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Vertrauensarbeitszeit – Neue Entwicklung gesellschaftlicher Arbeitszeitstrukturen

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Academic year: 2022

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- Forschung - Fb 1027

S. Wingen T. Hohmann U. Bensch W. Plum

Vertrauensarbeitszeit – Neue Entwicklung gesellschaftlicher Arbeitszeitstrukturen

Dortmund/Berlin/Dresden 2004

(2)

den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

Autoren: Dipl.-Psych., Betriebswirt (VWA) Sascha Wingen Dipl.-Gesundheitswirtin Tanja Hohmann

Prospektiv - Gesellschaft für betriebliche Zukunftsgestaltungen mbH, Dortmund Uwe Bensch, M. A.

Dr. Wilfried Plum

TBS - Technologieberatungsstelle beim DGB Landesbezirk NRW e. V.

Dr. Christoph Lenssen, TBS NRW, arbeitete im Zeitraum vom Juli 2002 bis zum August 2003 mit im Projekt. Dr. Thomas Langhoff, Prospektiv GmbH, war für das Projekt beratend tätig.

Verlag/Druck: Wirtschaftsverlag NW

Verlag für neue Wissenschaft GmbH

Bürgermeister-Smidt-Str. 74-76, D-27568 Bremerhaven Postfach 10 11 10, D-27511 Bremerhaven

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Telefax: (03 51) 56 39 - 52 10

Alle Rechte einschließlich der fotomechanischen Wiedergabe und des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

ISSN 1433-2086 ISBN 3-86509-200-4

(3)

Kurzreferat ...10

Abstract...11

Résumé ...12

1 Gesellschaftliche Entwicklungen und Trends als Treiber einer zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt ...14

1.1 Globalisierung und Wissensgesellschaft ...15

1.1.1 Globalisierung ...15

1.1.2 Wissensgesellschaft ...17

1.1.3 Neue Anforderungen und Folgen für Beschäftigte...19

1.2 Demografische Entwicklung...20

1.3 Wertewandel und Individualisierung ...24

2 Entwicklung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten...27

2.1 Die Entwicklung der Wochenarbeitszeit...27

2.2 Entwicklung der Überstunden ...29

2.3 Zusammenhang von Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung ...33

2.4 Arbeitszeitpolitische Ziele und Maßnahmen ...34

2.5 Entwicklung und Verbreitung von Arbeitszeitflexibilisierung ...37

2.6 Gesundheitliche Auswirkungen von langen Arbeitszeiten und Arbeitszeitflexibilisierung...43

2.6.1 Gesundheitliche Belastungen durch überlange Arbeitszeiten...44

2.6.2 Gesundheitliche Belastungen in flexiblen Arbeitszeitmodellen ...47

3 Bedeutung, Verbreitung und Bewertung von Vertrauensarbeitszeit ...55

3.1 Eingrenzung von Vertrauensarbeitszeit ...55

3.1.1 Definition und Elemente von Vertrauensarbeitszeit ...55

3.1.2 Abgrenzung zu anderen flexiblen Arbeitszeitmodellen ...60

(4)

3.2.2 Vertrauensarbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie...63

3.2.3 Vertrauensarbeitszeit in der Multimediabranche...67

3.2.4 Vertrauensarbeitszeit in Großunternehmen...69

3.2.5 Ergebnisse weiterer Studien ...71

3.2.6 Zwischenfazit I ...74

3.3 Chancen und Risiken von Vertrauensarbeitszeit aus verschiedenen Perspektiven...75

3.3.1 Vorteile und Potenziale ...77

3.3.2 Nachteile und Risiken ...81

3.3.3 Zwischenfazit II: Eine neutral-differenzierte Perspektive auf Vertrauensarbeitszeit ...86

4 Analyse betrieblicher Umsetzungserfahrungen mit Vertrauensarbeitszeit ...88

4.1 Analyse von Fallbeispielen aus der Sicht betrieblicher Experten...88

4.1.1 Untersuchungsdesign und Methodik...89

4.1.2 Ergebnisse ...91

4.1.3 Zusammenfassung und vergleichende Bewertung der Fallbeispiele ...118

4.2 Beschäftigtenbefragung zur subjektiven Bewertung von Vertrauensarbeitszeit ...124

4.2.1 Ausgangslage und Forschungsfragen ...124

4.2.2 Methodik ...125

4.2.3 Ergebnisse ...127

4.2.4 Quintessenzen und zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse aus der Beschäftigtenbefragung ...152

5 Gestaltungsanforderungen von Vertrauensarbeitszeit ...154

5.1 Ein systemisches Referenzmodell der Vertrauensarbeitszeit ...154

5.2 Ziele ...157

5.3 Organisationsstrukturen und –kulturen ...158

(5)

5.3.3 Kooperation ...161

5.3.4 Arbeits- und Betriebszeitenmanagement...161

5.3.5 Aufbau- und Ablauforganisation ...162

5.4 Umfeldanforderungen und -einflüsse...164

5.4.1 Kunden ...164

5.4.2 Lebenswelten der Beschäftigten...164

5.4.3 Arbeitsmarkt...165

5.4.4 Rechtlicher Rahmen ...165

5.5 Ressourcen...168

5.5.1 Finanzielle und zeitliche Ressourcen...168

5.5.2 Personal...169

5.5.3 Wissen und Kompetenzen...169

5.5.4 Motivation und Anreize ...170

5.6 Prozesse ...171

5.6.1 Entwicklung...172

5.6.2 Partizipation ...173

5.6.3 Information...173

5.6.4 Organisationsentwicklung ...174

5.6.5 Qualifizierung ...175

5.6.6 Regelung ...175

5.6.7 Test...176

5.6.8 Einführung ...176

5.7 Ergebnisse ...177

5.8 Optimierung ...177

6 Handlungshilfen für die Praxis ...179

6.1 Anleitung zur praktischen Anwendung des Referenzmodells als Methode zur Förderung von systemischem Denken...179

6.2 Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit ...182

(6)

Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen“ ...186

7 Quintessenzen und Ausblick ...190

7.1 Eignung und Integration flexibler Arbeitszeitmodelle ...190

7.2 Differenzielle Arbeitszeitgestaltung...192

7.3 Vertrauensarbeitszeit und Gesundheit...194

Literaturverzeichnis ...198

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen ...214

Anhang 1: FAQ – Frequently asked questions ...219

Anhang 2: Interviewleitfaden zur Expertenbefragung ...226

Anhang 3: Fragebogen zur Beschäftigtenbefragung ...230

Anhang 4: Tabellarische Ergebnisse zur Beschäftigtenbefragung ...242

Anhang 5: Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit ...253

Anhang 6: Beispiel-Design eines Informationsseminars „Vertrauensarbeitszeit: Gesundheits- und leistungsförderliche Einführung und Gestaltung“ für betriebliche Arbeitsschutzakteure ...257

Anhang 7: Übersicht zu ausgewählten Arbeitszeitforschungsvorhaben mit Bezug zur Vertrauensarbeitszeit...260

Anhang 8: Berücksichtigte Fallstudien und Betriebsbeispiele zur Vertrauensarbeitszeit...265

(7)

Dieses Buch ist der Abschlussbericht für das Projekt „Vertrauensarbeitszeit – Neue Entwicklung gesellschaftlicher Arbeitsstrukturen“ (F 1853) im Auftrag der Bundesan- stalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, das von der Prospektiv – Gesellschaft für betriebliche Zukunftsgestaltungen mbH in Kooperation mit der Technologiebera- tungsstelle beim DGB Landesbezirk NRW e.V. im Zeitraum von Juli 2002 bis Januar 2004 durchgeführt wurde.

Zielsetzung des Projektes war es, praktizierte Modelle der Vertrauensarbeitszeit hin- sichtlich ihrer Verbreitung und der Voraussetzungen für eine gesundheitsgerechte und leistungsfördernde Gestaltung zu analysieren. Hierbei sollten insbesondere Zu- sammenhänge zu anderen betriebsspezifischen Rahmenbedingungen und Gestal- tungsfeldern wie z. B. der Unternehmenskultur, der Führung und der Arbeitsorgani- sation berücksichtigt werden. Die Sichtweisen aller betrieblichen Akteursgruppen (z. B. Unternehmensleitung, Betriebs- bzw. Personalrat, betroffene Beschäftigte) sollten dabei berücksichtigt werden. Folgende Hauptforschungsfragen standen im Mittelpunkt der Untersuchungen:

r Welche strukturellen Bedingungen und Wirkungszusammenhänge in Unterneh- men sind förderlich, welche sind hinderlich für die erfolgreiche Umsetzung von Vertrauensarbeitszeit?

r Welche gesundheits- und leistungsbezogenen Risiken und Potenziale können durch Vertrauensarbeitszeit auftreten bzw. erschlossen werden?

r Wie und von wem können Modelle der Vertrauensarbeitszeit eingeführt und ge- staltet werden?

r Welche Kompetenzen sind dazu bei Führungskräften, Beschäftigten, Mitarbeiter- vertretern und Arbeitsschutzakteuren erforderlich?

