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Archiv "Krankenhäuser: Der Markt nimmt keine Rücksicht auf den Bedarf" (18.11.2005)

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ür die 459 Krankenhäuser in Nord- rhein-Westfalen (NRW) ist der Start in die obligative DRG-Anwendung besonders mühsam: Der Investitions- stau ist noch höher als in anderen Bun- desländern; zusätzlich hat NRW-Ge- sundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) für das Jahr 2006 einen Bewilli- gungsstopp bei neuen Investitionen an- gekündigt. „Aber darf sich ein Bundes- land überhaupt noch in die Kranken- hausplanung einmischen, wenn es seiner Pflicht, ausreichend Geld für die In- standhaltung und Modernisierung der Kliniken bereitzustellen, nicht mehr nachkommt?“ fragte Dr. rer. pol. Johan- nes Kramer, Präsident der Kranken- hausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), am 10. November beim

„KGNW-Forum 2005“ in Düsseldorf.

Nordrhein-Westfalen: höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit

Nach Berechnungen von Dr. jur. Ernst Bruckenberger beläuft sich der investive Nachholbedarf für die Krankenhäuser in NRW auf 13,1 Milliarden Euro. Im Zeitraum von 1992 bis 2001 hatte die rot-grüne Landesregierung das jähr- liche Haushaltvolumen für Kranken-

hausinvestitionen in der Einzelförde- rung um mehr als die Hälfte auf 316 Millionen Euro zurückgefahren. Für Einzel- und Pauschalförderung zusam- men wurden jährlich durchschnittlich nur noch rund 26 Euro je Kopf der Be- völkerung ausgegeben. NRW ist damit bundesweites Schlusslicht. Die anderen 15 Bundesländer wenden im Mittel mehr als 46 Euro je Kopf der Bevöl- kerung für Krankenhausinvestitionen auf. Kramer: „Die höhere Insolvenz- wahrscheinlichkeit der Krankenhäuser in NRW ist dann nur noch die traurige Konsequenz.“

Hintergund: Das Rheinisch-Westfä- lische Institut für Wirtschaftsforschung hatte Ende 2004 ein Gutachten vorge- legt, wonach die Insolvenzwahrschein- lichkeit und der Kreditbedarf der Kran- kenhäuser in NRW überproportional hoch sind. Ein Stopp oder eine Redu- zierung der Investitionsförderung bis 2007 würde die Benachteiligung der NRW-Krankenhäuser nochmals ver- stärken, mahnt die Krankenhausgesell- schaft in einer Agendaliste, die sie der neu gewählten Landesregierung zu- kommen ließ.

Seit 1995 sind in Nordrhein-Westfa- len 24 Krankenhäuser geschlossen wor- den – „ausschließlich aus finanziellen Gründen“, wie Kramer be- tonte. Mit Krankenhauspla- nung, also einer rationalen Steuerung der Entwicklung, habe die Marktbereinigung nichts zu tun gehabt. Immer häufiger drohe Abteilungen, Kliniken und Krankenhäu- sern, die ihre Kosten nicht mehr decken können, die Schließung – unabhängig vom regionalen Bedarf.

Der KGNW-Präsident nannte ein Beispiel aus den Städtischen Kliniken Bielefeld, die er als Geschäftsführer lei- tet. Die dortige Augenklinik sei die ein- zige als Hauptabteilung geführte Au- genklinik in der Region. Die nächsten vergleichbaren Kliniken seien die der Universitätskliniken in Hannover und Münster. Da die Bielefelder Augenklinik seit Jahren einen negativen Deckungs- beitrag ausweist, müsste sie aus ökono- mischen Gründen eigentlich geschlossen werden. „Aber wir fühlen uns einem breiten Versorgungsauftrag verpflichtet und erhalten die Klinik“, sagte Kramer.

Ein privater Anbieter würde wohl anders darüber denken.Die sozialstaatliche Ver- pflichtung zur Daseinsvorsorge verbiete es, die gesundheitliche Versorgung allein dem freien Spiel des Wettbewerbs zu überlassen, kritisierte Kramer: „Ange- sichts der fortschreitenden Ökonomisie- rung der Medizin fehlt in Deutschland eine ordnungspolitische Debatte, wie Wettbewerb und staatliche Sicherstel- lung, und damit verbunden die Rolle der Länder bei der Krankenhausplanung, zukünftig vereinbar sind.“

Den medizinischen Bedarf je Krankenkasse definieren

Auch in Verbindung mit dem Übergang zu diagnosebasierten Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups = DRGs) verändert sich die Krankenhausfinan- zierung grundlegend. Je mehr sich die Bundesländer ihrer gesetzlichen Ein- standspflicht zur Finanzierung der Investitionen entziehen, desto mehr nähert sich das System einer Finanzie- rungsmonistik zulasten der Kostenträ- ger (Gesetzliche und private Kranken- versicherung).

