Satz eine Tautologie mit
dem 2. Gliede des folgenden Verses, wo richtig die vollständige
Phrase steht: njaw ipn» Nb -«iCT = ,und mein Angesicht will
ich nie von ihr abwenden'; S hat dies auch eingesehen und darum
sich hinausgeholfen, indem er einfach 19 b auslässt (!), was umsomehr ins Gewicht 0,11t, als er sonst mit H so auffallend übereinstimmt.
19 b kann also nicht aus dem Syrischen ins Hebräische zurück¬
übersetzt sein, weil es ja S nicht hat. Aber auch aus dem
Griechischen ist der Stichos nicht zurückübersetzt, weil auch G ihn
nicht hat ; ebenso hat ihn L nicht. Glosse kann er aber auch nicht
sein, weil sonst eben 3 Hebungen (also ein halber Hexameter) fehlen.
Nun erklärt sich das Ganze, wenn man 18 b im Griechischen näher
betrachtet. Dort steht für das hebräische "^DriN Nbi merkwürdiger¬
weise: VM ov (iri aiaxvv&& = "lEHN Nbi ; nun ist wohl ~i (r) und
Schluss-Kaph ("i) leicht zu verwechseln; man vergleiche nur die
Euting'sche Tafel der semitischen Alphabete, wo 1 und besonders
ähnlich sind; noch leichter sind n nnd n zu verwechseln. Nun
ist die Sache klar: der griechische Übersetzer hatte noch einen
besseren hebräischen Text und las richtig icriN; i:NsaN liess
er aus , vielleicht weil er es nicht verstand ; oder es ist die Über¬
setzung dieser Worte erst in den griechischen Abschriften aus¬
gefallen. Dann ist auch 19 b keine Tautologie mehr zu 18 b und
darum echt und beizubehalten. G hat 19b: »al iv nonqaei vdftov
(Tischendorf: Xifiov) öirjUQißaadfirjv (Vulg. : et in faciendo eam con-
firmatus snm), was wohl freie Übersetznng des hebräischen Stichos
ist; Xifiov und vöfiov (Fritzsche) sind nur Erweiterungen von fiov,
welches Tiscbendorf (Nestle) als Variante aufweist; sowie dirixQißa-
edfirjv die richtige Lesart ist , mag hier statt fiov zu lesen sein :
am-^v (vgl. Ryssel). Der Syrer hat ganz dieselben Vokabeln wie
H, nur gebraucht er das Perfekt Aphel von "^cn. Das griechische
6iafiaxea&ai 19a ist nur freie Übersetzung von pran; es heisst:
,sich abmühen'. — 20a. Von hier an bis zum tt-Vers sind die
Stichen durcheinander geraten, lassen sich aber mittels des Alpha¬
betes leicht ordnen. Auf n muss ü folgen. Wie Schechter und
Taylor richtig vermuteten, ist (treiben, jagen) zu restituieren,
und zwar für ^nna , das leicht aus imna durch ein Versehen oder
Missverständnis entstehen konnte ; S hat jehbeth, G »axtv&vva.
ist kräftiger. — 20b hat H: nUN Nb, wozu Schechter und Taylor
Punkte setzen , als ob etwas fehlte ; das Metrum aber zeigt , dass
nichts fehlt. Nur ist Nb in nb zu korrigieren und HEN zu punk¬
tieren; vgl. 1/; 141,4. Zu D-inx; narb vgl. Js. 34,10. Im Griechi¬
schen (Tischendorf-Nestle) fehlt dieser Stichos, dafür ist er in manchen
Handschriften, sowie in der lateinischen Übersetzung 20c hierher
gerückt; vgl. Fritzsche-Grimm, Kurzgefasstes exeget. Hdbch. zu den
Apokryphen. S hat: wal'alam 'almin la 'efew (mit falschem
Masculinsuffix) = ,in Ewigkeit will ich ihn nicht vergessen'. Da
678 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.