Als Ergebnis wurden Empfehlungen für die Gestaltung leistungsfördernder und ge- sundheitsgerechter Vertrauensarbeitszeit abgeleitet und in Handlungshilfen für die betriebliche Praxis überführt. Der inhaltliche Aufbau des Buches entspricht im we- sentlichen dem chronologischen Projektablauf und den resultierenden Ergebnissen aus den aufeinander aufbauenden Arbeitspaketen. Einen Gesamtüberblick zum

(8)

Projektablauf und zur Verortung der Ergebnisse in den einzelnen Kapiteln dieses Bu- ches bietet die folgende Abbildung:

4. Transfer

Vorträge Veröffentlichungen Seminar- und Beratungsangebot

Homepage Flyer

1.2 Befragungen in Unternehmen

1.1 Bilanzierung „State of the art“

Gesellschaftliche Entwicklungen Entwicklung & Flexibilisierung

der Arbeitszeit

Bedeutung & Entwicklung von Vertrauensarbeitszeit Fallanalysen zu

betrieblichen Erfahrungen mit Vertrauensarbeitszeit

Beschäftigten- befragung zu Auswirkungen von Vertrauensarbeitszeit 2.1 Ableitung Gestaltungsanforderungen

Entwicklung

Referenzmodell & Checkliste 2.2 Entwicklung Qualifizierungskonzept

1. Analyse2. Konzeptionierung3. Erprobung

3.1 Validierung Referenzmodell & Checkliste 3.2 Testlauf Qualifizierungskonzept

Fachtagung mit

Experten aus Forschung & Praxis Seminar mit Betriebsräten

Kap. 6.3

Kap. 5.1, 6.1, 6.2 Kap. 5.2 - 5.8

Kap. 4

Kap. 3 Kap. 2 Kap. 1 Kap. 5.1, 6.1, 6.2

Kap. 6.3

Projektablauf und Arbeitspakete Buchkapitel

Abb. 0.1 Überblick zum Projektablauf und Verortung der Ergebnisse in diesem Buch

(9)

Darüber hinaus sind aufgrund der Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt neue Forschungsfragen entstanden, die im abschließenden Kapitel 7 diskutiert werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch nur die männliche Schreibweise verwendet, wobei die jeweils weibliche Form damit ebenfalls gemeint ist.

(10)

Vertrauensarbeitszeit – Neue Entwicklung gesellschaftlicher Arbeitszeitstrukturen

Kurzreferat

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt, ausgelöst durch die Globalisierung, die Ent- wicklung zur Wissensgesellschaft, die demografische Entwicklung und den Werte- wandel, nimmt weiterhin zu und zeigt sich nicht nur im Wandel von Arbeitsinhalten und damit verbundenen Belastungen, sondern auch in der Entwicklung neuer For- men der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeitgestaltung. Dabei ist in den Berei- chen, in denen die Ergebnisorientierung die Arbeitszeit als Leistungsmaßstab weit- gehend verdrängt hat, eine Auflösung kollektiver Arbeitszeitstrukturen zugunsten ei- ner Individualisierung der Arbeitszeitmuster zu beobachten. Dementsprechend ge- winnen extrem flexible Arbeitszeitmodelle, die ein hohes Maß an Ergebnis- und Kun- denorientierung durch eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter implizieren und unter der Bezeichnung „Vertrauensarbeitszeit“ subsummiert werden, zunehmend an Bedeutung und werden hinsichtlich vielfältiger Chancen und Risiken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.

Im vorliegenden Buch wird das Konzept der Vertrauensarbeitszeit hinsichtlich des- sen Bedeutung, Verbreitung und betrieblichen Umsetzungserfahrungen unter be- sonderer Berücksichtigung der gesundheitlichen Auswirkungen auf die Beschäftigten – gestützt durch empirische Untersuchungen – analysiert. Darauf aufbauend wird ein Referenzmodell entwickelt, dass Kriterien und Gestaltungsanforderungen zur erfolg- reichen Einführung von leistungsgerechter und mitarbeiterorientierter Vertrau- ensarbeitszeit beinhaltet. Zur Nutzung der Erkenntnisse durch betriebliche Praktiker werden speziell entwickelte Handlungshilfen vorgestellt.

Schlagwörter:

Vertrauensarbeitszeit, Arbeitszeitmodell, Flexibilisierung, Globalisierung, Wissens- gesellschaft, demografische Entwicklung, Wertewandel, Zeitsouveränität, Eigenver- antwortung, Handlungsspielraum, Ergebnisorientierung, Anforderung, Beanspruch- ung, Gesundheit, Zufriedenheit, Führung, Partizipation, Qualifizierung

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Mutual confidence based working time -

New development of social working time structures

Abstract

Triggered by globalisation, the trend towards the knowledge society, the demogra- phic development and the change in values, flexibilisation of the world of work is con- tinuing to increase and is not only reflected in the change in work content and the re- sultant strains but also in the development of new forms of work and working time or- ganisation. Here, the dissolution of collective working time structures in favour of an individualisation of the working time patterns can be observed in the sectors where result orientation has largely displaced working time as a performance yardstick. Ac- cordingly, extremely flexible working time models which involve a high degree of re- sult and customer orientation by staff acting on their own responsibility and which are summed up under the term "mutual confidence based working time", are increasingly gaining in importance and are becoming the subject of controversial discussions in society in view of the wealth of opportunities and risks both for employers and em- ployees.

This book analyses the concept of mutual confidence based working time as regards its importance, dissemination and companies' experience with its implementation with special regard for the health effects on the employees - backed by empirical studies. Proceeding from this concept, a reference model is developed which con- tains criteria and design requirements for the successful introduction of mutual confi- dence based working time commensurate with performance and geared to the em- ployees. Specially developed action aids are presented for application of the knowl- edge by company players.

Key words:

Mutual confidence based working time, working time model, flexibilisation, globalisa- tion, knowledge society, demographic development, change in values, time sover- eignty, own responsibility, latitude for action, result orientation, requirement, stress, health, satisfaction, leadership, participation, qualifications

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Horaire de travail de confiance – Nouvelle évolution des structures sociales concernant l'horaire de tra- vail

Résumé

La flexibilisation du monde du travail, qui a été déclenchée par la mondialisation, l'évolution vers une société du savoir, le développement démographique et l'évolu- tion des valeurs, prend encore et toujours de l'ampleur et s'exprime non seulement dans le changement des contenus du travail et des sollicitations correspondantes, mais aussi dans le développement de nouvelles formes d'organisation du travail et de la conception de l'horaire de travail. On constate alors, dans les domaines dans lesquels l'orientation vers les résultats a en grande partie remplacé l'horaire de tra- vail comme critère de référence pour la mesure de la performance, la disparition des structures collectives relatives à l'horaire de travail en faveur d'une individualisation des modèles d'horaire de travail. En conséquence, les modèles d'horaire de travail extrêmement flexibles qui impliquent un haut degré d'orientation sur les résultats et sur les besoins de la clientèle de la part des collaborateurs travaillant de manière autonome et sous leur propre responsabilité, modèles regroupés sous le terme de

« horaire de travail de confiance », gagnent de plus en plus en importance et font l'objet d'un débat public controversé concernant les chances et les risques diversifiés pour les employeurs et les salariés.

Le présent livre analyse le concept de l'horaire de travail de confiance quant à son importance, sa diffusion et les expériences relatives à la mise en œuvre en entre- prise, en tenant particulièrement compte des effets sur la santé du personnel, ana- lyse basée sur des études empiriques. Partant de cela, on développe un modèle de référence intégrant des critères et des exigences envers la conception pour l'instau- ration avec succès d'un horaire de travail de confiance favorisant la performance et prenant en considération les capacités et besoins du personnel. Il présente égale- ment des aides spécifiques pour l'action destinées à favoriser l'exploitation en entre- prise, par des praticiens, des résultats obtenus.

