685
Über einige Pluralformen des Semitischen.
Von Franz Praetorius.
I.
Nach allgemeiner Meinung ist die im Syrischen und in den
noch östlicheren aramäischen Dialekten vorherrschende Endung des
männlichen Status emphat. plur. e aus der im Westen vorherrschen¬
den Endung ayycL hervorgegangen, sei es durch spontane Kontraktion,
sei es durch kombinatorische, bei den Nominibus auf äy einsetzende
Kontraktion dieser längeren Endung ayyä. Dass sich im Syrischen
ayyd gerade bei Ableitungen ult. y erhalten, verstehe sich daraus,
dass das wurzelhafte y oder der wurzelauslautende Vokal mit dieser
Pluralendung eine Verbindung eingegangen sei. Ayyä selbst sei
entstanden aus der Endung ai -f- determinirendem oder accusati¬
vischem ilä, oder ä.
Ich vermute, dass bei dieser Annahme schon mancher Bedenken
gehabt haben wird. Sollte wirklich gerade die Accentsilbe von
ayyÖ, untergegangen sein? ünd wie wäre das konservierende
Verschmelzen des wurzelhaften Auslauts der Nomina ult. y mit ayyÖL
zu verstehen?
In Wirklichkeit ist die Endung ayyä vielmehr im Syrischen
gerade erst entstanden und beinah noch auf ihre Ursprungsstelle
beschränkt. Es scheint mir das so klar zu tage zu liegen, dass die
übersehung dieser Thatsache vielleicht Verwunderung erregen dürfte.
Aber man ging bei der Beurteilung der Status-Verbältnisse des
Aramäischen von jeher vom Westaramäischen aus, in dem Vorurteil,
hier formell wie syntaktisch das Ursprünglicbe vorzufinden. Sobald
wir aber erkennen , dass die Endung ayyä im Westaramäischen
lediglich als sekundäre Weiterentfaltung vorliegt, so verliert alles,
was wir aus ihrer westaramäischen Gestalt und Bedeutung gefolgert
haben, völlig seine Beweiskraft. — Ayyä geht aus von den zahl¬
reichen Nominibus ult. y auf e (vielleicht auch von den seltenen
Dualen). Von hier aus hat sich diese Endung dann namentlich in
den westlicben Dialekten weiter ausgebreitet. Ayyä ist eine Neu¬
bildung im Aramäischen und zeigt dementsprechend in den ver¬
wandten Sprachen keinerlei Spuren; das vermeintlich aus ayyä
hervorgegangene e dagegen ist ursemitisch.
686 Praetorius, Über einige Pluralformen des Semitischen.
Der Plural der auf e ausgehenden Nomina lautet im Syrischen
auf en aus. Jenes e ist aus ay hervorgegangen , en aus ayin"'.
Letzteres musste lautgesetzlich zunächst zu mn" werden. Auf dieser
lautlichen Stufe ungetUhr hat sich diese Pluralendung bekanntlich
in einigen aramäischen Dialekten, z. B. im bibl. Aramäischen ge¬
halten, so 'j'^ys = ^ils, T;53 — ^jo. In gemeinaramäischer Zeit,
als noch durchweg der Diphtong dieser Formen diphtongisch ge¬
sprochen wurde, bildete sich von diesen Formen aus nach dem
Muster des Singulars (las'! : NTLN":.) n;23, N^J'a u. s. w.; d. h. die
funktionelle Endung ä wurde an Stelle der anderen funktionellen
Endung n an den funktionslosen, aber für die Form charakteristischen Diphtong gehängt.
Absichtlich rede ich nur allgemein von funktionellen Endungen,
nicbt etwa von determinierender und indeterminierender Endung.
Denn geradeso wie das fast völlige Durchdringen von ayyä im
Westaramäischen in formaler Hinsicbt das Schlussglied der Ent¬
wickelung bildet, so glaube icb auch annehmen zu dürfen, dass der
speziell determinierende Gebrauch der Endungen ä und ayyä im
Westaramäischen auch in syntaktischer Hinsicht das Schlussglied
der Entwickelung bedeutet. Vordem hatte die singularische Endung
ä und die endungslosen Singularformen , sowie die verschiedenen
Pluralendungen andere syntaktische Funktionen, in denen lediglich
erst ein kräftiger Keim lag zu einer Trennung nach Rücksicbt auf
Determination und Indetermination; und diese ursprünglichere Ver¬
teilung der Funktionen liegt wieder im Syrischen und in den noch
östlicheren aramäischen Dialekten vor.