der griechische Übersetzer diesen Halbvers nicht hat, so kann der
Syrer ihn nur aus dem hebräischen Texte haben, in welchem er
bereits Nb las; liüN Nb = „ich will sie nicht abweisen (oder Ver¬
stössen)" übersetzte er also frei. Vgl. ip 78, 60: ibia pia?^ lau^i
= „und er verwarf das Zelt zu Silo", wo S hat: toafa ImeS-
kana diüu = „und er vergass das Zelt von Silo". 19 cd
G: zag %ÜQäg fiov i^eneraea TtQog vipog xal tu ayvoi';fiaTa a^f^g
insv&rjaa, richtig inevor^aa = Codd. 23. 55. 248. 253. 254. Co
(Fritzsche) ; er las also : rTOi7:ia Tinnc . Der Syrer las, wie der
gefundene hebräische Text lautet, nur hat er nyia (Thor) im Sin¬
gular. Für ayvorjiiaxa schlagen Schechter und Taylor vor: ayv6zr)ra,
was unvergleichlich besser passt und als Übersetzung von "^m =
„Mitte, Inneres" gelten kann, ünd doch halte ich, da dyvoTijg =
mb ist und dieses ohnehin im nächsten Verse steht (G: xad'aqi.a-
fiög) , ccyvorjfiara für richtig. Meines Erachtens ist es nur vom
lateinischen Übersetzer unrichtig wiedergegeben. Dieser hat näm¬
lich insipientia = „Vergehen, Unwissenheitssünde" (ip 25, 7), und
ihm folgen alle Erklärer, auch Kautzsch, Zöckler, Fritzsche. Nun
ist aber ayvorifiaza = dyvoovfieva — rd dSr]Xa xal rd xQvq>ia in
Ip 50, 5 (hebr. 51, 8), also lies rtiuins oder mjairpa. Dies stimmt
auch mit der syrischen Übersetzung, welche freier ist; westakleth
beh (mit falschem Masculinsuffix) = „et intellixi eam". Die vor¬
hergehenden Worte des H TinN nbi hat S genau so vor sich ge¬
habt {wethchaddreth leh = accinctus sum ad eam = „ich machte
mich an sie"), doch scheint richtiger gelesen zu werden: triN nm.
Der griechische Übersetzer hat beide Worte ausgelassen. — 20 c.
Der D -Vei-s fehlt an seiner Stelle ; nun ist aber dem b -Vers ein
Stichos vorgesetzt oder eingefügt (Tischendorf), dem 73 -Vers ein
Stichos angehängt; diese beide müssen den D-Vers geben. Wahr¬
scheinlich wurde dieser Vers von einem Abschreiber ausgelassen
und dann der eine Halbvei-s rechts , der andere links am Rande
bemerkt, worauf der nächste Kopist sie iniümlich zu beiden ge¬
nannten Versen einfügte und diese zu Tristichen machte. — Er¬
gänze am Anfang des Verses welches den vermissten Buchstaben
des Akrostichons und die fehlende Hebung giebt. — 21c haben
alle Versionen gleichlautend. — 20 b lies statt nb : ra (Fritzsche :
ft£T avxi]g). G hat fitr avr&v; vielleicht las er nnb (72 aus nbnn7:).
Statt nnbnn72 ist wohl nbnn73 = niiaN"!72 zu lesen. Zu ab n:p
vgl. Prov. 15, 32. — 20d ist nach S zu ergänzen: naiy« Nb =
non dimittam illam; G und L haben das Passivum: „ich werde
nicht verlassen sein". — 21a = S; lies statt VtTr (HGL) : 172-;
(S), das allein zu nima passt; vgl. Osee 7, 7. nima ist nicht
Glosse, wie das Metram zeigt. Der griecb. Ubersetzer liess es aus,
weil er i"in.- = era()di&t] las. Bemerke den Pehler des S mellqj,
statt me'aj, welcher wieder ein starkes Argument für die Origina-
Schlögl, Das Alphabet des Siraciden. 679
lität des H ist. Dieser inüsste iia'!i oder gleichfalls ^bu haben,
wäre das Syrische Original. — 21b ist nb der Rest von D^tpn'b;
vgl. Levi, Neuhebr. u. chald. Wörterbuch. Die Übersetzer haben