Der Vorstandsvorsitzende des AOK- Bundesverbandes, Dr. jur. Hans Jürgen Ahrens, plädierte beim KGNW-Forum für eine Bedarfsplanung über die Sekto- rengrenzen von ambulanter und sta- tionärer Versorgung hinweg. Sein Vor- schlag: Für jede Krankenkasse solle je Region der medizinische Bedarf für die Versicherten definiert werden. Die Krankenkasse könne sich dann die not- wendigen Leistungen nach den eigenen Vorstellungen im ambulanten und/oder im stationären Bereich einkaufen. Be- P O L I T I K

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A3150 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 46⏐⏐18. November 2005

Krankenhäuser

Der Markt nimmt keine Rücksicht auf den Bedarf

Je stärker sich die Länder aus der Investitionsfinanzierung zurückziehen, desto mehr schwindet ihr Einfluss auf die Krankenhausplanung.

Inanspruchnahme der Krankenhäuser

2003 2002 1991–2003

Fallzahlen 17,3 Mio. 17,43 Mio. +18,7 % durchschnittliche

Verweildauer

Bettenauslastung 77,6 % 80,1 % –6,5 %-Punkte Bettenzahl 542 000 547 284 –18,6 % Bettendichte

Betten je 10 000 Einw.

8,9 Tage 9,2 Tage –36,4 %

66,0 66,4 –20,7 %

Quelle:DKG,Statistisches Bundesamt

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fürchtungen, ein solches Einkaufsmo- dell könne zulasten der medizinischen Qualität gehen, wischte Ahrens beiseite:

„Die Sorge, das wären dann alles Billig- verträge, ist völlig falsch.“ Dazu sei das Risiko für jede einzelne Krankenkasse viel zu groß. „Denn wenn wir als AOK beispielsweise einmal den Ruf bekä- men, aus Kostengründen Billigverträge abzuschließen, hätten wir ganz schnell keine Versicherten mehr“, argumentier- te der AOK-Bundesvorsitzende.

Rürup: „Krankenhäuser sind langfristig die Gewinner“

Prof. Dr. rer. pol. Bert Rürup bezeichne- te die duale Finanzierung als „das Krebsübel“ der Krankenhäuser. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaft- lichen Entwicklung prognostizierte, dass es in fünf Jahren deutlich weniger als 2 000 Krankenhäuser geben werde (aktuell sind es 2 157). „Darüber hinaus ist mit einem weiteren Vormarsch der privaten Träger zu rechnen“, sagte Rürup. Deren Anteil am Krankenhaus- markt werde von derzeit 13 Prozent auf mindestens 25 Prozent zunehmen. Da- mit einher gehe eine Kettenbildung auch bei den freigemeinnützigen und den öffentlichen Trägern. Diese sei auch notwendig, um die Einkaufsmacht der Kliniken zu stärken. Aus dem Zwang heraus, die Anschaffungskosten für teu- re Geräte künftig besser auf die einzel- nen Standorte zu verteilen, erwartet der Darmstädter Ökonom, dass die Spezia- lisierung der Krankenhäuser weiter zu- nimmt. Es könne nicht mehr jede Klinik nahezu alle Leistungen anbieten.Wegen des Rückzugs der öffentlichen Hand aus der Investitionsfinanzierung rechnet Rürup mit mehr Kooperationen zwi- schen öffentlichem Sektor und privaten Unternehmen (Public Private Partner- ships = PPP).

„Langfristig, nach einer fünfjährigen Durststrecke und der damit verbun- denen Marktbereinigung, werden die Krankenhäuser als Gewinner aus dem Strukturwandel hervorgehen“, pro- gnostizierte Rürup in Düsseldorf. Die Krankenhäuser, denen es dann besser gehe, würden aber andere sein als die

heutigen. Jens Flintrop

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A3152 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 46⏐⏐18. November 2005

Psychosomatische Medizin

Chance durch Integration

Die Psychosomatiker fordern, ihre Kompetenzen in den Konzepten zur Integrierten Versorgung stärker zu berücksichtigen.