Die syntaktische Funktion der auf in, än ausgehenden Plural¬
formen ist im Syrischen wesentlich prädikativ. Die mit pluralischem
in und än versehenen Adjektiva und Partizipien sind syntaktisch
also verbalgleich , und ich halte es nicht für ausgeschlossen , dass
die weibliche Pluralendung än , ' die eine sichere Erklärung bisber
nicht erfahren hat, aus der Verbalflexion herstammt, also z. B.
uach ^^ö^.M Begriffliche Bestimmung dieser verbalähn¬
lichen Plurale auf in und än durch einen Genitiv ist unmöglich.
Sie sind thatsächlich eminent indeterminiert.
Der Herkunft nach gehört mit in nicht zusammen die andere
Endung at, die im Syrischen in doppelter Ausprägung vorliegt, als
stat. constr. ^— und als sogenannter stat. emphat. In
Wirklicbkeit ist aber lediglich der stat. absolutus des constructus
(d. i. der im Hebräischen fehlende Absolutus zum constr. —).
1) Nachträglich sehe ich, dass ähnliche Gedanken bereits ausgesprochen sind von Grimme, Grundz. hebr. Akzent- u. Vokallehre S. 114 f., sowie von M. Lambert, Rev. Et. Juiv. Bd. 24, S. 100.
4 I
Praetorim, Über einige Pluralformen des Semitischen. 687
Im Arabischen entspricht die beim gebrochenen Plural so oft, so¬
wohl als absolut, wie als constr., vorkommende Endung .
D. h. wir haben im syr. ^ ^ hebr. , arab. die¬
jenige ursemitische Pluralbildung vor uns, die (entsprechend bekannten
Erscheinungen im Indogermanischen) den Pluralbegriflf als feminini¬
schen Singular aufzufassen und zu bezeichnen scheint; nur dass im
Aramäischen und Hebräischen dieser femininische Singular bereits ad
sensum aufgefasst und konstruiert wird und mit der wirklicben Plural¬
endung In, im zusammen metaplastisch in eine Reihe getreten ist.
Anders als die mit in und än versehenen pluralischen Nomina,
werden die mit ai, e versehenen nur seltener in prädikativer Funktion
gebraucht. Häufiger sind sie in allen möglichen anderen syntak¬
tischen Stellungen, in denen sie vielfach wenigstens determiniert
aufzufassen sind. Dazu kommt, dass begriflPliche Bestimmung durch
einen Genitiv bei ihnen sehr wohl möglich und vielfach üblich ist.
Thatsächlich sind also die Plurale auf ai, e vielfach determiniert.
Aber dafür, dass e jemals ausdrücklich determinierter Status
war, dafür haben wir m. W. im ganzen Bereich des Aramäischen
keinen thatsächlichen Anhalt. Nur die irrige Meinung , dass e
jüngere Form von ayyä sei, bat jene Ansicht hervorgerufen.
Sobald wir die Sekundärheit der Endung ayyä im West¬
aramäischen erkannt haben, wird es von vornherein nicht als wahr¬
scheinlich gelten können, dass die speziell determinierende Funktion
der singularischen Parallelendung ä im Westaramäischen das Ur¬
sprüngliche sei; alle Wahrscheinlichkeit wird vielmebr dafür sprechen,
dass auch hier im Syrischen und in den östlichen Dialekten der
ursprünglichere Zustand vorliegt. D. h. die Meinung, welche in
der Endung ä eine sonst in den verwandten Sprachen beim Nomen
nicht sicher nachweisbare demonstrativisch-determinierende En.dung
hä oder ä zu erkennen meint, wird an Wahrscheinlichkeit verlieren ;
die andere Meinung dagegen, welche in diesem ä den alten Accu¬
sativ sieht, wird an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Kasus des Prädikats
konnte naturgemäss der Accusativ nicht sein ; und es ist vielleicht
unter diesem Gesichtspunkte zu begreifen , dass sich die endungs¬
lose Form gerade für den Prädikatsausdruck herrschend gehalten
bat, wodurch sie thatsächlich eminent indeterminiert wurde. Indem
der alte Accusativ dagegen Normalform des Substantivs wurde, trat
er in allen möglichen anderen syntaktischen Stellungen auf, in denen
er vielfach wenigstens determiniert aufgefasst werden musste.