(13)

Mots clés:

Horaire de travail de confiance, modèle d'horaire de travail, flexibilisation, mondiali- sation, société du savoir, évolution démografique, évolution des valeurs, souverai- neté du temps, responsabilité personnelle, marge d'action, orientation sur les résul- tats, exigence, sollicitation, santé, satisfaction, direction, participation, qualification

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1 Gesellschaftliche Entwicklungen und Trends als Treiber einer zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt

Neue Entwicklungen von Arbeitszeitstrukturen in Unternehmen und Organisationen sind Teil der Veränderungen der Arbeitswelt und der Gesellschaft insgesamt. Es las- sen sich eine Reihe von gesellschaftlichen Trends ausmachen, die neue Arbeits- und Organisationsformen, veränderte Erwerbsbiographien und weitere noch nicht eindeutig abschätzbare Wirkungen zur Folge haben (Z_punkt 2001) und als gemein- sames Merkmal eine deutlich erhöhte Flexibilisierung auf organisationaler und perso- naler Ebene zur Folge haben (Bundesverband der Unfallkassen, 2001). Die folgen- den vier Trends stellen eine Auswahl der – auf unterschiedlichen Ebenen wirksamen – besonders relevanten Flexibilisierungstreiber dar und werden im Verlauf dieses Kapitels näher skizziert 1:

r Globalisierung und Wissensgesellschaft

r Demografische Entwicklung

r Wertewandel und Individualisierung

Diese Trends führen über verschiedene Wirkungsketten zu deutlich erhöhten Flexi- bilitätsanforderungen an Personen, Unternehmen und Verwaltungen. Folgende Ge- staltungsfelder auf organisationaler Ebene sind in besonderem Maße betroffen:

r Personalpolitik

r Unternehmenskultur und Führung

r Arbeitszeitmanagement

r Arbeitsort

r Arbeitsgestaltung

r Entgeltsysteme

r Wissensmanagement und Qualifikationsentwicklung

1 vgl. zur ausführlichen Darstellung und Diskussion einzelner Trends z.B. Volkholz, 2002; Volkholz, Kiel, Wingen, 2002; Friedrich, 2002; Deutscher Bundestag, 2001; Z_punkt, 2001; Prognos, 1998; Will- ke, H., 1998; Piller, 1998; Reheis, 1996; Rosenstiel, 1993; BoAG, 1993.

(15)

r Personalentwicklung und Laufbahngestaltung

r Kooperation und Kommunikation

r Arbeits- und Gesundheitsschutz

Zur Bewältigung der Flexibilitätsanforderungen in Unternehmen und Verwaltungen werden in Wissenschaft und Praxis verschiedenartige Konzepte diskutiert wie z. B.

die lernende Organisation, das lebensbegleitende Lernen, die zunehmende Bedeu- tung von Schlüsselkompetenzen gegenüber Fachwissen, der Einsatz von Leihar- beitskräften, dezentrale Organisationseinheiten, Team- und Projektarbeit, Zielverein- barungs- und Prämiensysteme, Telearbeit, zunehmende Eigenverantwortung und Selbständigkeit der Beschäftigten sowie die Entwicklung zu immer flexibleren Ar- beitszeiten. Nachfolgend werden die ausgewählten Trends, deren Flexibili- sierungseffekte auf der Ebene von Unternehmen und Beschäftigten sowie realisierte Lösungen zur Bewältigung der daraus resultierenden Anforderungen näher erläutert.

1.1 Globalisierung und Wissensgesellschaft

1.1.1 Globalisierung

Auf der Grundlage von Prognosen zur Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Eckdaten über die nächsten Jahrzehnte für die Welt insgesamt und für Deutschland (Prognos, 1998) kann der Globalisierungsprozess in einigen ausgewählten Facetten beschrie- ben werden:

r Der relative Anteil der Industrieländer am Weltprodukt wird ausgehend von 79%

in 1996/97 über 73% in 2010 auf 67% in 2020 sinken.

r In Deutschland wächst die Gesamtwirtschaft im gleichen Zeitraum mit rd. 2%

deutlich langsamer im Vergleich zum Weltdurchschnitt von 3%.

r Der weltweite Handel (Export und Import) wird bis 2020 deutlich schneller wach- sen als das Weltprodukt. Analog hierzu wird die deutsche Exportquote am Brutto- inlandsprodukt (BIP) ebenfalls schneller wachsen als das BIP selbst.

r Die Anteile des produzierenden Gewerbes und der Industrie am deutschen BIP werden von rd. 34% (Industrie: 25%) in 1996/97 auf rd. 27% (Industrie: 20%) in

(16)

2020 sinken, während die Dienstleistungsanteile im gleichen Zeitraum von rd.

63% auf ca. 72% steigen werden.

Die Globalisierung in Form der internationalen Verflechtung nimmt also weltweit und in Deutschland zu. Der innerdeutsche Strukturwandel in Richtung einer industriali- sierten Dienstleistungsgesellschaft schreitet voran (Volkholz, Kiel, Wingen, 2002;

Deutscher Bundestag, 2001).

Wie wirkt sich nun der fortschreitende Globalisierungsprozess auf die Flexibilisierung der Unternehmen und der Arbeitswelt aus? Wenngleich es sich hier um multikausale Ursache-Wirkungszusammenhänge handelt, sind doch einige hervorstechende Aus- wirkungen beobachtbar (Pröll u. Gude, 2003; Friedrich, 2002). Die einzelnen Unter- nehmen sehen sich einem zunehmend verschärften Konkurrenzdruck ausgesetzt, der durch eine dynamisch wachsende Angebotsvielfalt von Produkten und Dienstlei- stungen sowie entsprechend wachsende Zugriffsmöglichkeiten seitens der Kunden - stark beschleunigt durch die rasante Entwicklung der Informations- und Kommuni- kationstechnologien - begründet ist (Kinkel u. Lay, 2000). Gleichzeitig führen zuneh- mende Turbulenzen der globalen Weltwirtschaft (starke konjunkturelle Schwankun- gen, finanzielle, politische und militärische Krisen) zu einem dynamisierten Unterneh- mensumfeld. Hieraus resultieren deutlich höhere Anforderungen an die Unterneh- men hinsichtlich Produkt- und Servicequalität, -vielfalt und -preis, Schnelligkeit in al- len markt- und kundenbezogenen Aktivitäten (Innovation, Leistungserstellung, Liefe- rung, Reaktionszeiten, etc.) und flexibler Anpassung an sich ständig wandelnde Kundenwünsche und Marktbedingungen (Lay u. Kinkel, 2000).

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und damit langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, reagieren insbesondere größere Unternehmen mit verschiedenen Strate- gien zur Restrukturierung ihrer Geschäftsfelder wie der Konzentration auf Kernkom- petenzen (über downsizing, outsourcing, Fusionierung, Übernahmen), der Ver- schlankung (lean production), der Diversifizierung und der Kooperation (Kinkel u.

Lay, 2003). Während die Konzentration auf das Kerngeschäft und die Verschlankung auf der These basieren, dass Voraussetzung für die langfristige Überlebensfähigkeit in globalen Märkten die Marktführerschaft im eigenen Segment ist, gehen Vertreter der Diversifizierung davon aus, dass eine heterogene Unternehmensstruktur am be- sten geeignet ist, um Schwankungen in verschiedenen Geschäftsfeldern kompensie-

(17)

ren zu können. Kleine und mittlere Unternehmen setzen demgegenüber häufiger auf Unternehmenskooperationen im Wege der Bildung strategischer Allianzen und virtu- eller Organisationen oder der Beteiligung an Netzwerken, die zeitlich und räumlich flexibel am Markt agieren können (Pröll u. Gude, 2003; Eggers u. Kinkel, 2002).