das Wort ausgelassen. — 22 a hat G: ykäaaäv iioi (al. fiov) (ita&öv
fiov (al. ftoi); S: ,Es gab der Herr meiner Zunge Lohn'. —
22b hat G weder .Zunge' noch „Lippe', sondern avtfj (sc. yldaaar]);
S: „und mit meinen Lippen will ich ihn loben". — 23a hat
S den alphabetischen Buchstaben bewahrt: NüO; dies ist aber ip 14, 3
und 119, 102 = mo. Somit wird auch in H statt i;d gestanden
haben: Tip; das o wurde mit D verwechselt und *i mit :. Es ist
also nicht nötig, mit Schechter und Taylor D^bDO an die Spitze
zu stellen (gegen G und S), und metrisch wäre damit nichts ge¬
wonnen, da ibst i;b nur eine Hebung giebt. — 23b hat G naiSelag
ohne fiov = S. H hat richtig 1101173 = meine Lehre oder
meine Lehren, wie aus dem folgenden erhellt. — 24a G: dion
(mehrere Codd. richtiger: tl ort) 'iateQeirs iv rovioig; S: „wie lange
entbehret ihr dieser Dinge?' Beide setzen nbN voraus, was
auch ganz gnt passt; nur ist dann 23b "'ICI'173 zu lesen, worauf
sich nbN bezieht. Doch scheint das doppelt geschriebene ib^N des
H ein ibir zu bergen. N ist ein lapsus auris. — 24b hat H ein
überflüssiges ninn, welches das Metrum stört. — 25a = G und
S. — 25b fehlt in G aocplav. — 26a = G, S; streiche i am An¬
fang, da Alphabet und Metrum es ausschliessen. Hier las G richtig
rr^y" vno ^vyöv (ergänze: avrrig — S und H). — 26b H: TNteK"
wörtlich: „imd ihre Last' (vielleicht: „und ihren Gewinn'; vgl Levi,
Neuhebr. u. chald. Wörterbch.). G, S, L: „ihre Zucht'; sie scheinen
10173 gelesen zu haben. — 26c G: iyyvg ianv evQCiv avxriv. S =
H. — 26d fehlt in G und L. S = H. — 27 a hat G in^n y^]>
(= „ich war jung»; vgl. Cant. 8, 8; Gen. 9, 24; 27, 15; L Sarn^
17, 14) und inb73y (H: im73y = ich bin gestanden) miteinander
verquickt und daraus dXlyov ixonCaaa gemacht; dann fehlte ihm
zu evQOv ifiavrä ein Objekt, und so ergänzte er als Gegensatz zu
KOTtiav: dvanaveiv. noXlrjv kann ebenfalls als Gegensatz zu oUyov
ergänzt sein; doch lässt es sich auch anders erklären. In H steht
nämlich vor dem o-Vers Di3l, welches schon der griechische Über¬
setzer las und zum 1-Vers ziehen konnte. Doch siehe unten zu
v. 28. H zeigt den i -Vers also : ■'m?3yi in^n pp io DO'Siya ini
: ninNS73i na „Sehet es mit eigenen Augen : Als (nicht: dass) ich
jung war , bemühte ich mich um sie (lies : inb72") , und ich fand
sie'. im733' „ich stand' (in ihr) ist unmögliche Lesart, da man
in der Weisheit nicht stehen kann , bevor man sie gefunden hat.
S hat : ch'zau h'ainaikün meiul daz'ur-u 'emlcth bah weSkachthali
saygi = „Sehet es mit eigenen Augen: wenig gab ich mir Mühe
Bd. LIII. 45
680 Schlögl, Das Alphabet des Siraciden.
mit ihr, und ich fand sie reichlich». Er las also: !T>n pp oder
übersetzte nngenau statt kad z'ür-na = „als ich jung war" (wie
V. 21 der syr. Übers.) : metul daz'ür-u = „dass es wenig ist
was" u. s. w. Der Syrer hat also das avänavaiv des Gr. nicht.
Wäre nnn H Rückübersetzung aus dem Griechischen, so müsste
der - Vers lauten, wie Bickell hat :
nrn:n an nDisNi | Tbay oya I-ia] aa^Jiya itii
Dem Metrum nach wäre es möglich, da DDiJisa ohnehin nur Glosse
ist. Wäre H Rückübersetzung aus dem Syrischen, so müsste nnser
Vers lanten:
snam nnaaNi | inVar aya ^a naisiya ini.
