DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FÜR SIE GELESEN Tumormarker
zum Teil zonalen Anordnung der Tumorzellen, in der häufigen Be- gleitreaktion nicht neoplastischer Zellen, in den „Mischtypen" ver- schiedener Lymphome, in der zur Zeit problematischen Nomenkla- tur (24).
Oft kommt es schon im Stadium der Metaplasie — noch ohne Tu- mor — zur genetischen Expression eines codierenden Gens oder ei-
nes viralen Ersatzgens. Die mei- sten immunhistologischen Nach- weise müssen zur Zeit allerdings am Nativmaterial geführt werden;
wenige sind auch auf die üblichen Formolfixierungen übertragbar.
Nach Moll/Mainz—Heidelberg (3) haben alle Zellen epithelialer Her- kunft ein Zytoskelett von Keratin, so daß sich bei guter Technik und einem entsprechenden Marker selbst in anaplastisch entarteten Tumorzellen der Nachweis des Gesamtkeratins und damit die epi- theliale Herkunft noch führen läßt.
Durch zusätzliche Marker läßt sich oft, aber nicht immer der Nach- weis des Muttergewebes führen.
Damit können durch Subtypisie- rung bei Metastasen die Herkunft, etwa aus Zylinder- oder Platten- epithel, und die Herkunft aus ei- nem parallel untersuchten Primär- tumor festgestellt werden. Das
„Tissue-Polypeptid-Antigen"
(TPA) ist ebenso wie das „Epithe- loid-Membran-Antigen" (EMA) vermutlich eine Mischung ganz verschiedener Antigene.
Mesenchymale Tumoren (Alt- mannsberg/Gießen—Heidelberg [3]) enthalten als Marker Vimetin und gelegentlich Desmin. Letzte- res ist besonders für myogene, er- steres für Weichteiltumoren ty- pisch. Bei Mischungen mit Ge- samtkeratin werden Karzino-Sar- kome angenommen.
Von den endokrinen Organen (Heitz/Basel—Heidelberg [3]) pro- duzieren die 39 bis 79 Prozent frü- her als chromophob eingestuften Adenome und Karzinome der Hy- pophyse immunchemisch meist alle drei Hormone oder (seltener)
auch nur Alpha-Glykoproteide.
Beta-Glykoproteide kommen bei wenigen Tumoren vor.
Für die Schilddrüse ist ein guter Marker STH, das bei 80 bis 90 Pro- zent aller Tumoren positiv ist und nach operativer Entfernung des Tumors verschwindet. Speziell medulläre Schilddrüsenkarzinome sind mit Antikörpern gegen Calci- tonin und neurospezifische Enola- se nachweisbar.
Für die Nebenschilddrüse gilt un- verändert die Lichtmikroskopie als überlegen. Auch für die Nebennie- ren gibt es—außer den Hormonbe- stimmungen — bisher keine zuver- lässigen Marker.
An dieser Stelle müssen noch die Lektine als Marker in der histologi- schen Diagnostik der Tumoren er- wähnt werden, da sie ganz charak- teristische Glykokonjugatmuster bei verschiedenen Tumoren auf- zeigen können und sich als histo- logische Malignitätsmarker be- währt haben.
Trotz aller Fortschritte ist die Dia- gnostik immer in das klinische be- ziehungsweise pathologisch-ana- tomische Gesamtbild einzubauen.
So sagte ein Referent in Heidel- berg: „Wer nur den Antikörpern traut, der hat damit auf Sand ge- baut." Senn (23) meinte ebenso skeptisch in München, daß wir zur Zeit „zu viele Marker mit zu wech- selnden Kenntnissen darüber"
hätten. Solche berechtigte Kritik wird aber den Fortschritt der tu- morassoziierten Marker in Diagno- stik, Prognostik und Therapie langfristig nicht aufhalten.
Herrn Prof. Dr. G. Uhlenbruck, Leiter der Abteilung für Immunbiologie der Medizi- nischen Universitätsklinik I (Direktor:
Prof. Dr. V. Diehl) danke ich für die freundliche Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Ratschläge.
Literatur im Sonderdruck, zu be- ziehen beim Verfasser:
Professor Dr. med. Rudolf Gross Herbert-Lewin-Straße 5
5000 Köln 41
Zeitbomben:
Primäre
Dünndarmtumoren
Primäre Dünndarmtumoren sind seltene Neubildungen, die in 0,095 bis 6 Prozent, bezogen auf alle ga- strointestinalen Tumoren, beob- achtet werden. In großen Statisti- ken wird eine bevorzugte Lokali- sation im Ileum sowie ein Überwie- gen der malignen Formen im Ver- hältnis 1,8:1 zu den benignen Tu- moren beschrieben.
Die Symptomatik ist meist uncha- rakteristisch mit rezidivierenden kolikartigen Leibschmerzen, Übel- keit, Brechreiz, Gewichtsabnahme und einer Anämie. Allerdings müs- sen 20 bis 55 Prozent der Patien- ten wegen Komplikationen wie Ileus, Blutung oder Perforation la- parotomiert werden.
Die Endoskopie vermag Tumoren bis zum Treitzschen Band pro- blemlos aufzudecken. Röntgeno- logisch können bei gezielter Fra- gestellung Geschwülste in 70 bis 80 Prozent in Abhängigkeit von der Größe und Lokalisation darge- stellt werden. Die relative Selten- heit, die verschleierte Symptoma- tik sowie die fehlende Berücksich- tigung als Differentialdiagnose führen zu einer Anamnesedauer von durchschnittlich 12 bis 18 Mo- naten und inkurablen Tumorsta- dien in ca. 50 Prozent. Die Opera- tionsletalität ist dementsprechend hoch mit durchschnittlich 20 Pro- zent. Die Fünf-Jahres-Überlebens- rate schwankt je nach histologi- schem Befund zwischen 20 und 50 Prozent.
Die Autoren empfehlen daher bei unklaren abdominellen Schmer- zen, insbesondere mit peranalen Blutungen, differentialdiagno- stisch einen Dünndarmprozeß zu berücksichtigen. btg
Böttger, Th., Schröder, D., Ungeheuer, E.: Zeit- bomben: Primäre Dünndarmtumoren, Diagno- stik 19 (1986) 3, 20-24.
Dr. Th. Böttger, Krankenhaus Nordwest, Stein- bacher Hohl 2-26, 6000 Frankfurt.
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 34/35 vom 22. August 1986 (41) 2293