Auf der innerbetrieblichen Ebene zeigen sich Reaktionen auf die Globalisierung der- art, dass zunehmend mehr flexible Arbeits- und Organisationsformen eingesetzt werden (Gerlmaier u. Kastner, 2001). So werden z.B. flexible Arbeitszeitmodelle, Nacht-, Schicht- und Wochenendarbeit sowie Mehrarbeit eingesetzt, um jederzeit für den „globalen“ Kunden erreichbar zu sein. Prekäre Beschäftigungsformen (befristete Arbeitsverhältnisse, geringfügige Beschäftigung und Leiharbeit) nehmen zu (Knuth et al, 2002), um flexibler auf Auftragsschwankungen reagieren zu können, virtuelle Team- und Projektarbeit dient zur gemeinsamen Aufgabenbearbeitung bei Überwin- dung räumlicher Grenzen mittels IuK-Technologien.

1.1.2 Wissensgesellschaft

Der sich seit den 60er Jahren in Deutschland abzeichnende sektorale Strukturwan- del von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft erfährt mit der rasanten Ver- breitung und Durchdringung der Informations- und Kommunikationstechnologien in nahezu alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche eine neue Dynamik. So ist der Anteil der Informationstechnik am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von ca. 3,5% zu Beginn der 80er Jahre auf rd. 11% Ende der 90er Jahre angestiegen (Nefiodow, 1999). Die Diffusion computergesteuerter Arbeitsmittel hat nach den Er- werbstätigenbefragungen von BiBB/IAB von einem Nutzeranteil von 14% im Jahr 1979 auf 62% in 1999 zugenommen (Volkholz et al, 2002).

Bei einer Aufspaltung des Dienstleistungssektors in „traditionelle“ Dienstleistungen und Informationsdienstleistungen nach dem Vier-Sektoren-Modell war eine seit ca.

Mitte der 60er Jahre anhaltende Stagnation des Anteils der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor von 20-25% bei gleichzeitig stark ausgeprägtem Wachstum des Informationssektors auf über 45% bis Anfang der 90er Jahre zu beobachten (BMBF 1998). Auch auf der Ebene von beruflichen Tätigkeiten ist eine deutliche Zu- nahme wissensintensiver sekundärer Tätigkeiten wie z. B. Forschen, Entwickeln, Or-

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ganisation, Management, Beratung u.a. zu erwarten. Nach Projektionen von Prognos und IAB werden sich die Erwerbstätigenanteile an diesen Tätigkeiten von 26,3% in 1995 auf 31,6% in 2010 deutlich erhöhen (Dostal u. Reinberg, 1999).

Die skizzierten Entwicklungen verweisen auf die zunehmende Bedeutung des Pro- duktionsfaktors Wissen unter Nutzung der IuK-Technologien mit erheblichen Folge- wirkungen auf die Beschäftigung und die Arbeitswelt in der Wissensgesellschaft.

Während Wachstumspotenziale bei der Beschäftigung eher in wissensintensiven Tä- tigkeiten und im Informationssektor erwartet werden, ist im Produktionssektor sowie bei produktionsorientierten Tätigkeiten ein weiterer Rückgang anzunehmen. Aus die- sen Verschiebungen resultierende Flexibilisierungsanforderungen an Unternehmen und Beschäftigte lassen sich anhand ausgewählter Aspekte wie folgt skizzieren:

r Die zeitliche Dimension rückt bei allen wirtschaftlichen und arbeitsbezogenen Ab- läufen immer stärker in den Vordergrund: während die Beschleunigung jeglicher Prozesse mit dem Ziel der Zeitverkürzung bzw. -einsparung zum system- immanenten Steuerungsprinzip moderner Produktions- und Dienstleistungsunter- nehmen in globalisierenden Märkten gehört (Reheis, 1996), erfährt diese Dyna- mik neue Impulse durch die mit der Nutzung von IuK-Technologien verbundenen immensen Zeiteinsparpotenziale z.B. bei der Beschleunigung von Informations- verarbeitungs-, Kommunikations- und Geschäftsabwicklungsprozessen durch den Einsatz von Computern, globalen Datennetzen und e-business-Methoden sowie bei der Verringerung von Produktentwicklungs- und Produktionszeiten mit Hilfe computergesteuerter Simulationstechnik, Maschinen und Anlagen. Diesem Be- schleunigungssog können sich die meisten Unternehmen angesichts einer zu- nehmenden Relevanz des Wettbewerbsfaktors Schnelligkeit – ausgedrückt in verschiedenen Prozesskennzahlen wie z.B. Durchlauf- und Lieferzeit, Reaktions- und Servicezeit, „time to market“, Reklamationsbearbeitungszeit – kaum entzie- hen.

r Eine kontinuierlich abnehmende Halbwertzeit des Wissens aufgrund beschleu- nigter Innovationszyklen führt dazu, dass Unternehmen ihre Wissensbestände zur Erzeugung neuer wissensintensiver Produkte und Dienstleistungen ständig erneuern müssen. Hieraus resultieren neue Anforderungen an die Organisation und das Management von Wissen angefangen von der Wissensgenerierung über die Wissenskodifizierung bis zum Wissenstransfer (Z_Punkt, 2001).

(19)

r Im Zuge dieser Anforderungen an die Unternehmen bildet sich zunehmend ein neuer Arbeitstypus der sogenannten Wissensarbeit heraus (Cernavin, 2001; Will- ke, G., 1998), der Tätigkeiten umfasst, „die dadurch gekennzeichnet sind, [...]

dass das [für ihre Ausübung] relevante Wissen (1) kontinuierlich revidiert, (2) permanent als verbesserungswürdig angesehen, (3) prinzipiell nicht als Wahrheit sondern als Ressource betrachtet wird und (4) untrennbar mit Nichtwissen ge- koppelt ist, so dass mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind“ (Will- ke, H., 1998).

Welche Auswirkungen die skizzierten Trends der Globalisierung und der Wissens- gesellschaft auf die Beschäftigten haben, wird nachfolgend skizziert.

1.1.3 Neue Anforderungen und Folgen für Beschäftigte

Die resultierenden neuen Anforderungen an die Beschäftigten sind vielfältiger Natur und lassen sich nicht in eindeutigen Kausalzusammenhängen beschreiben. Aller- dings werden ein höheres Qualifikationsniveau, eine höhere Mobilität, vermehrte Auslandserfahrungen, Sprach-, Kultur- und IT-Kompetenz, Selbständigkeit, Team- fähigkeit, Einsatzflexibilität, Lern- und Veränderungsbereitschaft, Belastbarkeit und Erreichbarkeit von zunehmend mehr Beschäftigten erwartet (Bundesverband der Unfallkassen, 2001; Willke, G., 1998). Demgegenüber sinkt tendenziell die Beschäf- tigungssicherheit und es bilden sich stärker fragmentierte Berufs- und Erwerbsbio- grafien aufgrund häufiger Arbeitsplatz-, Tätigkeits-, Arbeitgeber- und Berufswechsel heraus (Kastner u. Vogt, 2001; Sennett, 1998; Willke, G., 1998). Einer Prognose des Instituts Wirtschaft und Gesellschaft zufolge wird sich der Anteil der freiberuflich täti- gen Beschäftigten an der Erwerbsbevölkerung bis 2009 verdoppeln (Z_Punkt, 2001).

Zudem entkoppeln sich zunehmend Arbeit, Arbeitszeit und Arbeitsort – z.B. über den vermehrten Einsatz von Telearbeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen –, was diverse Auswirkungen auf Kommunikations- und Interaktionsprozesse in beruflichen und pri- vaten Kontexten mit sich bringt wie z.B. die Reduzierung direkter „face-to-face“- Kommunikation, erhöhte Abstimmungsbedarfe bei individuell verschiedenen Anwe- senheitszeiten am Arbeitsplatz u.a. (ebd.).