Dem Metrum nach wäre der Vers auch in dieser Porm möglich,
wenn die Glosse gestrichen wird. Nun lautet aber der Vers im
Hebräischen ganz anders ; von hUyov und aya ist keine Spur, ferner
hat H iniT:, das bei G und S fehlt, ja unmöglich ist; und dann
kommt dazu noch der Schreibfehler imay statt ijibay 1 Das syrische
'emleth und das griechische Iwyniaaa konnte nicht mit imay wieder¬
gegeben werden ! Nun könnte man allerdings einwenden, der Schreib¬
fehler imay sei ja anch in der Abschrift der Rückübersetzung
möglich. Dies ist allerdings richtig, aber mit der Möglichkeit ist
noch nicht die Wirklichkeit erwiesen, ünd abgesehen davon, dass
ein einziger Vers nicht Ausschlag gebend ist, ist es anch mit der
Möglichkeit schwach bestellt. Denn es lässt sich 1. sehr leicht er¬
klären, dass man pp falsch als Neutrum übersetzt {hllyov^ und
iniin auslässt oder innn pp mit inbay als einen Begriff auf;
fasst, wie aiiB neben einem anderen Verbum .wieder" bedeutet,
dass aber ein hebräischer Übersetzer ein oUyov als Maskulinum
übersetzt und ein innn vrillkürlich einschaltet, ist mehr als unwahr¬
scheinlich. Die ganze hebräische Übersetzung müsste dann wohl
ähnlich aussehen , wie etwa die erste lateinische Schularbeit eines
schwachen Primaners. 2. Gesetzt der Syrer oder der Grieche hätten
den Vers richtig und der hebräische Text wäre verstümmelt oder
böte den Vers in unrichtiger Übersetzung: dann frage ich: Wie
stimmt denn der Vers mit dem Ganzen ? Der Sänger hat im ganzen
Liede hisher nicht genug betonen können , wie er von Jugend auf
nur durch unablässiges Gebet und eifriges, mühevolles Streben sich
die Weisheit erwerben konnte; er spricht wiederholt von ihrem
Joche (!) und von ihrer Last , sagt im p - Vers , dass sie nur denen
nahe sei, die sie suchen, und nur von denen gefunden werde, die
sich ihr ganz hingehen: und unmittelbar darauf sollte er sagen,
dass er sich wenig {}) abgemüht habe, um sie reichlich QX) zu finden??
Da wird es doch viel richtiger geschlossen sein , wenn man den
Vers des H als echt anerkennt, zumal er allein dem Kontext ent¬
spricht und auf den N-Vers zurückweist, dessen innn iy:, das
Schlögl, Das Alphab^ des Siraciden. 681
soviel ist vfie 'n yap, sowohl der griechische als auch der syrische Übersetzer richtig vriedergegeben hat ! Dazu kommt, dass im tä - Vers
von .Jugend", im n-Vers von .Alter" die Rede ist. ünd somit
kämen wir endlich zum Schlüsse. — 28 a b lautet nach H:
••"'5 ispn asir rioai | im-iysa nirab wo« n^ai
G: fmäe%tre ncciSslag iv nollä aQi.&fi& a^yvQlov Kal noliiv XQvabv xtij- OaO&s iv avT'^. S: .Audite doctrinam meam licet exignam, et argentum
et aurum per me possidebitis" (Walton). Das Wort n^ai des
hebräischeu Verses ist jedenfalls eine Randglosse und als solche in
den Text selbst geraten. Schon das Alphabet nnd das Metrum
scbliessen es aus. nnttb bedeutet im A. T. als Adj. .gewöhnt, ver¬
traut", als Snbst. .Schüler, Belehrter"; neuhebräisch aber .Lehre",
vgl. Levi, Neuhebr. u. chald. Wörterbch. Für iniiab = .meine
Lehre" hat G: nutStlug = oni»': und Codd. BS^: naidclav =
ninb. S = H. Der zweite Halhvers ist in der syrischen Über¬
setzimg genau die Wiedergabe des hebräischen Stichos der ge¬
fundenen Handschrift. Sonderbar ist ia der griechischen Über¬
setzung der zweite Halhvers vom ersten beeinflusst. Der Grund
ist wohl das letzte Wort des ersten Versgliedes im Hebräischen.