Da nun die Pluralformen der auf e ausgehenden Nomina, wie
bünain, bä'ain zu den pluralischen Parallelformen (emphat.) *bän'ye,
*bä"ye. lautlich in völlig anderem Verhältnisse standen, wie qäflvn zu
qäfle, so gaben sie jene (emph.) Parallelformen vollständig auf und
bildeten statt ihrer unter Bewahrung des Diphtongs nach dem Muster
der entsprechenden Singularform bänaiyä, bä'aiyä. — Man könnte
erwarten, dass so gut wie emphat. bän'ye, bä^ye aufgegeben und
688 Praetorius, Über einige Pluralformen des Semitisciien.
durch Neubildung nach dem Singular ersetzt worden ist, so auch
der constr. hän^yai, bä'^yai hätte aufgegeben werden müssen. Aber
hier fehlt das charakteristische singularische Vorbild, das hätte ab¬
lenken können.
Wir finden bereits im Syrischen deutliche Anzeichen, dass ayya
anfängt als selbständige Endung angesehen zu werden und seine
spezielle Zugehörigkeit zu den Singulären auf e {ai) zu vergessen,
wenn es sich auch thatsächlich von dieser seiner Ursprungsstelle
erst unerheblich entfemt bat. Indem nämlich in Substantiven wie
)lix>, }IIö, j"^« oyyä als angebängte Endung betracbtet wurde, schien ein zweiradikaliges Thema vorzuliegen, und dementsprechend
wurde nunmehr auch ^iö, w^Lö; y-Vö^ «aIÖ; ^^^Ä., wJCxik ge¬
bildet. Und in weiterer Polge griflf ayyä thatsächlich auf zwei¬
radikalige Themata über: )xljt u. a. Und durch die
Ähnlichkeit mit )lxO, wurden dann wohl auch Substantiva
wie J^»^ die schwerlich je auf e ausgelautet baben, zu jl»,^
veranlasst. Aber dies alles und manches andere, was biermit im
Zusammenhang steht, soll hier nicht weiter ausgeführt werden.
Erst im Westaramäischen hat ayyä grosse Portschritte ge¬
macbt. Es hat das alte (emphat.) e beinahe ganz verdrängt: Njsbu
ist statt des alten NsVn oder ""DbT? eingetreten. Im bibl. Aramäiscben
hat sich die alte Endung e nur bei den durch äy abgeleiteten
Nominibus erbalten. Im Targümischen findet sich e ausser bei
diesen Nominibus (s. Dalman, Grammatik § 39, 2) auch noch sonst
gelegentlicb ; den Dei Dalman § 38, 3 angeführten Beispielen könnte
ich noch manche andere hinzufügen.
II.
Die Participia act. masc. des einfachen Stammes der Verba
ult. w und y bilden im Arabischen einen eigentümlichen Plural,
sobald sie starre äubstantiva sind. Beispiele liegen in grosser Menge
o , O j i
vor: bLc, von A Hirt, b'JLw von jjL« Schenke, »Lvi von
jjilj Verläumder, »L/o^ von j.!^ Scbütze, »L**« von ^Lw Bote
' e*
und noch viele andere. Angeschlossen haben sich diesen einige
O j f' > -i
andere: b(^j vom pers. j^jL Falke, äLo von ^jLo^
o j S . j S .°
Eenegat, von Vornehmer, öUi' von Tapferer,
Praetorius, Uber einige Pluralformen des Semitischen. 089
, ii. y .
StiXc von Feind, also von gleichfalls schwach auslautenden
Singulären. — Wenn diese Participia aber adjektivisch sind, so
bilden sie den gewöhnlichen äusseren Plural auf üna, Ina, at"'"';
und zwar auch dann, wenn sie mit dem Artikel substantivisch ge¬
braucht werden.