(20)

Die Bewertung dieser Anforderungen und deren Folgen für die Erwerbstätigen kann sowohl positiv als auch negativ verlaufen. So wird einerseits ein höherer Autonomie- grad von Beschäftigten in flexiblen Arbeits- und Beschäftigungsformen hinsichtlich

r der größeren Handlungs- und Entscheidungsspielräume in der Arbeit,

r der Möglichkeit zur besseren Selbstverwirklichung und

r der Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben

von den Betroffenen überwiegend positiv beurteilt. Andererseits wird häufig kritisch hinterfragt, ob der unterstellte Autonomiezuwachs real eintritt oder nicht vielmehr statt dessen eine Vermarktlichung und indirekte Steuerung der Mitarbeiter sowie ei- ne Entgrenzung von Arbeit die Folge flexibler Arbeitsformen ist (Glißmann u. Peters, 2001, Pickshaus et al, 2001, Kastner u. Gerlmaier, 2001; Z_Punkt, 2001). Diese Tendenzen können bei mangelnden biologischen und psycho-sozialen Ressourcen auf Seiten der Erwerbstätigen – flankiert durch Mechanismen der Selbsttäuschung und Selbstausbeutung – zu

r psychischen Problemen wie Selbstzweifel und Verunsicherung, Verlust- und Ver- sagensängsten, Fatalismus und Resignation, Identitätsproblemen, Überfor- derung, Distress, Burnout,

r sozialen Störungen wie Solidaritätsabbau und Konkurrenz- und Konfliktzunahme zwischen Kolleg/innen, Mobbing, gestörter Work-Life-Balance sowie zu

r vielfältigen negativen gesundheitlichen Auswirkungen wie erhöhte Müdigkeit, Rückenbeschwerden, Muskelschmerzen, Schlafstörungen, Suchtanfälligkeit u.a.

bis hin zur Erholungsunfähigkeit

führen (Pröll u. Gude, 2003, Hochschild, 2002, Bundesverband der Unfallkassen, 2001, Glißmann u. Peters, 2001, Kastner u. Gerlmaier, 2001, Pickshaus et al, 2001,, Sennett, 1998, Reheis, 1996).

1.2 Demografische Entwicklung

Ein weiterer wesentlicher Makrotrend mit gravierenden Auswirkungen auf die Flexibi- lisierung der Arbeitswelt ist die demografische Entwicklung der Bevölkerung und der Erwerbstätigen. Folgende Veränderungen bzgl. der Zahl und Altersstruktur der (Er-

(21)

werbs)Bevölkerung sowie der Anzahl und Qualifikation der Erwerbstätigen sind zu erwarten (IAB 1998; Statistisches Bundesamt, 1988):

r Die Bevölkerung in Deutschland wird ab 2010 – ausgehend von dann rd. 81 Mio.

– bis 2050 um rd. 11 Mio. bis 16 Mio. Menschen schrumpfen (Höhn, 2000; Pro- gnos, 1998)2. Die zunehmende Dynamik des Schrumpfungsprozesses wird durch eine – seit den 70er Jahren rückläufige – geringe Geburtenrate von derzeit durch- schnittlich ca. 1,3 Kindern pro Frau stark beeinflusst. Damit liegt Deutschland wie auch alle anderen europäischen Länder unterhalb der Bestandserhaltungsquote von 2,1 Kindern je Frau im statistischen Mittel (Costas, 1985).

r Die deutsche Erwerbsbevölkerung wird bis 2010 geringfügig auf 42 Mio. anstei- gen und danach bis 2020 auf 39,8 Mio. zurück gehen. Sofern die Zahl der Er- werbstätigen in etwa unverändert bleibt, könnte sich die Massenarbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum etwas abschwächen und auf einem geringerem Niveau be- stehen bleiben (Prognos, 1998). Allerdings ist ebenso eine Kompensation des Rückgangs der Erwerbspersonenzahl und der damit verbundenen Arbeitslosig- keitsquote aufgrund einer zunehmenden Erwerbstätigkeitsquote der Frauen so- wie einer Reintegration von Frührentnern denkbar (Husemann et al, 2003).

r Das Durchschnittsalter der Bevölkerung wird von 41,1 Jahren im Jahr 2000 konti- nuierlich bis auf 48,2 Jahre in 2045 ansteigen (Deutscher Bundestag, 2002). In 2010 wird es in Deutschland mehr ältere, über 40-Jährige Erwerbspersonen als Jüngere, unter 40-Jährige geben; der Anteil der über 40-Jährigen liegt dann bei 58% (Prognos, 1998). Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen stieg von rd. 38 Jahren in 1991 um 2 Jahre auf rd. 40 Jahre in 2001 mit anhaltend steigender Tendenz (Statistisches Bundesamt, 2003; Rürup u. Sesselmeier, 2001).

r Die Höherqualifizierung der Erwerbstätigen steigt weiter an. Der Akademikeranteil steigt von 14% in 1995 auf 15% in 2002 und auf 17% in 2010 (Statistisches Bun- desamt, 2003; Weidig et al, 1998). Demgegenüber sinkt der Anteil der Personen ohne Berufsabschluss von rd. 17% in 1995 auf 11% in 2010 (Deutscher Bundes- tag, 2001).

2 Die Spannbreite des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs ist von unterschiedlichen Wande- rungssalden abhängig (vgl. Prognos, 1998).

(22)

r Die Erwerbstätigkeitsquote der Frauen steigt kontinuierlich an. Während im Jahr 1996 rd. 58 von 100 Frauen erwerbstätig waren, stieg die Frauenerwerbsquote bis auf rd. 62% in 2002 (Statistisches Bundesamt, 2003).

Zusammengefasst zeichnet sich also eine Situation in Deutschland dergestalt ab, dass die (Erwerbs)Bevölkerung zunehmend altert und ab 2010 schrumpfen wird. Ein gleichzeitiger demografisch bedingter Rückgang der Massenarbeitslosigkeit kann allerdings nicht als sicher unterstellt werden. Außerdem werden mehr hochquali- fizierte Arbeitskräfte und weniger gering qualifizierte Personen sowie vermutlich mehr Frauen erwerbstätig sein.

Die Auswirkungen dieser tiefgreifenden demografischen Veränderungen auf die Un- ternehmen und die zukünftige Arbeitswelt sind äußerst vielschichtig und können hier nur exemplarisch mit Blick auf erwartbare Flexibilisierungseffekte skizziert werden3. So führt die Alterung von Belegschaften in vielen Betrieben – verstärkt durch die ak- tuell diskutierte Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die Erhöhung des gesetzli- chen Renteneintrittsalters (Marstedt, 2003) – dazu, dass künftig vermehrt ältere Ar- beitnehmer/innen die gleichen Tätigkeiten ausüben müssen wie heute jüngere Be- schäftigte. Allerdings ist die Erwerbsquote im höheren Erwerbsalter ab 55 Jahren insbesondere bei Männern aufgrund vorzeitiger Verrentung und Arbeitslosigkeit in- nerhalb der letzten 25 Jahre kontinuierlich gesunken (Husemann et al, 2003).

Aus einschlägigen Demografie-Studien ist bekannt, dass die wesentlichen Gründe für Frühverrentung Arbeitslosigkeit, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sowie insbe- sondere betriebliche Externalisierung im Rahmen von Sozialplänen sind (Marstedt, 2003). Da insbesondere die zuletzt genannte Ursache zukünftig kaum mehr in die- sem Umfang realisierbar sein wird, sind die Unternehmen gefordert, ihre Personal- politik völlig neu auszurichten, um die Arbeitsfähigkeit bis zum (gesetzlichen) Ren- tenalter sicher zu stellen. Ansatzpunkte hierfür liegen in der Schaffung flexibler, al-

3 Zu resultierenden Herausforderungen des demografischen Wandels hinsichtlich einer nachhaltigen Arbeitsgestaltung siehe Volkholz et al, 2002. Einen guten Überblick zu betrieblichen Bewältigungs- möglichkeiten des demografischen Wandels bietet Richenhagen, 2003. Zu ausführlichen Ergebnissen des BMBF-Projekts „Demotrans“ siehe Bullinger, 2001 und www.demotrans.de.

(23)

terns-gerechter Arbeitszeitmodelle (wie z. B. Teilzeit in verschiedensten Varianten in Kombination mit Lebensarbeitszeitkonten) sowie in der Flexibilisierung von Arbeits- gestaltung über die Definition von (belastenden) Tätigkeiten mit begrenzter Dauer und entsprechenden Rotationsprogrammen bis hin zur alternsgerechten Laufbahn- planung und flexiblen Erwerbsbiografien (Husemann, 2003; Langhoff, 2002; Köch- ling, 2002; Behrends, 2001).

