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Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit findet nicht im luftleeren Raum statt, son-dern in Unternehmen oder Verwaltungen, in denen spezifische strukturelle und kultu-relle Bedingungen vorliegen, welche die Handlungs- und Entscheidungsspielräume

sowie die Ergebnisorientierung in der Arbeit der Beschäftigten als wesentliche Ele-mente der Vertrauensarbeitszeit unterstützen bzw. ihnen entgegen wirken können.

Die vorherrschenden Organisationsstrukturen und -kulturen beeinflussen die Art und Qualität der Potenzialausschöpfung von Vertrauensarbeitszeit und können ihrerseits relevante Veränderungen bedingt durch Vertrauensarbeitszeit erfahren. Folgende fünf Gestaltungsfelder haben sich aus der strukturellen und kulturellen Perspektive als besonders relevant für eine erfolgreiche Umsetzung und Ausgestaltung von Ver-trauensarbeitszeit heraus kristallisiert:

r Führung

r Unternehmenskultur

r Kooperation

r Arbeits- und Betriebszeitenmanagement

r Aufbau- und Ablauforganisation

Diese Gestaltungsfelder werden im folgenden hinsichtlich resultierender Anforderun-gen von Vertrauensarbeitszeit näher beschrieben.

5.3.1 Führung

Vertrauensarbeitszeit beinhaltet schon im Namen „Vertrauen“, dies erfordert einen von der Grundidee „Vertrauen statt Kontrolle“ geprägten kooperativen und kom-munikativen Führungsstil. Beschäftigte in Vertrauensarbeitszeit sollen ihre Ar-beitsleistung eigenverantwortlich erbringen und partiell eigenständige Entschei-dungen treffen – zumindest bezogen auf die Lage und Verteilung der Arbeitszeit.

Dies ist mit einem System mit hierarchisch geprägten Führungsstil schwer vor-stellbar, so dass der Abbau von Hierarchie, veränderte Rollen und Aufgaben der Führungskräfte sowie die Delegation von Entscheidungskompetenzen und Ver-antwortung mit der Einführung von Vertrauensarbeitszeit in der Regel eng gekoppelt sind.

Bestandteile und Anforderungen an eine vertrauensarbeitszeitgerechte Führung sind Zielvereinbarungen, die eine kooperative Aushandlung von Arbeitsergebnissen, die der Beschäftigte erreichen soll (und will!) und zusätzlich nach Bedarf Rückmeldun-gen zu den Arbeitsergebnissen beinhalten. Zudem sind die Führungskräfte gefordert,

sich verstärkt um eine angemessene Personalbemessung zu kümmern und für Ab-hilfe bei auftretenden Überlastsituationen im Einvernehmen mit ihren Mitarbeitern zu sorgen.

5.3.2 Unternehmenskultur

Gegenüber traditionellen hierarchischen Werten erfordert Vertrauensarbeitszeit neue Werte, Normen und Einstellungen der Mitglieder der Organisation, die trauensarbeitszeit einführt und umsetzt. Die Formel „Von der Anwesenheits- zur Ver-trauenskultur“(Hoff 2002a) bringt die wesentliche Einstellungsänderung, wie bereits beim Führungsverhalten diskutiert, auf den Punkt.

Traditionelle Werte wie Pünktlichkeit und Fleiß, die unter anderem durch frühes Er-scheinen am Arbeitsplatz, lange Anwesenheitszeiten bzw. häufige Überstunden nachgewiesen werden, treten gegenüber neuen Werten wie möglichst effizienter Umgang mit der vereinbarten Arbeitszeitdauer und Zeitsouveränität in den Hinter-grund. Dabei stellt sich die Frage, welche impliziten Werte, die sich aus tradierten kulturellen Merkmalen einer Organisation ergeben und die unausgesprochen das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen, sich in welcher Weise auf die Aus-gestaltung und auf den Erfolg der Vertrauensarbeitszeit auswirken.