Ebenso bilden im Syrischen die Participia act. masc. des ein¬
fachen Stammes der schwach auslautenden Verba einen eigentüm¬
lichen Plural, sobald sie starre Substantiva sind. Bekannt sind
, O^v" i" f TT- i. ,,si!i..n l" " Cl 1. 1 ■•""••"i
J; o\ V von jlx? Hirt, jLaa*. von Schenke, jLooo/ von
j^fo^ Arzt, jLo»» von Herr. Ich beschränke mich auf
die Nennung dieser vier Pluralformen, bei denen die Zugehörigkeit
zu schwachauslautenden Aktivparticipien des Pe'al klar zu tage
liegt. Abgesehen von ihnen findet sich diese Pluralendung awätä
im Syriscben noch bei anderen schwacbauslautenden Substantiven;
und zwar wird sie bei einigen derselben von Anfang an berechtigt
gewesen sein , während sie bei anderen (ich habe hier namentlich
die Fremdwörter im Auge) offensichtlich erst durch Übertragung
eingedrungen ist. — Wenn diese Participia aber adjektivisch sind,
so bilden sie aucb im Syrischen den Plural mit Hülfe der gewöhn¬
lichen Pluralendungen ; und zwar auch dann, wenn sie substantivisch
gebraucht werden. Die so gebildeten Formen werden im Syrischen
dann auch vielfach als starre Substantiva gebraucht, die alten
Bildungen auf awätä verdrängend.
Sobald wir diese Übereinstimmung des Syrischen mit dem
Arabiscben ins Auge gefasst haben, wird sie uns schwerlich mehr
als Zufall erscheinen können; vielmehr erkennen wir im Syrischen
und im Arabischen Ausläufer des gleichen Sprachgebrauchs, Aus¬
läufer einundderselben Formen. D. h. sLcj und jLoLv, sU*/ und
iLaÖa.,4 sL"! und JlfodbJ'^ gehen auf eine gemeinsame Grundform
zurück. Wie diese Grundform gelautet hat , ist kaum zweifelhaft :
rä'iwät, säqiwät, äsiwät, d. h. der Plural vom verschollenen Particiji ult. w.
Mag Arzt mit allen Derivaten im Arabischen Lehnwort
sein (Praenkel S. 261) oder nicht, jedenfalls zeigt es sich im Ara-
o ~
bischen als Wurzel ult. w. Ein Aktivparticip ult. w yJ, ist nach
den herrschenden Gesetzen der Sprache natürlich nicht mehr statt¬
haft; es wird aber einst existiert haben, gerade so wie es nach
den herrschenden Gesetzen des Äthiopischen denkbar sein würde
o
(^flOX"). Ebenso kann man ein vorgeschichtliches ^^J^ annehmen
4 8 *
690 Praetorius, Über einige Pluralformen des Semitischen.
für jLc.SP meisten anderen sind, so weit wir
blicken können, immer nur ult. y gewesen, und es liegt somit
o f,
keinerlei Anhalt für ein vorgeschichtliches Particip j^!^, jiLv vor.
Wenn sich gleichwohl auch hier diejenigen Pluralformen finden,
durch welche diese Singulare mit w vorausgesetzt zu werden scheinen,
so erklärt sich das leicht durch Analogiebildung; s. u.
Nebmen wir also die Grundformen ä«««?"", gäziw""' des Singulars
an, so musste bei Antritt der Pluralendung ät zunächst entstehen:
*ästwät"'^, *gäziwät""^. Nach den herrschenden Gesetzen der Sprache sind diese Pormen allerdings unveränderlich; es liegen im Arabischen
aber bekanntlich auch noch Reste aus einer Zeit vor, da unbetonte
Kürzen in offener Silbe schwinden, und eine nunmebr in geschlossener
Silbe stehende Länge gekürzt werden konnte. So wurden auch
jene Formen weiter zu *aswät""', *gazwät"'^ und dann mit Vorweg¬
nähme des w zu usät^^, guzät^^. Eine Beziehung des so ent¬
standenen M dieser Formen zum dritten Radikal w haben im All¬
gemeinen auch scbon Barth erkannt, Nominalbildung S. 445 Nr. 12;
H. D6renbourg', Journ. asiat. Juin 1867 S. 516. Schliesslich sah
man in der pluralischen Endung a<"" die einen schwachen Radikal
enthaltende Singularendung, und dieser letzte Schritt endlich führte
o i ö j
zu sLw-lj s!^.