Eine weitere betriebliche Herausforderung besteht in der Sicherung von Nachwuchs- arbeitskräften vor dem Hintergrund eines sich in einigen Branchen4 schon heute ab- zeichnenden Fachkräftemangels, der sich bedingt durch den langfristigen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials noch verstärken wird. Hier sind die betroffenen Un- ternehmen gefordert, ihre Rekrutierungspolitik zu verändern und sich für bislang ver- nachlässigte Arbeitsmarktgruppen, wie z. B. Frauen in Gießereien, zu öffnen und sowohl jüngere als auch ältere Erwerbspersonen gezielt zu umwerben (Wingen, 2003a). Des weiteren gilt es, eine längerfristige betriebliche Bindung insbesondere jüngerer Beschäftigter, die sich durch eine vergleichsweise hohe Wechselbereit- schaft auszeichnen (Köchling, 2002), durch attraktive Arbeitsinhalte und -bedingun- gen sowie berufliche Entwicklungschancen zu erhöhen. Weitere betriebliche Heraus- forderungen des demografischen Wandels sind z.B.

r die Implementierung von Strategien und Maßnahmen zur vorausschauenden Ge- sundheitsprävention (z.B. durch alternsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Gesund- heitsförderungsprogramme u.a.), um den Erhalt der Arbeitsfähigkeit über die Re- duzierung von Verschleißerscheinungen zu sichern (Richenhagen, 2003),

r die flexible Ausgestaltung verschiedener alternsgerechter Lernformen und Quali- fizierungsmaßnahmen zur Ermöglichung des Wissenserwerbs und damit zum Er- halt der Anpassungsfähigkeit älterer Mitarbeiter/innen sowie zur Gewährleistung eines Transfers von Erfahrungswissen von älteren zu jüngeren Beschäftigten (Jürgenhake u. Schumacher, 2000) sowie

r die Unterstützung einer Kultur der gegenseitigen Wertschätzung zwischen den Generationen im Betrieb, durch ein verändertes Führungsverhalten der Vorge- setzten, dass sich flexibel auf die unterschiedlichen Potenziale und Anforderun-

4 Beispiele hierfür sind die Gießerei- Schmiedeindustrie (Jürgenhake et al, 2003) sowie diverse Ge- werke des Handwerk (Zentralverband Sanitär Heizung Klima, 2003; Mendius, 2001).

(24)

gen der Mitarbeiter aller Altersklassen einstellt, sowie durch die Realisierung al- tersgemischter Teamarbeit, um die Kooperation und gegenseitige Anerkennung zwischen Jung und Alt zu befördern (Köchling 2002).

1.3 Wertewandel und Individualisierung

Wertewandel und Individualisierung sind weitere relevante Flexibilisierungstreiber, die allerdings von einer anderen Wirkungsrichtung her beschrieben werden. Aus- gangspunkt der Betrachtungen sind hier nicht die Gesellschaft oder die Unterneh- men, sondern das Individuum, dessen Werte und Einstellungen in Bezug auf Er- werbsarbeit, Beruf und Karriere innerhalb der letzten Jahrzehnte einem deutlichen Wandel unterlegen sind. Während bis Anfang der 60er Jahre in Deutschland z. B.

Pflicht- und Akzeptanzwerte wie Fleiß, Gehorsam, Disziplin, Unterordnung etc. be- sonders wichtig für die Erwerbspersonen waren, wird seit dieser Zeit bis Anfang der 90er Jahre Selbstentfaltungswerten wie z.B. Autonomie, Partizipation, Selbst- verwirklichung, Eigenständigkeit, Ungebundenheit, Toleranz und Verantwortlichkeit zunehmend mehr Relevanz zugeschrieben (Friedrich, 2002, Willke, G., 1998, Kla- ges, 1993, Fürstenberg, 1993).

Nach der 14. Shell Jugendstudie werden von den 12-25-Jährigen Wertorientierungen mit Bezug auf die Entfaltung der Person und die Auslebung ihrer Bedürfnisse sowie Kreativität und Lebensgenuss als wichtiger angesehen als von der Gesamtbe- völkerung (Deutsche Shell, 2003). Allerdings haben die Unterschiede zwischen den Jugendlichen und der Gesamtbevölkerung bei einigen eher traditionellen Werten wie Fleiß, Ehrgeiz, Leistungs- und Sicherheitsorientierung im Vergleich zu den 80er Jah- ren deutlich abgenommen (ebd.). Ohne auf die Ursachen dieser gewandelten Werte näher eingehen zu können, soll hier auf eine Vielzahl von interagierenden Bedin- gungsfaktoren wie z.B. die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation, das gestiege- ne Bildungsniveau, die veränderten Arbeitsbedingungen, die Zunahme der Frauen- erwerbstätigkeit sowie die materielle Absicherung (Fürstenberg, 1993) verwiesen werden, die in unterschiedlichem Ausmaß für den Wertewandel (mit)verantwortlich sind.

(25)

Die Veränderungen der individuellen Werte und Präferenzstrukturen äußern sich in der Arbeitswelt auf mehreren Ebene:

r Arbeit wird dann als attraktiv wahrgenommen, wenn ihre Ausübung als kom- patibel zu den individuellen Wertorientierungen wahrgenommen wird. Somit wirkt der Wertewandel auf die veränderten Ansprüche der Erwerbstätigen an ihre je- weilige Arbeitssituation, was sich insbesondere in Bereichen mit akutem Per- sonalmangel anhand der dann entstehenden Kreativität im Personalmarketing von Unternehmen gut beobachten lässt. Wenn der Widerspruch zwischen ein- zelnen Wertorientierungen von Person und Organisation zu groß ist, werden ent- sprechend auch Arbeitsplätze oder -bedingungen von Beschäftigten abgelehnt (Willke, G., 1998).

r Der Stellenwert der Erwerbsarbeit als zentraler Bereich der Identitätsbildung nimmt tendenziell ab: „Arbeit wird als ein Lebensbereich neben anderen gese- hen: Familie, Freizeit, Eigentätigkeit, Bildung, Politik, Kultur etc., die relativ auf- gewertet werden.“ (ebd.). Folglich ist auch ein Absinken der Bereitschaft der Er- werbstätigen zu einem übermäßig hohen Arbeitseinsatz sowie zur Ableistung von Überstunden ohne Freizeitausgleich zu erwarten.

r Im Zusammenhang mit der bedeutsamer gewordenen Selbstentfaltung ist eine deutliche Zunahme der Individualisierung von Interessen, Wünschen, Werten, Zielen, Meinungen, etc. zu beobachten (ebd.). Im Zeitalter der Postmoderne geht die zunehmende Betonung individueller Bedürfnisse und Erwartungen mit einem wachsenden Pluralismus an Produkten und Dienstleistungen in vielfältigen For- men auf der Seite verschiedenster Marktanbieter einher (BoAG, 1993). Im produ- zierenden Gewerbe schlägt sich diese Tendenz z.B. in der steigenden Diversifi- zierung von Produkten und Varianten bis hin zur Strategie der kunden- individuellen Massenproduktion nieder (Piller, 1998). Auf der Ebene von betriebli- chen Gestaltungsfeldern ist eine Auswirkung der Individualisierung insofern zu erwarten, als dass die Beschäftigten die Berücksichtigung ihrer persönlichen An- forderungen bei der Ausgestaltung von Arbeits- und Lernformen, der Arbeitszeit- regelung u.a. vermehrt einfordern werden (Linne, 2002).

(26)

Nach den in diesem Kapitel beschriebenen allgemeinen Flexibilisierungstendenzen in der Arbeitswelt sollen im nächsten Kapitel die Entwicklung der Arbeitszeiten und deren Flexibilisierung sowie resultierende Wirkungen auf die Beschäftigten genauer beleuchtet werden.

(27)

2 Entwicklung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten

Seit ca. Mitte der 80er Jahre wird parallel zur fortschreitenden Verkürzung der wö- chentlichen Arbeitszeit (s. Abb. 2-1) die Flexibilisierung der Arbeitszeit durch „neue“

Arbeitszeitformen wie die sog. Arbeitszeitkorridore5 vermehrt in der breiten Öffent- lichkeit diskutiert und forciert. Diese Formen werden unter dem Oberbegriff „Flexible Arbeitszeitmodelle“ subsummiert und umfassen „verschiedenste Erscheinungen, wie bspw. Übergang zum Mehrschichtbetrieb, befristete Verkürzungen oder Verlänge- rungen der betriebsüblichen Arbeitszeit, Ausweitung von zumindest gelegentlicher Wochenendarbeit, differenzierte Arbeitszeiten verschiedener Beschäftigtengruppen, nach Dauer oder Lage unregelmäßige Arbeitszeiten, mittel- oder kurzfristig mit dem Auftragsvolumen schwankende Arbeitszeiten sowie Wechsel von Vollzeit- und Teil- zeitphasen im Erwerbsleben“ (Lindecke, 2000).