Tinysa ist wiederum ein Hauptargument gegen die Annahme einer
hebräischen Rückübersetzung ans dem Griechischen oder Syrischen.
Der wahre Sachverhalt ist folgender: Der erste Stichos hatte schon
dem griechischen wie auch dem syrischen Übersetzer verderbt oder
in undeutlicher Schrift vorgelegen, mit der Glosse O^an knapp am
Rande. Dies kann aber nur für das undeutliche Tilissa Ver¬
besserung (oder Vermutung) sein. Das weist darauf hin, dass auch
das letztere ähnlich geendet hat; es mag also statt nnss oder
my: gestanden haben: O^ny:, sei es dass ti" aus D""' verderbt
oder Din»: absichtlich von einem Schreiber mit mn»: vertauscht
wurde, da beides .Jugendzeit" bedeutet. Der Grieche hat nun ent¬
weder, vrie Ryssel vermutet, noon gelesen und prägnant durch
iv TtoHä dQi&ii& übersetzt, oder er las, was weit wahrschein¬
licher ist, der Randglosse gemäss D^an , dann erklärt sich, warum
er das 1 vor qOD nicht übersetzte. Er betrachtete nämlich O^an
als zn ariTi CjOa gehörig, somit konnte er das Attribut vom Sub¬
stantiv nicht trennen; noXvv ist die Wiederaufnahme des Attributs
vor ;(9t)ff6v. Was ist es nun aber mit dem Syrer? Dieser hat
äma' juif an had ifi'ür = .vernehmet meine Lehre, obgleich sie
gering ist*. Da ist nun wieder das leidige ifi'ür , welches der
Hebräer mit ifyp oder tsyn hätte übersetzen müssen, während er
das Griechische wohl durch an irgendvrie übersetzt hätte, aber
keinesfalls so, dass O^an an der Stelle von Tiinysa stünde. Da
ist wieder anzunehmen, dass der Syrer, welcher hier gewiss nicht
nach dem griechischen Texte übersetzt hat, das hebräische Wort
unrichtig gelesen habe. Nun ist nichts näherliegender nnd klarer,
46»
682 Schlögl, Das Alpliabet des Siraciden.
als dass e^'ür Übersetzung des verwandten Ii?» sei, wie ip 68 28
und 119, 141 (vgl. auch ip 115, 13: zl"ür — ppi), aass also'der
S3rrer, der bei seiner Übersetzung ein hebräisches Exemplar des
Sirach vor sich gehabt haben muss, DiliyK D^mab las und es
durch den kollektiven Singular gab. Also lautet der hebräische
Vers höchstwahrscheinlich:
na i3pn ann rioai | o^-wi inab iya»
na = iv amy entspricht besser als ia (H und S). — 29 a b lautet
bei G: evcpQav&elrj r) ipviij vfiäv iv xö> ilisi avxov, xai firj aiaxvv-
^elrjxc iv alviaei avxov. Wie das Wort ikeet hiebergekommen sei,
mag man begreifen, wenn man bedenkt, dass dasselbe Wort ip 83, 12
Übersetzimg von ffiaa (Sonne!) ist. Der Übersetzer las wohl
TyiiDi, wie im zweiten Versgliede iniiiB, dessen Suffix er objektiv
nahm. Da er den ganzen Vers als Fortsetzung von v. 28 nahm,
las er DDiSca statt iiDc;. S hat: ,Laetetur anima vestra de poeni¬
tentia mea, et ne pudeat vos canticorum meorum" (Walton); er
bezog also anch den ganzen n-Vers auf seine Zuhörer, daher naf-
skün, und las statt inaiiDia (H): inaica oder inaioa von aiiD
,sich bekehren, Busse thun" (vgl. 1. Sam. 7,3; 1. Reg. 8,33;
Jer. 4, 1). Auch hier ist nicht schwer zu sagen, was Original sei
und was Übersetzung. Denn was die Busse hier auf einmal soll,
ist unerfindlich, nachdem von keinem Vergehen, von keiner Sünde
die Rede war, sondem nur vom richtigen Suchen wahrer Weisheit.