^ ~. fl
Als die vorgeschichtlichen Participia j^J,, ^j[s^ schwanden,
d. h. als sie sich in jLc umbildeten, schwand mit ihnen nicht
zugleich aucb die Pluralform des tc-Themas. Sie blieb , begreif¬
licherweise in starrem substantivischen Sinn, während im lebendigen, adjektivischen, verbalen Sinn moderne Pluralformen aus den modernen
i'-Singularen gebildet wurden. Und da die Participia ult. lo im
Singular nunmehr den Participien ult. y ganz gleich geworden
waren , so konnte die alte Pluralform der ult. w jetzt ganz leicht
auch auf diejenigen Participia übertragen werden, die ursprünglich
schon y an letzter Stelle hatten, also z. B. öL* — *o!ysLwj
— *o!^!p u. s. w. ' ' '
Ich nehme an, dass dieser Vorgang der Übertragung bis in
die gemeinsame arabisch-aramäische Vorzeit hinabreicht, und habe
daher die nur erschlossenen alten Formen oiyiL«, den
Singulären vJäL«, gegenübergestellt, nicht die späteren arabischen
Weiterentwicklungen dieser erschlossenen Formen. Denn auch im
Syrischen liegt dieselbe, aus denselben Gründen erfolgte Über¬
tragung der alten Pluralform der Participia ult. w auf die ur¬
sprünglich sehon auf y ausgehenden Participia vor , ohne dass das
k 8 *
Praetorius, tjber einige Pluralformen des Semitischen. 691
Syrische hier oder dort von der Grundform dieses alten Plurals er¬
heblich abgewichen wäre: \a*. — itoHL, — jLoxV; und so
0 0 Q ^ ^
auch das Muster joo/ — jLobo/ selbst.
Warum wir im Syrischen statt des zu erwartenden äs^wätä,
saq'wätä u. s. f. vielmehr äsawätä, Saqawätä finden, dürfte noch
zu erkennen sein. So weit wir zurückblicken können , finden wir
im Aramäischen die Participia akt. Pe'al der Verba ult. w und y
im Singular nach dem Muster des intransitiven Imperfekts um¬
gebildet, also z. B. Jjo«, aus säqay statt des erwarteten Säqi, jrr>^
aus äsay statt des erwarteten äsi (ob noch früher sogar ein äsö
aus äsaw existiert hat, bleibe dahingestellt). Durch diesen diph¬
tongisch auslautenden Singular wurde nun auch der alte Plural
beeinflusst : zu *Säql stimmte wohl *Sä^wätä, aber zu Säqay, säqe
stimmte Säxfwätä nicht mehr; säqay, Säqe zog vielmehr säqawätä
nach sich.*)
'3 i o .>
Arabische Pluralbildungen wie »L-tj »Ltj u. s. w. halte ich
für identisch mit einigen anderen arabischen Pluralformen, die indess
den Charakter als äussere Pluralformen nicht aufgegeben haben.
Go-
yi} heisst Sprecben, Schwatzen. Davon (oder von
c. - ^ > ^ _ O J
B»iJ) ist der Plural oLi! m derselben Weise gebüdet, wie *oLc.
^ j- ■ ^
von *_j-ct^, nur dass die bei vorausgesetzten vokalischen Redu-
cierungen bei jjLi nicht erst einzutreten brauchten , um Hagwäff*'"'
o j o >
entstehen zu lassen, aus dem oLiJ hervorging. Aus diesem oLiJ
•3 - >
ist der Singular Kiti zurückgebildet.
0£ j E
Von Bruder (oder von ahwat"'") muss man einst
aucb im Arabischen gebildet haben *ahwät"'^ Schwestern (=
Jj^oll^); hieraus ging hervor *MÄä<"", woraus sich der Singular
Ooi ^ Ooi
*uhat"'^, v-.^j>! rückbildete. T^'i'l' natürlich = und
plur. ^'J^ kann wenigstens = *uhä("'^ sein, da es nach äthio¬
pischen Lautgesetzen aus entstanden sein kann. Der jetzt
O . E
übliche Plural scheint jüngerer Entstehung zu sein.
1) Ob in IW'^i, ytöA (Dalman, Grammat S. 154 oben) etwa noch die
alten Formen vorliegen, lasse ich ganz unentschieden.
692 Praetorius, Über einige Pluralformen des Semitischen.
Q V - *
Das syr. Haufe ist schon öfters mit arab. äjJ' Kugel
zusammengestellt worden, s. ZDMG. 41,615; Lagarde, Orientalia
II, 31. Ich halte die Identität beider Wörter, und zwar nicht etwa
nur der Wurzel nach, für durchaus möglich. Ständen die beiden
Bedeutungen einander noch etwas näher, so würde ich an der
völligen Identität des syrischen mit dem arabiscben Wort nicht
zweifeln. Denn wenn jL'ocb? = »L«t ist, so kann auch jLoJo =
o . ^ , . ö .
o!^ sein ! Als Grundform des Singulars möchte ich ansetzen ;
daraus wurde gebildet karwät^'*, woraus in nunmehr bekannter
o )
Weise olji' entstand. Im Aramäischen wurde der schwache Aus¬
laut auch dieser Singularform in ay , e umgebildet : , welcher
Umbildung auch das pluralische *karwätä durch den Wandel in
pp o j o j
jLovs nachkam. Aus wurde der übliche Singular rück¬
gebildet.