Wenngleich hierzu keine eindeutigen Forschungsergebnisse vorliegen, lassen sich dennoch ein paar Hinweise zum Umgang mit unternehmenskulturellen Aspekten aus den betrieblichen Umsetzungserfahrungen ableiten. So ist ein gewisses Maß an vor-handenem Grundvertrauen eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Ein-führung von Vertrauensarbeitszeit. In Organisationen mit einer ausgeprägten Miss-trauenskultur ist das Risiko des Scheiterns von Vertrauensarbeitszeit relativ hoch, wie einzelne Fallbeispiele zeigen (vgl. Kap. 4.1; Hamm. 2002).

Ob dieses Grundvertrauen im Einzelfall ausreichend ist, lässt sich über Befragungen von Mitarbeitern, Führungskräften und Betriebs- oder Personalräten zu den vorherr-schenden gelebten Werten und Normen herausfinden. Wichtige Indikatoren einer gelebten Vertrauenskultur sind dabei das Ausmaß an Transparenz und Offenheit beim Umgang mit betriebsrelevanten Daten und Informationen, Art, Umfang und

Zeitpunkt der Mitarbeiterinformation und -beteiligung bei betrieblichen Verände-rungsprozessen, die wechselseitige Vertretungsbereitschaft der Mitarbeiter sowie die vorherrschenden Ursachen für Konflikte zwischen Mitarbeitern als auch im Verhältnis von Mitarbeitern und Führungskräften inklusive der entsprechend eingesetzten Kon-fliktlösungsmittel. Ebenso deutet eine konstruktive und faire Zusammenarbeit zwi-schen der Geschäftsleitung und der Mitarbeitervertretung auf eine vorhandene Ver-trauenskultur hin.

5.3.3 Kooperation

Die in Vertrauensarbeitszeit weniger planbare Anwesenheitszeit der einzelnen Be-schäftigten erfordert intensivere Abstimmungsprozesse, Vereinbarungen und Ab-sprachen sowohl der Mitarbeitern untereinander als auch zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Klar ist, dass zumindest in kooperativen Arbeitsprozessen ein ge-wisses Maß an Verbindlichkeit und Verabredungen erforderlich ist, um gleiche Ar-beitsergebnisse wie vor der Vertrauensarbeitszeit-Einführung zu erreichen. Mögliche Strategien sind eine Intensivierung des innerbetrieblichen Informations-managements, eine Schaffung regelmäßig genutzter Kommunikationsplattformen, eine Erhöhung der virtuellen Zusammenarbeit und eine stärkere Nutzung von In-formations- und Kommunikationstechnologien.

5.3.4 Arbeits- und Betriebszeitenmanagement

Der betriebliche Umgang mit allen arbeits- und betriebszeitbezogenen Aspekten ist sowohl auf formaler als auch auf informeller Ebene entscheidend für die Einführung von Vertrauensarbeitszeit hinsichtlich dessen Anschlussfähigkeit an die ge-wachsenen Arbeitszeitstrukturen und -kulturen. Auf formaler Ebene ist von Be-deutung, wie die Betriebszeiten festgelegt wurden und in wie weit die Beschäftigten dabei beteiligt wurden. Dabei spielt insbesondere die einvernehmliche Festlegung von bereichsbezogenen Funktions- oder Servicezeiten eine besondere Rolle zur Gewährleistung einer qualifizierten Erreichbarkeit bei individuell unterschiedlichen Anwesenheitszeiten in flexiblen Arbeitszeitmodellen.

Weiter ist die Definition von Arbeitszeit im Unterschied zur Anwesenheitszeit im Be-trieb ein zu berücksichtigender und gegebenenfalls zu modifizierender Aspekt im Rahmen der Einführung von Vertrauensarbeitszeit. Hierbei stellen sich Fragen der Anrechnung von Pausen, Weiterbildungs- und Reisezeiten sowie – insbesondere bei Teilzeitbeschäftigten – der Verrechnung von urlaubs- und krankheitsbedingten Fehl-zeiten. Die Entscheidungskompetenz und Verantwortlichkeit hinsichtlich der Einhal-tung der gesetzlichen Anforderungen (ArbZG, ArbSchG etc.), der Urlaubsplanung, der Pausenregelung sowie der Ableistung von Überstunden und deren Ausgleich stellen weitere Komponenten des Arbeitszeitmanagements dar, die bei der Einfüh-rung von Vertrauensarbeitszeit beachtet werden müssen.