Der Syrer hat also falsch punktiert; das hebräische Wort ist "naiiB.
Das 1 nach a mag unrichtige Lesung sein: inaiB: (neuhebr.) ,das
Sitzen, der Sitz ; der Gelehrtensitz in der Akademie oder der Königs¬
sitz auf dem Throne; Akademie"; vgl. Levi, Neuhebr. u. chald.
Wörterbch. Ein Absclireiber mag zu dieser Schreibung durch v. 23
verleitet worden sein. Der Sänger will seine Zuhörer durch den
Hinweis auf die Freude seines Alters zum Studium und zur Pflege
der Weisheit ermuntern. 29b bedeutet irnaiä „mein Lied", „mein
Lehrgedicht". Vom Lob Gottes ist gar keine Rede. — Der hehr.
Text hat darm noch folgende Zeilen:
nnsa oaiaffl nab -jms-Nim | fipnita im oaiiaya (3 + 4)
: in-Tib laia naipai | obwb inn-« ^na
Von diesen beiden Verszeilen haben G und L nur noch den ersteren,
welchen Prof. Bickell als zweiten D-Vers vermutete (vgl. ip 25 u.
34): 'Epyaffö'O'f xb k'gyov vfiäv nqb xaiQOv , xai Sioaei xbv (iia&bv
Vfimv ev xaiQä avtov = Operamini opus vestrum ante tempus, et
dabit vobis mercedem vestram in tempore suo. S hat beide Verse
ganz wie H. Beide sind nur ein feierliches „Finis". Übrigens
werde ich gelegentlich darauf noch zurückkommen.
683
Päseq.
Von Franz Fraetorins.
Olshausen hat, Lehrb. d. hebr. Sprache § 43 a. E., wahrschein¬
lich gemacht, dass der senkrechte Strich zwischen zwei Worten
des hebräischen Bibeltextes bisweilen da steht, wo „kleine Teile
des Textes ... am Bande gestanden, oder auch ehemalige . . . Rand¬
glossen in den Text eingerückt sind". Vgl. F. Perles, Analekten
zur Textkritik des A. T. S. 21 f. Ich halte Olshausens Vermutung,
wie gesagt, für sehr wahrscheinlich : Der senkrechte Strich ist manch¬
mal als stehengebliebener Wegweiser zu einer ursprünglichen Band¬
glosse , oder zu einer am Rand ausgefüllten Textlücke anzusehn.
Mir fällt dabei noch ein das von der Kritik längst als Randglosse
verdächtigte i iBSa Thren. 2,1. — Was v. Ortenberg hier noch
weiter angeknüpft hat , geht viel zu weit und ist m. W. allseitig
abgelehnt worden; s. Wiekes in Stade's Zeitschr. VIII, 149 f., König
in Zeitschr. f kirchl. Wissensch. X, 234 ff.
Wenn wir von diesen (seltneren) Fällen absehen , so scheint
sich bei schärferem Zusehen zu ergeben , dass der Strich in vor-
masoretischer Zeit ausserdem noch zwei anderen Zwecken gedient
hat. Wahrscheinlich hat dieser jetzt nur senkrechte Strich dem¬
entsprechend früher auch nicht die einheitliche Richtung und Form
gehabt, die er heute zeigt, sondern war je nach seiner Anwendung
so oder so gerichtet und gestaltet. Dass sich eine einheitliche
Gestalt des Zeichens herausbildete, war dadurch veranlasst, dass der
Sinn der einen Anwendimg in masoretischer Zeit in Vergessenheit
geriet (man kann sagen : in Vergessenheit geraten musste) und nun
irrtümlich und künstlich von dem Sinne der anderen Anwendung
mitumfasst wurde.
Denn die eine Anwendung des senkrechten Striches ist dem
Bewusstsein der jüdischen Gelehrten lebendig geblieben. Sie lag
auch unmittelbar nahe : Ein ungewöhnlicher senkrechter Strich
zwischen zwei Wörtem kann kaum einen anderen Sinn haben, als
zu trennen. Darauf deutet der dem Zeichen gegebene Name Päseq
d. i. trennend. Es kann wohl kein Zweifel darüber obwalten, ^.ass
Päseq von den vormasoretischen Schreibern nach Belieben und ohne