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Der Prozess der Einführung von Vertrauensarbeitszeit lässt sich in mehrere Teilprozesse zergliedern, die nacheinander oder auch parallel verlaufen und in denen unterschiedliche Anforderungen an die beteiligten Akteure relevant werden.

Ähnlich wie beim Projektmanagement lassen sich grundsätzlich Entscheidungs-, Planungs-, Vorbereitungs-, Umsetzungs-, Team-, und Steuerungs-/Kontrollprozesse unterscheiden, die unterschiedliche Ergebnisse zur Folge haben (vgl. Wildförster, Wingen, 2001; Mayrshofer et al, 1999).

Die Initiative zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit kann von verschiedenen betrieblichen Akteuren ausgehen. In der Praxis von Unternehmen sind überwiegend Geschäfts- bzw. Personalleiter die Initiatoren, während teilweise auch der Betriebsrat oder die Beschäftigten selbst den Anstoß zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit geben. Die Entscheidung über die Einführung wird in der Regel von der Leitungsebene gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung getroffen. Eine Variante, die sich in Einzelfällen bereits erfolgreich bewährt hat, ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bestehend aus Führungskräfte, Mitarbeitern und Betriebsräten unter Ausschluss der Geschäftsleitung und des Betriebsratsvorsitzenden, welche die Eig-nung von Vertrauensarbeitszeit im Vorfeld zu überprüfen und anschließend über deren Einführung zu entscheiden hat.

Nachfolgend werden die wesentlichen Teilprozesse beschrieben, welche nach der abgeschlossenen Entscheidungsphase ablaufen und sorgfältig organisiert werden sollten.

5.6.1 Entwicklung

Zur Entwicklung eines passgenauen Vertrauensarbeitszeit-Modells bietet sich zu-nächst die Einrichtung eines betrieblichen Projekts an, um die mit der Modellent-wicklung verbundenen vielfältigen Aktivitäten und Anforderungen systematisch planen und bearbeiten zu können. Im Rahmen von Arbeitstreffen einer Projektgruppe sollten dann folgende Schritte systematisch durchlaufen werden:

r IST-Analyse:

Die bislang geltende Arbeits- und Betriebszeitenregelung wird hinsichtlich ihrer Elemente, Stärken und Defizite umfassend analysiert. Dazu gehört auch die Überprüfung der betrieblichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für Vertrauensarbeitszeit. Geeignete Methoden sind moderierte

Gruppendiskussio-nen sowie mündliche oder schriftliche Befragungen der Führungskräfte, Betriebs-räte und Mitarbeiter (s. Kap. 6).

r Konzeptentwicklung:

Auf der Basis der Analyseergebnisse und der betrieblich vereinbarten Ziele wer-den der Geltungsbereich, die Elemente und Ausprägungen des Vertrauens-arbeitszeit-Modell sowie eventuell verschiedene Varianten festgelegt (s. Kap.

3.1). Hierbei sollten Gestaltungsalternativen aufgezeigt und diskutiert sowie flankierende Maßnahmen zur Anpassung der betrieblichen Rahmenbedingungen vorgesehen werden. Schließlich wird ein gemeinsam abgestimmter Modellentwurf entwickelt.

5.6.2 Partizipation

Die Modellentwicklung innerhalb der Projektgruppe sollte unter aktiver Beteiligung von Mitarbeitern und Führungskräften durchgeführt werden, um das vorhandene Erfahrungswissen aller relevanten Akteure hinsichtlich der Realisierbarkeit von Ver-trauensarbeitszeit und der spezifischen Anforderungen einzubeziehen. Zudem führt die Partizipation der Beschäftigten zu einer höheren Akzeptanz des neuen Arbeits-zeitmodells.

5.6.3 Information

Die Belegschaft sollte bereits frühzeitig nach erfolgter Entscheidung über die Ein-führung von Vertrauensarbeitszeit z. B. im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung informiert werden. Der nach Abschluss der Konzeptentwicklung erarbeitete Modell-entwurf sollte dann in einer oder mehreren Veranstaltungen den Beschäftigten vorgestellt werden, um Fragen und Bedenken zu klären sowie Anregungen für Modifikationen des Modells aufzunehmen. Ziel dabei sollte sein, die prinzipielle Bereitschaft der Mitarbeiter für das Vertrauensarbeitszeit-Modell zu gewinnen.

