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Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit

Auf der Basis des Referenzmodells und der Praxiserfahrungen der befragten Unter-nehmen wurde eine Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit entwickelt.

Die Checkliste wurde auf einer Fachtagung mit Experten aus Wissenschaft und Pra-xis vorgestellt und validiert (Wingen u. Schulze, 2003b) sowie im Rahmen eigener betrieblicher Beratungsprojekte erprobt. Sie soll betriebliche Akteure während des Einführungsprozesses unterstützen, indem mit ihrer Hilfe die betrieblichen Rahmen-bedingungen und Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung von Vertrauens-arbeitszeit systematisch bewertet werden.

Dementsprechend sollte die Checkliste vor der Einführung von Vertrauensarbeitszeit angewandt werden, z. B. als Leitfaden für eine betriebliche Projektgruppe, welche die Einführung vorbereitet. Sinnvoll ist der Einsatz der Checkliste sowohl für Füh-rungskräfte, Personalleiter und betriebliche Arbeitszeitexperten als auch für die Mit-arbeitervertretung. Der Abgleich der Ergebnisse dient dabei zur Anregung eines be-trieblichen Diskussions- und Abstimmungsprozesses, und es wird dadurch auch deutlich, ob die nötige „Vertrauenskultur“ im Unternehmen bereits vorhanden ist.

Die Checkliste umfasst insgesamt 64 Aussagen zur Erfüllung der betrieblichen Vor-aussetzungen für die Einführung von Vertrauensarbeitszeit. Diese Aussagen sind analog zu den Handlungsfeldern des Referenzmodells in folgende Themenfelder ge-gliedert:

Themenfelder der Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit:

r Zielfindung

r Strukturelle und kulturelle Voraussetzungen - Kooperations- und Führungskultur

- Aufbau- und Ablauforganisation

- Arbeits- und Betriebszeitenmanagement

r Umfeldanforderungen - Kundenorientierung

- Persönliche Lebenssituation der Beschäftigten

r Ressourcenbereitstellung

r Planung des Einführungsprozesses

r Ergebniskriterien und Messmethoden

Auf einer vierstufigen Skala beurteilen die Anwender, ob sie der Aussage zustimmen und bewerten damit aus ihrer Sicht, inwiefern alle Voraussetzungen für die Einfüh-rung der Vertrauensarbeitszeit im Unternehmen erfüllt sind. Es folgen einige Auszü-ge aus einer beispielhaft ausAuszü-gefüllten Checkliste (s. Abb. 6.2 bis Abb. 6.4, die kom-plette Checkliste findet sich im Anhang 5).

I. Zielfindung

1. Die Einführung von Vertrauensarbeitszeit ist Teil einer erklärten Strategie zur Weiterentwicklung des Unternehmens.

X

2. Die mit VAZ angestrebten Ziele berücksichtigen sowohl die Unternehmens- als auch die Mitarbeiterinteressen.

X

II. Strukturelle und kulturelle Voraussetzungen 1. Kooperations- und Führungskultur

1.1 Vorgesetzte vertrauen ihren Mitarbeitern hinsichtlich der leistungsgerechten Aufgabenerfüllung.

X

1.5 Die Beschäftigten identifizieren sich mit dem Unternehmen und

sind engagiert bei der Arbeit. X

1.6 Es herrscht eine offene Informationsatmosphäre: Berichten "von oben" kann man trauen. Daten werden Betriebsrat und Beschäftigten nicht vorenthalten.

X

2. Aufbau- und Ablauforganisation

2.2 Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind klar geregelt. X 2.4 Auftragseingänge und Bearbeitungsreihenfolge sind für die

Mitarbeiter nachvollziehbar.

X

2.5 Die Mitarbeiter können in ihren Gruppen / Teams die Auftragsabwicklung eigenverantwortlich steuern.

X Die Aussage trifft...

voll eher weniger nicht zu zu zu zu

Abb. 6.2 Auszüge einer ausgefüllten Checkliste zur Einführung von Vertrauens-arbeitszeit – Teil 1

3. Arbeits- und Betriebszeitenmanagement

3.1 Die Betriebszeiten sind einvernehmlich festgelegt. X

3.3 Es gibt keine informelle Anwesenheitspflicht (nach dem Motto:

„Karrieren werden nach 17 Uhr gemacht!“).

X

3.4 Auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes wird geachtet, Erholungs- und Lernzeiten werden berücksichtigt.