In den folgenden Kapiteln werden zunächst die Entwicklung der Wochenarbeitszeit und der Überstunden als mögliche Einflussfaktoren auf die zunehmende Ar- beitszeitflexibilisierung näher betrachtet. Im Anschluss daran werden Erkenntnisse zu arbeitszeitpolitischen Zielen und Maßnahmen aus der Sicht von abhängig Be- schäftigten und Selbständigen dargestellt. Darauf folgt eine Skizzierung der quan- titativen Entwicklung und Verbreitung flexibler Arbeitszeitmodelle und im schließlich werden vorliegende Erkenntnisse zum Zusammenhang von Arbeitszeitflexibilisierung und Gesundheit vorgestellt und diskutiert.

2.1 Die Entwicklung der Wochenarbeitszeit

Die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Deutschland ist mit durchschnittlich 44,6 Std. in 1960 bis auf 37,8 Std. im Jahr

5 Hierbei wird eine Schwankungsbreite der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart, wobei Beschäftigte durchschnittlich die vertragliche Arbeitszeitdauer erreichen müssen.

(28)

1999 kontinuierlich reduziert worden. Die stärksten Verkürzungen mit rd. 3 Std. pro Woche wurden innerhalb der ersten 10 Jahre des betrachteten Zeitraums vorge- nommen, während die Reduzierung von 1990 bis 1999 bei lediglich 0,8 Std. pro Wo- che lag (s. Abb. 2.1).

41,5

40,3 40,1

38,6

38,0 37,9 37,8 37,8 37,8 38,3

44,6

39,8

36,0 37,0 38,0 39,0 40,0 41,0 42,0 43,0 44,0 45,0 46,0 47,0 48,0

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1993 1995 1997 1999 2001 2003 Jahr

Std./Woche

(Datenquellen: 1960-85: Institut der deutschen Wirtschaft, 1997 in: Dichmann, 1998; 1990: ISO, DIW, 1990 in Groß et al, 1991; 1995-2003: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 2003 in:

Bach et al, 2003)

Abb. 2.1 Entwicklung der tariflich vereinbarten / betriebsüblichen Wochenar- beitszeit der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland von 1960 - 2003

Allerdings wird aktuell in einigen Tarifbereichen arbeitgeberseitig eine Verlängerung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit und damit eine branchenbezogene Trend- wende gefordert und teilweise bereits umgesetzt (Notz, 2004; Pache, 2004).

Zudem zeichnet sich seit Mitte der 80er Jahre bei vollzeitbeschäftigten Fach- und Führungskräften eine gegenläufige Tendenz derart ab, dass die Differenz zwischen vertraglicher und tatsächlich geleisteter Wochenarbeitszeit deutlich zugenommen hat (s. Abb. 2.2).

(29)

41,2

40,4

38,7 38,9

45,3 45,3

46,3 46,6

46,1

38,7

36,0 37,0 38,0 39,0 40,0 41,0 42,0 43,0 44,0 45,0 46,0 47,0 48,0

1984 1990 1996 1997 1998

Jahr

Std./Woche

(Datenquelle: Sozio-oekonomisches Panel in: Wagner, 2000)

Abb. 2.2 Entwicklung der vertraglich vereinbarten und der tatsächlichen Wo- chenarbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Fach- und Führungskräften Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch in NRW im Vergleich der Jahre 1999 und 2000 ab. Während in 1999 die Differenz zwischen vertraglich vereinbarter und tatsächlicher Wochenarbeitszeit der Beschäftigten 1,9 Std. betrug, lag sie in 2000 bereits bei 4 Std. (Groß, Munz, 2000b). Diese größer werdende Kluft verweist auf die Zunahme an insgesamt geleisteten Überstunden der Beschäftigten.

2.2 Entwicklung der Überstunden

Die durchschnittliche Anzahl der jährlichen bezahlten Überstunden pro Arbeitnehmer ist von 1960 bis 2003 um insgesamt 50,4 Überstunden gesunken (s. Abb. 2.3). Wäh- rend zunächst ein starker Anstieg bis 1970 zu verzeichnen war, der mit einem dama-

(30)

ligen Mangel an Arbeitskräften einherging , hat sich dieser Trend seitdem umgekehrt und seit der deutschen Wiedervereinigung in abgeschwächter Form fortgesetzt bis auf einen Tiefstand von 44,6 Überstunden in 2003.

55,8

47,1 48,4 47,5 44,6

52,3 55,6 66,5 80,2 95 99,7

118,7

157,3

30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 Jahr

Std. / Jahr

(Datenquellen: 1960-85: IAB, 1988 in: Kohler u. Reyher, 1988; 1991, 1993: IAB, 2001 in: Bach, 2001;

1995-2003: IAB, 2003 in: Bach et al, 2003)

Abb. 2.3 Entwicklung der bezahlten Überstunden pro Arbeitnehmer7 und Jahr von 1960 bis 2003

Die Gesamtzahl der bezahlten Überstunden über alle Arbeitnehmer schwankte von 1991 bis 2003 vergleichbar zur durchschnittlichen Überstundenanzahl (s. Abb. 2.4), so dass Effekte durch Veränderungen von Umfang und Struktur der Beschäftigung an dieser Stelle vernachlässigt werden können.

6 Im Jahr 1970 lag nahezu Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote von weniger als 1% vor (IAB in: Kohler u. Reyher, 1988).

7 Alle Arbeitnehmer

(31)

1,94

1,87

1,6

1,69

1,53 1,65 1,63

1,61 1,58

1,64 1,82

1,76 1,88

1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Jahr

Std. (in Milliarden)

(Datenquellen: 1991-1994: IAB, 2001 in: Bach, 2001; 1995-2003: IAB, 2003 in: Bach et al, 2003)

Abb. 2.4 Entwicklung der bezahlten Überstunden aller Arbeitnehmer von 1991 bis 2003

Vor dem Hintergrund der bis 1997 sinkenden tariflich vereinbarten Wochenarbeits- zeit (s. Abb. 2.1) und des Rückgangs der bezahlten Überstunden im Zeitraum von 1991 bis 1997 (s. Abb. 2.3 u. Abb. 2.1) erscheint der Anstieg der tatsächlichen Wo- chenarbeitszeit bei einigen Beschäftigtengruppen (s. Abb. 2.2) zunächst als Wider- spruch. Allerdings wurde innerhalb der letzten Jahre ein zunehmender Anteil der geleisteten Überstunden nicht in Entgelt sondern in Freizeit ausgeglichen oder unbe- zahlt verrichtet (s. Abb. 2.5).

(32)

20%

13% 18%

14%

12%

13%

10%

16%

21%

17% 20%

28%

39% 39%

20%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

1984 1990 1997

Jahr

Prozentanteile

bezahlt

Freizeitausgleich teils bezahlt, teils Freizeitausgleich unbezahlt

keine

(Datenquelle: Sozio-oekonomisches Panel, IZA in: Bauer u. Zimmermann, 1999, n = 17.332).

Abb. 2.5 Überstundenbezahlung und -ausgleich bei vollzeitbeschäftigten west- deutschen Männern

Die relativen Anteile der bezahlten und in Freizeit ausgeglichenen Überstunden so- wie das gesamte Überstundenaufkommen ist in den einzelnen Wirtschaftsbereichen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Nach einer Erhebung von Bauer et al. (2002) liegt die Überstundenanzahl der Beschäftigten im Dienstleistungssektor mit durchschnitt- lich 16,2 Std. pro Monat mit Abstand an der Spitze. Im produzierenden Gewerbe lei- sten die Beschäftigten mit 7,9 Std. monatlich rund halb so viele Überstunden, wäh- rend in der öffentlichen Verwaltung lediglich 2,5 Überstunden pro Monat anfallen (s.

Abb. 2.6).

Die Beschäftigten des produzierenden Gewerbes bekommen knapp die Hälfte ihrer Überstunden bezahlt, wohingegen im Dienstleistungsbereich nur ein Viertel und in der öffentlichen Verwaltung ein Fünftel der Überstunden vergütet werden. Die jeweils verbleibenden Überstunden werden in Freizeit ausgeglichen oder verfallen unbe- zahlt.