5.6.4 Organisationsentwicklung

Zur Anpassung der betrieblichen Rahmenbedingungen bilden insbesondere die fol-genden zwei Aspekte zentrale organisatorische Ansatzpunkte bei Vertrauens-arbeitszeit:

r Zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Aufrechterhaltung betrieblicher Funk-tionen sowie einer regelmäßigen Erreichbarkeit von Ansprechpartnern in einzel-nen Abteilungen bietet sich zum eieinzel-nen die Festlegung von bereichsspezifischen Funktions- bzw. Servicezeiten an. Diese sollten gemeinsam von allen Mitarbeitern und ihren direkten Vorgesetzten definiert werden. Dabei hat sich eine Orientierung an der von Hoff u. Weidinger (1999) vorgeschlagenen Service-Triangel bewährt (s. Abb. 5.3).

Service

Servicezeit Besetzungsstärke Serviceversprechen

Welche Leistungenwerden dem internen/externen Kunden gegenüber während der Servicezeit garantiert?

Zu welchen

z. B.: alle Sofort- und Standardleistungen, kundenspezifische Anfragen werden unverzüglich an kompetente Mitarbeiter/innen weitergeleitet

Abb. 5.3 Die Service-Triangel in Anlehnung an Hoff u. Weidinger, 1999

Entlang dieser Service-Triangel sollte jede betriebliche Einheit ihr Servicever-sprechen, ihre Servicezeit und die jeweilige Besetzungsstärke festlegen. Bei Berücksichtigung der Einhaltung dieser Festlegungen können die Mitarbeiter ihre individuellen Arbeitszeiten untereinander abstimmen und frei variieren.

r Zum anderen sollten im Rahmen des Einführungsprozesses von Vertrauens-arbeitszeit die Aufgabenzuschnitte auf individueller Ebene und auf der Ebene aller betriebsspezifischen Einheiten überprüft werden, um eine Angemessenheit der personellen Kapazitäten im Vergleich zum Aufgabenumfang gewährleisten zu können. Gegebenenfalls müssen Arbeitsabläufe optimiert, betriebliche Einheiten umorganisiert, Teamstrukturen aufgebaut oder Aufgaben umverteilt werden, um eine faire und beanspruchungsgerechte Auslastung der Mitarbeiter zu realisieren.

5.6.5 Qualifizierung

Zur Befähigung der Führungskräfte und Mitarbeiter, die neuen Anforderungen von Vertrauensarbeitszeit erfolgreich zu bewältigen, sind verschiedene Qualifizierungs-maßnahmen im Rahmen des Einführungsprozesses durchzuführen. Folgende Qualifizierungen haben sich als notwendig und sinnvoll erwiesen (vgl. Kap. 6.3):

r Rechtliche Unterweisungen für Führungskräfte, Mitarbeiter, Betriebsräte und be-triebliche Arbeitsschutzakteure

r Workshops für Führungskräfte, Mitarbeiter und Betriebsräte sowie betriebliche Arbeitsschutzakteure zur Vermittlung der Grundlagen von Vertrauensarbeitszeit

r Führungskräfteschulungen zu veränderten Anforderungen an das Führungsver-halten

r Mitarbeiterschulungen und job rotation zur Erweiterung der fachlichen Kompe-tenzen und zur Erhöhung der Vertretungsfähigkeit

r Teamentwicklungsseminare zur Förderung der Kooperation der Mitarbeiter

Darüber hinaus sollten bei Bedarf spezielle Qualifizierungen z.B. zu den Themen Zeitmanagement, Stressmanagement, Moderation u.a. als unterstützende Maßnah-men angeboten werden.

5.6.6 Regelung

Das entwickelte und auf Basis einer Mitarbeiterversammlung optimierte Modell der Vertrauensarbeitszeit (s. Kap. 5.6.1 u. 5.6.3) sollte schließlich in Form einer schrift-lichen Regelung dokumentiert und als Betriebs- oder Dienstvereinbarung von den Betriebsparteien verabschiedet werden.