X

III. Umfeldanforderungen 1. Kundenorientierung

1.5 Die Kunden (externe +interne) wissen, zu welchen Ansprech-zeiten sie qualifiziert und zuverlässig von Mitarbeitern bedient werden.

X

2. Persönliche Lebenssituation der Beschäftigten

2.1 Die persönliche Lebenssituation findet Berücksichtigung beim Umgang mit Zeitausgleich und Anwesenheit.

X

IV. Ressourcenbereitstellung

1. Das Unternehmen ist bereit, Zeit und Geld für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter zu investieren.

X

voll eher weniger nicht zu zu zu zu

Abb. 6.3 Auszüge einer ausgefüllten Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit – Teil 2

IV. Ressourcenbereitstellung Die Mitarbeiter sind

a) kompetent sich gegenseitig zu vertreten. X

2.

c) in der Lage, die Vertretung selbständig zu organisieren. X

4. Im Normalfall kann der Arbeitsanfall durch das vorhandene Personal bewältigt werden.

X

V. Planung des Einführungsprozesses

4. Die Einführung wird unter aktiver Beteiligung von Mitarbeitern und Führungskräften durchgeführt (z. B. im Rahmen von Workshops, Arbeitskreisen).

X

5. Betriebliche Funktions- bzw. Servicezeiten und -leistungen sowie Besetzungsstärken sollen von den Mitarbeitern in den einzelnen Abteilungen festgelegt werden.

XX

7. Qualifizierungen der Führungskräfte und Mitarbeiter zur Beherrschung neuer Anforderungen (z.B. Führungsverhalten, Zeitmanagement, Mehrplatzfähigkeit) sind geplant.

X

8. Ein Verfahren zum Umgang mit Überlastsituationen wird festgelegt und allen Mitarbeitern erläutert.

X

12. Es wird eine Betriebsvereinbarung erarbeitet, welche die Prozesse der Arbeitszeitregelung beschreibt und zum Ende der Testphase in Kraft treten soll.

X

VI. Ergebniskriterien und Messmethoden auswählen

1. Auf Basis der mit VAZ verbundenen Ziele werden messbare Ergebniskriterien (Kennzahlen, Indikatoren) für alle Stakeholder-Gruppen (Unternehmen, Mitarbeiter,

Kunden) ausgewählt. X

Die Aussage trifft...

voll eher weniger nicht zu zu zu zu

Abb. 6.4 Auszüge einer ausgefüllten Checkliste zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit – Teil 3

Mit Hilfe eines EDV-Tools können diese Ergebnisse anschließend ausgewertet und visualisiert werden. Differenziert nach einzelnen Themenfeldern wird der Er-füllungsgrad der Voraussetzungen mittels eines Spinnendiagramms dargestellt (s.

Abb. 6.5).

2,90

2,13

2,75 2,92

1,50

3,63

0,00 1,00 2,00 3,00 4,00

Qualität der Zielfindung

Verfügbarkeit struktureller und kultureller Voraussetzungen

Berücksichtigung der Umfeldanforderungen

Ressourcenbereitstellung Planung des

Einführungsprozesses Auswahl der Ergebniskriterien

und Messmethoden

durchschnittlicher Erfüllungsgrad nach subjektiver Einschätzung

Bewertungshilfe: Vorraussetzung sind voll erfüllt (= 4), überwiegend erfüllt (= 3), nur in Ansätzen erfüllt (= 2), nicht erfüllt (= 1)

Abb. 6.5 Erfüllung der Voraussetzungen zur Einführung von Vertrauensarbeits-zeit - ein Auswertungsbeispiel

Anhand dieser Auswertung lässt sich leicht ablesen, in wie weit die Voraussetzungen nach Einschatzung aller Beteiligten bereits erfüllt sind. Im oben dargestellten Beispiel ist die Qualität der Zielfindung hinreichend, während die Auswahl von Er-gebniskriterien und Messmethoden zur Erfolgsbewertung der Vertrauensarbeitszeit noch unzureichend berücksichtigt wurde.

Es empfiehlt sich, die Einzelbewertungen bei der Diskussion der

Auswertungser-gebnisse mit den Beteiligten hinzuzuziehen, da es sich bei dem visualisierten Er-füllungsgrad um aggregierte Durchschnittswerte auf der Basis mehrerer bewerteter Aussagen handelt.