Von dem uralten Wort '''-t^> Stadt lautet der Plural im jüdisch Aramäischen "j^i'^p, M"!]?, Nji"})?. Wo das w herkommt, weiss ich
nicht.*) Dass das w in VHP jedenfalls richtig und uralt ist, zeigt
das Syrische : Aus dem Emphaticus *qirwe oder *qanoe ging zunächst
*qure hervor, aus welchen dann j^ioD und .^IVoO entsprangen, und
zuletzt bJ^aO für auch in den Singular eindrang. Wir
haben also auch im Syrischen bier eine Pluralbildung mit vorweg-
o - c
genommenem w. — Wenn nun arab. üjy> auffallender Weise den
Plural ^Ji bildet, mit ganz unerwartetem u der ersten Silbe (Barth,
Nominalbildung S. 436; H. Derenbourg, Journ. asiat. Juin 1867
8. 432), so ist das kaum Zufall. Vielmebr liegt jener für das
Syrische als Durchgangsform erschlossene Emphatikus *qure im
s j
arab. tatsächlich vor; also auch das Arabische deutet auf eine
- o -
vorangegangene Pluralbildung wie (^^ys. Aber eine, wenn auch
nur geringfügige , Weiterbildung hat auch im Arabischen statt-
' y - o-
gefunden : Nachdem das w vorweggenommen, hätte (aus (^»ij»)
entstehen sollen; aber indem das y nach der Verkürzung des
1) Eine mindestens äusserlich gleichartige Erscheinung liegt vor im jüd.- aram. liD-'i'iir, l'inM'^n (vgl. zdmg. 32,72 f.).
Fraetorius, über einige Fluralformen des Semitischen. 693
Wortes als Eadikal galt und mit dem y des Singulars iü^j identi¬
ficiert wurde, trat gesetzmässig die Nunation an. ^yj wurde eben
als „innerer" Plural empfunden, nicht mehr als das, was es wirk¬
lich ist oder war, als äusserer Plural mit der Endung ä " )
= aram. Emphat. e.
ni.
Die intransitiven Participia der Porm fa'il, wie o^^aus-
s ätz ig, schlafend u. s. w. bilden im Syrischen den Plural
bekanntlich mit völliger Aufgabe des zweiten Wurzelvokals : ji;^,
^ r r f ~
vs < : stat. constr. «bii^, . Genau ebenso bildeten diese
- ü - O ,
Participien im Arabischen den Plural : ^ ^ von (_jj». aussätzig,
-o- O- 'o-^O-
^^^xs-j von ;t>5 schmerzempfindend, ^^S» von alters -
' - o- O , '
schwach, ^^^j von gelähmt u. a. m. Die Pluralendung
ä ' ) ist identisch mit syr. e, st. const. ai.
Allmählich schwand im Arabischen das Gefühl des speziellen
6 - ,c.
formalen Zusammenbanges zwischen sing. Jjü und plur. j_^JL*s , und
^^^ijis trat metaplastisch als Plural auch zu Singulären anderer Form,
sobald diese Singulare mit dem Singular Jjij durch die Brücke
der Bedeutungsverwandtschaft verbunden waren , d. h. sobald auch
sie intransitiv oder gar passiv waren, speziell körperliche oder
geistige Schäden und Mängel bezeichneten. So entstanden im Ara-
, o. O-
bischen '^^^"^i l$^J^ tot, ,_yiÄ4 zu
3 Cl ^ JC/-.
J.AÄi getötet, ^y^j^ zu ^.jLa*2ic zornig, ^J^^ ™ ^,bL«.i'
faul u. a. m. ; während im Syrischen die Pluralform fa'le, fa'lai
an ihre Ursprungsstelle gebunden blieb , und von ^^»^JD u. a. nur
I^L^JO, -X^-^O im Plural gebildet werden konnte.