5.6.7 Test

Bei der erstmaligen Einführung von Vertrauensarbeitszeit ist grundsätzlich eine zeit-lich begrenzte Testphase von 6 bis 12 Monaten zu empfehlen, innerhalb derer die praktischen Erfahrungen mit dem neuen Arbeitszeitmodell laufend erfasst werden.

Zum Abschluss der Testphase sollten diese Erfahrungen unter Beteiligung aller be-trieblichen Akteurs- und Interessengruppen systematisch ausgewertet werden, um über die Fortführung von Vertrauensarbeitszeit sowie einen möglichen Optimierungs-bedarf der Regelung zu entscheiden. Eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung sollte entsprechend diese Testphase vorsehen.

Insbesondere in größeren Unternehmen hat sich darüber hinaus die Auswahl eines Pilotbereichs im Rahmen der Testphase bewährt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass eine Piloteinführung „nur in hierfür aufgeschlossenen und von ihren Arbeitsaufgaben her geeigneten [Bereichen]“ (Hoff, 2000a, S. 145) erfolgt und die Voraussetzungen erfüllt sind, dass „diese Bereiche von den ihnen intern zuarbei-tenden Bereichen auch ohne dortiges neues Arbeitszeitsystem die erforderliche Unterstützung erhalten und die Übertragbarkeit der in ihnen erreichten Ergebnisse auf die übrigen in Frage kommenden Bereiche gegeben ist.“ (ebd.).

Schließlich besteht die Möglichkeit einer Testphase auf indivueller Ebene, wobei den Beschäftigten selbst die Option einer Teilnahme an Vertrauensarbeitszeit mit einer jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit und Rückkehr in das bisherige Arbeitszeitmodell angeboten wird.

5.6.8 Einführung

Die konkrete Einführung des Vertrauensarbeitszeit-Modells in die betriebliche Praxis sollte mit einer Informationsveranstaltung für Führungskräfte und Mitarbeiter zu Be-ginn der Testphase starten. Dabei sollten die Inhalte und Verfahrensweisen der fest-gelegten Arbeitszeitregelung vermittelt und der praktische Umgang mit verschie-denen Werkzeugen (z. B. Tools zur Arbeitszeiterfassung, Formulare für Überlastge-spräche u.a.) erläutert werden. Darüber hinaus sollten kompetente Ansprechpartner

benannt werden, die für alle Fragen im Zusammenhang mit Vertrauensarbeitszeit zur Verfügung stehen.

5.7 Ergebnisse

Vertrauensarbeitszeit führt in der Praxis zu bestimmten Ergebnissen, wobei hiermit jegliche intendierten und nicht-intendierten Auswirkungen, Folgen und Nebenwirkun-gen verstanden werden, die von den beteiligten bzw. betroffenen Akteuren unmittel-bar oder mittelunmittel-bar auf das realisierte Vertrauensarbeitszeitmodell bzw. den Einfüh-rungsprozess als Hauptursache zurück geführt werden. Die jeweiligen Ergebnisse können positiv oder negativ bewertet und vorübergehend oder nachhaltig erreicht werden. Ohne an dieser Stelle nochmals auf einzelne Ergebnisse und deren Bewer-tung näher einzugehen (vgl. Kap. 3.3 u. 4), ergeben sich mit Blick auf die Ergebnis-dimension von Vertrauensarbeitszeit einige Anforderungen an die verantwortlichen betrieblichen Akteure.

So sollten auf Basis der mit Vertrauensarbeitszeit verbundenen Ziele möglichst zu Beginn messbare Ergebniskriterien (Kennzahlen, Indikatoren) für alle Stakeholder-Gruppen (Unternehmen, Mitarbeiter, Kunden) sowie geeignete Methoden zur syste-matischen Messung der Ergebniskriterien (z.B. Kennzahlenberechnung, Befragun-gen) ausgewählt werden. Darüber hinaus empfiehlt sich die Definition eines Verfah-rens zur Durchführung der Erfolgsmessung sowie zur Verwendung der Bewertungs-ergebnisse. Schließlich sollte festgelegt werden, wer für die Erfolgsmessung verant-wortlich ist.