eim primär operablen Brust- krebs verspricht die bisher ex- perimentelle Methode einer präoperativen Chemotherapie verschiedene Vorteile: Bei kompletter pathologischer Remission sind die höchsten Überlebensraten zu erwar- ten, mit einer partiellen Remission steigen die Chancen für eine bruster- haltende Therapie. Diese theoreti- schen Vorzüge werden in einer bun- desweit angelegten Studie überprüft.
Der Grundgedanke für dieses neue Behandlungskonzept fußt auf Erkenntnissen von Prof. Bernhard Fisher (Pittsburgh), der das Konzept – und seine eigenen Ergebnisse – bei ei- nem Symposium in der Frankfurter Universitäts-Frauenklinik ausführte.
Fisher hat bereits vor Jahren die heu- te allgemein akzeptierte Auffassung vertreten, daß der Brustkrebs zum Zeitpunkt der Diagnosestellung be- reits eine systemische Erkrankung darstellt. Folgerichtig wurde das gän- gige Konzept der Operation und Ra- diatio durch eine anschließende Che- motherapie ergänzt, um auch die Mi- krometastasen zu „treffen“.
Systemische Erkrankung bei Diagnose
Bei nodalpositiven Frauen konn- te dadurch das krankheitsfreie Inter- vall erheblich verlängert, eine signifi- kant höhere Überlebenszeit erzielt werden, so Fisher. Bei diesem Vorge- hen war allerdings nie zu ermitteln, welche Mikrometastasen auf die zytotoxische Therapie ansprechen:
Für den Einzelfall war keine Pro- gnose möglich. Von der neoadjuvan- ten Chemotherapie erwartet Fisher zwar – über alle Patientinnen gese- hen – keine verbesserten Überlebens- raten, sehr wohl jedoch prädiktive Aussagen für den Einzelfall. „Wenn der Primärtumor auf die zytotoxische Therapie reagiert, ist anzunehmen, daß diese auch systemisch erfolg- reich ist.“
In eigenen Studien hat Fisher bei diesem Vorgehen 36 Prozent kom- plette und 43 Prozent partielle Remis- sionen in einem Kollektiv von fast 1 500 Brustkrebs-Patientinnen nach- gewiesen. Bei über 80 Prozent der Frauen reduzierte sich die ursprüng-
liche Tumorgröße unter der Chemo- therapie auf weniger als die Hälfte;
bei vielen Frauen mit großem Tumor konnte deshalb anstelle der vorgese- henen Mastektomie eine brusterhal- tende Therapie durchgeführt werden.
Darüber hinaus nahm die Gruppe der nodalnegativen Brustkrebs-Patientin- nen um 37 Prozent zu. Die Lang- zeitprognose des Gesamtkollektivs blieb bei diesem Vorgehen unverän-
dert. Diese Ergebnisse haben die Ger- man Adjuvant Breast Cancer Group zur Initiierung einer Multicenter- studie unter Leitung von Prof. Man- fred Kaufmann (Frankfurt) veranlaßt.
Anstelle von Cyclophosphamid wie in den US-Studien wird zur Chemo- therapie jetzt jedoch Docetaxel mit Adriamycin kombiniert. Damit wer-
den „die derzeit wirksamsten Medika- mente“ eingesetzt, so Dr. Serban-Dan Costa.
In die German-Preoperative- Adriamycin-Docetaxel- (GEPARDO-) Studie sollen rund 200 Frauen mit meßbarem, operablem und histolo- gisch bestätigtem Mammakarzinom (T größer/gleich drei Zentimeter, N 0-2, M 0) aufgenommen und ran- domisiert vier Zyklen einer dosis- intensivierten Chemotherapie mit oder ohne Tamoxifen zugeführt wer- den. Von der zusätzlichen Tamoxifen- Gabe erhoffen sich die Onkologen eine gesteigerte Effektivität. Acht Wochen nach Therapiebeginn kann dabei die Operation stattfinden.
Pilotstudie mit 32 Patienten
Das primäre Zielkriterum der Studie ist die Zahl der pathologisch kompletten Remissionen. Sekundär wird die Steigerung der klinischen Remissionsrate, die Zunahme der brusterhaltenden Operationen sowie die Klärung der Toxizität des Regimes ermittelt. Außerdem soll eine Sub- gruppenanalyse angeschlossen wer- den. Geplant ist eine Nachbeobach- tungszeit von zwei Jahren.
In einer Pilotstudie mit 32 Pa- tientinnen wurden 60 Prozent par- tielle und eine komplette Remission beobachtet. Als wichtigste Neben- wirkung zeigte sich eine – meist mil- de – Mucositis. Durch den Einsatz von Wachstumsfaktoren wie G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulieren- der Faktor) lassen sich laut Costa zytostasebedingte Neutro- und Leu- kopenien vermeiden.
Dr. Renate Leinmüller A-2753
P O L I T I K MEDIZINREPORT
Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 44, 30. Oktober 1998 (33)
Brustkrebs
Primäre Chemotherapie als prognostischer Marker
Studien zur präoperativen Zytostatika-Gabe überprüfen die Möglichkeit der Brusterhaltung und klinischen Remissionsrate.
B
Die Brusterhaltung ist für Krebspatientinnen von besonderer psychologischer Bedeutung.
Foto: Motiv für einen Workshop über tumoradaptierte Brustchirurgie am Evangelischen Krankenhaus Bethesda in Mönchengladbach