Grundsätzlich geben die bislang im jeweiligen Betrieb eingesetzten Arbeitszeitmo-delle Hinweise auf die betriebliche Arbeitszeitkultur, wobei die Einführung von Ver-trauensarbeitszeit in Organisationen, die bereits über flexible Arbeitszeitmodelle wie z. B. Jahresarbeitszeitkonten oder Telearbeit verfügen, eine größere Er-folgswahrscheinlichkeit aufweisen dürfte als in Unternehmen mit traditionell starren Arbeitszeitmodellen, die fremdbestimmte Arbeitszeitvorgaben und -kontrollen bein-halten (s. Kap. 4.1; Hoff, 2002a). Zudem sind informelle Normen daraufhin zu über-prüfen, welche Sanktionen bei Nichteinhaltung drohen. So wird z. B. in manchen Unternehmen erwartet, dass Mitarbeiter erst nach ihren Vorgesetzten den Arbeits-platz verlassen, was ein wesentliches Kriterium im Zusammenhang mit persönlichen Karrierechancen bedeuten kann.

5.3.5 Aufbau- und Ablauforganisation

Eine klar strukturierte Aufbau- und Ablauforganisation inklusive einer entspre-chenden Regelung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die betriebli-chen Entscheidungen, Abläufe und Arbeitsaufgaben bildet eine wichtige Voraus-setzung für Vertrauensarbeitszeit-Modelle. Hierbei sollte ein realistischer individueller Aufgabenzuschnitt gewährleistet sein, um Überlastungen der Mitarbeiter, die bei Vertrauensarbeitszeit aufgrund unregelmäßiger Anwesenheitszeiten und fehlender zentraler Zeiterfassung nicht mehr so deutlich zu Tage treten, zu vermeiden.

Weitere arbeitsorganisatorische Elemente sind die Erhöhung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums der einzelnen Beschäftigten, was sich nicht nur auf die ei-genverantwortliche zeitliche Arbeitsplanung beschränken sollte, sondern auch den zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben erforderlichen Ressourceneinsatz wie z. B. techni-sche Arbeits- und Hilfsmittel sowie Materialien umfassen sollte und mit Hilfe einer Übertragung von Budgetverantwortung geregelt werden kann.

Zur Gewährleistung einer kontinuierlichen betrieblichen Leistungserbringung bei indi-viduell unterschiedlichen Anwesenheitszeiten sind neben der Definition von einzu-haltenden bereichsbezogenen Funktions- oder Servicezeiten, in denen Kunden bzw.

andere Betriebsteile sicher von einer Erreichbarkeit ausgehen können, klar definierte Vertretungsregelungen erforderlich. Mit Vertrauensarbeitszeit kompatible Arbeitsfor-men, welche die eigenverantwortliche Arbeitsorganisation durch die Beschäftigten sowie die wechselseitige Vertretung in besonderer Weise ermöglichen, sind z. B.

teilautonome Gruppen- und Teamarbeit, Projektarbeit sowie Springersysteme.

Mit dem Wandel des Bewertungsmaßstabs für die geleistete Arbeit, die sich vom Kriterium Anwesenheit hin zum Kriterium Aufgabenerfüllung bzw. Zielerreichung ver-schiebt, kann zudem auch eine Anpassung des Entgeltsystems sinnvoll sein. Die im Vertrauensarbeitszeit-Modell generell nicht mehr erfassten und damit explizit nicht mehr vorhandenen Überstunden führen dazu, dass bei der Vergütung für die Be-schäftigten teilweise bislang gewährte Zuschläge entfallen. Möglichkeiten zur Anpas-sung des Entgeltsystems von einem anwesenheitsorientierten zum ergebnisorien-tierten sind Elemente wie Prämien bei bestimmten Erfolgskriterien, die sich auf die vereinbarten Ziele beziehen. Dies erfordert allerdings einen betrieblich abgestimmten Aushandlungsprozess.

Schließlich sollten alle bürokratische und organisatorische Hemmnisse, die der flexi-blen und eigenverantwortlichen Arbeit der Beschäftigten im Wege stehen, wie z. B.

aufwendige Genehmigungsverfahren bei Dienstreisen oder Tausch von Urlaubszei-ten, aufgedeckt, hinterfragt und möglichst abgebaut werden.