(33)

3,7 4,3

0,5

3,1 4,2

11,9

2

6,8 7,9

16,2

2,5

9,9

0 3 6 9 12 15 18

Produzierendes Gewerbe

Dienstleistungsbereich Öffentlicher Dienst Gesamt

Wirtschaftsbereiche

Std./Monat

bezahlt

in Freizeit ausgeglichen Gesamt

(Datenquelle: ISO, 2001 in: Bauer et al, 2002, n = 11.860 Betriebe mit rd. 1,4 Mio. Beschäftigten)

Abb. 2.6 Bezahlte und in Freizeit ausgeglichene Überstunden je Beschäftigtem in Deutschland nach Wirtschaftsbereichen 2001

2.3 Zusammenhang von Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung

Welche Konsequenzen lassen sich aufgrund der dargestellten Entwicklung der Wo- chenarbeitszeit und der Überstunden für die Flexibilisierung der Arbeitszeit ableiten?

Zunächst ist ein direkter Zusammenhang von Arbeitszeitverkürzung und -flexibili- sierung aus theoretischer Sicht nicht gegeben, da unabhängig von der durchschnittli- chen Dauer der Arbeitszeit deren Lage und Verteilung mehr oder weniger flexibel unter Anwendung vielfältigster Arbeitszeitformen und -regelungen festgelegt werden kann.

Andererseits geht die Arbeitszeitverkürzung sowie die Begrenzung von Überstunden qua tariflicher oder betrieblicher Regelungen in der Praxis häufig mit der Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen wie z. B. Arbeitszeitkonten einher. Die Verkürzung

(34)

der Wochenarbeitszeit von der gesetzlich festgeschriebenen 48-Stunden-Woche im Jahre 1918 über die Etablierung der Normalarbeitszeit bis hin zur 35-Stunden- Woche in einigen Tarifbereichen stand bis zum Beginn der 80er Jahre im Vorder- grund des arbeitszeitpolitischen Interesses. In den 80er Jahren wurde dann ein Zu- sammenhang von Arbeitszeitverkürzung und -flexibilisierung im Rahmen arbeitszeit- politischer Aushandlungsprozesse geschaffen. Seit Anfang der 90er Jahre hat sich allerdings die Diskussion um flexible Arbeitszeitmodelle weitgehend verselbständigt und nimmt im arbeitszeitpolitischen Interesse eine Vorrangstellung ein (Friedrich, 2002).

2.4 Arbeitszeitpolitische Ziele und Maßnahmen

Nach einer Umfrage von Erwerbstätigen in Nordrhein-Westfalen (Groß u. Munz, 2000b) wurden als die wichtigsten Ziele, die im Rahmen arbeitszeitpolitischer Initiati- ven verfolgt werden sollten, der Gesundheitsschutz (57%), die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (54%) sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (39%) von den abhängig Beschäftigten genannt (s. Abb. 2-7). Für die Selbständigen war die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (63%) das oberste Ziel. An zweiter Stelle ran- gierte der Gesundheitsschutz (49%), während die Vereinbarkeit von Beruf und Fami- lie (35%) eine deutlich geringere Priorität aufwies. Weiterhin halten knapp ein Viertel der Erwerbstätigen mehr Spielraum für die Zeitgestaltung der Beschäftigten sowie Arbeitsumverteilung für wichtige Ziele.

(35)

Priorisierung arbeitszeitpolitischer Ziele

57% 54%

39%

25% 22% 22%

15%

49%

35%

63%

22% 22%

15%

5%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Gesundheitsschutz Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Mehr Spielraum für die Zeitgestaltung der Beschäftigten Arbeitsumverteilung Begrenzung der Wochenendarbeit Begrenzung der Schicht- und Nachtarbeit

Häufigkeit der Nennungen der Beschäftigten

Abhängig Beschäftigte Selbständige

(Datenquelle: ISO, 2000 in: Groß u. Munz, 2000b, n = 1.500 Beschäftigte aus NRW)

Abb. 2.7 Die wichtigsten arbeitszeitpolitischen Ziele aus der Sicht von abhängig Beschäftigten und Selbständigen in NRW

Als wichtigste arbeitszeitpolitische Maßnahmen wurden von den abhängig Be- schäftigten die Erleichterung der Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall (33%), der Ausbau der Altersteilzeit (32%), der Ausbau des vorgezogenen Ruhe- stands und mehr Zeitsouveränität (je 31 %) sowie der Überstundenabbau (30%) genannt (s. Abb. 2.8). Aus der Perspektive der Selbständigen war die Erleichterung der Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall (64%) die mit Abstand wichtigste Maßnahme. Weiterhin wurden mehr Zeitsouveränität (26%), Überstundenabbau (25%), ein stärkerer Einsatz von Arbeitszeitkonten (23%) sowie mehr Teilzeit (20%) von dieser Gruppe angeführt.

(36)

Priorisierung arbeitszeitpolitischer Maßnahmen

32% 31% 33%

16%

13%

1%

18% 18%

26%

64%

4% 4%

21%

26%

31% 30%

20% 18%

25% 23%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Ausbau der Altersteilzeit Ausbau des vorgezogenen Ruhestands Mehr Zeitsouveränität Überstundenabbau Stärkerer Einsatz von Arbeitszeitkonten Erleichterung der Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall Mehr Teilzeitarbeit Freizeitausgleich für Überstunden Allgemeine Arbeitszeitverkürzung Arbeitszeitverlängerung

Häufigkeit der Nennungen

abhängig Beschäftigte Selbständige

(Datenquelle: ISO, 2000, a.a.O.)

Abb. 2.8 Die wichtigsten arbeitszeitpolitischen Maßnahmen aus Sicht der ab- hängig Beschäftigten und Selbständigen in NRW

Die Zustimmung zu diversen arbeitszeitpolitischen Maßnahmen war in der gleichen Umfrage, mit Ausnahme der geringeren Zustimmung zur allgemeinen Arbeitszeit- verkürzung und -verlängerung, durchweg stark ausgeprägt (s. Abb. 2.9). Die höchste Zustimmung erhielten bei den abhängig Beschäftigten der Ausbau der Altersteilzeit (90%) und des vorgezogenen Ruhestands (89%), mehr Zeitsouveränität (86%), Überstundenabbau (82%) sowie ein stärkerer Einsatz von Arbeitszeitkonten (81%).

Die Selbständigen stimmten an erster Stelle bei der Erleichterung der Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall (86%) zu. Darauf folgten der stärkere Einsatz von Arbeitszeitkonten (83%), mehr Zeitsouveränität und Teilzeitarbeit (je 74%) sowie der Ausbau der Altersteilzeit (73%).

(37)

Zustimmung zu arbeitszeitpolitischer Maßnahmen

90% 89%

74% 72%

46%

7%

73%

67%

74%

86%

25% 25%

72%

82% 81%

86%

74%

63%

83%

66%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Ausbau der Altersteilzeit Ausbau des vorgezogenen Ruhestands Mehr Zeitsouveränität Überstundenabbau Stärkerer Einsatz von Arbeitszeitkonten Erleichterung der Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall Mehr Teilzeitarbeit Freizeitausgleich für Überstunden Allgemeine Arbeitszeitverkürzung Arbeitszeitverlängerung

ufigkeit der Nennungen

abhängig Beschäftigte Selbständige

(Datenquelle: ISO, 2000, a.a.O.)

Abb. 2.9 Zustimmung zu arbeitszeitpolitischen Maßnahmen aus Sicht der ab- hängig Beschäftigten und Selbständigen in NRW

Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass Arbeitszeitflexibilisierung sowohl von selbständigen Erwerbspersonen als auch von abhängig Beschäftigten als ein wesentliches Element der Arbeitszeitpolitik angesehen wird. In wie weit sich mittler- weile flexible Arbeitszeitmodelle in der Praxis der Arbeitswelt durchgesetzt haben, wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

2.5 Entwicklung und Verbreitung von Arbeitszeitflexibilisierung

Das zur Verfügung stehende empirische Datenmaterial zur Entwicklung und Verbrei- tung flexibler Arbeitszeitmodelle ist äußerst heterogen, da sowohl die zugrunde lie- genden Operationalisierungen flexibler Arbeitszeiten und einzelner Modelle unein- heitlich definiert, als auch die herangezogenen Stichprobenumfänge sehr unter- schiedlich sind (Wengel, u.a., 2002; Deinert, 2001). Nach einer im Jahr 1999 durch- geführte repräsentativen Studie des ISO-Instituts (Groß u. Munz, 2000a) hat sich der

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