. 0
^^^iJl5> könnte direkt auf seinen Singular u5JL^ zu Grunde
. ü ,
gehend zurückgeführt werden; denn aus ^j^'^ könnte ,_^Xl3>
ebensogut entstanden sein, wie im Syrischen dialektisch z. B. Jifco
möglich ist aus kcUfbai.
Praetorius, Über einige Pluralformen des Semitischen.
IV.
In der Pluralform i^L« entspricht die Endung ä
natürlich auch dem sjr. ^ ^—^ hebr. des gewöhnlichen
Plurals. Schwieriger ist es zu bestimmen, was für eine Form
es gewesen sein mag , die mit dieser Endung versehen , als Plural
die Grenzen ihrer ursprünglichen Anwendung so weit überschritten
hat, dass ihr formaler Zusammenhang mit bestimmten Singular¬
formen nicht mehr erkennbar ist. Nur als unsichere Vermutung
mag gelten, dass es das im Arabischen imd namentlich im Athio-
o
pischen als Pemininum zu adj. J.a*s auftretende fa'äl sein könnte.
Dann wären i^jL»!, ^j,^, j^^IlXJ u. s. w. eigentlicb die
(3 2 0 , 6 , 0 ,
Peminina zu ^jy*!, j***^, ^tXi u. s. w. , nur dass ihnen
nochmals eine Femininbezeichnung ) auch äusserlich angetreten
ist. Man wird von diesem Gesichtspunkte aus leicht erkennen, wie
JL*s sekundär nun auch als Plural zu Adjektiven anderer Gestalt
"-^ . - j o , . , o . , , E
treten konnte; wie z. B. ,^^b^ zu ^J^, ^jW»- zu ^Cs^,
,
ZU i^jü! s. f. in Beziehung treten konnten.
Bei den Wurzeln ult. w und y sonderte sich der Schluss dieser
Form, also j^^l und namentlich L! charakterisch aus und trat selbst¬
ständig bervor. Nicht in der Weise, dass er als bereits selbständig
gewordene Pluralendung etwa an starkauslautende Wurzeln anträte,
wohl aber derart, dass allerlei Nominalformen, bei denen sonst nicht
die Pluralform j^j-Jlsis eingedrungen ist, sofort diesen Plural bilden,
sobald sie selbst ult. w und y sind. Also z. B. LliX? Plural zu
6a , , O-
iJiAS", Ltjsj ZU Äjjl^ u. a. m. Dieser Vorgang muss in sehr alte
Zeit zurückreichen; denn die syrischen Plurale |--\^^ J^*-
können kaum etwas anderes sein, als LjLni zu ^fi, \'%''
Ob auch äth. hier zu nennen ist, bleibe unentschieden.
Diese Pluralform ^^Ljis wechselt stark mit der Pluralform
jVLjii. Wir finden z. B. neben JL*/ von (Fleischer
« » W '
Fraetorius, Über einige Pluralformen des Semitischen. 695
Kl. Sehr. I, 293); ferner Ji^^ JiJ? neben i^^!l3J:, ^5;!^ von
*T,jcc, ^Tj^; neben ^J^j, von ^^xi,
, ' ' - -D
.(lX^-, ;L»c neben ^.!lXs>, (^^^Läc von äj.lX»-, üj^; oLi?,
-c-s e, c, ' ' - - ^
- . , :;ojwo-
^Lj.* neben |_^"L^., l?;'-^' von ^jf*- Man sieht in all
diesen Formen auf «n das mehrlautige Pluralschema a.a .i .u und
nimmt somit an, dass z. B.^L^ aus ursprünglichem (j^L^ hervor¬
gegangen ist (Fleischer, Kl. Sehr. I, 288 oben). Man hat dabei natür¬
lich längst beobachtet, dass es bei dieser Annahme eigentlich heissen
sollte: nom. JL*i, oder genit. (_^L*i, accus. (_^LjJ, während es
in Wirklichkeit heisst nom. ^^L»^, genit. ^L*i, accus, ^l^. Und
ebenso heisst es bekanntlich auch bei denjenigen schwach auslauten¬
den Nominibus, die den Plural ausschliesslich nach jenem Schema
bilden, ohne daneben die Pluralform zu besitzen; wie
<3j}y=^ ^'^^
Das mehrlautige Pluralschema a .ä . i .u ist unbekannter Her¬
kunft. Einen Versuch, es zu erklären (abgesehen von der alten
Ewald-Dillmannschen Erklärung), hat Barth gemacht, Nominalbildung
S. 480; vgl. ZDMG. 46, 697 f Ich möchte hier die Vermutung
wagen, dass das genannte mehrlautige Pluralschema von der Plural¬
form ausgegangen ist. Durch irgend welchen, allerdings noch
näher zu präcisierenden lautlichen Vorgang, vielleicht bei Enttonung
der Form, mag das nach ä stehende ä, das eigentlich ja ai ist, zu
i geworden sein: |_gJl*s- Ob dasselbe Verhältnis zwischen npittc,
7| P
Jiv^l und j_^Ui, obwaltet?, vgl. Philippi in BASSpr.