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ie angestrebte Vernetzung ver- schiedener Fachdisziplinen im Rahmen der Integrierten Versor- gung sei eine „große Chance“, psycho- somatische Konzepte zu implementie- ren, betonte Prof. Dr. med. Thomas Loew, Vorsitzender der Deutschen Ge- sellschaft für Psychosomatische Medi- zin und Psychotherapie (DGPM), an- lässlich des Kongresses der Fachgesell- schaft Ende Oktober in Bad Honnef.

Mindestens 20 Prozent aller Patienten bei Hausärzten leiden nach Angaben der DGPM an einer somatoformen Störung. Die psychisch bedingte Er- krankung könne sich in chronischen Schmerzen, Verdauungs- und Herzbe- schwerden äußern und ziehe häufig ei- ne Odyssee zu diversen Fachärzten so- wie apparative Mehrfachuntersuchun- gen nach sich. „Eine frühzeitige Einbin- dung psychosomatischer Kompetenz in die Versorgung kann dies verhindern helfen“, erklärte Loew. Gleichzeitig lie- ge darin ein großes ökonomisches Ein- sparpotenzial.

Ein Beispiel für Integrierte Versor- gung mit Beteiligung der Psychosoma- tik ist das seit Juni 2004 an der Carl Gustav Carus-Universität, Dresden, lau- fende Modellprojekt „Tagesklinische Therapie für chronische Schmerzpati- enten“. Die Patienten werden dort ei- nem Team von Fachärzten aus Orthopä- die, Physiotherapie, Neurologie, Psy- chosomatik, Anästhesie und Sportme- dizin vorgestellt, die nach einer abge- stimmten Diagnose den Behandlungs- plan aufstellen. Trotz positiver Beispie- le wies Dr. med. Thomas Haag, Abtei- lung Psychosomatik und Psychothera- peutische Medizin im Gemeinschafts- krankenhaus Herdecke, auf die Gefahr hin, dass psychosoziale und psychoso-

matische Krankheitsaspekte angesichts ökonomischer Zwänge bei der Inte- grierten Versorgung zu wenig berück- sichtigt werden. Bei den Kostenträgern müsse ein Bewusstsein für die Notwen- digkeit ausführlicher Diagnostik ge- schaffen werden, auch wenn medika- mentöse Behandlung manchmal ko- stengünstiger erscheine.

Gerade bei alten Menschen mit psy- chischen Störungen sei die Verordnung von Psychopharmaka in den meisten Fällen ein „Ausdruck von Fehlbehand- lung“, kritisierte Dr. med. Roland Van- dieken, Leiter der Abteilung Allgemei- ne Psychotherapie und Psychosomatik mit Schwerpunkt Alternspsychothera- pie an der Rhein-Klinik, Bad Honnef.

Über 60-Jährige erhalten überdurch- schnittlich häufig Schlaf- und Beruhi- gungsmittel sowie Antidepressiva. Da- bei komme es immer wieder zu falschen Diagnosen, kritisiert Vandieken, weil vor allem alte Menschen das seelische Befinden über das Körperempfinden definieren. Nicht die Depression oder Angst stehen dann im Vordergrund, sondern ein somatisches Symptom. Für den nicht psychosomatisch geschulten Facharzt nicht immer leicht erkennbar, doch bei falscher Diagnose drohen

„Chronifizierungen und Folgeschä- den“, weiß Vandieken.

Vorurteile aufgeben

Aufgrund der demographischen Ent- wicklung sei es dringend notwendig, dass Ärzte ihre Kenntnisse über die- se Zusammenhänge verbesserten und Psychotherapeuten vorhandene Vorur- teile gegenüber alten Patienten wegen angeblich fehlender Lern- und Verän- derungsmöglichkeiten aufgeben. Denn alte Menschen können ebenso von ei- ner Psychotherapie profitieren wie Jün- gere. „Die Seele altert nicht“, betont der Altersexperte. Obwohl der psy- chotherapeutisch-psychosomatische Be- handlungsbedarf bei über 60-Jährigen auf rund zehn Prozent geschätzt wird, findet nur ein Bruchteil den Weg in eine psychotherapeutische Praxis (0,3 bis ein Prozent). Eine Integration der Versor- gungsbereiche kann insbesondere bei alten Menschen zu einer besseren Ver- sorgung beitragen. Petra Bühring

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