6.3 Qualifizierungskonzept „Vertrauensarbeitszeit: Gesundheits-und leistungsförderliche Einführung Gesundheits-und Gestaltung in Unter-nehmen und öffentlichen Einrichtungen“

Zur Befähigung betrieblicher und außerbetrieblicher Akteure, Modelle der Vertrau-ensarbeitszeit leistungs- und gesundheitsgerecht zu gestalten, wurde ein spezielles Qualifizierungskonzept entwickelt, dass dazu geeignet ist, Wissen über die Bedeu-tung, Chancen und Risiken der Vertrauensarbeitszeit, die Gestaltungsanforderungen und zu berücksichtigenden Einflussfaktoren bei der Einführung sowie über bewährte Methoden und Vorgehensweisen zu vermitteln. Das Qualifizierungskonzept basiert auf den Erkenntnissen aus dem zugrunde liegenden Forschungsprojekt (s. insbe-sondere die Kap. 3 bis 6.2 in diesem Buch) und eigenen Praxiserfahrungen mit der Umsetzung von Vertrauensarbeitszeit. Mit diesem Wissen können Multiplikatoren die Zielgruppen in Unternehmen bei der Gestaltung und Verbesserung von Konzepten der Vertrauensarbeitszeit unterstützen.

Das Qualifizierungskonzept umfasst folgende 10 Themenmodule:

1. Begriffsbestimmung

· Definition

· Merkmale/Elemente

· Varianten

· Abgrenzung zu anderen flexiblen Arbeitszeitmodellen 3. Ziele der Einführung aus

Arbeitgebersicht

· allgemein / spezifisch

· wirtschaftlich

· personalpolitisch

· sozial

4. Chancen und Risiken aus Beschäftigtensicht

· Autonomie

· Arbeits- und Lebensgestaltung

· Belastung

· Berufliche Entwicklung

· Motivation/Zufriedenheit

· Kooperation

5. Arbeitszeitregelungen

· Unternehmenskultur und Führung

· Qualifizierung, Teamentwicklung

· Arbeitsorganisation/

· Information / Partizipation

· Testphase

10. Werkzeuge und Methoden

· Referenzmodell + Checkliste

· Mitarbeiterbefragung

· Service-Triangel

· Formulare zur Selbstaufschreibung

Diese Module können je nach Zweck und Zielgruppe einer Qualifizierungsmaß-nahme wahlweise kombiniert und eingesetzt werden. Die nachfolgende Tabelle 6.1 gibt einen Überblick zur Relevanz der einzelnen Themenmodule für vier ausgewählte Zielgruppen.

Zur Umsetzung des Qualifizierungskonzepts sind drei verschiedene Varianten vor-gesehen:

r ein Informationsseminar zur Vermittlung von Grundlagen,

r ein Vertiefungsseminar zu ausgewählten Themenmodulen sowie

r ein Workshop zur betrieblichen Einführung oder Weiterentwicklung von Vertrau-ensarbeitszeit.

Einen entsprechenden Überblick bietet die Tabelle 6.2. Ein Beispiel-Design eines Informationsseminars für betriebliche Arbeitsschutzakteure findet sich im Anhang 6.

Tab. 6.1 Relevanz der Themenmodule für verschiedene Zielgruppen

Ge-staltungsfelder

++ + + O

8.

++ = unverzichtbar, + = sehr wichtig, O = wichtig

Tab. 6.2 Zielgruppenspezifische Umsetzung des Qualifizierungskonzepts in drei Varianten

Zielgruppen Seminar-/

Workshoptyp

Dauer Lernort Mögliche Träger / Veranstalter und Haus der Technik, pri-vate Bildungsträger,

Std. Inhouse private Bildungsträger, Berater, Unternehmen

BAuA, LAFA, BG, Haus der Technik, private

Bil-dungsträger, Berater BG, Haus der Technik, private Bildungsträger,

Berater

7 Quintessenzen und Ausblick

Vor dem Hintergrund der dargestellten Erkenntnisse zur Vertrauensarbeitszeit in der betrieblichen Praxis folgt abschließend eine Darstellung von Quintessenzen im Hin-blick auf beobachtete Wissens- und Gestaltungsdefizite in der Praxis, die im Zusam-menhang mit neu sich herausbildenden Forschungsfragen diskutiert werden. Die Forschungsfragen reichen zum Teil deutlich über die Thematik Vertrauensarbeitszeit hinaus und lassen sich im Themenfeld Arbeitszeitgestaltung einordnen.