II, 364. — Während nun mit seiner oft wiederkehrenden
feminin-pluralischen Endung kenntlich blieb, konnte das bei
nicht mehr der Fall sein : Das auslautende l wurde nicht
mehr als Endung gefühlt, und gegebenen Falls trat die Nunation
an, jLjti. So entstand ein einheitlich aussehendes dreisilbiges Plural-
«
schema a .ä .1, welches zunächst vielleicht auch nur auf schwach-
696 Praetorius, Vber einige Fluralformen des Semitischen.
auslautende Singulare längerer Gestaltung übertragen wurde
j^.jLiuo u. s. w.), dann aber allgemein auch auf stark auslautende Singulare
* > ' i '
längerer Gestaltung (v_JL«j, li^U^ u. s. w.)- Bei diesen letzteren
schloss sich die Pluralform der diptotischen Deklination an. Und
der Accusativ dieser stark auslautenden Plurale (vlJL*i, (3jLL* u. s. w.)
drängte sich schliesslich auch den schwach auslautenden auf •
(jj^l js^) ; während wir bei diesen eigentlich den nunierten Accusativ
erwarten sollten (wie LiUi). Aber Nominativ und Genitiv der
schwach auslautenden Pormen sind von dem Diptotismus der stark
auslautenden unberührt geblieben.
697
Zur Kritik des Deboraliedes und die ursprüngliche
rhythmische Form desselben.
(Fortsetzung.) Von J. W. Rothstein.
Der Wortlaut der masoretischen VV. 26. 27 gehört, wie ihr
Inhalt ohne weiteres zu erkennen giebt, eng zusammen. Er unter¬
richtet uns über die Gewaltthat der Jael an Sisera in ihren ein¬
zelnen Stadien und schildert schliesslich den Zusammenbruch des
letzteren unmittelbar vor seiner Mörderin. Da mit v. 28 ein ganz
neuer Gedankenkomplex folgt, so werden wir bei dem Versuche,
die ursprünglichen Strophen des Liedes möglichst reinlich wieder
herzustellen , darauf hingewiesen zu fragen , ob sich der inhaltlich
unter einem einheitlichen beherrschenden Gedanken stehende Wort¬
laut jener masoretischen Verse nach Maassgabe der Strophengestalt,
in der, wie wir sahen, das Lied gedichtet ist, ordnen lässt und wie
viel Strophen er enthält. Möglicberweise ergiebt sich dabei auch
die Frage, ob alle Bestandteile dieses Wortlauts ursprünglich sind
oder nicht.
Nun lässt sich der überlieferte Wortlaut von v. 26 thatsäch¬
lich folgendermaassen als zwei Verszeilen nach dem vorgezeichneten
rhythmischen Schema lesen :
ü^bi2y n7:bnb nrTa-'T nrnVi'n nn^b nn"" 26 a
?
inp"i ricbm nsntt- rtpntt N'no"'D r^-obTn 26 b
Die Stellung von n-n"; in den Bereich der Senkung und unter
den Hochton des folgenden Wortes würde rhythmisch einem Be¬
denken nicht unterliegen können. Es würde damit nur dem im
logischen Zusammenbang des Satzes wichtigeren Ti'N~i der ihm ge¬
bührende Nachdruck verliehen, während der Verbalbegriflf ja ohnehin
durch die drei anderen synonymen Wörter in der Verszeile genügend
betont wäre. Indes , es ist unmöglicb , den Wortlaut so , wie er
dasteht, wirklich für den ursprünglichen zu halten.
Zunächst ist in v. 26 a c; die Form nrnb'in sicher fehlerhaft.
Wären die überlieferten Konsonanten ursprünglich, so müsste min¬
destens anders, als MT vorschreibt, gelesen werden; das beste wäre
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